7 Menschliche Rede von Gott Inhalt S.150-163 7.1 Dreigliedrige Transformation Worin besteht nun die Eigenart von Begriffen wie »Grund, der erfahrungstranszendent ist«, oder »unbewegter Beweger«? Aus den Wegen zum Aufweis eines solchen Grundes ergibt sich, dass sie drei Momente -in der Scholastik »Wege« oder »Weisen« genannt - vereinen: Erstens wird dem dabei Gemeinten eine Bestimmung zugesprochen - weshalb von »bejahender Weise« gesprochen wird (modus affirmativus oder modus causalitatis). So wird bejaht, dass es sich um etwas handelt, das Sachgrund für das Erklärungsbedürftige ist, das daher z. B. Bewegung ermöglicht und in diesem Sinn Beweger ist. Zweitens wird dem dabei Gemeinten einiges abgesprochen, das dem zunächst Erfahrbaren eigentümlich ist, weshalb von »verneinender Weise« (modus negationis oder modus remotionis) gesprochen wird. Nach dem Regressprinzip müssen nämlich jene Bestimmungen, deren Vorhandensein gerade Anlass war, über das Begegnende hinaus nach einem von ihm vorausgesetzten Grund zu fragen, von diesem vorausgesetzten Grund ausgeschlossen werden. So, ist von dem Beweger von Bewegtem, der nach dem Bewegungssatz letztlich vorauszusetzen ist, jene Eigentümlichkeit an erfahrbaren Bewegern auszuschließen, dass sie selbst in Bewegung sind. Die Vereinigung dieser beiden Elemente - »Beweger«, aber »unbewegt« - führt in der »Weise der Steigerung« (modus eminentiae oder modus excellentiae) zum Begriff des »unbewegten Bewegers«. Als Steigerung kann dies verstanden werden, weil hier die erklärende Kraft von nächsten Gründen gesteigert wird zur erklärenden Kraft des ersten Grundes. |151 7,2 Unanschaulichkeit und Unbegreiflichkeit Gottes Eine Folge der Überlegungen, in welchem Sinn von Gott Aussagen gemacht werden können, ist, dass die dem Urgrund eigene Realisierungsweise der ihm zukommenden Gehalte für uns nicht anschaulich vorstellbar sein kann - das ist das Berechtigte am Anliegen der negativen Theologie. In den Gegenständen unserer direkten Erfahrung sind uns nämlich immer nur endliche und begrenzte Realisierungsweisen solcher Gehalte gegeben. Nun sind aber anschauliche Vorstellungen durch die Gegebenheiten der direkten Erfahrung bestimmt. Also enthält das anschaulich Vorstellbare notwendig Zeichen der Kontingenz und der Begrenzung. Dass der Inhalt von Eigenschaften, die Gott zugesprochen werden, uns nicht anschaulich vorstellbar ist, ist darum kein Einwand gegen die Berechtigung des Zusprechens. Vielmehr erinnert uns dies an die Grenzen unserer Anschauung und mahnt uns zu entsprechender Vorsicht in unserem Sprechen von Gott. Ähnliches lässt sich feststellen, wenn man unter »Begreifen« eines Gegenstandes seine Einordnung in ein Ordnungsschema uns bekannter Dinge versteht oder das Erklären der Eigenschaften eines Dinges als Folge des Wirkens anderer Dinge. Beides widerspricht einem ersten Erklärungsgrund, weshalb Gott und die Eigenschaften Gottes uns in diesem Sinn unbegreiflich sein müssen. Das schließt nicht aus, dass wir Begriffe von den aufgrund der Gottesbeweise Gott zuzusprechenden Bestimmungen bilden. Die Unvorstellbarkeit und Unbegreiflichkeit Gottes wird manchmal als »Geheimnis« bezeichnet.1 Wird daher der Versuch, sich Eigenschaften Gottes vorzustellen und sie zu begreifen, mit Berufung darauf abgewiesen, dass Gott »unbegreifliches Geheimnis« sei, so ist das nicht ein willkürliches Verbieten von Fragen oder eine Ausflucht, sondern eine als notwendig erweisbare Eigentümlichkeit des Sprechens vom Absoluten. Bei der Verwendung uns vertrauter Worte |152 in Aussagen von Gott ist zu bedenken, dass das in diesem Zusammenhang Gemeinte nicht einfachhin den alltäglichen Beispielen zu entnehmen ist, in 1 K. Rahner, Über den Begriff des Geheimnisses in der katholischen Theologie, in: ders., Schriften zur Theologie IV, Einsiedeln 1960, 51-99; ders., Über die Unbegreiflichkeit Gottes, in: Tommaso d'Aquino nel suo VII Centenario, Rom 1974, 101-113. denen wir das Wort gewöhnlich verwenden. Das in diesen Beispielen Gemeinte muss vielmehr den dreifachen Transformationsprozess durchlaufen. So ist das herauszuarbeiten, was im Zusammenhang von Aussagen über Gott gemeint ist. Im Jahre 1215 hat z. B. das Vierte Laterankonzil in Verteidigung der Trinitätslehre des Petrus Lombardus zur Vorsicht in Aussagen über Gott gemahnt und eingeschärft, dass das von Gott Ausgesagte ihm auf eine ihm eigentümliche Weise zukomme. »Denn von Schöpfer und Geschöpf kann keine Ähnlichkeit ausgesagt werden, ohne dass sie eine größere Unähnlichkeit zwischen beiden einschlösse«2 Viele in der philosophischen Gotteslehre diskutierten Fragen finden ihre Klärung vor allem dadurch, dass diese Eigentümlichkeit der Aussagen von Gott ernst genommen und folgerichtig angewendet wird. Die dabei herausgearbeiteten Präzisierungen werden dann auch in der Theologie verwendet - oder sie sind in Zusammenhang mit theologischen Fragestellungen unter Verwendung von Überlegungen, die philosophisch entfaltet werden können, entwickelt worden. Eine Folge der Unanschaulichkeit und Unbegreiflichkeit Gottes ist es, dass bei der Verwendung von anschaulichen Bildern oder Ausdrücken, die solche bezeichnen, diese immer auch als unzureichend mitbedacht werden müssen. In der Praxis geschieht dies oft dadurch, dass zur Korrektur ein komplementäres Bild beigefügt wird. Versteht man solche Formulierungen im Sinn der in Aussagen von Gott erforderlichen Transformation, dann sind sie durchaus sinnvoll und widerspruchsfrei. Interpretiert man sie ohne Berücksichtigung der Eigenart analogen Sprechens von Gott, dann erscheinen sie widersinnig. Der um Verständnis bemühte Hörer wird dadurch auf die nicht berücksichtigten Verständnisvoraussetzungen aufmerksam gemacht. Manche billige Polemik gegen die Widersprüchlichkeit von Aussagen von Gott scheint ein Zeichen dafür zu sein, dass diese Voraussetzung nicht beachtet wird. |153 7.3 Möglichkeit bejahender Aussagen In späterer Systematisierung wurden bestimmte Gehalte, die man Gegenständen zusprechen kann, je nach der Weise unterschieden, wie sie für umfassendere Begriffsbildungen und für Aussagen von Gott verwendbar sind und dabei transformiert werden müssen. Solche Gehalte von Seiendem, Seinsgehalte, wurden der Akt-Potenz-Lehre entsprechend (vgl. 5.1.2.1.3) als Akte aufgefasst, die in den uns zunächst erfahrbaren Gegenständen, wenn sie diesen zukommen, die Potenz, Fähigkeit des Gegenstandes erfüllen, aktualisieren. Deshalb werden solche Gehalte auch »Vollkommenheiten« (perfectiones) genannt, weil sie als - zumindest teilweise - Vervollkommnung dessen, wozu ein Ding fähig ist, aufgefasst werden können. Wenn aber - wie in weiteren Wegen zu Gott bei Thomas noch verdeutlicht wird - jede PotenzAkt-Spannung in einem Seienden dieses als abkünftig, also als bedingt durch einen von ihm verschiedenen Seinsgrund erweist, dann muss dieser Gehalt dem Urgrund und damit Gott in einer nicht durch Potenz eingeschränkten Weise, in reiner Aktualität (actus purus) zukommen. Begrenzte (»gemischte«) Vollkommenheit (perfectio mixta) wird nun ein Gehalt genannt, der bereits von sich aus wesentlich eine Begrenzung einschließt: sei es eine Potentialität, sei es der Ausschluss anderer Gehalte, der nicht in einer Begrenzung dieser anderen Gehalte gründet. So schließt »mit den Augen sehen« wesentlich ein Sinnesorgan mit seiner Fähigkeit, durch Eindrücke bestimmt zu werden, ein und schließt zugleich bestimmte Formen geistigen Erkennens aus. Natürlich kann man zu einer weniger eingeschränkten Betrachtung übergehen und das Sehen mit den Augen als einen Spezialfall eines umfassenden Erkenntnisbegriffs verstehen. »Sehen mit den Augen« wird dann ein Sonderfall sinnenhafter Erkenntnis. Verglichen mit dem Gehalt von »Erkennen« sagt man dann, dass auch das sinnenhafte Erkennen darin enthalten ist, aber 2 J. Neuner/H. Roos, Der Glaube der Kirche, Regensburg 91975, n. 280, S. 176 nicht als solches (formaliter), sondern in einer höheren Weise (eminenter und virtualiter). So lassen sich begrenzte Vollkommenheiten auf reine beziehen. Dadurch werden umfassendere Aussagen möglich. Reine |154 oder einfache Vollkommenheit (perfectio pura oder perfectio simplex) wird ein Gehalt genannt, der von sich aus weder eine Begrenzung einschließt noch eine andere reine Vollkommenheit ausschließt. Beispiele dafür sind Sein, Wissen, Leben (wenn es nicht auf organische Lebensformen begrenzt ist, sondern auch allfälliges geistiges Leben umfasst). Für Thomas ist Sein dann die Vollkommenheit aller Vollkommenheiten, der Gehalt, durch den jeder Gehalt ermöglicht ist, weil jeder Gehalt zugleich ein Seinsgehalt ist. So könnte man die reinen Vollkommenheiten auch dadurch kennzeichnen, dass sie von sich aus keinen Seinsgehalt ausschließen. Je nach der Art, wie nun derartige Gehalte in einer Sache vorkommen, kann ein Gehalt, der von sich aus keine Begrenzung enthält, durch die Potenz des Subjekts, dem der Gehalt zukommt, in begrenzter Weise vorkommen. Hier wird von einer in einem Subjekt kraft dessen Potenz aufgenommenen Vollkommenheit (perfectio recepta, actus receptus) gesprochen. Von einem nicht aufgenommenen oder für sich bestehenden Gehalt (perfectio irrecepta, actus subsistens) spricht man, wenn der betreffende Gehalt ohne solche Eingrenzung durch die Potenz eines Subjekts verwirklicht ist. Dann ist natürlich das Subjekt als mit dieser Verwirklichung des Aktes identisch aufzufassen. Ausgeschlossen sind dann nur Verwirklichungsweisen eines Gehaltes, die vom Gehalt (begrenzte Vollkommenheit) oder von der Verwirklichungsweise des Gehaltes (aufgenommener Gehalt) her Begrenzung besagen. Wie jeder Gehalt Seinsgehalt ist, so würde auch die für sich bestehende Realisierung von Sein, die von sich aus keinen Seinsgehalt ausschließt, subsistierendes Sein genannt werden. Dieses würde jede Begrenzung im Sein ausschließen. Nicht könnten ihm Seinsgehalte zugesprochen werden, insofern diese durch die Potenz eines Subjekts begrenzt sind. Reine Vollkommenheiten werden erfasst in einem Prozess der Abstraktion, der der dritten aristotelischen Abstraktionsstufe entspricht und zur seinsphilosophischen Fragestellung führt. Mit ihm können wenigstens problematisch - das heißt ohne Aussagen vorzugreifen - Begriffe gebildet werden, die nicht auf besondere Bereiche begrenzt sind, in bezug auf welche aber bereichsspezifische |155 Begriffe als Spezialfall verstanden werden können. Damit erst ist einer philosophischen Systematisierung der Weg bereitet. Was in den verschiedenen philosophischen Wegen zu Gott gezeigt werden sollte, ist dies, dass die begrenzten Realisierungen von Seinsgehalten auf eine subsistierende Realisierungsweise von Sein als letzten Ermöglichungsgrund verweisen. Wenn das gezeigt ist, wird auch verständlich, dass dieses subsistierende Sein (der absolute Seinsgrund) in sich alle reinen Vollkommenheiten umfasst, und zwar als solche (formaliter), wenn auch in einer uns nicht erfahrungsmäßig vertrauten Weise. Wir kennen nämlich zunächst nur Gehalte, die von Subjekten aufgenommen sind, also nur die begrenzte Realisierungsweise dieser Gehalte. Dennoch kann so viel von dieser sonst unbekannten Realisierungsweise erschlossen werden, dass sie eben die Begrenzung ausschließt und dadurch erster Erklärungsgrund für das als erklärungsbedürftig Erfahrene sein kann. Von diesem absoluten Seinsgrund sind die begrenzten Gehalte und die begrenzten Realisierungsweisen auch reiner Vollkommenheiten auszuschließen, denn sie würden in Widerspruch zur Voraussetzung eines ersten Erklärungsgrundes stehen. Andererseits enthält das subsistierende Sein und enthalten die in ihm eingeschlossenen reinen Gehalte die begrenzten Vollkommenheiten in einer höheren Weise (eminenter), so dass dadurch diese begrenzten Gehalte verwirklicht sind und als vom Urgrund her ermöglicht, also der hervorbringenden Kraft nach (virtualiter) enthalten, aufgefasst werden können. 7.4 Eigenschaften Gottes Gottesbeweise als Wege zur Klärung von Aussagen über das Absolute - In der Diskussion der ersten der fünf Wege sind bereits einige Gesichtspunkte deutlich geworden, die in der Gegenwart die Auseinandersetzung der Analytischen Philosophie mit der Rede von Gott herausgestellt hat (vgl. 4.2).3 |156 Im Zusammenhang mit der Struktur religiös-weltanschaulicher Überzeugungen kann man die klassischen Gottesbeweise folgendermaßen deuten: Sie gehen von einer weltanschaulichen Fragestellung aus, die an der Klärung der Frage nach dem Sinn des Ganzen interessiert ist. Philosophisch äußert sich das in der metaphysischen Fragestellung. Die Gottesbeweise suchen anhand bestimmter Gegebenheiten zu zeigen, dass der Sinngrund nicht mit einzelnem Erfahrbarem identifiziert werden kann, da dieses metaphysisch kontingent ist. Daraus ergibt sich, dass dieser Sinngrund nicht in einzelnen Seienden zu finden, sondern von diesen als absoluter Seinsgrund vorausgesetzt ist. Dieser Urgrund muss so beschaffen sein, dass er jene Züge ausschließt, die kraft der Analyse der Ausgangsgegebenheiten verbieten, schon in dem Gegebenen diesen Grund zu sehen (negative Weise der Bestimmung). Er muss aber auch so sein, dass er das Begegnende begründet (positive Weise der Bestimmung). So wird bejaht, dass er Ermöglichungsgrund für das Veränderliche, Zeitliche, Werdende, Endliche, Bedingte und naturhaft Wirkende ist. Verneint wird, dass er selbst veränderlich, zeitlich, endlich, werdend, bedingt und naturhaft wirkend ist. Das führt zur Bestimmung des letzten Grundes als des selbst unveränderlichen und überzeitlichen, unendlichen und unbedingten, nicht naturhaft, sondern frei wirkenden und daher personalen Ermöglichungsgrundes für die zunächst gegebene Wirklichkeit menschlichen Lebens. Damit erweist sich die Bedeutung dieser Wege zu Gott primär darin, den Sinn von Aussagen, die von Gott gemacht werden, zu klären. Im einzelnen lässt sich daraus der Weg andeuten, auf dem Rechenschaft über den Sinn gängiger Aussagen über Gott gewonnen werden kann. Das soll an einigen Beispielen gezeigt werden. 7.4.1 Ewigkeit Das Veränderliche, Zeitliche besitzt zwar Sein, aber nur in einer Flucht von aufeinanderfolgenden Zuständen. Da es kontingent und somit bedingt ist, setzt es einen absoluten Seinsgrund voraus, der alle Kontingenz ausschließt, daher auch Veränderlichkeit und |157 Zeitlichkeit. Erbesitzt Sein nicht in einer Folge einander ablösender Momente. Dieser volle Besitz von Sein, dieses Leben, das Veränderlichkeit und zeitliche Aufeinanderfolge ausschließt, wird Ewigkeit genannt. Derabsolute Seinsgrundist ewigund absolutunveränderlich. Wenn von ihm zeitliche Aussagen gemacht werden, dann in dem Sinn, dass etwas in der Zeit Befindliches betrachtet wird, insofern es von diesem letzten Grund ermöglicht ist. Insofern im zeitlichen Werden neue Gehalte sichtbar werden, die einen neuen inhaltlichen Rückschluss auf den absoluten Seinsgrund erlauben, da dieser der letzte Grund jener Gehalte ist, kann es ein Werden der Erkenntnis dieses absoluten Grundes bzw. seiner Manifestation im Zeitlichen geben. Das dürfte der berechtigte Kern jener Auffassungen sein, die im Gefolge von Hegel oder in jüngerer Zeit von Whitehead (Prozess-Philosophie) von einem Werden Gottes in der Welt sprechen. Gefördert wird eine solche Redeweise, wenn man metaphysisch begründetes Sprechen von Gott ablehnt und sich darauf beschränkt, von Gott nur zu sprechen, insofern er sich in der Welt manifestiert. Demgegenüber muss aber wohl geltend gemacht werden, dass dies eine metaphorische Rede ist, die auf ihren Sinnweiterhin geprüft werden muss. Außerdem meinen wir gewöhnlich, wenn wir von Gott sprechen, diesen 3 Vgl. O. Muck, Zur Logik der Rede von Gott, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 89 (1967) 1-28, bes. 26f. nicht nur, insofern er sich manifestiert, sondern ihn, der sich manifestiert, auch wenn wir ihn nur aus diesen Manifestationen erschließen können. 7.4.2 Schöpfung Das von verschiedenen Ursachen Abhängige setzt ein Absolutes voraus, das zwar Ursache von allem ist, das aber selbst nicht verursacht und das darum Erstursache (causa prima) ist. Auch in seinem Verursachen der Welt darf es letztlich nicht von dieser abhängig sein. Darum ist bei der Verursachung der Welt durch die Erstursache jede Materialursache auszuschließen. Ein solches Verursachen nennt man Erschaffen, Schöpfung: Sie ist das Hervorbringen von etwas seinem ganzen Sein nach, ohne dass eine Materialursache vorausgesetzt wäre, die bloß weiter aktuiert würde. Im einzelnen wird weiter unterschieden: Schöpfung im aktiven Sinn ist das Wirken Gottes, das die Welt hervorbringt. Schöpfung im passiven Sinn ist die Welt, insofern sie von Gott hervorgebracht ist. |158 An der Welt, also der Schöpfung im passiven Sinn, können verschiedene Momente unterschieden werden, die auf die Erstursache verweisen. Diesen Momenten entsprechend unterscheidet man an der Schöpfung folgende Gesichtspunkte: Schöpfung im engeren Sinn, insofern geschaffene Seiende ohne Materialursache zu existieren begonnen haben. Erhaltung im Sein (conservatio in esse), insofern durch den Einfluss der Erstursache das Geschaffene weiter besteht - denn auch das Weiterbestehen ist metaphysisch kontingent und darum bedingt durch die Erstursache. Mitwirkung Gottes (cooperatio divina) mit dem Wirken der Geschöpfe, insofern auch dieses Wirken eine kontingente Realität ist, die durch den Einfluss der Erstursache ermöglicht sein muss. Durch dieses Mitwirken wird das Wirken der Geschöpfe nicht ersetzt, so dass das, was wir Wirken nennen, nur Gelegenheit (occasio) für das Wirken Gottes wäre, wie das der Okkasionalismus meinte. Durch die Mitwirkung wird vielmehr gerade das echte Wirken der geschaffenen Ursachen (der »Zweitursachen«) als ihr ureigenes Wirken erst ermöglicht. Wäre das nicht der Fall, könnten wir aus dem Geschaffenen gar keinen Begriff der Ursächlichkeit bilden und auch nicht die Erstursache erschließen. Ein Sonderfall ist das freie Wirken des Menschen, das durch diese Mitwirkung gerade als freie und vom Menschen zu verantwortende Handlung ermöglicht wird, aber so, dass dadurch Gott Erstursache bleibt. Wir können uns das zwar nicht anschaulich vorstellen, weil wir selbst nicht eines solchen Mitwirkens fähig sind. Wir können dies aber erschließen, weil es Voraussetzung der Tatsache unseres Entscheidens ist. Der Begriff der Schöpfung wird auch auf das Entstehen der menschlichen Seele angewandt. Insofern diese geistig und damit in dem Sinn innerlich von der Materie unabhängig ist, dass sie nicht nur als Verwirklichung der Potentialität der Materie aufgefasst werden kann, bezieht sich die Ermöglichung ihres Entstehens durch die Erstursache nicht bloß auf ein Hervorbringen von etwas durch Aktuierung der Potenz der Materie. Damit erfüllt das Entstehen der geistigen Seele den Begriff des Geschaffenwerdens. Das Bewusstsein einer persönlichen Beziehung zu Gott und die im |159 Gewissen erfahrene Verantwortlichkeit als unsere Antwort auf den Anruf Gottes in der jeweiligen Situation finden hier ihre seinsmäßige Grundlage. 7.4.3 Absolute Vollkommenheit Da das weiterer Vervollkommnung Fähige metaphysisch kontingent ist, muss das Absolute alle Möglichkeit weiterer Vervollkommnung immer schon erschöpft haben, also absolut vollkommen sein. Eine Konkretisierung dieser allgemeinen Aussage kann verständlich machen, inwiefern ein persönliches Verständnis von Gott von der Lebenserfahrung abhängt und mit ihr reifen kann. Wenn wir die Menschen und die Dinge um uns betrachten, das an ihnen Anziehende, Wertvolle, Beglückende, dann könnten wir uns darauf besinnen, wie und wer Gott sein muss, wenn er all dies ohne die erfahrenen Grenzen und Gebrechlichkeiten, die wir an uns und an dem Begegnenden wahrnehmen, in sich umschließt. Dies könnte helfen zu einem lebendigen Gewahren dessen, wer Gott ist. Dies ist wohl auch eine wichtige Funktion betrachtenden Gebetes. Das kann auch helfen, dass uns das Geschaffene nicht so in seinen Bann zieht, dass wir darüber Gott vergessen (vgl. Weish 13,1-5), sondern vielmehr ihn in allem finden. 7.4.4 Unendlichkeit Da das Endliche als solches kontingent und bedingt ist, schließt die absolute Vollkommenheit Gottes jede Grenze aus, sie ist seinsmäßig unendlich. Seinsmäßig unendlich heißt nicht räumlich unendlich. Da Räumlichkeit Ausdehnung und Materialität voraussetzt, Materialität aber gerade eine besondere Begrenzung des Seins besagt, ist der Begriff der räumlichen Erstreckung im eigentlichen Sinn auf Gott nicht anwendbar. 7.4.5 Personalität Da das gesetzmäßig Wirkende kontingent und bedingt ist, ist bei Gott auszuschließen, dass er mit Naturnotwendigkeit auf die Verwirklichung von etwas außer ihm hingeordnet wäre. Wenn er-|160 also schafft, dann aus Freiheit. Das setzt aber-wie sich allerdings bereits aus der absoluten Vollkommenheit und Unendlichkeit als Erstursache des geschaffenen Geistes ergibt- Geistigkeit, Allwissenheit, Liebe und Freiheit voraus. Weil Gott geistig ist, darum geistiges Erkennen und Wollen hat, ist er auch persönlich. Da weiter eine Mehrzahl von Absoluten der Absolutheit und Einheit der Seinsordnung widerspräche, kann es nur einen Gott geben. Durch Persönlichkeit und Einzigkeit Gottes als Erstursache ist aber noch nicht ausgeschlossen, was Christen aufgrund der freien Selbstmitteilung Gottes in der christlichen Offenbarung glauben, dass nämlich innerhalb des einen Wesens Gottes eine innere personale Differenzierung besteht, so dass der eine Gott, die einzige, mit dem Sein identische Wesenheit des Absoluten, derart persönlich ist, dass er in drei voneinander unterschiedenen Personen existiert. Als notwendig mit dem Wesen Gottes gegeben, besagt diese innere Differenzierung auf personaler Ebene keine Kontingenz. Dieser Glaubensgehalt hat aber dann zur Folge, dass die Beziehung von Personen zueinander als solche nicht notwendig Kontingenz besagt und daher reiner Seinsgehalt ist! Darin äußert sich metaphysisch die mit dem christlichen Glauben verbundene Hochschätzung personaler Beziehungen, des Wertes der Person und der Liebe. 7.4.6 Vorsehung Daraus, dass die Erstursache personal ist, ergeben sich neben Schöpfung im engeren Sinn, Erhaltung und Mitwirkung noch weitere Aspekte, welche die Abhängigkeitsbeziehung der Schöpfung zum Schöpfer kennzeichnen. Diese ergeben sich aber nicht aus verschiedenen Momenten am Erschaffenen, sondern aus den weiteren erkannten Eigenschaften der Erstursache, vor allem aus der Personalität im Sinn von Geistigkeit. Da die Schöpfung im aktiven Sinn nicht als blind, naturnotwendig, sondern als persönliche Tat Gottes anzusehen ist, ist die Schöpfung auch auf Erkennen und Wollen Gottes zu beziehen: Insofern Gott notwendig um das, was er schafft, weiß, spricht man vom göttlichen Weltplan. Er umfasst die Wesens- und Ordnungsbeziehungen der Welt, und zwar auch im einzelnen, da Gott nicht wie wir auf |161 abstrahierende Erkenntnis angewiesen ist, der das einzelne als solches noch entzogen bleibt. Insofern Gott will, dass diese Ordnung verwirklicht werde, spricht man von göttlicher Weltregierung. Dadurch wird nur deutlicher hervorgehoben, dass das Geschaffene vielfache Mittel-Ziel-Beziehungen enthält, die auf die persönliche Erstursache zurückzuführen sind, auch wenn sie uns im einzelnen nicht oder nur sehr beschränkt bekannt sind. Weltplan und Weltregierung zusammen machen das aus, was Vorsehung genannt wird. Wie durch die Mitwirkung wird auch durch die Vorsehung die verantwortliche Freiheit des Menschen nicht ersetzt, sondern erst ermöglicht und aufgerufen. Will man herausstellen, dass Gott will, dass in der Schöpfung die von ihm begründete und vorgesehene Ordnung verwirklicht werde, dann spricht man von Gesetz (in analoger Übertragung verbindlicher Äußerungen eines menschlichen Gesetzgebers), und zwar, weil dieses Gesetz zunächst in Gott ist, vom ewigen Gesetz. Im Geschöpf äußert sich dieser Wille Gottes teils in der Hinordnung der Natur auf ihr Wirken, also im Naturstreben, teils - soweit es sich um Menschen handelt in der Erkenntnis der Verpflichtung, sich gemäß der von Gott gewollten und in der Ordnung der Schöpfung ihren Ausdruck findenden Ordnung zu entscheiden. Die Auswirkung dieses ewigen Gesetzes in der Natur, in der Schöpfung, soweit sie nicht dem menschlichen freien Willen unterliegt, wird Naturgesetz genannt; insofern sie das freie Geschöpf verpflichtet: natürliches Sittengesetz; soweit sie sich auf die Rechtsordnung bezieht: Naturrecht. Eine solche Entfaltung der Eigenschaften Gottes hat letztlich nicht den Sinn, Gott in menschliche Begriffe einzufangen, sondern gerade die Offenheit menschlichen Denkens, Lebens und Entscheidens auf die unbegreifliche und menschliche Zwecksetzungen überbietende und zugleich ermöglichende Sinnmitte unseres Lebens zu erhalten (vgl. 8.1.7). |162 7.5 Schematische Zusammenfassung Die Dinge unserer Welt sind Seiende, die u. a. folgende Momente zeigen: daher sind sie kontingent, weil: Darum ist das sie ermöglichende Absolute: veränderlich, zeitlich jetziges Sein nicht metaphysisch notwendig ursachebedürftig Ewig (»ewiger Augenblick«) (vg1.7.4.1) nicht einer Ursache 1)3) bedürftiger Grund des Relativen »Erstursache« Absolut vollkommen, nicht genötigt, Vollkommenheit erst zu erwerben (vgl. 7.4.3) Unendlich, hat nicht 2)3) bloß in kontingentem Grad Sein (vgl. 7.4.4) Frei schaffend, nicht auf bestimmtes Wirken nach außen festgelegt verursacht in Entfaltung vervollkommenbar nicht alle Vollkommenheit besitzend Endlich (dem Seinsgehalt nach) Als Seiendes nicht notwendig so Naturgesetzlich wirkend Kraft endlichen Seinsgehaltes auf bestimmte Wirkweisen festgelegt Weiterführende Ergänzungen: ad 1) Von hier aus haben sich weiter ergeben (vgl. 7.4.2): Schöpfung, Erhaltung, Mitwirkung. ad 2) Aus der Berücksichtigung und Analyse von Vollkommenheiten in der Welt, im Menschen, ergibt sich weiter: a) Geistigkeit des Absoluten in Erkennen und Wollen (Lieben), damit Freiheit gegenüber begrenzten Werten in der Schöpfung. Damit Persönlichkeit (Geistigkeit), wenn auch noch offen gegenüber innergöttlicher, dreipersönlicher Differenzierung (vgl. 7.4.5) |163 b) auf die Schöpfung bezogen: Freiheit der Schöpfung, Vorsehung (vgl. 7.4.6). ad 3) Hier könnte man weiter folgern: Wegen seiner Freiheit ist die Schöpfungsordnung von Gott frei gewollt, wegen seiner Vollkommenheit ist sie nicht gewollt, damit Gott selbst etwas dadurch gewinnt. In diesem Sinn kann man sagen, dass Gott die Schöpfung will, um sich zu verschenken. Wegen der Ewigkeit (Überzeitlichkeit) Gottes ist die Schöpfung nicht um eines zeitlich bedingten Bedürfnisses willen gewollt, sondern »ein für allemal« - ebenso die einzelnen Seienden in der geschaffenen Welt, soweit sie dazu fähig sind und ihren Sinn nicht gerade als Moment an der Gesamtordnung der Welt haben, die zeitlich ist und darum eine zeitlich begrenzte Existenz solcher (materieller - nicht geistiger) Dinge sinnvoll macht. Wenn es daher gerade für das Geistige (vgl. 7.4.2) und damit auch für den Menschen, insofern er geistig (»innerlich von der Materie unabhängig«) ist, kennzeichnend ist, dass es nicht bloß als Mittel sinnvoll bejaht werden kann, dann ergibt sich, dass es von Gott um seiner selbst willen gewollt ist - und damit für immer: Unsterblichkeit der geistigen Seele als ewige Bestimmung des Menschen. Die Person, der Mensch, ist, wenn er auch in vielfältigen Abhängigkeitsbeziehungen in der Welt steht und darin seine Freiheit und Verantwortung wahrzunehmen hat, unmittelbar zu Gott, berufen zu freiem Ja zu ihm gerade in der Wahrnehmung seiner Verantwortung. Literatur W. Brugger, Summe einer philosophischen Gotteslehre, München 1979, n. 2 und 3, S. 277-427 P. Ricceur/E. Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, München 1974 K. Kremer, Gott und Welt in der klassischen Metaphysik. Vom Sein der >Dinge< in Gott, Stuttgart 1969 O. Muck, Christliche Philosophie, Kevelaer 1964, bes. 188-205 INHALT: Menschliche Rede von Gott Dreigliedrige Transformation Unanschaulichkeit und Unbegreiflichkeit Gottes Möglichkeit bejahender Aussagen Eigenschaften Gottes - Gottesbeweise als Wege zur Klärung von Aussagen über das Absolute Ewigkeit Schöpfung Mitwirkung Absolute Vollkommenheit #Unendlichkeit Personalität Vorsehung Schematische Zusammenfassung Weiterführende Ergänzungen: