Diskrete Mathematik

Werbung
2
Diskrete Mathematik
Inhaltsverzeichnis
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
2.9
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fakultäten und Binomialkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . .
Das Schubfachprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Einschluss-Ausschluss-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Heiratssatz von Hall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bäume und Catalan-Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Euler-Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Ramsey-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Lemma von Sperner und der Fixpunktsatz von Brouwer .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
17
18
21
23
25
26
30
32
34
2.1 Einführung
Die diskrete Mathematik beschäftigt sich hauptsächlich mit endlichen, aber auch
mit abzählbar unendlichen Objekten, die sich nicht stetig ändern, sondern unterschiedlich separierte Werte annehmen. Obwohl ein Teil der diskreten Mathematik
aus „klassischen“ Resultaten besteht, gewann das Gebiet in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts mit der Möglichkeit der raschen digitalen Datenverarbeitung neue
Bedeutung. Kerngebiete der diskreten Mathematik sind die Kombinatorik und die
Graphentheorie, wobei ein starker Bezug zur Zahlentheorie besteht. Die Methoden
der diskreten Mathematik finden daneben Anwendung in allen Gebieten der Mathematik, in denen diskrete Objekte auftreten.
Die Kombinatorik befasst sich nach Georg Pólya (1887–1985) mit der Untersuchung des Abzählens, der Existenz und der Konstruktion von Konfigurationen. In
Abschn. 2.2. betrachten wir Fakultäten und Binomialkoeffizienten, mit denen sich
Variationen und Kombinationen zählen lassen. In den darauf folgenden Abschn. 2.3
und 2.4 führen wir mit dem Schubfach- und dem Einschluss-Ausschluss-Prinzip
zwei zentrale Methoden der Kombinatorik ein und wenden diese an. In Abschn. 2.5
findet der Leser einen Beweis des schönen Heiratsatzes von Hall.
Die Graphentheorie beschäftigt sich mit den Konfigurationen endlicher Mengen
von Knoten, die durch Kanten verbunden sind. In Abschn. 2.6 des Kapitels zählen
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
J. Neunhäuserer, Schöne Sätze der Mathematik, DOI 10.1007/978-3-662-53967-5_2
17
18
2 Diskrete Mathematik
wir Bäume, einen einfachen Graphentyp, ohne geschlossene Wege von Kanten. Wir
stellen eine Beziehung zwischen der Anzahl bestimmter Bäume und den CatalanZahlen her, einer Folge natürlicher Zahlen, die in vielen Abzählungsproblemen verwendet wird. In Abschn. 2.7 präsentieren wir den schönen Satz von Leonhard Euler
(1707–1783) über die Existenz geschlossener Wege auf Graphen, die jede Kante
nur einmal verwenden.
Eine besondere Rolle in der zeitgenössischen Graphentheorie kommt Graphen
zu, deren Knoten oder Kanten Farben zugeordnet werden. Wir präsentieren in Abschn. 2.8 den Satz von Ramsey (1903–1930) über die Existenz von einfarbigen
vollständigen Untergraphen. Die Berechnung der in diesem Zusammenhang auftretenden Ramsey-Zahlen ist ein schweres und nach wie vor im Allgemeinen ungelöstes Problem der Graphentheorie, siehe hierzu auch Abschn. 2.8. In letzen Abschnitt
des Kapitels betrachten wir Färbungen von Graphen aus Dreiecken mit drei Farben. Wir beweisen das Lemma von Sperner (1905–1980) über die Existenz von
Dreiecken mit drei unterschiedlichen Farben. Als Anwendung ergibt sich ein wunderbarer Beweis des Fixpunktsatzes von Brouwer (1881–1966).
2.2 Fakultäten und Binomialkoeffizienten
Fakultäten und Binomialkoeffizienten spielen eine grundlegende Rolle im kombinatorischen Abzählen. Wir beginnen mit der Definition dieser Größen.
Definition 2.1 Die Fakultät einer natürlichen Zahl n ist durch nŠ D 1 2 : : : n
gegeben, wobei 0Š als 1 festgelegt wird. Für nN und k 2 N0 mit k n ist der
Binomialkoeffizient „n über k“ durch
!
nŠ
n
.n k C 1/ : : : n
D
D
k
kŠ.n k/Š
1 2 : : : .n k/
˙
gegeben.
Das Pascalsche Dreieck bildet gemäß dem nächsten Satz eine schöne Art, Binomialkoeffizienten zu berechnen.
Satz 2.1
Es gilt1
1
!
!
!
nC1
n
n
D
C
:
k
k
k1
Dieser Satz wird Blaise Pascal (1623–1662) zugeschrieben.
2.2 Fakultäten und Binomialkoeffizienten
Abb. 2.1 Das Pascalsche
Dreieck
Beweis
19
1
1 1
1 2 1
1 3 3 1
1 4 6 4 1
1 5 10 10 5 1
1 6 15 20 15 6 1
1 7 21 35 35 21 7 1
!
nC1
nŠ.n C 1 k/ C nŠk
.n C 1/Š
D
D
kŠ.n C 1 k/Š
kŠ.n C 1 k/Š
k
!
!
n
n
nŠ
nŠ
D
C
C
D
k1
k
kŠ.n k/Š
.k 1/Š.n C 1 k/Š
Als erste Anwendung von Fakultäten und Binomialkoeffizienten lösen wir die
vier Grundaufgaben der Kombinatorik.
Satz 2.2
1. Kombinationen ohne Wiederholung: Es gibt kn Möglichkeiten, aus einer
Menge mit n Elementen k verschiedeneElemente
auszuwählen.
2. Variation ohne Wiederholung: Es gibt kŠ kn Möglichkeiten, ein geordnetes
Tupel mit k verschiedenen Elementen aus einer Menge mit n Elementen
auszuwählen.
3. Kombination mit Wiederholung: Es gibt nCk1
Möglichkeiten, aus einer
k
Menge mit n Elementen k Elementen auszuwählen.
4. Variation mit Wiederholung: Es gibt nk Möglichkeiten, ein geordnetes Tupel mit k Elementen aus einer Menge mit n Elementen auszuwählen.
Beweis 1. Offensichtlich gilt die Aussage für n D 1. Wir beweisen den Satz durch
vollständige Induktion nach n, siehe Abschn. 11.4. Nehmen wir an, die Aussage
gilt für n, und betrachten eine Menge X mit n C 1 Elementen. Wähle ein Element
aus x 2 X aus. Nach der Voraussetzung gibt es nk Möglichkeiten, k verschiedene
n Möglichkeiten, k verschiedene
Elemente aus Xnfxg auszuwählen, und es gibt k1
Elemente,
von
denen
eines
x
ist,
aus
X
auszuwählen.
Nach Satz 1.13 gibt es damit
nC1
Möglichkeiten,
k
verschiedene
Elemente
aus
X
auszuwählen. Dies ist die
k
Aussage für n C 1.
2. Wir zeigen, dass es kŠ Permutationen (Anordnungen) einer Menge mit k Elementen gibt. Für k D 1 ist dies klar. Nehmen wir an, die Aussage gilt für k, und
20
2 Diskrete Mathematik
betrachten eine Menge mit k C1 Elementen. Für ein Element gibt es k C1 Möglichkeiten, es einzuordnen. Für die anderen Elemente gibt es nach der Voraussetzung
kŠ Möglichkeiten. Dies ergibt insgesamt .k C 1/Š D .k C 1/kŠ Möglichkeiten.
Dies ist die Aussage für k C 1. Aussage 2. folgt nun aus 1., da es für jede der kn
Kombinationen ohne Wiederholung kŠ Anordnungen gibt.
3. Wir wollen (ohne Beschränkung der Allgemeinheit) k Elemente 1 a1 : : : ak n aus f1; : : : ; ng auswählen. Mit der Zuordnung bj WD aj C j 1 gilt
Möglichkeiten,
1 b1 < : : : < bk n C k 1. Nach 1. gibt es gerade nC1k
k
die bj auszuwählen. Die Abbildungen zwischen den Elementen aj und Elementen
bj ist aber eineindeutig, also folgt die dritte Aussage des Satzes.
4. Ist offensichtlich, nachzuweisen durch Induktion nach n.
Wir geben hier noch kurz ein bekanntes Beispiel zum letzten Satz an.
Beispiel 2.1
Beim Lotto werden 6 Kugeln aus 49 ohne Zurücklegen
gezogen, wobei es auf
die Reihenfolge nicht ankommt. Dafür gibt es 49
D
13:983:816
Möglichkeiten.
6
Würde die Reihenfolge, in der die Zahlen gezogen werden, berücksichtigt, gäbe
es 6Š D 720 mal so viele
Möglichkeiten. Würde jede Kugel nach ihrer Ziehung
zurückgelegt, gäbe es 54
D 25:827:165 Möglichkeiten, wenn die Reihenfolge
6
keine Rolle spielt; würde sie berücksichtigt, wären es 496 D 13:841:287:201.
Die Bezeichnung Binomialkoeffizienten leitet sich vom Binominalsatz ab, in dem
ein Binomial .a C b/n ausmultipliziert wird und gleiche Terme aufaddiert werden.
Wir beweisen nun den folgenden schönen Satz.
Satz 2.3
Für alle a; b 2 R und n 2 N gilt2
!
n
X
n k nk
.a C b/ D
a b :
k
n
kD0
Beweis Wir beweisen den Satz durch Induktion. Die Aussage ist für n D 1 offensichtlich. Wir nehmen an, die Gleichung gilt für n 2 N, und zeigen, dass sie dann
2
Dieser Satz stammt von dem englischen Physiker und Mathematiker Isaac Newton (1643–1727).
2.3 Das Schubfachprinzip
21
für n C 1 gilt. Es ergibt sich
nC1
.a C b/
!
n
X
n k nk
D .a C b/.a C b/ D .a C b/
a b
k
kD0
!
!
n
n
X
n kC1 nk X n k nC1k
D
C
a b
a b
k
k
kD0
kD0
!
!
nC1
nC1
X
X
n
n k nC1k
k nC1k
D
C
a b
a b
k 1
k
kD0
kD0
!!
!
!
nC1
nC1
X
X
n
n
n k nC1k
k nC1k
D
D
a b
C
a b
k
k1
k
n
kD0
kD0
nC1
D .a C b/
:
Dies ist die Gleichung für n C 1. Wir benutzen hier die Konvention
n
1
D0
2.3 Das Schubfachprinzip
Das Schubfachprinzip ist nahezu trivial. Haben wir mehr Gegenstände als Schubfächer und verteilen sie auf diese, so enthält mindestens ein Schubfach mehr als einen
Gegenstand. Mathematisch formuliert ergibt sich der folgende Satz.
Satz 2.4
Sei f W A ! B eine Abbildung zwischen zwei endlichen Mengen mit jAj >
jBj, dann gibt es ein b 2 B mit
jf 1 .b/j djAj=jBje:
Zur Schreibweise: dxe ist die kleinste natürliche Zahl größer als x.
Beweis Nehmen wir an, die Ungleichung gilt nicht, dann wäre jf 1 .b/j < jAj=jBj
für alle b 2 B und damit
X
jf 1 .b/j < jAj:
jAj D
b2B
Dies ist ein Widerspruch zur Voraussetzung des Satzes.
Obwohl das Prinzip sehr einfach ist, stellt es ein wirksames Mittel dar, um die
Existenz gewisser Konfigurationen zu beweisen. Wir präsentieren drei schöne kombinatorische Anwendungen.
22
2 Diskrete Mathematik
Satz 2.5
In jeder Menge von n 2 Personen gibt es mindestens zwei Personen, die
gleichviele Freunde haben (wobei wir annehmen, dass die Beziehungen der
Freundschaften symmetrisch sind).
Beweis Wenn eine Person n 1 Freunde hat, ist jeder andere sein Freund, also
hat niemand keinen Freund. Das heißt: 0 und n 1 kommen nicht gleichzeitig als
Anzahl der Freunde der Personen in Frage. Wir verteilen also nur n 1 mögliche Anzahlen der Freunde auf die n Personen. Nach dem Schubfachprinzip haben
mindestens zwei Personen die gleiche Anzahl von Freunden.
Satz 2.6
In jeder Menge A M D f1; 2; : : : ; 2mg mit mindesten m C 1 Elementen
gibt es Zahlen a, b, sodass a die Zahl b teilt.
Beweis Sei fa1 ; : : : ; amC1 g M . Zerlege die Zahlen ai D 2ri qi , wobei qi eine
ungerade Zahl ist. Es gibt nur n ungerade Zahlen in M . Damit taucht nach dem
Schubfachprinzip mindestens eine der Zahlen qi in der Zerlegung verschiedener
Zahlen ai und aj auf. Wenn ai < aj ist, teilt ai die Zahl aj .
Satz 2.7
Eine Folge nm C 1 reeller Zahlen enthält eine steigende Folge der Länge
m C 1 oder eine fallende Folge der Länge n C 1 (oder beides).
Beweis Für eine Zahl ai aus der Folge sei f .ai / die Länge der längsten steigenden
Folge, die mit ai beginnt. Wenn f .ai / > m für ein ai gilt, sind wir fertig. Also
nehmen wir an, dass f .ai / m für alle ai aus der Folge gilt. Nach dem Schubfachprinzip gibt es ein s 2 f1; : : : mg und eine Menge A von Folgengliedern mit
f .x/ D s
für x 2 A D faji ji D 1 : : : n C 1g:
Betrachte zwei aufeinander folgende Zahlen aji und aji C1 in A. Wenn aji aji C1 ,
haben wir eine steigende Folge der Länge s C1 mit dem Startwert aji , was f .aji / D
s C 1 impliziert: ein Widerspruch zur Definition von s. Daher bilden die Zahlen in
A eine fallende Folge der Länge n C 1.
Es gibt viele andere schöne kombinatorische Anwendungen des Schubfachprinzips,
wir verweisen hier gern auf Grimaldi (1998). Zum Abschluss des Abschnitts beweisen wir noch einen recht fundamentalen zahlentheoretischen Satz, mittels des
Schubfachprinzips, um dessen Stärke noch weiter hervorzuheben.
2.4 Das Einschluss-Ausschluss-Prinzip
23
Satz 2.8
Für jede irrationale Zahl ˛ ist die Menge ffn˛gjn 2 Ng dicht in Œ0; 1, wobei
fxg den Nachkommaanteil der Zahl x bezeichnet.
Beweis Für > 0 wähle M 2 N, sodass 2=M < ist. Nach dem Schubfachprinzip gibt es zwei Zahlen n1 ; n2 2 f1; 2; : : :; M C 1g, sodass n1 ˛ und n2 ˛ sich in dem
gleichen Unterteilungsintervall der Länge 1=M zwischen zwei aufeinanderfolgenden ganzen Zahlen befindet. (Es gibt nur M solche Intervalle!) Formal ausgedrückt
existieren also p; q 2 N und k 2 f0; 1; : : :; M 1g mit
k
kC1
; pC
;
n1 ˛ 2 p C
M
M
k
kC1
n2 ˛ 2 q C
; qC
:
M
M
Hieraus folgt
1
1
;p q C
n˛ WD .n2 n1 /˛ 2 p q M
M
und somit fn˛g < 2=M < . Wir sehen also, dass 0 ein Häufungspunkt der Folge
fn˛g ist. Für ein beliebiges p 2 .0; 1 wählen wir M und n wie oben. Wenn p 2
.0; 1=M gilt, ist nichts mehr zu zeigen. Wenn nicht, gilt p 2 .j=M; .j C1/=M für
j 2 f1; : : :; M 1g. Wir definieren k WD supfr 2 Njrfn˛g < j=M g und erhalten
so
j.k C 1/n˛ pj < 2=M < :
2.4 Das Einschluss-Ausschluss-Prinzip
Wie das Schubfachprinzip im vorigen Anschnitt stellt auch das Einschluss-Ausschluss-Prinzip ein einfaches, aber leistungsfähiges kombinatorisches Instrument
dar. Das Prinzip besagt Folgendes:
Satz 2.9
Wenn A1 ; A2 ; : : : ; An endliche Mengen sind, gilt:
ˇ n
ˇ
n
ˇ[ ˇ X
ˇ
ˇ
Ak ˇ D
.1/kC1
ˇ
ˇ
ˇ
kD1
kD1
X
1i1 <i2 <:::<ik n
jAi1 \ Ai2 \ : : : Aik j:
24
2 Diskrete Mathematik
S
Beweis Sei A D nkD1 Ak und 1B die Indikatorfunktion für B A. Sie hat den
Wert eins für x 2 B und sonst den Wert null. Wir zeigen, dass
1A D
n
X
.1/kC1
kD1
X
1AI
jI jDk; I f1;:::;ng
T
gilt, wobei AI D i 2I Ai ist. Summiert man dann über alle x 2 A, erhält man den
Satz. Ausmultiplizieren und die Anwendung von 1Ai 1Aj D 1Afi;j g liefert folgende
Identität:
n
n
Y
X
X
.1A 1Ak / D 1A .1/kC1
1AI :
kD1
kD1
jI jDk; I f1;:::;ng
Für x 2 A ist ein Faktor im Produkt gleich null, und für x 62 A sind alle gleich null.
Das Produkt ist also identisch null. Dies beweist unsere Behauptung.
Wir wenden das Prinzip nun auf die Anzahl bestimmter Permutationen an. Hierzu
eine Definition:
Definition 2.2 Eine Permutation W f1; : : : ; ng ! f1; : : : ; ng ist eine Umordnung,
wenn sie keinen Fixpunkt hat, d. h. wenn gilt: .i / 6D i für alle i 2 f1; : : : ; ng. ˙
Satz 2.10
Die Anzahl dn aller Umordnungen ist durch
n
X
1
.1/k
dn D nŠ
kŠ
!
nŠ=e
kD0
gegeben.
Beweis Sei Ak die Menge aller Permutationen von f1; : : : ; ng, die k als Fixpunkt
haben. Es gilt jAi1 \ Ai2 \ : : : Aik j D .n k/Š. Aus dem Einschluss-AusschlussPrinzip folgt
ˇ n
ˇ
n
ˇ[ ˇ
X
X
ˇ
ˇ
dn D nŠ ˇ
Ak ˇ D nŠ .1/kC1
.n k/Š
ˇ
ˇ
1i1 <i2 <:::<ik n
kD1
kD1
!
!
n
n
n
X
X
X
nŠ
1
n
D nŠ .1/kC1
.1/kC1 D nŠ
.1/k
:
.n k/Š D nŠ kŠ
kŠ
k
kD1
kD1
kD0
Die asymptotische Näherung für dn folgt unmittelbar aus der Definition der Eulerschen Zahl e; siehe Abschn. 4.7.
2.5 Der Heiratssatz von Hall
25
2.5 Der Heiratssatz von Hall
Nehmen wir an n Männer, haben jeweils eine Menge Si von befreundeten Frauen.
Diese Mengen sind nicht notwendigerweise disjunkt. Nun will jeder der Männer
eine der Frauen aus Si heiraten. Die Frage, die wir stellen, ist, unter welcher Bedingung dies möglich ist, wobei wir Bigamie ausschließen wollen. Die Antwort
gibt der Heiratssatz von Hall, den wir hier beweisen wollen.3 Hierzu zunächst eine
Definition.
Definition 2.3 Sei S1 ; : : : ; Sn eine endliche Folge endlicher Mengen. Eine endliche
Folge x1 ; : : : ; xn wird Repräsentantensystem dieser Mengen genannt, wenn xi 2 Si
für i D 1; : : : ; n und xi 6D xj für i 6D j gilt.
˙
Die Bedingung für die Existenz eines Repräsentantensystem gibt:
Satz 2.11
Ein Repräsentantensystem von S1 ; : : : ; Sn existiert genau dann wenn
ˇ
ˇ
ˇ[ ˇ
ˇ
ˇ
ˇ Si ˇ jI j
ˇ
ˇ
i 2I
für alle I f1; : : : ; ng gilt.
S
Beweis Existiert ein Repräsentantensystem, so hat i 2I Si offenbar mindestens
jI j Elemente, nämlich die jeweiligen Repräsentanten. Die Implikation in die andere
Richtung beweisen wir mit vollständiger Induktion. Für n D 1 ist der Satz trivial.
Nehmen wir also an, der Satz wäre für n Mengen richtig und S1 ; S2 ; : : : ; Sn ; SnC1
erfüllt die Bedingung
ˇ
ˇ
ˇ[ ˇ
ˇ
ˇ
ˇ Si ˇ jI j
ˇ
ˇ
i 2I
für alle I f1; : : : ; n; n C 1g. Wir unterscheiden zwei Fälle, um die Existenz
eines Repräsentantensystems zu folgern. Falls jede beliebige Vereinigung von k n Mengen mindestens k C 1 Elemente hat, ordnen wir irgendeiner Menge SinC1
einen beliebigen Repräsentanten xi 2 SinC1 zu und entfernen ihn aus den restlichen
Mengen. Da die restlichen m Mengen immer noch mindestens k Elemente besitzen
und die Bedingung für die Existenz eines Repräsentantensystems erfüllen, haben
sie nach Induktionsvoraussetzung ein solches System. Im zweiten Fall nehmen wir
3
Dieser Satz wurde von dem englischen Mathematiker Philip Hall (1904-1982) bewiesen.
26
2 Diskrete Mathematik
an, dass für k 2 Œ1; n der Mengen Si
ˇ
ˇ
ˇ[ ˇ
ˇ
ˇ
ˇ Si ˇ D jJ j D k
ˇ
ˇ
i 2J
für alle J D fj1 ; : : : ; jk g f1; : : : ; ng gilt. Nach der Induktionsvoraussetzung
besitzen diese Mengen ein Repräsentantensystem. Wir entfernen nun diese k Repräsentanten aus den restlichen n C 1 k Mengen. Jetzt bleibt nur noch zu zeigen,
dass diese Mengen die Bedingung für die Existenz eines Repräsentantensystems
erfüllen und somit nach Induktionsvoraussetzung ebenfalls ein solches besitzen,
welches mit den anderen k Repräsentanten ein gemeinsames Repräsentantensystem bildet. Angenommen die Vereinigung von s der restlichen m C 1 k Mengen
würde weniger als s Elemente besitzen und die Bedingung für die Existenz eines
Repräsentantensystems verletzen, dann besäße die Vereinigung dieser s Mengen
mit den ersten k Mengen weniger als s C k Elemente. Dies ist ein Widerspruch zur
Induktionsvoraussetzung.
Beispiel 2.2
Die Mengen S1 D f1; 2g, S2 D f2; 3g, S3 D f3; 4; 5g und S4 D f3; 5; 6g besitzen
ein Repräsentantensystem. Die Mengen S1 D f1g, S2 D f1; 2g, S3 D f2g und
S4 D f2; 3; 4g besitzen kein solches, die Vereinigung der ersten drei Mengen
enthält nur zwei Elemente.
Zum Abschluss des Abschnitts sei noch angemerkt, dass der Heiratssatz von Hall
grundlegend in der Theorie der Matchings, einem Teilgebiet der Graphentheorie,
ist.
2.6 Bäume und Catalan-Zahlen
Wir führen hier zunächst einige grundlegende Begriffe der Graphentheorie ein, um
danach Bäume zu zählen.
Definition 2.4 Ein Graph .V; E/ ist durch eine endliche Menge von Knoten V und
eine Menge von Kanten E mit
E ffa; bgja; b 2 V g
gegeben. Zwei Knoten a; b 2 V sind durch eine Kante fa; bg 2 E verbunden;
solche Knoten werden auch benachbart genannt. Ein Graph ist zusammenhängend,
wenn je zwei Knoten durch einen Weg von Kanten verbunden sind. Ein Graph, in
dem es keine geschlossenen Schleifen von Kanten gibt, ist ein Wald. Ein zusammenhängender Wald ist ein Baum. Ein Baum ist binär, wenn von jedem Knoten
höchstens zwei Kanten abgehen. Ist ein Knoten als Wurzel ausgezeichnet, sprechen
2.6 Bäume und Catalan-Zahlen
27
Abb. 2.2 Nummerierte Bäume mit 2; 3 bzw. 4 nummerierten Knoten
wir von einem gewurzelten Baum. Schließlich nennen wir einen Graphen nummeriert, wenn die Knoten V D f1; 2; : : : ; ng unterschieden werden.
˙
Der erste schöne kombinatorische Satz über Bäume lautet:
Satz 2.12
Es gibt nn2 unterschiedliche Bäume mit n 2 nummerierten Knoten.4
Beweis Wir beweisen ein allgemeineres Resultat über Wälder. Seien A D f1; : : : kg
eine Menge von Knoten und Tn;k die Menge von Wäldern mit der Knotenmenge f1; : : : ; ng, die eine Wurzel in A haben. Sei F einer dieser Wälder. Wir
nehmen an, dass es zwischen 1 2 A und i anderen Knoten eine Kante gibt.
Wenn wir den Knoten 1 streichen, erhalten wir einen Wald F 0 mit Wurzeln in
f2; : : : ; k 1g [ fNachbarn von 1g, und es gibt Tn1;k1Ci solche Wälder. Anders
herum konstruieren wir einen Wald F , indem wir i Nachbarn von 1 in fkC1; : : : ; ng
wählen und so einen Wald F 0 erhalten. Damit ergibt sich die Rekursion
Tn;k
4
!
nk
X
nk
D
Tn1;k1Ci
i
i D0
Dies ist ein Satz des englischen Mathematikers Arthur Cayley (1821–1894).
28
2 Diskrete Mathematik
mit T0;0 WD 1 und Tn;0 WD 0. Mittels Induktion zeigen wir:
Tn;k D k nnk1 :
Dies ergibt insbesondere den Satz, da Tn;1 D nn2 die Anzahl der Bäume mit einer Wurzel ist. Wir benutzen die Summenformel für Tn;k im ersten Schritt und die
Induktionsannahme Tn1;k D k.n 1/n1k1 in folgender Rechnung:
Tn;k
!
!
nk
nk
X
X
nk
nk
D
Tn1;k1Ci D
.k 1 C i/.n 1/n1ki
i
i
i D0
i D0
!
!
nk
nk
X nk
X nk
i
D
.n 1/ i.n 1/i 1
i
i
i D0
i D1
!
n1k
X n1k
nk
Dn
.n k/
.n 1/i
i
i D0
D nnk .n k/nn1k D k nnk1 :
Dies war zu zeigen.
Nicht nummerierte Bäume sind im Allgemeinen schwerer zu zählen. Wir führen
die bedeutsamen Catalan-Zahlen ein, um am Ende des Abschnitts bestimmte nicht
nummerierte Bäume zu zählen.
Definition 2.5 Die Catalan-Zahlen Cn 2 N werden durch die Rekursion
CnC1 D
n
X
Ci Cni ;
i D0
mit C0 D 1 und C1 D 1, gegeben.5
Beispiel 2.3
C2
C3
C4
C5
D C0 C1 C C1 C0 D 2
D C0 C2 C C1 C1 C C0 C2 D 5
D 2C0 C3 C 2C2 C1 D 14
D 2C0 C4 C 2C1 C3 C C2 C2 D 42
˙
Die Catalan-Zahlen sind auch leicht mit Binomialkoeffizienten zu bestimmen. Für
den Beweis des folgenden Satzes werden wir einen kleinen Ausflug in die analytische Kombinatorik machen.
5
Diese Zahlen wurden von dem belgischen Mathematiker Eugene Charles Catalan (1814–1894)
eingeführt.
2.6 Bäume und Catalan-Zahlen
29
Satz 2.13
Die Catalan-Zahlen sind durch
!
!
!
1
2n
2n
2n
Cn D
D
nC1
n
nC1 n
gegeben.
Beweis Betrachte die erzeugende Funktion
c.x/ D
1
X
Cn x n :
nD0
Es gilt
2
c.x/ D
1
k
X
X
kD0
!
Cm Cmk x k D
mD0
1
X
CkC1 x k D .c.x/ 1/=x
kD0
Löst man nun die Gleichung c.x/ D xc.x/ C 1, unter der Bedingung c.0/ D C0 D
1, erhält man
p
1 1 4x
c.x/ D
:
2x
Unter Verwendung der Binomialreihe in Abschn. 4.5 erhalten wir
!
1
1
X
X
p
1 2n 2 n
x D1
1 4x D 1 2
Cn1 x n
n
1
n
nD1
nD1
und damit
c.x/ D
1
X
nD0
!
2n n
1
x :
nC1 n
Der Vergleich der Koeffizienten der Darstellung der erzeugenden Funktion c.x/
ergibt den Satz.
Kehren wir nun zurück zu Bäumen.
Definition 2.6 In einem gewurzelten Baum ist ein Knoten als Wurzel ausgezeichnet. Ein solcher Baum ist geordnet, durch den Abstand von der Wurzel. Ein voller
binärer Baum ist ein gewurzelter Baum, in dem jeder Knoten entweder zwei oder
keinen nachfolgenden Knoten hat. Knoten mit nachfolgenden Knoten heißen Äste,
die anderen Knoten heißen Blätter.
˙
30
2 Diskrete Mathematik
Abb. 2.3 Volle binäre Bäume mit 4 Ästen ohne Blätter
Satz 2.14
Die Catalan-Zahl Cn ist die Anzahl der vollen binären Bäume mit n Ästen
(bzw. n C 1 Blättern).
Beweis Sei Tn die Anzahl der vollen binären Bäume mit n Ästen. Die Anzahl solcher Bäume mit j linken Unterbäumen sowie n 1 j rechten Unterbäumen in
Bezug auf die Wurzel ist Tj Tn1j . Summieren wir nun über alle möglichen Anzahlen von rechten und linken Unterbäumen, ergibt sich
Tn D
n1
X
Tj Tn1j ;
j D0
aber dies ist die Rekursion für Cn .
Es gibt mehr als 50 weitere kombinatorische Anwendungen der Catalan-Zahlen,
zum Beispiel bei der Triangulierung von n-Ecken oder im Zusammenhang mit monotonen Wegen; wir verweisen hier auf Stanley (1999).
2.7 Euler-Wege
Definition 2.7 Ein Euler-Weg auf einem Graphen ist ein geschlossener Weg, der
jede Kante des Graphen genau einmal benutzt.
˙
Die Frage ist, unter welcher Bedingung solch ein Weg existiert. Wir benötigen den
Begriff des Grades eines Knotens, um die Frage zu beantworten.
2.7 Euler-Wege
31
Definition 2.8 In einem Graphen ist der Grad eines Knotens die Anzahl der benachbarten Knoten, d. h. die Anzahl der Knoten, zu denen eine Verbindung durch
eine Kante besteht.
˙
Satz 2.15
Ein Euler-Weg auf einem endlichen zusammenhängenden Graphen existiert
dann und nur dann, wenn der Grad jedes Knotens gerade ist.6
Beweis Wir zeigen zunächst den Teil „nur dann, wenn“ der Aussage. Betrachte
einen geschlossenen Euler-Weg. Wir verlassen jeden Knoten über eine andere Kante. Also muss der Grad jedes Knotens gerade sein, da der Grad eines Knotens das
Doppelte der Anzahl der Besuche dieses Knotens ist. Unter der Voraussetzung des
Satzes zeigen wir nun die Existenz eines Euler-Wegs mittels Induktion über die Anzahl der Kanten k. Für k D 1 ist das Resultat offensichtlich. Nehmen wir an, das
Resultat gilt für alle Graphen mit weniger als k Kanten. Sei G ein zusammenhängender Graph mit k Kanten, sodass der Grad jedes Knotens gerade ist. Der Grad
jedes Knotens ist mindestens 2, da der Graph zusammenhängend ist. Somit ist die
Anzahl der Knoten mindestens die Anzahl der Kanten, und G ist kein Baum. Es gibt
also einen geschlossenen Weg C in G. Wenn wir die Kanten in C aus G entfernen,
erhalten wir einen Graphen G 0 mit weniger als k Kanten, und alle Knoten dieses
Graphen haben einen geraden Grad. Der Graph G 0 muss nicht zusammenhängend
sein. Seien also H1 ; : : : ; Hi die Zusammenhangskomponenten von G 0 . Nach der
Induktionsannahme haben wir einen Euler-Weg Wj für jeden Graphen Hj . Darüber
hinaus haben Hj und C einen Knoten vj gemeinsam. Wir können annehmen, dass
Wj mit vj anfängt und endet. Nun konstruieren wir einen Euler-Weg auf G in folgender Weise: Wir laufen C entlang, und wenn wir zu einem Knoten vj kommen,
folgen wir dem Euler-Weg Wj , danach geht unser Weg auf C weiter.
Der letzte Satz hat folgende unmittelbare Konsequenz:
Satz 2.16
Ein Weg, der den Anforderungen an einen Euler-Weg entspricht, außer dass
er unterschiedliche Startknoten und Endknoten hat, existiert auf einem endlichen zusammenhängenden Graphen genau dann, wenn der Grad dieser
Knoten ungerade und der Grad aller anderen Knoten gerade ist.
Beweis In die eine Richtung identifizieren wir Startknoten und Endknoten und
wenden den letzten Satz an. In die andere Richtung teilen wir einen Knoten in
Startnoten und Endknoten auf und wenden den letzten Satz an.
6
Dies ist der Satz des Schweizer Mathematikers Leonhard Euler (1707–1783).
32
2 Diskrete Mathematik
Abb. 2.4 Graph der Brücken
von Königsberg
Wenn wir dieses Resultat auf die Brücken von Königsberg anwenden, sehen wir,
dass dort kein Euler-Weg möglich ist, denn es gibt mehr als zwei Knoten ungeraden
Grades.
2.8
Die Ramsey-Theorie
Wir beschäftigen uns in diesem Abschnitt mit gefärbten vollständigen Graphen.
Eine Definition ist hierzu noch nachzutragen.
Definition 2.9 Eine zusammenhängender Graph .V; E/ ist vollständig, wenn alle
Knoten durch eine Kante verbunden sind. Er ist gefärbt, wenn jeder Kante eine
Farbe zugeordnet ist. Formal ist diese Zuordnung eine Abbildung f W E ! F ,
wobei F eine endliche Menge von Farben ist.
˙
Der Hauptsatz der Ramsey-Theorie liefert die Existenz vollständiger einfarbiger
Untergraphen in einem hinlänglich großen vollständigen Graphen.
Satz 2.17
Für alle .r; s/ 2 N 2 gibt es eine kleinste natürliche Zahl R.r; s/, sodass jeder
vollständige Graph mit R.r; s/ Knoten, dessen Kanten rot oder blau gefärbt
sind, einen roten vollständigen Untergraphen mit r Knoten oder einen blauen
vollständigen Untergraphen mit s Knoten enthält. Dabei gilt
!
r Cs2
R.r; s/ :
r 1
Die Zahlen R.r; s/ werden Ramsey-Zahlen genannt.7
7
Dies ist der Satz des britischen Mathematikers Frank Plumpton Ramsey (1903–1930).
2.8 Die Ramsey-Theorie
33
Beweis Wir beweisen den Satz durch Induktion nach r C s. Offensichtlich gilt
R.r; 2/ D r: Entweder sind alle Kanten rot, oder es gibt eine blaue Kante; genauso
gilt R.2; s/ D s. Dies ist der Induktionsanfang. Wir zeigen nun:
R.r; s/ R.r 1; s/ C R.r; s 1/:
Mit dieser Ungleichung erhalten wir die obere Schranke für R.r; s/ (und damit die
Existenz der Zahl) aus der Induktionsannahme für R.r 1; s/ und R.r; s 1/, unter
Verwendung von Satz 2.1.
Betrachte einen vollständigen Graphen mit R.r 1; s/ C R.r; s 1/ Knoten.
Nimm einen Knoten v aus dem Graphen weg und unterteile den verbleibenden Graphen in zwei Mengen M und N , sodass der Knoten w in M ist, wenn die Kante
.v; w/ blau ist, und w 2 N , wenn die Kante .v; w/ rot ist. Da der Graph
R.r 1; s/ C R.r; s 1/ D jM j C jN j C 1
Knoten hat, folgt entweder
jM j R.r 1; s/
oder jN j R.r; s 1/:
Wir betrachten den ersten Fall. Wenn M einen vollständigen roten Untergraphen
mit s Knoten hat, hat auch der Ausgangsgraph einen solchen, und wir sind fertig.
Wenn dies nicht der Fall ist, hat M einen blauen vollständigen Untergraphen mit
r 1 Knoten. Damit hat M [ fvg einen blauen Untergraphen mit k Knoten nach
der Definition von M . Der zweite Fall wird ganz genauso behandelt.
Wir präsentieren hier noch eine schöne lebensnahe Anwendung des letzten Satzes.
Satz 2.18
Auf einer Party mit mindestens sechs Personen gibt es entweder mindestens
drei Personen, die einander kennen, oder mindestens drei Personen, die einander fremd sind.
Beweis Beschreibe die Party durch einen vollständigen Graphen mit 6 Knoten, wobei die Kanten rot gefärbt werden, wenn die Personen einander fremd sind, und blau
gefärbt werden, wenn sie einander kennen. Wir müssen mit dieser Beschreibung nur
zeigen, dass R.3; 3/ 6 ist. Wähle einen Knoten v aus. Es gibt 5 Kanten, die von
v abgehen, und mindestens 3 von diesen müssen die gleiche Farbe haben. Nehmen
wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit an, dass die Kanten .v; r/; .v; s/; .v; t/
alle blau sind. Wenn eine der Kanten .r; s/; .r; t/; .s; t/ auch blau ist, haben wir
einen blauen vollständigen Teilgraphen mit 3 Knoten. Wenn nicht, sind aber alle
diese Kanten rot, und wir haben einen roten Teilgraphen mit drei Knoten.
Abb. 2.5 zeigt einen zweifarbigen vollständigen Graphen mit 5 Knoten ohne vollständigen einfarbigen Untergraphen mit 3 Knoten. Wir sehen also, dass R.3; 3/ D 6
ist.
34
2 Diskrete Mathematik
Abb. 2.5 Ein 2-farbiger vollständiger Graph mit 5 Knoten
2.9 Das Lemma von Sperner und der Fixpunktsatz von Brouwer
In diesem Abschnitt betrachten wir bestimmte Graphen, die mit 3 Farben gefärbt
sind.
Definition 2.10 Eine Triangulierung T eines Dreiecksgraphen ABC ist dadurch
charakterisiert, dass jeder induzierte Kreis in T ein Dreieck ist. Ein Kreis ist dabei
induziert, wenn zwischen seinen Ecken keine weiteren Kanten in ABC existieren.
Eine Sperner-Färbung von T ist eine Färbung mit 3 Farben, sodass A, B, C andere
Farben haben und alle Knoten von T auf den Kanten des Dreiecks nur die Farben
der Endpunkte der Seite besitzen.
˙
Satz 2.19
Jede Sperner-gefärbte Triangulierung enthält mindestens ein Dreieck, dessen
Ecken unterschiedliche Farben haben.8
Beweis Sei q die Anzahl der Dreiecke, die AAB oder BAA gefärbt sind, und r
die Anzahl der Dreiecke, die ABC gefärbt sind. Betrachte die Kanten in der Triangulierung, deren Endpunkte die Farben A und B haben. Sei x die Anzahl der
Randkanten, die AB gefärbt sind, und y die Anzahl der inneren Kanten, die AB
gefärbt sind. Nun zählen wir auf zwei unterschiedliche Arten ab. Als erstes zählen
wir über die Dreiecke der Triangulierung: Für jedes Dreieck AAB und BAA erhalten wir zwei Kanten, die AB gefärbt sind. Für jedes Dreieck ABC erhalten wir
genau eine solche Kante. Bemerke, dass wir auf diese Art innere Kanten des Typs
AB zweimal und Randkanten einmal zählen. Also gilt
2q C r D x C 2y:
8
Dieser Satz stammt von dem deutschen Mathematiker Emanuel Sperner (1905–1980).
2.9 Das Lemma von Sperner und der Fixpunktsatz von Brouwer
35
Abb. 2.6 Eine SpernerTriangulierung
Nun zählen wir über die Randkanten von T . AB gefärbte Kanten können nur zwischen 2 Knoten sein, die die Farben A und B haben. Zwischen Knoten, die A und
B gefärbt sind, muss eine ungerade Anzahl von AB gefärbten Kanten vorliegen.
Damit ist x ungerade. Aus r D x C 2y 2x folgt, dass r ebenfalls ungerade und
daher nicht null ist.
Wir wenden dieses Resultat aus der diskreten Mathematik nun in der Analysis
an und beweisen den Fixpunktsatz von Brouwer (1881–1966). Wer mit dem Begriff
der Stetigkeit nicht vertraut ist, kann den Abschn. 11.6 zu Rate ziehen.
Satz 2.20
Sei B eine Kreisscheibe. Eine stetige Abbildung f W B ! B hat einen
Fixpunkt x 2 B, d. h. es ist f .x/ D x.9
Beweis Wir beweisen den Satz für das Dreieck in R3 mit den Ecken e1 D
.1; 0; 0/, e2 D .0; 1; 0/ und e3 D .0; 0; 1/. Dies bedeutet
D f.a1 ; a2 ; a3 / 2 Œ0; 13 ja1 C a2 C a3 D 1g:
Das Resultat erhält man dann daraus, dass sich jede Kreisscheibe B stetig mit stetiger Umkehrfunktion auf abbilden lässt.
Definiere nun eine Folge von Triangulierungen T1 ; T2 ; T3 ; : : : von mit ı.Tk / !
0, wobei ı die Länge der maximalen Kanten in der Triangulierung ist. Wir nehmen
an, es gibt eine stetige Abbildung f W ! ohne Fixpunkt. Wir färben nun
die Knoten jeder Triangulierung Tm mit den Farben 1, 2, 3. Für v 2 Tm definiere
die Farbe von v als die minimale Farbe i mit f .v/i < vi , d. h. als den minimalen
9
Dieser Satz wurde von dem holländischen Mathematiker L. E. J. Brouwer (1881–1966) bewiesen.
36
2 Diskrete Mathematik
Index i, sodass die i-te Koordinate von f .v/ v negativ ist. Diese Färbung ist
wohldefiniert, da f keine Fixpunkte hat und die Summen der Koordinaten von v
und f .v/ gleich sind. Wir behaupten, dass die drei Ecken e1 , e2 und e3 nicht die
gleiche Farbe haben. Die Ecken maximieren unterschiedliche Koordinaten; damit
ist f .v/v negativ in dieser Koordinate. Des Weiteren gilt für einen Knoten auf der
Kante e1 e2 e3 D 0; damit hat f .v/ v eine nicht-negative dritte Koordinate und ist
mit 1 oder 2 gefärbt. Das Gleiche gilt für alle anderen Koordinaten. Wir sehen, dass
jedes Tm Sperner-gefärbt ist und wir den letzten Satz anwenden können. Es gibt ein
Dreieck m in Tm , dessen Ecken unterschiedliche Farben haben. In Abschn. 5.2
werden wir sehen, dass jede Folge in einer kompakten Menge eine konvergente
Teilfolge hat. Somit gibt es eine Teilfolge der Dreiecke m , die zu einem Punkt x
konvergiert. Durch unsere Konstruktion erhalten wir aus der Stetigkeit von f die
Funktion f .x/i D xi für jede Koordinate; damit ist x ein Fixpunkt.
Mittels Induktion über die Dimension ist es möglich, den Satz von Sperner und
damit den Fixpunktsatz in höheren Dimensionen zu beweisen, siehe hierzu etwa
Smart (1980).
http://www.springer.com/978-3-662-53966-8
Herunterladen