kompletter Text - atelier eva wagner

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Rede zur Eröffnung der Ausstellung Eva Wagner in der Firma Rectus am
22. November 2003
Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren,
„Anschauen: alles, was den Umriss, die Kontur, die Kategorie, den Namen, den
es trägt, überschreitet.“
Diesen Satz, aufgeschrieben von John Berger in einem seiner wunderbaren
Aufsätze über Kunst, stelle ich als Motto über diese kurze Einführung, bevor wir
nachher zu dem eigentlich zentralen Teil des Abends kommen, zu dem Gespräch
zwischen Professor Angelika Bäumer und der Künstlerin Eva Wagner.
„Anschauen: alles, was den Umriss, die Kontur, den Namen, den es trägt,
überschreitet.“
Warum dieses Zitat zur Einleitung?
Weil es, so finde ich, sowohl für den Sammler als auch für die Künstlerin stehen
kann, für Peter Klein und Eva Wagner. John Bergers Aufruf „Anschauen“
beschreibt ein Streben, das beide miteinander verbindet, er fordert eine
Leidenschaft für die sichtbare Welt, die der eine mit der anderen teilt. Denn was
ist es letztlich, das den Sammler und den Künstler antreibt, worin treffen sie
sich, diese zwei Pole im Marktgetriebe der Kulturen, die in gewisser Weise
voneinander abhängig sind? In ihrem Streben, Grenzen zu überschreiten, so
würde ich antworten, Konventionen zu brechen, Erkenntnis im Neuen zu
gewinnen, in ihrer kompromisslosen Art, die Welt „anzuschauen“.
„Künstler“, so hat Walter Grasskamp in einem Aufsatz über das Verhältnis
zwischen Kunst und Geld geschrieben, „Künstler lieben die Sponsoren wenig;
sie bevorzugen den Privatsammler (…). Das hat nicht zuletzt auch
psychologische Gründe.“ Denn sie würden in ihm, dem Sammler, einen
Seelenverwandten erkennen, der, wenn schon nicht seine gesamte Existenz, so
doch einen bemerkenswerten Anteil davon in die Kunst investiere, jedenfalls
mehr als einfach nur Geld; seine Glaubwürdigkeit liege für die Künstler im
Qualitätsbewusstsein, Zeitaufwand, in der Risikobereitschaft und seinem
darüber hinaus gehenden persönlichen Engagement begründet.
Peter Klein ist so ein Typ von Privatsammler, wie Künstler ihn sich wünschen.
Ihn lässt die Leidenschaft für die Kunst einiges wagen und vieles gewinnen. Die
Vorstellung, dass Bildende Kunst, Musik, Theater, Literatur in der Geschichte
unverzichtbare Wegbereiter für die Veränderung der Wahrnehmungsformen
gewesen sind, ist für ihn selbstverständlich. Und er ist Unternehmer genug, um
zu wissen, dass ein gewisses Risiko sich lohnen kann, dass das, was in der
jeweiligen Gegenwart oft unverständlich schien, ja bekämpft wurde, später die
Basis für Reformen und Entwicklungen gelegt hat. Das gilt für technische
Erfindungen ebenso wie für weltpolitische Zusammenhänge – gerade auch in
dieser Zeit. Der Prozess der Globalisierung, der überall beschworen wird, ist –
das haben uns die schrecklichen Terroranschläge der vergangenen 15 Monate
gezeigt – nur ein oberflächlicher. Wenn es uns nicht gelingt, das Fremde im
Anderen akzeptieren und verstehen zu lernen, werden wir nicht in Frieden leben
können.
Die Kultur, die Kunst ist ein wichtiger Vermittler hin zu Verständigung und
Toleranz. „Ein Bild“, so hat Peter Klein einmal in einem Gespräch gesagt,
„öffnet Horizonte, lässt einen in andere Lebenswelten eindringen und diese
verstehen.“ Wenn er nun also geschäftlich von Kontinent zu Kontinent reist,
dann reicht es ihm nicht, mit guten Verträgen nach Hause zurück zu kommen, er
möchte auch ein paar gute Bilder im Gepäck haben. Das ist unser Glück! Denn
Peter Klein versteckt seine Schätze nicht, sondern lässt seine Mitarbeiter, seine
Gäste, also uns, daran teilhaben. Und so können wir mit ihm die Welt bereisen –
die reale, von Land zu Land, und die Welt im Kopf der Künstler, deren Arbeiten
ihn berühren. Vor einigen Wochen waren wir so bei den Aboriginies; heute sind
wir in Wien gelandet.
Seit etwas mehr als zehn Jahren sammelt Peter Klein Kunst. Glaubt man seinen
Erzählungen und den eigenen Augen – und es gibt ja keinen Grund daran zu
zweifeln – dann ist diese Passion immer noch ungetrübt, dann kribbelt es immer
noch im Bauch, wenn es zwischen Betrachter und Bild funkt, wenn es plötzlich
allein darum geht, dieses eine Werk zu besitzen. Dass er mit seinen Käufen auch
in die Zeit hineinwirken, junge Künstler naher und ferner Länder unterstützen
will, ist ein weiterer Aspekt. Doch wäre die Liebe nicht, wäre die Ausstrahlung
schnell dahin. Denn wir wissen ja mit jedem Blick in diese Sammlung oder –
wie jetzt – in eine Ausstellung ergänzend zu der Sammlung, wagen wir uns auch
ein wenig in das Herz dessen vor, der ruhe- und rastlos durch die Städte zieht,
um zu finden, was ihm neue Herausforderung, neuer Anfang, Zauber sein kann,
und der es uns – quasi als Geschenk - mitbringt.
In dieser Hinsicht ist Peter Klein ein typisches, wenn auch selten gewordenes
Beispiel für die „Gattung“ Sammler, wie sie der amerikanische Psychoanalytiker
Werner Muensterberger beschreibt. Muensterberger weist in seinen Studien auf
„den subjektiven Aspekt des Sammelns“ hin und erklärt: „Die Emotionen und
häufig die Begeisterung, die den Sammelobjekten entgegengebracht werden,
stehen nicht notwendigerweise im Einklang mit deren Besonderheit oder
kommerziellem Wert und haben auch nichts mit irgendeiner Art der
Brauchbarkeit zu tun. Für den wirklich begeisterten Sammler haben die ‚Dinge’,
die er sammelt, eine andere Bedeutung und sogar das Potenzial einer fesselnden
Kraft.“
Das Potenzial einer fesselnden Kraft haben für Peter Klein auch die Bilder von
Eva Wagner. Heute Abend haben wir die Chance, dieses Potenzial auch für uns
zu entdecken. Mitte der neunziger Jahre kaufte Peter Klein sein erstes Bild von
Eva Wagner. Die in Salzburg geborene Malerin, die in Wien studiert hat und
dort auch lebt, war damals noch keine dreißig Jahre alt. Sie war das, was man
eine junge Künstlerin nennen würde, außerhalb von Wien noch relativ
unbekannt, wenn auch bereits als Dozentin an der Hochschule für Angewandte
Kunst erprobt. Aus kaufmännischer Sicht war es also mutig, die ersten Arbeiten
zu erwerben; aus Sicht des Sammlers war es – wie sich heute zeigt – klug. Denn
Eva Wagner hat sich behauptet, und Peter Klein hat den Faden zu ihr und zu
ihrem Werk nicht verloren.
Ihre Bilder fügten sich schon damals gut in diese Sammlung, denn auch wenn es
für Peter Klein unabhängig von seinem eigenen – nennen wir es mal –
Geschmack keine weiteren Vorgaben gab und gibt – also keinerlei Festlegungen
auf bestimmte Stile, Techniken und Marktanalysen -, so dominiert bei seiner
Auswahl eine gewisse Tendenz zur figurativen, atmosphärischen Malerei. Doch
natürlich wäre das allein viel zu wenig, um das erste, zweite, dritte, vierte, fünfte
Bild einer Künstlerin zu kaufen und sie schließlich in einer Einzelausstellung zu
präsentieren. In den Bildern selbst wird Peter Klein vielmehr das eine oder
andere wieder gefunden haben, das ihn selbst in seinem Inneren bewegt.
„Das Sichtbare“, so führt John Berger den anfangs zitierten Gedanken weiter,
„ist ein Bestandteil dieses Lebens; es kann ohne Leben nicht bestehen. In einem
toten Universum ist nichts sichtbar. – Sichtbarkeit ist eine Form des Wachstums.
– Das Ziel: die Erscheinung eines Dings (sogar eines unbelebten Dings) als
Wachstumsstufe zu sehen (…)“
Dieses Verständnis von Sichtbarkeit als einen Prozess, der sich verändert,
wandelt, reift, zu dem Erinnerung genauso gehört wie Erahnen, In-Frage-Stellen
genauso wie Erkennen - dies könnte ein Punkt sein, an dem Eva Wagner und
Peter Klein sich in ihrer Vorstellungswelt begegnen.
Ich möchte, um diesen Gedanken weiter zu führen, nur kurz einen Blick auf die
Bilder werfen, die Eva Wagner hier zeigt, ohne dabei dem anschließenden
Gespräch zuvorzukommen, aber vielleicht können Sie, meine Damen und
Herren, diese Malerei, die Tiefe, das Licht, das Geheimnis, das in ihr steckt,
einmal für wenige Minuten als etwas Wachsendes, Sich-Veränderndes
wahrnehmen. Denn diese Kompositionen – ich verwende hier bewusst einen
Begriff aus der Musik, weil ich finde, dass in diesen Bildern sehr viel
musikalisches Gefühl steckt – entstehen aus einer Tiefe von bis zu dreißig
Farbschichten heraus, die mal dümmer mal dicker, mal transparenter mal
deckender, mal malerischer mal grafischer, mal figürlicher mal abstrakter
übereinander gelegt werden, wie Bilder in der Erinnerung, wie Traumszenen,
diffuse Ahnungen, vage Gefühle, wie eine Reise in unser Inneres. Es sind
Farbgewebe, glänzend oder matt, die zu Lichtgespinsten werden. Bei Tag, bei
Nacht eröffnen sie neue Perspektiven, weshalb ich Sie nur einladen kann, am
Sonntag, dem Tag der offenen Tür, noch einmal wieder zu kommen und die
anderen Seiten, die Tageslichtseiten, zu entdecken.
Man könnte also sagen, auch Eva Wagner ist eine reisende Sammlerin. Sie folgt
tief liegenden Spuren nach, in die Räume der Farben, entlang der Wege des
Lichts, und sammelt Töne, Klänge, Fragmente von Körpern, Gesichtern,
Haltungen, die auftauchen und wieder verschwinden, Schemen nur, Schatten aus
einer anderen Zeit.
„Einzelne Objekte“, schreibt John Berger weiter, „sind wie vereinzelte Wörter,
Sinn lässt sich nur in der Beziehung zwischen ihnen finden. Was ist der Sinn,
der sich im Sichtbaren findet? Der einer Energieform, die sich ständig wandelt.“
Peter Klein ermöglicht es uns, diese Beziehungen herzustellen und uns im
Anschauen von Kunst zu wandeln. Die Bilder von Eva Wagner demonstrieren
dabei nicht nur, wie wichtig dieses Sammler-Engagement für die Kunstszene der
Region ist – den wo könnten wir ihren Arbeiten sonst begegnen -, sie zeugen
auch vom Zauber der Kunst und ihrer Kraft. Speziell für diese Ausstellung ist
das große hochformatige Gemälde entstanden, das Sie, meine Damen und
Herren, direkt hier in der Eingangshalle sehen können und das den poetischen
Titel „Luftprobe“ trägt. Man könnte sagen, es ist ein zarter Hauch, ein Geruch
aus der Vergangenheit, eine zerbrechliche Schichtung feinster Farbnuancen, ein
sensibles Spiel aus grafischer Linie, körperlicher Kontur, tanzenden Ringen und
schwebenden Farbflächen – zugleich aber füllt es mit seiner Energie den ganzen
Raum, demonstriert seine Stärke, so dass wir den Blick kaum abwenden können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie sich von diesem Energiefeld gefangen
nehmen.
Petra von Olschowski
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