Weitere Gedanken zu einer erweiterten Feldtheorie Der Gedanke, die Entstehung von Organismen feldtheoretisch erklären zu wollen, stammt nicht ursprünglich von Sheldrake. Unabhängig voneinander äußerten bereits Anfang der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Biologen Hans Spemann, Alexander Gurwitsch und Paul Weiss ihre Gedanken auf ähnliche Weise. Ihre Arbeiten wurden in den 30er Jahren von C. H. Waddington fortgeführt. Er prägte den Begriff der „Individuationsfelder“, die er für die Bildung bestimmter Organe mit charakteristischer Form verantwortlich machte. Seine Forschungen führten zu dem von ihm in den 50er Jahren vorgestellten „Chreoden-Modell“. Vereinfacht gesagt beschreibt es Entwicklungswege, wobei häufig benutzte Wege weiter ausgetreten und dadurch noch wahrscheinlicher begangen werden. In der Tradition seiner Vorgänger stellte Sheldrake in den 80er Jahren schließlich seine provokante Idee der morphischen Felder vor, die weltweit Aufsehen erregte und zu weiterführenden Untersuchungen auch in anderen Fachbereichen angeregte. An der Universität Mainz wird seit Anfang 2001 an einem Experiment zur Bestätigung der morphischen Felder gearbeitet. Sheldrakes Thesen spalten die Wissenschaft. Bis auf den heutigen Tag sind einige von Sheldrakes Beweismaterial überzeugt, während es von anderen angezweifelt wird. Die Skeptiker reihen seine Thesen in den Bereich der Parawissenschaften, der Pseudowissenschaften oder der Esoterik ein. Es gibt aber auch namhafte Vertreter aus verschiedenen Bereichen des wissenschaftlichen Mainstreams, die seine Thesen zumindest für diskussionswürdig halten. Angestiftet vom Kernphysiker Hans-Peter Dürr und vom Theologen und Sozialwissenschaftler Franz-Theo Gottwald wurden in den späten 90er Jahren im Rahmen eines Projekt der Schweinfurth-Stiftung in Deutschland Shledrakes originellen Ideen von Wissenschaftlern unterschiedlicher Provenienz diskutiert und auch publiziert (1999). Als Naturwissenschaftler beschäftigte sich Sheldrake zunächst mit Biologie – im Versuch „Natur“ zu verstehen, und zwar auf eine ganzheitliche Weise. Um die Natur zu verstehen, benötigen wir ein Prinzip der Form und ein Prinzip des Wandels. Im tantrischen Hinduismus stellt Shakti das Prinzip des Wandels bzw. der Energie dar, und Shiva das Prinzip der Form. Oder im normalen Hinduismus entspricht Shiva dem Prinzip des Wandels, also der Schöpfung und Zerstörung, Vishnu dem Prinzip der Form und der Struktur. Und in der christlichen Tradition, die auf der Trinität basiert, ist der Geist das bewegende Prinzip bzw. das Prinzip des Wandels. Die zweite Person der Trinität ist Logos, das Prinzip der Form. Nun haben die morphogenetischen Felder mehr mit der Form zu tun. Es geht also um das Prinzip der Struktur: Form und Ordnung. Immer und überall müssen diese beiden Prinzipien zusammenarbeiten. Drei Begriffe sind zentral für Sheldrakes Ideen und sollen zunächst definiert werden: Morphogenetisches Feld: Ein morphogenetisches Feld ist nach Ansicht des Biologen Rupert Sheldrake das biologische (und potentiell gesellschaftliche) Äquivalent zu einem elektromagnetischen Feld, welches das genaue Aussehen eines Lebewesens (als Teil seiner Epigenetik) formen und an Verhalten und Koordination mit anderen Wesen beteiligt sein soll. Neben elektromagnetischen Feldern, Gravitationsfeldern und Feldern in der Quantenphysik ist das morphogenetische Feld gleichsam ein „viertes Feld“, in dem die Erinnerung an die Natur gespeichert ist, in gewisser Weise vergleichbar mit C. G. Jungs kollektiven Unbewussten. Es ist also ein Feld, das bei der Morphogenese lebender Organismen eine kausale Rolle spielt. Der Begriff kam in den zwanziger Jahren auf und hat heute seinen festen Platz in der Entwicklungsbiologie, wenngleich die Natur des morphogenetischen Feldes noch nicht aufgeklärt werden konnte. Im Rahmen der Sheldrake´schen Hypothese der Formenbildungsursachen ist das morphogenetische Feld eine Unterart der morphischen Felder und wird durch morphische Resonanz stabilisiert. Morphisches Feld: Mit dem morphischen Feld wird ein Oberbegriff beschrieben: Das Feld in und um eine morphische Einheit, das deren charakteristische Strukturen und Aktivitätsmuster organisiert. Morphische Felder sind ein übergeordnetes Konzept, welches die gesamte Bandbreite sich selbst organisierender Systeme umfasst. Morphogenetische Felder befassen sich mit der Morphogenese, der Entstehung von Formen in der Natur. Morphische Felder liegen der Form und dem Verhalten von Holons oder morphischen Einheiten auf allen Ebenen der Komplexität zugrunde. Der Begriff «morphisches Feld» bezieht sich nicht nur auf morphogenetische Felder im engeren Sinne, sondern auch auf Verhaltensfelder, soziale Felder, kulturelle Felder und mentale Felder. Morphische Felder werden durch morphische Resonanz mit früheren morphischen Einheiten einer ähnlichen Art (die demzufolge unter dem Einfluss ähnlicher morphischer Felder standen) geformt und stabilisiert. Sie enthalten daher eine Art kumulative Erinnerung und haben eine Tendenz zu fortschreitender Habitualisierung. Morphische Felder sind somit unsichtbare organisierende Strukturen, die Dinge wie Kristalle, Pflanzen und Tiere formen und gestalten und sich auch organisierend auf deren Verhalten auswirken. Morphische Felder formen also z. B. Atome, Moleküle, lebendige Organismen, Organisationen, Konventionen oder mentale Gewohnheiten. Laut Sheldrake gibt es zahllose Felder verschiedenster Ausprägung und Komplexität, die sich überlagern, sich in neuer Gestalt erschaffen oder gegenseitig unterordnen können. Manche Felder stehen in Resonanz, andere in Dissonanz zueinander. Kein Feld existiert jedoch isoliert. Eine wesentliche Ausdrucksform morphischer Felder ist die Vibration. Zur Veranschaulichung der Organisation der Materie durch formbildende Felder schlug Sheldrake morphische Resonanz als Interaktionsmodell vor. Darunter versteht er eine Gleichschwingung ähnlicher Formen über Zeit und Raum hinweg. Als Psychotherapeut wird man dabei unmittelbar an interaktionelle Vorgänge in der nonverbal-affektiven Abstimmung erinnert – die Biologen sprechen in diesem Zusammenhang von synchronen Bewegungsaktivitäten, die Verhaltensforscher von Kontingenzen. Morphische Resonanz: Morphische Resonanz beschreibt den Einfluss, den vergangene Aktivitätsstrukturen auf spätere, von morphischen Feldern organisierte Aktivitätsstrukturen ähnlicher Art ausüben. Aufgrund von morphischer Resonanz können formative Kausaleinflüsse über Raum und Zeit wirksam werden; sie können nur aus der Vergangenheit kommen, und ihre Wirkung verringert sich nicht mit wachsender räumlicher oder zeitlicher Entfernung. Je größer die Ähnlichkeit, desto stärker der Einfluss der morphischen Resonanz. Diese Beschreibung erinnert stark an die homöopathische Ähnlichkeitsregel: Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt – das homöopathische Heilmittel interagiert mit dem Organismus als Ganzes. Je besser das Zusammenpassen, umso mehr vermögen selbstregulatorische Mechanismen bzw. Ressourcen in Gang gesetzt werden. Aber auch andere Begriffe, wie Selbstregulation, Entwicklung, Feld oder Abstimmung werden im Zuge der Diskussion um Sheldrakes Thesen immer wieder gebraucht, sodass es sich m. E. lohnt, einen Blick auf dieses Gedankengebäude zu werden und sich kritisch mit seiner Nützlichkeit für die Psychotherapie auseinanderzusetzen. Den letzten Punkt will ich im Rahmen dieses Beitrags aber nur andeuten – nicht aber im Rahmen dieses Aufsatzes ausführlich aufgreifen. Als klar erweist sich, dass sogar Materie ein selbstorganisierendes Attribut hat, das sich als richtungs- und formgebend ausweist“ (Zänker 1999, S. 64). Wenn Selbstorganisation also ein Potential der Formgebung für unbelebte Materie ist, dann ist es nur konsequent, formgebende Ursachen für die Organisation von Atomen, Molekülen, Zellen und Geweben zu beschreiben. Und hier sind wir bereits bei der Begrifflichkeit morphogenetischer Felder: die Morphogenese lebender Organismen, wie sie von Feldern organisiert wird. Kritische Diskussion und Würdigung: einige Gedanken (1) Rupert Sheldrake war als Pflanzenphysiologe ausgebildet und interessierte sich dafür, wie Pflanzen und auch alle anderen Lebewesen ihre Form erhielten. Eine einzelne Zelle spaltet sich in anfangs identische Kopien, die mit jeder weiteren Zellteilung spezifische Eigenschaften annehmen; einige Zellen werden zu Blättern, andere zu Stängeln. Sobald diese Veränderungen stattgefunden haben, gibt es keinen Rückweg mehr. Beispielsweise können Blätter nicht wieder zu Stängeln werden. Zum Zeitpunkt seiner diesbezüglichen Forschung in den späten 1960ern und 1970ern waren die Gründe für diese Art der Entwicklung noch unklar. Beispielsweise wurde noch in den 1920ern angenommen, dass die Entwicklung eines Embryos oder die Fähigkeit der Ableger von Weidenbäumen, zu vollständigen Bäumen heranzuwachsen, die Existenz solcher "Wissens-" oder "Erinnerungs-"Felder in der Umgebung impliziere. Die spätere Entdeckung der DNA schien eine alternative Erklärung anzubieten; da die DNA jedoch im ganzen Organismus größtenteils identisch blieb, konnte man mit ihr damals noch nicht die Gestalt eines Organismus erklären. Die DNA erklärte, dass eine Zelle menschlichen Ursprungs war, aber man wusste damals nicht, zu welchem Körperteil dieses Menschen die Zelle gehörte. Man vermutete zwar schon, dass die Mechanismen für die Entwicklung der Gestalt in der DNA codiert waren, aber die genaue Natur dieses Systems blieb bis auf weiteres ein Geheimnis. Sheldrake entwickelte stattdessen eine völlig neue Theorie, um dieses Problem zu erklären; seine Theorie behauptete die Existenz eines universellen Feldes, welches das „Grundmuster“ eines Gegenstands codieren soll. Nach Sheldrakes Ansicht ist die Existenz einer Form ausreichend dafür, dass es für diese Form leichter sei, an irgendeinem anderen Ort zu existieren. Dies nannte Sheldrake 1973 ein morphogenetisches Feld; nach dieser Sichtweise bestünde die Natur möglicherweise nicht nur aus Naturgesetzen, sondern auch aus „Gewohnheiten“. Dieses morphogenetische Feld soll eine organisierende und selbstregulierende Kraft zur Verfügung stellen, welche die Entwicklung eines Organismus steuert, so dass er eine Form annimmt, die anderen Exemplaren seiner Spezies ähnelt. Der Begriff "Morphogenese" stammt von den griechischen Wörtern morphe (Form) und genesis (Entstehen, Werden). Morphische Resonanz soll dabei als Rückkopplungsmechanismus sowohl zu Veränderungen an diesem Muster führen, als auch erklären, warum Menschen während ihrer Entwicklung nicht die Form von Pflanzen annehmen. Eines dieser Beweismittel war die Arbeit des Forschers William McDougall von der Harvard Universität, der in den 1920er Jahren die Fähigkeit von Ratten untersucht hatte, aus Labyrinthen herauszufinden. Er hatte herausgefunden, dass die Nachkommen von Ratten, die das Labyrinth kannten, schneller hindurch fanden; zuerst brauchten die Ratten 165 Fehlversuche, bevor sie jedes Mal ohne Fehler durch das Labyrinth fanden, aber nach einigen Generationen waren es nur noch 20 Fehlversuche. McDougall glaubte, dass der Grund dafür in einer Art von Lamarckschem Evolutionsprozess lag. Sheldrake hingegen sah darin den Beweis für die Existenz eines morphogenetischen Feldes. Die Ratten, welche das Labyrinth zuerst durchliefen, schufen nach seiner Ansicht ein Lernmuster innerhalb eines "Rattenfeldes", auf das die Nachkommen dieser Ratten zurückgreifen konnten. Mehrere Beispiele für diese Art "universellen Lernens" wurden angeboten. Das andere Beweismittel kam aus der Chemie, in der sich ein anderes noch ungeklärtes "Lernverhalten" bei der Züchtung von Kristallen abspielte. Wenn eine neue chemische Verbindung erstmals hergestellt wird, geht der Kristallisationsprozess langsam vonstatten; wenn andere Forscher das Experiment wiederholen, stellen sie fest, dass der Prozess schneller abläuft. Chemiker schreiben dies der gestiegenen Qualität späterer Experimente zu; die Fehler der früheren Versuche waren schon dokumentiert und wurden nicht erneut begangen. Sheldrake hingegen glaubte, dass dies ein weiteres Beispiel für ein morphogenetisches Feld sei; die Kristalle, die bei den ersten Versuchen gezüchtet worden waren, hätten ein Feld erschaffen, auf das die Kristalle der später durchgeführten Experimente zurückgegriffen hätten. Seit damals wurden eine Reihe von anderen Beispielen hinzugefügt; sowohl das Verhalten von Affen in Japan beim Putzen ihrer Nahrung als auch die Fähigkeit von europäischen Vögeln, zu lernen, wie man Milchflaschen öffnet, wurden als Beispiele einer "nichtlokalen" Kraft bei Verhalten und Lernfähigkeit angeboten. Kritisch kann man einwenden, dass Sheldrake im Stile eines grandiosen Narzissten weitreichende Schlussfolgerungen anbietet, die wissenschaftlicher Stringenz und Bescheidenheit entbehren. So fand 1981 eine „große Enthüllung“ statt, indem er seine Theorie in Buchform unter dem Titel A New Science of Life veröffentlichte (deutsch: " Das schöpferische Universum. Die Theorie des morphogenetischen Feldes"). Die Gemeinschaft der Wissenschaftler reagiert nun generell skeptisch, wenn eine "Theorie von Allem" veröffentlicht wird. Das gilt umso mehr, wenn eine solche Theorie nicht in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht wird, sondern in einem Buch, das sich an Laien richtet. Ein weiterer Grund für Skepsis liegt vor, wenn der Autor seine Erkenntnisse zu einem Forschungsgebiet anbietet, in dem er selbst keine direkte Erfahrung hat. Daher wurde das Buch zunächst auf breiter Front zurückgewiesen. Sheldrake wandte sich seinerseits im Laufe der Zeit zunehmend desillusioniert von der Welt der Wissenschaften ab. In der New Age Szene jedoch wurde sein Werk berühmt; man fand es wegen seiner ""ganzheitlichen" Weltsicht interessant, und man sah darin ein Beispiel dafür, wie ein "echter Wissenschaftler" von der Gemeinschaft der Wissenschaftler herabgesetzt wurde. Er scheint dabei einem ähnlichen Schicksal erlegen zu sein wie Carlos Castaneda, der seinerseits anfangs (nicht mehr aber in seinen späteren Veröffentlichungen) durch die „Lehren des Don Juan“ nicht nur in der Laienwelt großes Aufsehen erregt hatte. Weiterhin bleibt jedoch das Interesse an seinen herausfordernden Thesen in bestimmten wissenschaftlichen Kreisen besteht. Sein Ansatz ist eine Herausforderung an das mechanistische Paradigma, das die Biologie als eine Funktion von Chemie und Physik sähe. Der Materialismus des 19. Jahrhunderts habe teilweise zu Gentechnologie und Biotechnologie geführt, sich aber gleichzeitig von einem Verständnis des Bewusstseins entfernt, wonach seine Theorie über Felder strebe. Sheldrake möchte aber ganz bewusst Metaebenen erschließen, die nicht dem Mainstream der Naturwissenschaften folgen, sondern als „epigenetische Landschaften“ im Sinne von Denkreliefen zu bestimmten Entwicklungszielen führen können. Wenn sich daraus Handlungsanweisungen in einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen ableiten lassen, die umsetzbar bzw. technisierbar würden, dann „könnten sie Begrifflichkeit und Qualität von Gesund- oder Krank-Sein innerhalb eines globalen Lebensnetzes in der Humanontogenese für den Menschen als biopsychosoziales Wesen auf neuartige Weise definieren“ – so der Immunologe und Tumorbiologe Prof. Kurz Zänker von der Universität Witten in Deutschland (1999, S. 77). Wenn diese technisierbar werden, „könnten sie Begrifflichkeit und Qualität von Gesund- oder Krank-Sein innerhalb eines globalen Lebensnetzes in der Humanontogenese für den Menschen als biopsychosoziales Wesen auf neuartige Weise definieren“ (77). Morphische Felder und Immunabwehr (2) In unserem Körper herrscht eine dauernde Auseinandersetzung zwischen pathogenenen Mikroorganismen (d. h. fremden Partikeln, „Nicht-Selbst“) und dem Immunsystem in Form der Lymphozyten der B- und T-Form. B-Zellen sezernieren durch direkten Antigen-Kontakt („Nicht-Selbst“) spezifische Antikörper. T-Zellen können das nur, wenn ihnen dadurch geholfen wird, dass ihnen andere Zellen (z. B. B-Zellen, Makrophagen) das körperfremde Eiweiß (Antigen) formgerecht auf der Zelloberfläche zum Kontakt anbieten. Die Anbieter-Zellen nehmen das Antigen auf, zerlegen es in kurze Eiweißketten und bringen einen Teil davon, das „Nanopeptid“, an die Oberfläche ihrer Zellmembran, wo es nun für die T-Zellen aufbereitet und erkennbar ist. Immunzellen wollen somit so effizient wie möglich „Nicht-Selbst“ präsentieren, damit die B-Zellen Antikörper produzieren und ausscheiden können. Die Frage ist nun: Wie erkennt eine T-Zelle, die das Antigen gezeigt bekommt, dass ein fremder Eiweißstoff „Nicht-Selbst ausdrückt? Wobei das Antigen in der Regel ein sehr komplexer Eiweißstoff ist, aufgebaut aus Hunderten von Aminosäuren, und auch räumlich komplex gefaltet. T-Zellen müssen sozusagen eine äußerst komplizierte Entscheidung treffen, wenn sie das Nanopeptid bemerken: dass sie es überhaupt als relevante Information bemerken. Eine Lösung, wie die T-Zelle das „wissen“ kann (und wie sie sich abertausende von Informationen unterschiedlichster Fremdkörper und körpereigener Eiweißstoffe „merken“ kann), bestünde darin zu sagen, im Nanopeptid spiegelt sich das Ganze, der gesamte Organismus wieder; und damit wären wir bei den morphischen Feldern: über die Feldwirkung spiegelt sich im Detail das Ganze – „pars pro toto“. Werden somit einige wenige kennzeichnende „fraktale“ Peptide eines Antigens immer wieder präsentiert, dann bilden sie im Laufe der Zeit ein stabiles morphisches Feld aufweisen. Eine T-Zelle muss als zwischen Selbst- und Nicht-Selbst unterscheiden können. Dazu ist sie mit eine Repertoire an Rezeptoren ausgestattet, das auf anderen Zelloberflächen präsentierte Peptide nur zusammen mit individuellen Eiweißmolekülen erkennt. Die präsentierten Nanopeptide erscheinen aber auf Zelloberflächen nicht „nackt“, sondern eng assoziiert mit anderen Molekülen, sog. MHC-Molekülen (3). MHC-Moleküle können aber nur dann erscheinen, wenn im Aufbau des Eiweißkomplexes ein körpereigenes Eiweißfragment eingebaut wird (4). Mit anderen Worten, der Organismus fordert immunkompetente Zellen unentwegt auf, Eigenes (Selbst) von Fremdem (NichtSelbst) zu unterscheiden. Daraus ergibt sich die Frage, wie die T-Zellen diese Aufgabe leisten können, denn die Menge der zu prüfenden Eiweißkörper ist ungeheuer groß. Man weiß zwar, dass in der Thymusdrüse eine Art Konditionierungsprozess stattfindet, eine „Erziehung“ der Immunzellen zu dieser Leistung, das sagt aber trotzdem nichts darüber aus, wie die Proteine ausgewählt werden und wer den Lernprozess eigentlich festlegt. Hier steht die Mainstream-Forschung vor einem Rätsel. Eine Hypothese wäre die Annahme morphischer Felder: sie würden Proteinen Struktur und Funktion verleihen. Sie werden durch Resonanz mit früheren Strukturen der gleichen Art stabilisiert. D. h. es kann angenommen werden, dass die individuelle Evolution eines Organismus durch Resonanz mit früheren Proteinstrukturen bevorzugt jene Nanopeptidmotive stabilisiert hat, die für immunkompetente Zellen erfolgreich „Selbst“ signalisieren. Dies wäre zumindest eine plausible Hypothese, die man weiterhin prüfen könnte. Die künftige immunologische Forschung wird also zeigen, ob einige solcher Proteine „archetypisch“ existieren, oder ob sie ein Sammelmotiv für ein biologisches Selbst sind, die von immunkompetenten Zellen respektiert werden – die nächsten Frage lauten dann: Auch die Metastasenbildung im Rahmen von Tumorerkrankungen gibt bisher Rätsel auf. Was veranlasst eine Zelle, sich aus einem Primärtumor zu lösen, im eigenen Körper zu migrieren und sich in einem anderen Organ anzusiedeln, um dort eine Tochtergeschwulst auszubilden? Ist hier ein selbstorganisierender Faktor im Sinne topologischer Felder am Werk? Der Zeitpunkt einer Metastasierung ist nicht vorhersagbar – d. h. es handelt sich um etwas spontan Auftauchendes – um eine Emergenz, und Emergenzen kennzeichnen komplexe interaktionelle Vorgänge sowohl in der Gesamtevolution und in jeglichen interaktionellen Geschehen zwischen komplexen lebendigen Organismen. Eine spekulative Hypothese könnte lauten: Entartete Zellen, die metastasieren, unterscheiden sich anderen Tumorzellen dadurch, dass sie topologische Felder ausbilden können, die sich über die Zeit summiert durch Selbstresonanz verstärken. Auch hier wird die künftige Forschung Näheres sagen können. Jedenfalls werden in der Quantenchemie werden solche Felder in Form von Bindungsstärke, Affinität oder Zusammenschluss von Elektronenhüllen teilweise formuliert. Vorläufiges Resümee: Eine um die Idee morphischer Felder erweiterte Feldtheorie kann interessante Gedankenanstöße auch für unsere Disziplin, die Psychotherapie, liefern. In der Gestalttherapie ist der Feldgedanke immer schon enthalten gewesen, und Feldüberlegungen können vielleicht auch zum Verstehen komplexer interaktioneller Prozesse zwischen Patient und Therapeut herangezogen werden – also Alternativhypothese zu bisherigen Hypothesenbildungen. Wenn wir der Versuchung widerstehen, sie als allgemeingültiges Erklärungsprinzip hochzustilisieren, könnte ein ernsthafter Diskurs um morphische Felder nicht nur belebend sein, sondern auch neue Blickwinkel eröffnen. Endnoten: (1) Quelle: http://www.lexikon-definition.de/Morphisches-Feld.html (2) Nach einem Artikel von Zänker K. (1999): Zellkommunikation und die Theorie morphischer Felder (3) major histocompatibility complex (4) Es gibt Ausnahmen, z. B. bei Virusinfektionen, bei denen ein körperfremdes Peptidfragment mit in die Eiweißfaltung eingebaut wird. Literatur: Dürr, H.-P., Gottwald, F.-T. (1999) (Hg.): Rupert Sheldrake in der Diskussion. Das Wagnis einer neuen Wissenschaft des Lebens. Bern München Wien (Scherz). Sheldrake, R. (1983): Das schöpferische Universum. Die Theorie des morphogenetischen Feldes. München. Zänker, K. S. (1999): Zellkommunikation und die Theorie der morphischen Felder. In: Dürr u. Gottwald s. o., S. 60-77.