STANDARDISIERTE DEFINITIONEN VON UNERWÜNSCHTEN TRANSFUSIONS-EREIGNISSEN Pierre Robillard MD Nationales Gesundheitsamt Quebec McGill Universität, Abteilung Epidemiologie, Biostatistik und Arbeitsmedizin Vorsitzender der Arbeitsgruppe Haemovigilance des ISBT Working Party on Haemovigilance Mitglieder der Arbeitsgruppe Mark Popovsky Pierre Robillard Martin Schipperus Dorothy Stainsby Jean-Daniel Tissot Jo Wiersum UNERWÜNSCHTES EREIGNIS • Unerwünschtes und unerwartetes Ereignis vor, während oder nach der Transfusion eines labilen Blutproduktes, welches mit der Verabreichung des Blutproduktes in Zusammenhang stehen könnte • Es könnte die Folge einer Abweichung oder eines Zwischfalles sein und kann (muss aber nicht) zu einer Reaktion / Komplikation beim Empfänger führen. Working Party on Haemovigilance ZWISCHENFALL • Dem Patienten wird ein Blutprodukt transfundiert, welches nicht optimal für ihn geeignet oder für einen anderen Patienten bestimmt war • Diese Kategorie beinhaltet Transfusionsfehler und Abweichungen von Arbeitsvorschriften oder Richtlinien, die zu einer Fehltransfusion geführt haben • es kann (muss aber nicht) daraus eine Transfusionsreaktion resultieren. Working Party on Haemovigilance NEAR MISS • Ein Fehler oder eine Abweichung von Vorschriften oder Richtlinien, welche vor Beginn einer Transfusion entdeckt wird und • zu einer Fehltransfusion oder einer Transfusionsreaktion bei einem Empfänger geführt haben könnte, wenn der Fehler / die Abweichung nicht entdeckt worden wäre TRANSFUSIONSREAKTION • Unerwünschte Reaktion oder Wirkung bei einem Patienten, welche in zeitlichem Zusammenhang mit der Verabreichung von Blut oder einer Blutkomponente steht • Sie kann Folge eines Zwischenfalles oder einer Interaktion zwischen dem Empfänger und dem verabreichten Blutprodukt sein UNERWÜNSCHTES EREIGNIS Transfusionsreaktion Fehler und Abweichungen von SOPs Zwischenfall Near Miss Working Party on Haemovigilance HÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • Durch eine Transfusion ausgelöster beschleunigter Erythrozytenabbau mit entsprechenden Symptomen, klinischen Befunden oder Laborparametern • Die Hämolyse kann intra- oder extravasculär erfolgen • Die Hämolyse kann akut oder verzögert sein AKUTE HÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • Eine akute hämolytische Transfusionsreaktion tritt innert 24 Stunden nach Transfusionsbeginn auf. • Klinische Zeichen und Laborbefunde der Hämolyse sind vorhanden. • Übliche Symptome der Hämolyse sind: - Fieber - Diarrhoe - Schüttelfrost - Gesichtsrötung - Brustschmerz - Bauchschmerz - Rücken-/Flankenschmerz - Nausea / Erbrechen - Hypotonie - Blässe - Gelbsucht - Oligo-/Anurie - diffuse Blutung - dunkler Urin AKUTE HÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • Übliche Laborbefunde bei Hämolyse: - Hämoglobinämie - Hämoglobinurie - vermindertes Haptoglobin - Anstieg des unkonjugierten Bilirubins - erhöhte LDH und ASAT Spiegel - erniedrigtes Hämoglobin • Nicht alle klinischen Befunde oder Laborbefunde müssen bei einer AHTR vorhanden sein AKUTE HÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • In der Erythrozytenserologie finden sich üblicherweise abweichende Resultate aber das Fehlen immunhaematologischer Befunde schliesst eine AHTR nicht aus. • Eine AHTR kann auch durch erythrozytäre AutoAntikörper oder andere, nicht immunologische Faktoren bedingt sein, wie z.B. - mechanische, hämolyse-auslösende Faktoren (Funktionstörung bei einer Pumpe oder einer Wärmeschlange) - Verwendung hypotoner Lösungen - etc. VERZÖGERTE HÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • Eine verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion tritt in der Regel innert 24 Stunden bis 28 Tage nach Transfusion auf • Klinische Zeichen und Laborbefunde der Hämolyse sind vorhanden • Symptome und Befunde sind ähnlich wie bei der AHTR , aber im allgemeinen weniger schwerwiegend • Eine verzögerte Transfusionsreaktion kann sich in Form eines inadequaten Hämoglobinanstiegs oder eines unklaren Haemoglobinabfalls nach Transfusion manifestieren. • Die Erythrozytenserologie zeigt meist pathologische Befunde. VERZÖGERTE SEROLOGISCHE REAKTION • Nachweis klinisch relevanter Antikörper gegen Erythrozytenantigene nach einer Transfusion, die, soweit bekannt, vor der Transfusion nicht vorhanden waren. und • Fehlen von Hämolysezeichen • Die Bezeichung „verzögerte serologische Reaktion“ ist gleichbedeutend mit „Allo-Immunisierung“ FEBRILE NICHT HÄMOLYTISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • Vorliegen von einem oder mehrerer der folgenden Symptome: - Fieber (≥ 38°C bei oraler oder äquivalenter Messung und ein Anstieg von ≥ 1°C gegenüber der Temperatur vor Transfusion) - Schüttelfrost - möglicherweise begleitet von Kopfweh und Übelkeit • Auftreten während oder innert 4 Stunden nach Transfusion und ohne andere ersichtliche Ursache • FNHTR kann auch ohne Fieber auftreten (Schüttelfrost ohne Fieber) ALLERGISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • Eine allergische Reaktion kann mit reinen Hautsymptomen auftreten: - maculo-papulöses Exanthem mit Juckreiz - Urticaria - lokalisiertes Angio-oedem - Oedem der Lippen, der Zunge und der Uvula - Juckreiz, Erythem und Oedem periorbital - Oedem der Konjunktiven • Auftreten während oder innert 4 Std nach Transfusion • Diese Form ist nicht lebensbedrohlich und zeigt rasche Besserung auf symptomatische Therapie • In vielen Haemovigilance-Systemen wird diese Form als „milde allergische Reaktion“ bezeichnet. ALLERGISCHE TRANSFUSIONSREAKTION • Eine allergische Reaktion kann auch mit respiratorischen und/oder cardiovasculären Symptomen einhergehen und sich als anaphylaktische Reaktion manifestieren • Anaphylaxie liegt vor, wenn zusätzlich zu cutanen Erscheinungen respiratorische Symptome oder eine schwere vasopressoren-bedürftige Hypotonie auftreten (auch assoziierte Symptome wie Synkope u.ä.) • Respiratorische Symptome können - laryngeal (Engegefühl im Hals, Dysphagie, Dysphonie, Heiserkeit, Stridor) oder - pulmonal sein (Dyspnoe, Husten,“Wheezing“, Hypoxaemie) • Anaphylaktische Reaktionen treten meist während oder sehr kurz nach Transfusion auf - Verlauf und Folgen einer solchen allergische Reaktion bestimmen die Einteilung in Schweregrade: 2 (schwerwiegend), 3 (lebensbedrohlich) oder 4 (Tod) Transfusionsassoziierte GvHD • Ta-GvHD ist ein klinisches Syndrom charakterisiert durch Fieber, Exanthem, Leberfunktionsstörung, Diarrhoe, Pancytopenie und pathognomonischen histologischen Veränderungen • Auftreten 1-6 Wochen nach Transfusion ohne andere ersichtliche Ursache • Die Diagnose einer Ta-GVHD wird unterstützt durch den Nachweis von Chimärismus POST-TRANSFUSIONS PURPURA • Die PTP ist charakterisiert durch das Auftreten einer Thrombozytopenie 5-12 Tage nach Transfusion zellulärer Blutprodukte und • den Nachweis anti-thrombozytärer Antikörper beim Empfänger (Anti-HPA) TRALI • Bei Patienten ohne Zeichen einer akuten Lungenschädigung (ALI) vor Transfusion wird ein TRALI diagnostiziert bei Vorliegen einer neu aufgetretenen, akuten Ateminsuffizienz: – akuter Beginn – Hypoxaemie: • Pa02 / Fi02 ≤ 300 mm Hg oder • 02-Sättigung < 90% bei Umgebungsluft oder • andere klinische Zeichen einer Hypoxie – bilalerale Infiltrate im Thorax Röntgenbild – keine Zeichen der Linksherzüberlastung – kein zeitlicher Zusammenhang mit einem anderen Risikofaktor für ALI • Auftreten während oder innert 6 Stunden nach Beendigung der Transfusion TRALI Risikofaktoren für eine akute Lungenschädigung (ALI) Direkte Lungenschädigung: - Aspiration - Pneumonie - toxische Inhalation - Lungenkontusion - Ertrinken Indirekte Lungenschädigung: - Schwere Sepsis - Schock - Polytrauma - Verbrennung Transfusionsassoziierte Hypervolämie (TACO) TACO ist charakterisiert durch das Auftreten von mindestens 4 der nachfolgenden Symptome: - Akute Ateminsuffizienz - Tachykardie - erhöhter Blutdruck - akutes oder zunehmendes Lungenoedem auf Thorax Röntgenbild - positive Flüssigkeitsbilanz • Auftreten innert 6 Stunden nach Transfusion • Ein erhöhtes BNP unterstützt die klinische Diagnose TRANSFUSIONS-ASSOZIIERTE DYSPNOE (TAD) TAD ist charakterisiert durch: • Respiratorische Insuffizienz innert 24 Stunden nach Transfusion, welche die Kriterien für TRALI, TACO oder eine allergische Reaktion nicht erfüllt • Die respiratorische Insuffizienz sollte nicht mit der Grundkrankheit des Patienten oder einer anderen Ursache erklärbar sein HYPOTENSIVE TRANSFUSIONSREAKTION Die hypotensive Transfusonsreaktion ist definiert als: • Abfall des systolischen und/oder diastolische Blutdrucks um > 30 mmHg • während oder innert 1 Stunde nach Transfusionsende - meistens tritt die Reaktion kurz nach Beginn der Transfusion auf (innert Minuten) und spricht rasch auf den Abbruch der Transfusion und supportive Behandlung an • Alle anderen Ursachen für die Hypotonie müssen ausgeschlossen sein (andere Transfusionsreaktionen, Grundkrankheit, Medikamente). HAEMOSIDEROSE Transfusions-assoziierte Haemosiderose ist definiert als: • Serum-Ferritin von ≥ 1000 µg/l, mit oder ohne Organschädigung • Bei Patienten, die wiederholte Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten erhalten haben HYPERKALIAEMIE Transfusions-assoziierte Hyperkaliaemie ist definiert als: • Pathologisch erhöhtes Serum-Kalium (> 5 mml/l oder Anstieg von ≥ 1.5 mml/l ) • Innert einer Stunde nach Transfusion SCHWEREGRAD Grad 1 ( nicht schwerwiegend) - der Empfänger kann medizinische Behandlung benötigt haben, aber das Ausbleiben der Behandlung hätte keine bleibende Schädigung oder Beeinträchtigung einer Körperfunktion zur Folge gehabt SCHWEREGRAD Grad 2 (schwerwiegend): • Die Reaktion führte zu einer Hospitalisation oder der Verlängerung der Hospitalisation und/oder • Die Reaktion führte zu einer bleibenden Schädigung oder Behinderung oder • Eine medizinische oder chirurgische Intervention war nötig, um eine bleibende Schädigung oder Behinderung zu verhindern SCHWEREGRAD Grad 3 ( lebensbedrohlich) • Der Empfänger benötigte sofortige Intervention um sein Leben zu retten (Kreislaufstabilisierung, Intubation, Verlegung auf die Intensivstation). Grad 4 (Tod) • Der Empfänger ist im weiteren Verlauf einer Transfusionsreaktion gestorben. IMPUTABILITY Sicher: • Die Reaktion wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Transfusion verursacht. Wahrscheinlich: • Die Reaktion scheint durch keinen anderen Grund erklärbar Möglich: • Die Reaktion könnte sowohl durch die Transfusion als auch durch einen anderen Grund ausgelöst worden sein IMPUTABILITY Unwahrscheinlich: • Die Reaktion ist eher durch andere Gründe als die Transfusion erklärbar Ausgeschlossen: • Die Reaktion ist erwiesenermassen durch andere Gründe als die Transfusion zu erklären. TRANSFUSIONS-ASSOZIIERTE INFEKTIONEN Transfusions-assoziierte bakterielle Infektion Ende 2008 Transfusions-assoziierte virale Infektion Ende 2008 Transfusions-assoziierte parasitäre Infektion Ende 2008