Klinisches Gutachten „Erythrozytenkonzentrate“

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Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
Erstellt von:
Prof. Dr. A. Salama
Leiter der Blutbank der Charité, CVK
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines Produktprofil Von „Erythrozytenkonzentraten“
Chemisch-Pharmazeutische Eigenschaften
Pharmakologische Eigenschaften
Klinische Wirksamkeit
Unerwünschte Wirkungen
Literatur
Lebenslauf
Erklärung
Vorbemerkung: Die allgemeinen Präpartebeschreibungen bzw. –benennungen und die
zugehörigen Qualitätsdaten (Zellzahlen etc.) werden vom Pharmazeutischen Unternehmer
durch die spezifischen zutreffenden Angaben für das jeweils beantragte Präparat ersetzt.
1.
ALLGEMEINES PRODUKTPROFIL VON
„ERYTHROZYTENKONZENTRATEN“
Erythrozytenkonzentrate (EK) werden aus frisch entnommenem Vollblut oder durch
maschinelle Apherese entsprechend dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand
gewonnen. Die Anforderungen an den jeweiligen Blutspender (Spendetauglichkeit) und die
Produktqualität sind gesetzlich sowie in den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und
Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) vorgegeben (19). Vor Freigabe des Arzneimittels müssen nach dem Stand der medizinischen
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Wissenschaft und Technik mindestens HIV-, Hepatitis B-, Hepatitis-C und LuesInfektionsmarker untersucht und als negativ befundet werden (5,8,9).
Bei der Vollblutspende werden nach Standardmethoden 450 oder 500 ml Blut eines
geeigneten Blutspenders mit 63 bzw. 70 ml eines sterilen, pyrogenfreien Stabilisators in
einem geschlossenen Doppel- oder Mehrfach-Blutbeutelsystem gemischt. Für die
Herstellung werden Blutbeutelsysteme verwendet, deren Herstellungsunterlagen beim
Paul-Ehrlich-Institut hinterlegt sind. Die gebräuchlichsten Stabilisatoren sind CPD (Citrat,
Phosphat, Dextrose) und CPD mit Zusatz von Adenin (CPDA-1). Nach Zentrifugation des
Vollblutes werden buffy coat und Plasma durch einfache physikalische Verfahren im
geschlossenen
System
von
den
Erythrozyten
getrennt
(2,3,8,9,10).
Die
Leukozytendepletion kann am Vollblut vor der Zentrifugation oder am EK nach
Abtrennung von buffy coat und Plasma erfolgen.
Die maschinelle Entnahme von Erythrozytenkonzentraten ist sowohl im Rahmen einer
Multikomponenten-Spende (Erythrozytenkonzentrat, Thrombozytenkonzentrat und/oder
Frischplasma) als auch selektiv durch diskontinuierliche Apherese (1 oder 2 Konzentrate)
von einem geeigneten Blutspender möglich (9-13).
Alle hergestellten EK enthalten außer CPD- bzw. CPD-A1-Resten Additivlösung.
Additivlösungen enthalten neben Natriumchlorid, auch Glukose, Adenin und Mannitol,
ggf. auch zusätzlich Phosphat und Guanosin. Diese Konservierungslösungen verbessern
die
Fließeigenschaften,
die
Aufrechterhaltung
des
Energiehaushalts
und
der
Membranstabilität von Erythrozyten während der Lagerung und ermöglichen eine längere
Verwendbarkeit der EK (14-19). Die Blutgruppenmerkmale des ABO-Systems, das
Rhesus-Merkmal D (pos./neg.), die Merkmale des Rhesus-Systems (Cc Dd Ee) sowie des
Kell-Systems (pos./neg.) sind Bestandteil der Behältnisbeschriftung. Hinsichtlich ihrer
Wirksamkeit unterscheiden sich die Erythrozytenkonzentrate durch die verschiedenen
Blutgruppen nicht voneinander.
Es werden Inprozeßkontrollen durchgeführt, um auf allen Herstellungsstufen die
Produktqualität zu sichern. Die eingesetzten Materialien, Behältnisse, Filter, Stabilisatorund Additivlösung entsprechen in ihren Ausgangsstoffen und ihrer Zusammensetzung den
Monografien der Ph. Eur. bzw. der USP 24 (1,20). Die verwendeten Apherese-Sets sowie
die eingesetzten Filter sind CE-zertifiziert. Die Packungsgröße entspricht den
medizinischen Erfordernissen.
Das Fertigarzneimittel wird durch eine Konservennummer als Einzelprodukt identifiziert.
Durch die Dokumentation von Spender, Spende und Empfänger sowie die Aufbewahrung
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einer Rückstellprobe (Serum des Spenders) können “look-back-Verfahren” in beide
Richtungen sowie Nachtestungen vorgenommen werden (5,9).
Da es sich bei dem Arzneimittel um ein Einzelprodukt handelt, werden Prüfungen auf
Sterilität, Gehalt und Reinheit stichprobenartig durchgeführt. Die Haltbarkeit der EK wird
durch entsprechende Untersuchungen des Herstellers belegt (8,9).
EK müssen bei +2C bis +6C in geeigneten Kühlschränken oder –räumen mit
fortlaufender Temperaturregistrierung gelagert werden. Die Kühlkette soll auch während
des Transports nicht unterbrochen werden, sofern das EK nicht unmittelbar danach
verwendet wird. Bezüglich der Verwendbarkeitsdauer sind die Angaben des Herstellers auf
den Etiketten der Präparate zu beachten (9).
Als Grenzwert der Verwendbarkeit von Eythrozytenpräparaten ist international festgelegt,
daß die Wiederfindungsrate (recovery) der übertragenen Erythrozyten 24 Stunden nach
Transfusion im Kreislauf eines Patienten ohne gesteigerten Umsatz oder Verlust von
Erythrozyten mindestens 75% (8,9) betragen muß. Da sich bei dem einzelnen Präparat
diese Werte nicht prüfen lassen, müssen die Lagerungs- und Verwendungsvorschriften
strikt eingehalten werden.
Jedes EK muß unmittelbar vor der Transfusion auch vom transfundierenden Arzt einer
optischen Qualitätsprüfung unterzogen werden. Hierbei ist vor allem auf die
Unversehrtheit des Blutbeutels, Koagelbildung, Verfärbungen (als möglicher Ausdruck
einer Verkeimung) und auf Hämolyse zu achten. Außerdem ist die einwandfreie
Beschriftung, die korrekte Zuordnung zum Patienten, Gültigkeit der Verträglichkeit und
das Verfallsdatum des Präparats zu kontrollieren. Auffällige EK dürfen nicht verwendet
werden (9).
2.
CHEMISCH-PHARMAZEUTISCHE EIGENSCHAFTEN
Die verfügbaren EK unterscheiden sich im wesentlichen durch den Gehalt an noch
verbliebenen Leukozyten, Thrombozyten, Plasma und additiver Lösung. Die Durchführung
der Blutgruppenserologie, der Bestimmung der Infektionsmarker (HIV 1/2-Antikörper,
HCV-Antikörper und Genom, HBs-Antigen, TPH und ALAT-Werte) erfolgt vor Freigabe
an jeder Spende. Die anderen Qualitätsparameter werden monatlich bei mindestens 1% der
hergestellten Packungseinheiten (mindestens jedoch 4 Einheiten) und die Sterilitätstestung
bei 0,4 x  n (n = Zahl der hergestellten Packungseinheiten pro Monat) bestimmt. Die
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Sollwerte müssen je nach Parameter alle Einheiten bzw. beim Restleukozytengehalt
mindestens 90% der geprüften Einheiten erfüllen (9). Abweichende Anforderungen sind
bei den einzelnen Präparaten angeführt.
2.1.
LEUKOZYTENDEPLETIERTE ERYTHROZYTENKONZENTRATE
IN ADDITIVLÖSUNG
Zur Zeit werden folgende Filtrationstechniken zur Leukozytendepletion in funktionell
geschlossenen Systemen (inline-Filtration) verwendet (9):
1. Das Vollblut einer einzelnen Spende wird zentrifugiert, Plasma und buffy coat werden
nach Standardmethoden entfernt und anschließend die Erythrozyten in Additivlösung
resuspendiert und filtriert.
2. Das Vollblut einer einzelnen Spende wird vor Zentrifugation filtriert. Nach
Plasmaabtrennung erfolgt die Resuspension der Erythrozyten in Additivlösung.
3.
Apheresepräparate werden während der Blutgewinnung filtriert.
EK
werden
vor
Lagerung
leukozytendepletiert.
Es
ist
belegt,
daß
die
Leukozytendepletion zur Verbesserung der Qualität des Präparates, zur Reduktion der
Immunisierung
gegen
Leukozytenantigene
(HLA-Antigene)
und
der
leukozytenvermittelten Fieberreaktionen sowie der Vermeidung der Übertragung von
zellständigen Viren führt (21-33). Die Haltbarkeit beträgt je nach verwendeter
Additivlösung bis 49 Tage bei 4  2 C (9). Anhand von Stichproben sollen folgende
Qualitätskriterien (Spezifikation) erfüllt werden (Tabelle 1.).
Tabelle 1: Relevante Qualitätskriterien (Spezifikation) leukozytendepletierter EK in
Additivlösung
Prüfparameter
Prüfkriterien (Spezifikation)
Prüfzeitpunkt
Volumen
nach Festlegung, abhängig vom nach Herstellung
Entnahmevolumen
Hämatokrit
0,50 bis 0,70 l/l
nach Herstellung und am
Ende der ermittelten Haltbarkeit
Gesamt-Hb
>40 g/Einheit
nach Herstellung und am
Ende der ermittelten Haltbarkeit
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% Hämolyse
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<0,8% der Erythrozytenmasse
am
Ende
der
ermittelten
Haltbarkeit
Restleukozyten
<1 x 106 / Einheit*
Visuelle Kontrolle
Beutel unversehrt, keine sicht- nach Herstellung und am
nach Herstellung
bare Hämolyse
Ende der ermittelten Haltbarkeit
Sterilität
Steril
am
Ende
der
ermittelten
Haltbarkeit
*Diese Anforderung sollen 90% der geprüften Einheiten erfüllen.
2.2.
Zur
GEWASCHENE ERYTHROZYTENKONZENTRATE
Entfernung
der
freien
Restproteine
in
leukozytendepletierten
Erythrozytenkonzentraten werden die Erythrozyten mit isotonischer Lösung im funktionell
geschlossenen System oder unter Anwendung antiseptischer Bedingungen mehrmals
gewaschen und anschließend in isotonischer Kochsalzlösung oder Additivlösung
resuspendiert. Gewaschene EK werden innerhalb von 6 Stunden transfundiert und ggf. bis
dahin bei 4  2 C gelagert (8,9,18). Anhand von Stichproben sollen folgende
Qualitätskriterien (Spezifikation) erfüllt werden (Tabelle 2).
Tabelle 2: Relevante Qualitätskriterien (Spezifikation) gewaschener EK
Prüfparameter
Prüfkriterien (Spezifikation)
Prüfzeitpunkt
Volumen
nach Festlegung, abhängig vom Nach Rekonditionierung
Entnahmevolumen
Hämatokrit
0,50 bis 0,75 l/l
Gesamt-Hb
>43 g/Einheit bei Ausgangspro- Nach Rekonditionierung
dukt
EK
buffycoat-frei
Nach Rekonditionierung
in
Additivlösung
>40 g/Einheit bei Ausgangsprodukt leukozytendepletiertes EK
% Hämolyse
<0,8% der Erythrozytenmasse
Nach Rekonditionierung
Proteingehalt
<1,5 g/l
Nach Rekonditionierung
Visuelle Kontrolle
Beutel unversehrt, keine sicht- Nach Rekonditionierung
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bare Hämolyse
Sterilität
Steril
Nach Rekonditionierung
Die jährliche Prüffrequenz der Qualitätskkriterien beträgt bis auf die Sterilitätstestung 1%
der hergestellten Packungseinheiten, mindestens aber 4 Einheiten. Alle hergestellten
Einheiten werden auf Sterilität geprüft. Die Bestimmung von freiem Hb, Proteingehalt und
Sterilität kann aus dem letzten Waschüberstand erfolgen (9).
2.3.
KRYOKONSERVIERTE ERYTHROZYTENKONZENTRATE
Zur Herstellung dieser EK werden leukozytendepletierte EK verwendet. Die Erythrozyten
werden innerhalb von 7 Tagen nach der Spende unter Zugabe eines geeigneten
Kryokonservierungsmittels (bisher meistens Glycerin) tiefgefroren und können bei
Temperaturen unter –80 C mehr als 10 Jahre gelagert werden. Vor Anwendung werden
die Erythrozyten aufgetaut, in einem funktionell geschlossenen System mit einer
geeigneten Lösung gewaschen, resuspendiert und innerhalb von 6 Stunden transfundiert
(8,9,34,35,36).
Ausgewählte kryokonservierte EK mit seltenen Blutgruppen werden international in
wenigen Blutbanken in begrenzter Menge für den Notfall bevorratet. Anhand von
Stichproben sollen folgende Qualitätskriterien (Spezifikation) erfüllt werden (Tabelle 3).
Tabelle 3: Relevante Qualitätskriterien (Spezifikation) kryokonservierter EK
Prüfparameter
Prüfkriterien (Spezifikation)
Prüfzeitpunkt
Volumen
nach Festlegung, abhängig vom nach Rekonditionierung
Entnahmevolumen
Hämatokrit
0,50 bis 0,75 l/l
nach Rekonditionierung
Gesamt-Hb
>36 g/Einheit
nach Rekonditionierung
Freies Hb (Überstand)
<0,2 g/Einheit
nach Rekonditionierung
Osmolarität
<340 mOsm/l
nach Rekonditionierung
Visuelle Kontrolle
Beutel unversehrt, keine sicht- nach Herstellung und nach
Sterilität
bare Hämolyse
Rekonditionierung
Steril
nach Rekonditionierung
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Alle hergestellten Einheiten werden auf Sterilität geprüft. Die Bestimmung von freiem Hb,
Osmolarität und Sterilität kann aus dem letzten Waschüberstand erfolgen (9). Die in
Tabelle 3 aufgeführten Untersuchungen werden an 1% der Präparate durchgeführt.
2.4.
BESTRAHLTE ERYTHROZYTENKONZENTRATE
Die verwendeten EK sind auch leukozytendepletiert sein. Die mittlere Dosis der
Bestrahlung liegt bei ca. 30 Gy und darf an keiner Stelle des Inhaltes des Präparates unter
25 Gy liegen.
Die Bestrahlung der EK darf bis zum 14. Tag nach der Herstellung erfolgen. Die Lagerung
bestrahlter EK soll entsprechend der ermittelten Haltbarkeit 28 Tage nach der
Blutentnahme nicht überschreiten (8,9,37,38).
3.
PHARMAKOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN
Erythrozyten sind die Träger des Hämoglobins, das für die Aufnahme, den Transport und
die Abgabe der Atemgase in der Lunge und im Gewebe verantwortlich ist. Als Folge der
Lagerung von roten Blutzellen außerhalb des Organismus kommt es auch unter optimalen
Bedingungen
zu
komplexen
Veränderungen,
die
in
ihrer
Gesamtheit
als
“Lagerungsschaden”
bezeichnet werden (39-46). Diese Veränderungen geben sich unter anderem durch einen
morphologischen Formwandel (z.B. Auftreten von Kugelzellen und Stechapfelformen),
funktionelle Beeinträchtigungen (z.B. Abnahme des 2,3-Diphosphoglycerat (2,3-DPG)Gehalts mit Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve, Verringerung der
osmotischen Resistenz) und Freisetzung von Inhaltsstoffen (z.B. von Kalium,
Laktatdehydrogenase, Hämoglobin) zu erkennen. Die lagerungsbedingten Veränderungen
der Erythrozyten sind in vivo innerhalb von 48-72 Stunden reversibel (19,47-56).
Die Überlebenszeit der Erythrozyten ist relativ konstant und beträgt 110 bis 120 Tage. Dies
bedeutet, daß die Eliminationsrate solcher Zellen unter 1% pro Tag liegt. EK enthalten
Erythrozyten aller Altersstufen und dementsprechend liegt die mittlere Überlebenszeit
transfundierter, kompatibler Erythrozyten bei 57,7 Tagen (18). Rechnerisch werden bei
einem gesunden Erwachsenen ca. 12 ml/Tag Erythrozyten produziert, um eine
Hämoglobinkonzentration konstant bei 10 g/dl zu halten. Beim kompletten Ausfall der
Erythrozytenproduktion, wie bei einer ausgeprägten aplastischen Anämie, wird ca. 1 EK
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(200-250 ml) pro Woche bzw. 2 x 12 ml/Tag transfundiert, um eine konstante
Hämoglobinkonzentration bei 10 g/dl zu gewährleisten. Der Erythrozytenverbrauch wird
bei Fieber, Splenomegalie, Blutungsanämie und anderen Erkrankungen verstärkt (18).
3.1.
ARZNEILICH WIRKSAME BESTANDTEILE
Die arzneilich wirksamen Bestandteile von EK sind morphologisch und funktionell intakte
Erythrozyten, die im menschlichen Körper ununterbrochen zirkulieren und für den
Transport bzw. die Abgabe der Blutgase im gesamten Organismus verantwortlich sind
(57,58).
3.2.
SONSTIGE BESTANDTEILE
Die je nach Herstellungsverfahren vorhandenen Restmengen an Plasma, Leukozyten und
Thrombozyten sind Bestandteil des menschlichen Körpers und haben selbst keinen
therapeutischen Effekt und sind für die klinische Wirksamkeit der Erythrozyten ohne
Bedeutung (19). Die Bestandteile der Stabilisatoren und Additivlösungen sind in den für
die Herstellung verwendeten Konzentrationen der EK klinisch unwirksam. Die
Möglichkeit einer Nephrotoxizität durch die Entstehung des schlecht löslichen 2,8dioxyadenin (Adeninmetabolit) ist nur gegeben bei extremer Massivtransfusion.
Mehrfache Austauschtransfusionen mit CPD-A Blut und Adeninkonzentrationen bis zu
0,25 mmol bzw. 34 mg/l verursachen bei Neugeborenen offensichtlich keine unerwünschte
Nebenwirkung (18,19,59).
Der meist verwendete Plastikweichmacher Di-2-ethylhexylphatalat (DEHP) ist nicht
wasserlöslich und wird in Abhängigkeit von Lipidgehalt und Lagerzeit zum geringen Teil
freigesetzt und in den Erythrozyten abgelagert. Hierdurch werden Lagerung und
Membranstabilität
der
Erythrozyten
verbessert.
Toxische
und
karzinogene
Nebenwirkungen ließen sich bisher nur in Tierversuchen nach Gabe sehr hoher Dosen
feststellen (18,59-65).
4.
KLINISCHE WIRKSAMKEIT
4.1.
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE
Bei jedem Patienten mit einer akuten oder chronischen Anämie muß der Versuch
unternommen werden, die Ursache der Anämie zu klären und, falls möglich, eine kausale
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Therapie einzuleiten. Die Gabe von EK ist nur angezeigt, wenn solche Patienten ohne
Transfusion einen gesundheitlichen Schaden erleiden würden und eine andere,
gleichwertige Therapie nicht möglich ist. Studien zu Indikationen und/oder zur Ermittlung
einer optimalen EK-Dosierung wurden bisher nicht durchgeführt. Alle Angaben
diesbezüglich beruhen bisher weitgehend auf sehr langer klinischer Erfahrung und
bedürfen
der
kritischen
Reflexion
im
Einzelfall.
Für
die
Indikation
zur
Erythrozytentransfusion lassen sich keine absoluten und allgemeingültigen kritischen
Grenzwerte für Hämoglobin oder Hämatokrit festlegen (66-72).
Bei einer Entscheidung für eine Transfusion müssen außer Laborwerten stets
-
die Dauer, Schwere und Ursache der Anämie,
-
der klinische Zustand,
-
das Alter und Geschlecht des Patienten
berücksichtigt werden.
4.2.
INDIKATIONEN
4.2.1.
AKUTER BLUTVERLUST
Bei akutem Blutverlust, z.B. während Operationen, hat die Aufrechterhaltung des
Sollblutvolumens erste Priorität. Die Indikation zur Transfusion von EK unter
Berücksichtigung der unter 1.4.1 genannten Kriterien, kann bei älteren und bei
intensivpflichtigen Patienten mit Herz- und/oder Atemwegserkrankungen bei einer
kritischen Schwelle des Hämoglobinwerts bereits von ca. 100 - 120 g/l liegen. Patienten
ohne Einschränkung vitaler Funktionen können einen akuten Blutverlust von 20% des
Blutvolumens in der Regel durch alleinige Volumengabe voll kompensieren (69,71,73).
Bei weiterem Blutverlust mit einem Absinken des Hämatokrits unter 25-30% ist die
Entscheidung zur Transfusion von EK individuell anhand des klinischen Gesamtzustands
zu treffen. Ältere Patienten, vor allem solche mit Vorerkrankungen des HerzKreislaufsystems, wird man frühzeitig mit EK substituieren (HKT 28 – 30%). Jüngere
Patienten
dagegen
mit
normaler
Herz-Kreislauffunktion
tolerieren
oft
einen
isovolämischen Abfall des Hämatokrit unter 30% (Hämoglobinwert 70-60 g/l) ohne
Zeichen einer hypoxischen Organschädigung. Ein Abfall des Hämatokrits auf 15% bzw.
des Hämoglobinwerts auf 50-45 g/l gilt allgemein als kritisch; in diesem Fall läßt sich eine
Substitution mit EK kaum vermeiden (66,67,69,71,73,74). Die Schätzung des
Sollblutvolumens gilt als die wichtigste Dosierungsrichtlinie für eine Blutsubstitution bei
akutem Blutverlust. Das Blutvolumen des Patienten läßt sich wie folgt abschätzen: Beim
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Erwachsenen beträgt das Blutvolumen pro kg/KG ca. 70 ml. Eine genauere Ermittlung
erfolgt mit dem Standardnomogramm unter Berücksichtigung der Körpergröße,
Körperoberfläche und des Gewichtes. Ein EK mit ca. 65 g Hämoglobin enthält etwa 8 bis
10% des Erythrozytenvolumens eines 70 kg schweren Menschen. Auf der Basis des HKT
gilt folgender Umrechnungsfaktor: 3% HKT = 1g Hb/dl. Bei der Annahme, daß die
Wiederfindungsrate transfundierter Zellen über 70% liegt, ist ein Anstieg der
Hämoglobinkonzentration um 1 bis 1,5 g/dl bzw. des HKT um 3 bis 4% nach der
Transfusion eines EK in Additivlösung zu erwarten.
4.2.2.
CHRONISCHE ANÄMIEN
Patienten mit chronischen Anämien sind meistens ausreichend an den langdauernden
Hämoglobinmangel adaptiert. Falls eine kausale Therapie möglich ist, z.B. bei
erythrozytären
Bildungsstörungen
durch
Eisen-,
Vitamin
B12-,
Folsäure-
oder
Erythropoetinmangel, ist entsprechend zu behandeln. Die Indikation zur Gabe von EK
ergibt sich aus der Beurteilung des klinischen Gesamtbildes und weniger aufgrund von
Laborwerten.
Bei Herz-Kreislauf-gesunden Patienten mit chronischen Anämien ist auch bei niedrigen
Hämoglobinwerten bis zu 70-80 g/l eine Transfusion so lange nicht indiziert, wie keine auf
die Anämie zurückzuführenden Symptome bestehen und ein rascher weiterer
Hämoglobinabfall nicht zu erwarten ist (66,67,72,74).
Patienten
mit
einer
Anämie
infolge
primärer
oder
sekundärer
Knochenmarkinsuffizienz, bei denen eine spätere Knochenmarktransplantation nicht
sicher ausgeschlossen werden kann, sollten grundsätzlich so wenig wie möglich
transfundiert werden.
Für die Behandlung von Patienten mit nicht immunologisch bedingten, hämolytischen
Anämien gelten dieselben Grundsätze wie bei Anämien infolge von Bildungsstörungen.
Für die Substitutionsbehandlung bei Patienten mit autoimmunhämolytischen Anämien
(AIHA) vom Wärmetyp sind einige Besonderheiten zu beachten. Die oft auffällige
“Kreuzprobe” infolge freier erythrozytärer Autoantikörper im Serum der Patienten darf
nicht dazu führen, daß ihnen wegen dieser serologischen Inkompatibilität eine notwendige
Transfusion vorenthalten wird. Bei lebensbedrohlichen, hämolytischen Krisen mit sehr
tiefen Hämoglobinwerten kann die Gabe von EK unter entsprechender medikamentöser
Therapie lebensrettend sein (75,76). Begleitende Alloantikörper, deren Diagnostik häufig
zeitaufwendig ist, müssen berücksichtigt werden.
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
4.3.
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INDIKATIONEN FÜR SPEZIELLE
ERYTHROZYTENKONZENTRATE
4.3.1.
BESTRAHLTE ERYTHROZYTENKONZENTRATE
Die
Übertragung
vermehrungsfähiger,
immunkompetenter
Lymphozyten
mit
Blutprodukten kann bei immunkompromittierten Patienten zu einer Graft-versus-HostReaktion (GVHR) führen (Tabelle 4). Auch bei kompatibler HLA-Konstellation, vor allem
bei Blutsverwandten, kann in seltenen Fällen eine GVHR auch ohne Immunsuppression
auftreten. Zellhaltige Blutprodukte, die an solche Patienten verabreicht werden, müssen
deshalb mit 30 Gy bestrahlt werden, um eine GVHR zuverlässig zu verhindern
(9,37,38,78,79).
Bestrahlte Blutprodukte müssen für den jeweiligen Patienten gesondert angefordert
werden.
Tabelle 4: Indikationen für bestrahlte EK
-
Stammzell- / Knochenmarktransplantation
-
vor autologer Blutstammzellentnahme
-
schweres Immundefektsyndrom
-
Hochdosis-Chemotherapie mit oder ohne Ganzkörperbestrahlung bei Leukämien,
malignen Lymphomen und soliden Tumoren *
-
Transfusionen bei M. Hodgkin *
-
intrauterine Transfusion
-
Frühgeborene (< 37 Schwangerschaftswoche)
-
alle gerichteten Blutspenden aus der engen Familie
-
Transfusionen bei Neugeborenen bei Verdacht auf Immundefizienz
-
Austauschtransfusion bei Neugeborenen *
*nicht gesicherte Indikationen
4.3.2.
GEWASCHENE ERYTHROZYTENKONZENTRATE
Gewaschene EK sind nur in Fällen indiziert, bei denen Unverträglichkeitserscheinungen
gegen Plasmaproteine (siehe 1.6.) aufgetreten sind oder auftreten bzw. klinisch relevante
Antikörper gegen IgA oder andere Plasmaproteine nachgewiesen wurden (8,9,18).
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
4.3.3.
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KRYOKONSERVIERTE ERYTHROZYTENKONZENTRATE
Wegen der beschränkten Verfügbarkeit, der hohen Kosten und des großen logistischen
Aufwands sollten kryokonservierte EK lediglich Anwendung finden bei Patienten mit
komplexen Antikörpergemischen oder mit Antikörpern gegen ubiquitäre Antigene, die
anders nicht versorgt werden können (8,9,18).
4.4.
AUSWAHL UND DOSIERUNG VON
EYTHROZYTENKONZENTRATEN
Eine Voraussetzung für eine risikoarme Übertragung von EK ist deren Auswahl unter
Berücksichtigung der blutgruppenserologischen Befunde. Diese umfassen die Bestimmung
der ABO-Eigenschaften, des Rhesusfaktors D, den Antikörpersuchtest sowie die
serologische
Verträglichkeitsprobe
(Kreuzprobe).
Gegebenenfalls
müssen
weitere
Blutgruppenmerkmale und Antikörper bestimmt werden (9). Unmittelbar vor der
Transfusion ist vom transfundierenden Arzt oder unter seiner direkten Aufsicht der ABOIdentitätstest (Bedside-Test) am Empfänger vorzunehmen und das Ergebnis schriftlich zu
dokumentieren. Der ABO-Identitätstest kann auch zusätzlich bei dem zu transfundierenden
EK durchgeführt werden.
Nach Möglichkeit sollte ABO-gleich transfundiert werden. Da nur EK mit einem geringen
Plasmaanteil (leukozytendepletierte EK in additiver Lösung, die <20 ml Plasma pro EK
enthalten) verwendet werden, können gemäß Tabelle 5 unter Berücksichtigung der MajorKompatibilität bei der serologischen Verträglichkeitsprobe im ABO-System ebenso
unbedenklich nicht ABO-gleiche EK übertragen werden (siehe Tabelle 5). Bei
Austauschtransfusionen an Neugeborenen infolge ABO-Inkompatibilität muß das für den
Austausch herangezogene EK mit der ABO-Blutgruppe der Mutter und des Kindes
kompatibel sein. Patienten mit Hämolyse durch Isoagglutinine nach ABO-inkompatibler
Knochenmarktransplantation sind mit EK der Blutgruppe 0 zu transfundieren.
Tabelle 5: Blutgruppenkompatible Transfusion
Patient
Kompatible EK
A
A oder 0
B
B oder 0
AB
AB, A, B oder 0
0
0
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Das Rhesus-Merkmal D ist wegen seiner starken Immunogenität stets zu berücksichtigen.
Aus diesem Grund sollen Rhesus(D)-negative Empfänger kein Rhesus(D)-positives Blut
erhalten. Patienten mit einer schwachen D-Form (früher als Du bezeichnet) gelten
heute als Rhesus-positiv und können mit Rhesus-positiven EK transfundiert werden.
Individuen mit der D-Kategorie VI (DVI), die gegen -D- Antikörper bilden können,
sollten Rhesus (D)-negative EK erhalten.
Wegen des Mangels an Rhesus(D)-negativem Blut läßt sich die Übertragung von
Rhesus(D)-positivem Blut auf Rhesus(D)-negative, nicht immunisierte Patienten jedoch
nicht immer vermeiden. Eine solche Übertragung sollte jedoch nur in Betracht gezogen
werden, wenn die Transfusion lebenswichtig ist (z.B. bei Massivtransfusionen) und
Rhesus(D)-negatives Blut nicht sofort beschafft werden kann, oder wenn es sich um
Männer oder um Frauen im nicht gebärfähigen Alter handelt. Bei Rhesus(D)-negativen
Kindern sowie Frauen im gebärfähigen Alter ist die Transfusion von Rhesus(D)-positivem
EK (mit Ausnahme von lebensbedrohlichen Situationen) unbedingt zu vermeiden. Die
Dringlichkeit der Indikation, für die der transfundierende Arzt die Verantwortung trägt, ist
stets genau zu dokumentieren. Mädchen sowie Frauen im gebärfähigen Alter sollten
darüber hinaus Rhesusformel- und Kell-verträglich transfundiert werden. Bei Rhesus(D)ungleicher Transfusion ist eine serologische Nachuntersuchung 2-4 Monate nach
Transfusion zur Feststellung eventuell gebildeter Antikörper zu empfehlen. Patienten, bei
denen vor Transfusion ein relevanter Antikörper (z.B. Anti-D, Anti-Kell u.a.)
nachgewiesen wurde, dürfen nur mit EK versorgt weden, deren Erythrozyten das
korrespondierende Antigen nicht tragen, auch dann, wenn der Antikörpertiter im weiteren
Verlauf abfällt und eventuell nicht mehr nachzuweisen ist. Deshalb ist es besonders
wichtig, daß blutgruppenserologische Befunde dokumentiert und mitgeteilt werden (9).
Die Dosierung von EK richtet sich nach dem angestrebten Zweck und muß dem Grundsatz
folgen “so viel wie nötig, so wenig wie möglich”. Bei einem normalgewichtigen
Erwachsenen ohne gesteigerten Erythrozytenumsatz ist nach Übertragung eines EK mit
einem
Anstieg des Hämoglobinwertes um etwa 10-15 g/l bzw. des Hämatokritwerts um etwa 34% zu rechnen (18).
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4.5.
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ART DER ANWENDUNG
Bei der Gabe von EK sind die Geschwindigkeit der Zufuhr und die Temperatur der EK zu
beachten. Die Zufuhr erfolgt über periphere Venen, möglichst des Armes. Hierfür ist ein
Transfusionsbesteck mit Standardfilter (Porengröße 170-230 m; EN ISO 11354 / DIN
58360) zu verwenden, um größere Zellaggregate oder Gerinnsel zurückzuhalten. Das
Transfusiongerät darf maximal 6 Stunden auch für mehrere EK verwendet werden (8,9).
Die Transfusionsgeschwindigkeit muß dem klinischen Zustand des Patienten angepaßt
werden. Eine Hypervolämie ist zu vermeiden. Bei kreislaufstabilen Patienten mit einer
hochgradigen Anämie können bei Bedarf bis zu vier EK (entsprechend etwa 1000 ml) in 34 Stunden übertragen werden. Bei Patienten mit einer Herz- und/oder Niereninsuffizienz
ohne Blutung ist das Transfusionsvolumen pro Zeiteinheit zu begrenzen, um eine
Dekompensation zu vermeiden (18,73). Die Zugabe von physiologischer Kochsalzlösung
zu EK zur Verbesserung der Fließeigenschaften ist zu unterlassen. Dies in durch die
additive Lösung gegeben.
Eine Erwärmung gekühlter EK ist in der Regel nicht erforderlich. Ausnahmen sind
Massivtransfusionen mit Zufuhr von mehr als 50 ml EK pro Minute, bereits vor der
Transfusion
unterkühlte
Patienten,
Patienten
mit
einer
chronischen
Kälteagglutininkrankheit und hochtitrigen Kälteantikörpern und Patienten, die auf den
Kältereiz durch gekühltes Blut mit einem Vasospasmus reagieren (18,80). Zur
Bluterwärmung dürfen nur für diesen Zweck zugelassene Geräte eingesetzt werden.
Die Entnahme von Blutproben aus verschlossenen EK ist nicht erlaubt und geöffnete EK
sind innerhalb von 6 Stunden zu transfundieren.
Die Einleitung der Transfusion erfolgt nach Aufklärung und Einwilligungserklärung der
Patienten durch den transfundierenden Arzt (5,9).
Während und nach der Transfusion ist für eine geeignete Überwachung des Patienten zu
sorgen. Nach der Transfusion ist das Behältnis mit dem Restblut und dem
Transfusionsbesteck steril abzuklemmen und 24 Stunden bei 5  3 C aufzubewahren. Der
Empfänger ist über mögliche Spätreaktionen aufzuklären (9).
4.6.
KONTRAINDIKATIONEN
Absolute Kontraindikationen sind nicht bekannt. Auch relative Kontraindikationen
bestehen nicht, wenn die Indikationen für spezielle Erythrozytenpräparate beachtet werden.
Hinweis: Bei potentiellen Empfängern eines Knochenmarktransplantats ist die Gabe
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
Seite 15 von 30
von Erythrozytenkonzentraten des Transplantatspenders und seiner Blutsverwandten
unbedingt zu vermeiden.
5.
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN
5.1.
AKUTE UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN
5.1.1.
FEBRILE, NICHTHÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTIONEN
Sie treten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Transfusion auf. Häufige
Ursachen sind die Übertragung von freigesetzten leukozytären und/oder thrombozytären
Inhaltsstoffen (z.B. Zytokine) und präformierte Antikörper des Patienten gegen
Leukozyten,
Thrombozyten
oder
Plasmaeiweiße,
die
mit
den
übertragenen
Blutbestandteilen reagieren. Bakterielle Verkeimungen der Erythrozytenpräparate kommen
vor, sind aber sehr selten. In den meisten Fällen bleibt die Ursache der meistens nur
kurzdauernden Fieberreaktionen unbekannt (18,81).
5.1.2.
URTIKARIELLE HAUTREAKTIONEN
Solange die unerwünschten Wirkungen auf urtikarielle Hauterscheinungen beschränkt
bleiben, sind sie harmlos. Die Fortführung der Transfusion hängt von der klinischen
Situation ab (18,81).
5.1.3.
HYPERVOLÄMIE
Die Volumenüberlastung infolge Transfusion von EK führt bei Patienten mit Herz- und
Niereninsuffizienz relativ häufig zur Dekompensation, wenn nicht genügend Flüssigkeit
ausgeschieden werden kann (18,73).
5.1.4.
HÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTIONEN
Sie können in zwei klinisch unterscheidbaren Formen auftreten: als hämolytische
Sofortreaktion oder als verzögerte hämolytische Reaktion.
Die hämolytische Sofortreaktion tritt während oder kurz nach der Transfusion von
Erythrozyten auf. Sie äußert sich beim wachen Patienten in Frösteln, Fieber,
Schweißausbruch, Kopfschmerzen, Tachykardie, Blutdruckabfall, Brust-, Bauch- oder
Flankenschmerzen. In schweren Fällen kann es zur Ausbildung eines Schocks, einer
dissemi-nierten intravasalen Gerinnung und eines Nierenversagens kommen, die zum Tode
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
Seite 16 von 30
führen können. Bei narkotisierten Patienten können Blutdruckabfall, Hämoglobinurie oder
eine Blutungsneigung infolge einer Gerinnungsstörung Zeichen einer hämolytischen
Sofortreaktion sein (18,82,83).
Die häufigste Ursache einer akuten hämolytischen Sofortreaktion ist eine ABOInkompatibilität infolge von Verwechselungen. Seltener sind andere, bereits vor der
Transfusion vorhandene, hämolytisch wirksame starke Alloantikörper die Ursache.
In jedem Fall handelt es sich um eine Fehltransfusion, die unter Beibehaltung des venösen
Zugangs beendet werden muß. Um die Ursache einer Sofortreaktion feststellen zu können,
müssen nach Möglichkeit Blutproben des Patienten vor und nach der Transfusion und das
Restblut des EK sichergestellt und einer bakteriologischen und immunhämatologischen
Untersuchung zugeführt werden. Zur Behandlung der akuten hämolytischen Sofortreaktion
wird auf die einschlägige Literatur hingewiesen (18).
Verzögerte hämolytische Reaktionen treten im Laufe von Tagen nach der zunächst
unauffälligen Übertragung von Erythrozyten auf. Sie geben sich meistens durch einen
unerklärten Hämoglobinabfall mit mehr oder weniger ausgeprägten hämolytischen
Symptomen zu erkennen. Die Ursache sind entweder erythrozytäre Alloantikörper, die
zum Zeitpunkt der Transfusion nur in geringer Konzentration vorlagen und deshalb
serologisch nicht erfaßt wurden (negative Kreuzprobe) oder neu gebildete Alloantikörper.
Derartige Reaktionen lassen sich somit nicht vermeiden. Nach Übertragung der
antigentragenden Erythrozyten kommt es innerhalb weniger Tage zu einer verstärkten
Antikörperbildung, die die Hämolyse verursacht (18,84,85).
5.1.5.
POSTTRANSFUSIONELLE PURPURA
Sie ist sehr selten und äußert sich in einer akuten, isolierten Thrombozytopenie mit oder
ohne Blutungsneigung bei einem Patienten mit bis dahin normalen Thrombozytenzahlen,
die etwa eine Woche nach der Übertragung von Erythrozytenkonzentraten auftritt. Sie wird
durch plättchenspezifische Alloantikörper verursacht (82,83).
5.1.6.
DIE TRANSFUSIONSINDUZIERTE AKUTE LUNGENINSUFFIZIENZ
(TRALI-SYNDROM)
Das
TRALI-Syndrom
ist
eine
seltene,
aber
klinisch
sehr
bedeutsame
Transfusionskomplikation, die fast ausschließlich nach der Übertragung größerer Mengen
von Plasma, das granulozytenspezifische Antikörper enthält, beobachtet wird (82,83,86).
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
5.1.7.
Seite 17 von 30
GRAFT-VERSUS-HOST-REAKTIONEN
Sie werden bei immunsupprimierten Patienten und bei Blutsverwandten nach Übertragung
von proliferationsfähigen Lymphozyten beobachtet und lassen sich durch Bestrahlung der
Blutprodukte mit 30 Gy verhindern. Sie sind insgesamt sehr selten (37,38,78,87).
5.1.8.
ANAPHYLAKTISCHE REAKTIONEN
Sie kommen fast ausschließlich bei Patienten mit einem angeborenen IgA-Mangel und
einer Immunisierung gegen IgA-Immunglobuline vor. Sie sind extrem selten und wurden
seit der Einführung plasmaarmer EK kaum mehr festgestellt (18,82,83).
5.1.9.
WEITERE UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN
Zitratintoxikationen spielen nur eine Rolle bei Früh- und Neugeborenen, bei Patienten
mit ausgeprägter Leberfunktionsstörung und bei Massivtransfusionen mit Übertragung von
100ml EK pro Minute (18). Therapeutisch wird Calciumglukonat verabreicht.
Eine transfusionsbedingte Hyperkaliämie ist nur bei Frühgeborenen, anurischen
Patienten und nach Massivtransfusionen von Bedeutung (18,88).
Auf eine Hypothermie ist bei Massivtransfusionen mit kalten EK zu achten. Sie läßt sich
durch vorherige Erwärmung der EK auf maximal 37C verhindern (18,80).
5.2.
CHRONISCHE UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN
5.2.1.
SEKUNDÄRE HÄMOSIDEROSE
Eine Hämosiderose durch Blutübertragungen wird meistens erst nach Gabe von mehr als
100 EK beobachtet. Therapeutisch sind Chelatbildner indiziert (18,89).
5.2.2.
INFEKTIONEN
Mit nicht inaktivierbaren Blutprodukten können Erreger von Infektionskrankheiten, z.B.
Viren (HBV, HCV, CMV, HIV) oder andere Mikroorganismen (z.B. Yersinien,
Treponemen), übertragen werden. Die Indikationsstellung zur Gabe von EK muß daher
stets das Restrisiko einer Infektion durch unterschiedliche Erreger berücksichtigen
(82,83,90-101).
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
5.2.3.
Seite 18 von 30
IMMUNMODULATION
Die Frage, ob Bluttransfusionen zur klinisch relevanten Immunsuppression führen können,
ist bisher nicht eindeutig geklärt (102-105).
A. Salama
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
6.
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Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
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LEBENSLAUF
Name:
Professor Dr. med. Abdulgabar S a l a m a
Geburtsdatum:
19. Juli 1950
Geburtsort:
Kalansuwa/Israel
Eltern:
Chamel Salama und Miriam Salama, geb. Taha
Familienstand:
verheiratet, 3 Kinder
1956-1964
Grundschule in Kalansuwa/Israel
1964-1965
Gymnasium in Taiba/Israel
1965-1966
Unterbrechung der Schulausbildung durch den Tod meines Vaters
1967-1970
Gymnasium in Taiba mit Abschluß Abitur
1970-1973
Privatlehrer für Mathematik
Okt. 1973
Beginn des Studiums der Medizin an der Justus-Liebig-Universität
Gießen
Okt. 1979
Approbation
Dez. 1979
Promotion (Thema: "Untersuchungen zur Prothrombinbestimmung
mit einem chromogenen Substrat")
Jan. 1980 bis
wissenschaftlicher Assistent am Institut für Klinische Immunologie
und
Jan. 1987
Transfusionsmedizin und Betreuung der "Immunpathologischen
Spezialambulanz" (1981 bis 1986) am Zentrum für Innere Medizin
der Justus-Liebig-Universität Gießen
Juni 1985
Erlangung der Zusatzbezeichnung "Transfusionsmedizin"
Okt. 1985
Ernennung zum Hochschulassistenten
Juni 1986
Habilitation (Thema: "Aktuelle Aspekte zur Pathogenese,
Diagnose und Therapie von Immunhämolysen")
Sept. 1986
Verleihung des Fritz-Schiff-Preises der Deutschen Gesellschaft für
Transfusionsmedizin und Immunhämatologie
Febr. 1987
Hochschulassistent am Zentrum für Innere Medizin der
Justus-Liebig-Universität Gießen
Nov. 1988
Verleihung des Preises der Justus-Liebig-Universität 1988
Juni 1991
Hochschuldozent am Zentrum für Innere Medizin der JustusLiebig-Universität Gießen
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
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Okt. 1992
Erlangung der Bezeichnung "Facharzt für Innere Medizin"
April 1993
Oberarzt am Zentrum für Innere Medizin der Justus-LiebigUniversität Gießen
Mai 1993
Berufung auf die C3 Professur für das Fachgebiet
Transfusionsmedizin und Immunhämatologie im Fachbereich des
Rudolf Virchow Universitätsklinikums Berlin.
Juni 1993
Ernennung zum apl Professor am Zentrum für Innere Medizin der
Justus-Liebig-Universität Gießen
Jan. 1994
Abteilungsleiter der Blutbank am Virchow-Klinikum
Abteilung für Innere Medizin und Poliklinik
m.s. Hämatologie und Onkologie in Berlin
Klinisches Gutachten “Erythrozytenkonzentrate”
Seite 30 von 30
ERKLÄRUNG
Hiermit erkläre ich, daß ich im Auftrag des Berufsverbandes der Deutschen
Transfusionsmediziner (BDT) das klinische Gutachten „Erythrozytenkonzentrate“ für den
BDT erstellt habe, und ich mich in unabhängiger Position zum Vorstand des BDT befinde.
Prof. Dr. A. Salama
(Leiter der Blutbank der Charité, CVK)
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