Eigen- und Fremdblutkomponenten Prof. Dr. Hans-Georg Bone Zentrum für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Klinikum Vest Recklinghausen/Marl 1 www.klinikum-vest.de 2 .. Eigen- und Fremdblutkomponenten § Fremderythrozytenkonzentrate § Eigenbluterythrozytenkonzentrate § Cell-Saver-Blut § Thrombozytenkonzentrate § Granulozytenkonzentrate § Plasma zur therapeutischen Anwendung § Humanalbumin § Faktor VIII-Konzentrate, Faktor VIII-/von Willebrand-FaktorKonzentrate, Faktor IX-Konzentrate, Aktivierte Prothrombin-KomplexKonzentrate § Prokoagulatoren, Inhibitoren, Humane Immunglobuline 3 .. Transfusionsgesetz 4 .. Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) 5 .. www.bundesaerztekammer.de.. Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten 6 www.bundesaerztekammer.de.. Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten Transfusionsgesetz Nach Paragraph 18 des Transfusionsgesetzes stellt die Bundesärztekammer im Einvernehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde ... in Richtlinien den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik ... für die Anwendung von Blutprodukten, einschließlich der Dokumentation der Indikation zur Anwendung von Blutprodukten ..fest. Transfusionsrichtlinien 1.4.3.6 Der transfundierende Arzt Jeder hämotherapeutische Maßnahmen durchführende Arzt muss die dafür erforderlichen Kenntnisse und ausreichende Erfahrung besitzen. Die Indikationsstellung ist integraler Bestandteil des jeweiligen ärztlichen Behandlungsplans. Die QuerschnittsLeitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten in der jeweils gültigen Fassung sind zu beachten. Querschnittsleitlinien 7 www.bundesaerztekammer.de.. .. 8 .. Wat isn Transfusion? Transfusion: keine Definition im Transfusionsgesetz, in der Transfusionsrichtlinie oder in der Querschnittsleitlinie Definition Als Transfusion bezeichnet man die Übertragung von Blut oder Blutprodukten, die aus dem Vollblut eines menschlichen Blutspenders gewonnen werden, auf einen anderen Menschen (Empfänger) durch intravenöse Infusion. Auch die Rückgabe von durch Eigenblutspende gewonnenen autologen Blutprodukten wird als Transfusion bzw. Retransfusion bezeichnet. 9 .. Jahr 1667 10 .. Erste beschriebene Transfusionsreaktion Sobald das Blut anfing, in seine Venen zu strömen, fühlte er die Hitze entlang seiner Arme und unter den Achseln. Sein Puls stieg an, und kurz darauf war sein Gesicht voll Schweiß. Sein Puls schwankte stark und er klagte über große Schmerzen in den Nieren, über Übelkeit, und er schüttelte am ganzen Körper […] Er schlief ein und schlief die ganze Nacht […] 11 .. J. Denis (1668) Philos Trans R Soc 2:617 Transfusion: wie macht man‘s? § Richtiges Handeln wird per ‚Gesetz‘ von jedem Arzt ab dem ersten Tag erwartet § Arzt haftet für die korrekte Abnahme des Blutes für Blutgruppe, AK-Suchtest, Kreuzprobe § Beginn und initiale Überwachung einer Transfusion ist ärztliche Aufgabe § Bedside-Test immer durch den Arzt, der die Transfusion beginnt § In der Regel AB0-gleiche Transfusion § Gabe von 0 negativen EKs oder AB-FFPs nur in lebensbedrohlichen Notfallsituationen § Auch bei Cell-Saver-Blut vor Retransfusion Bedside-Test, Protokoll der Aufbereitung 12 .. Transfundierender Arzt muss immer prüfen: • am Patienten: • Präparat Blutgruppe • Richtiger Empfänger Blutgruppe • Übereinstimmung Präparat/Begleitschein • Verfallsdatum • Unversehrtheit des Blutbehältnisses • Gültigkeit der Kreuzprobe 13 .. Erythrozytenkonzentrate § Die wirksamen Bestandteile von EK sind morphologisch und funktionell intakte Erythrozyten. § Bei einem normalgewichtigen Erwachsenen ohne gesteigerten Erythrozytenumsatz und ohne aktive Blutung ist 2–24 Stunden nach Übertragung eines EK mit einem Anstieg der Hämoglobinkonzentration um circa 1,0 g/dl (0,62 mmol/l) bzw. des HK-Wertes um circa 3–4% zu rechnen § Bei kritisch kranken Patienten mit Trauma unter Intensivbehandlung und postoperativ zeigten einige Studien eine Assoziation zwischen der Lagerungsdauer transfundierter EK und der Mortalität, der Morbidität und Infektionen § Die Transfusion von über 14 Tage gelagerten Erythrozyten scheint mit erhöhten Komplikationsraten sowie mit vermindertem Überleben assoziiert zu sein. § Alle Studien über Lagerungsdauer und Komplikationen vor Leukozytendepletion durchgeführt 14 .. Empfehlung Querschnittsleitlinie 15 .. Ziel einer Transfusion: Vermeidung einer anämischen Hypoxie Zeichen einer anämischen Hypoxie: • Tachykardie 16 • • Hypotension Blutdruckabfall unklarer Genese • Dyspnoe • • neu auftretende ST-Senkungen oder –Hebungen neu auftretende Rhythmusstörungen • Neu auftretende regionale myokardiale Kontraktionsstörungen im Echokardiogramm • -Anstieg der globalen O2-Extraktion > 50% • • Abfall der O2-Aufnahme > 10% vom Ausgangswert Abfall der gemischtvenösen O2-Sättigung < 50% • Abfall des gemischtvenösen PO2 < 32 mmHg • Abfall der zentralvenösen O2-Sättigung < 60% • Laktazidose (Laktat > 2 mmol/l + Azidose) Querschnittsleitlinien - www.bundesaerztekammer.de. .. Transfusionstrigger 17 .. Transfusionstrigger A Multicenter, Randomized, Controlled Clinical Trial of Transfusion Requirements in Critical Care. Hebert et al., NEJM (1999) 340:409-417 • 838 kritisch kranke Patienten • kürzer als 72 h auf der Intensivstation • ausreichende Volumensubstitution • Hb < 9,0 g/dl • Randomisiert in eine restriktive (Hb 7-9 g/dl) Gruppe • und eine liberale (Hb 10-12 g/dl) Gruppe 18 Transfusionstrigger A Multicenter, Randomized, Controlled Clinical Trial of Transfusion Requirements in Critical Care. Hebert et al., NEJM (1999) 340:409-417 30-Tage-Mortalität 18% vs. 23% P = 0,11 Krankenhaus-Mortalität 22% vs. 28% P = 0,05 Durchschnittlicher Hb-Wert: 8,5 g/dl vs. 10,7 g/dl 19 Transfusionstrigger A Multicenter, Randomized, Controlled Clinical Trial of Transfusion Requirements in Critical Care. Hebert et al., NEJM (1999) 340:409-417 30-Tage-Mortalität 8,7% vs. 16,1% P = 0,03 20 Transfusionstrigger A Multicenter, Randomized, Controlled Clinical Trial of Transfusion Requirements in Critical Care. Hebert et al., NEJM (1999) 340:409-417 30-Tage-Mortalität 5,7% vs. 13,0% P = 0,02 21 22 N Engl J Med. 2014 Oct 9;371(15):1381-91 • multizentrische Studie bei Patienten mit septischem Schock • randomisiert in eine Gruppe mit Transfusionstrigger < 7 g/dl oder < 9 g/dl • nach 90 Tagen waren 45% in der niedrigen Triggergruppe und 47% in der höheren Triggergruppe verstorben (n.s.) • keinerlei Unterschied in allen untersuchten Untergruppen 23 N Engl J Med. 2014 Oct 9;371(15):1381-91 British Journal of Anaesthesia, 115 (4): 511–19 (2015) 24 British Journal of Anaesthesia, 115 (4): 511–19 (2015) Perioperative Patienten 25 BJA 2015, 115:511-519 Intensivpatienten 26 .. BJA 2015, 115:511-519 Kein Unterschied in Mortalität, Morbidität und Myokardinfarkten, aber signifikant weniger Eks in der restriktiven Gruppe 27 .BMJ 2015;350:h1354 . Kein Unterschied in Bezug auf Mortalität, Morbidität und Kosten 28 .N Engl J Med 2015;372:997-1008 29 ..Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 4. Art. No.: CD002042. Keine Stellungnahme zur Transfusion!!! 30 .. 31 .Crit Care Med 2013 ; 41: 580-637 Empfehlungen 32 .Crit Care Med 2013 ; 41: 580-637 .. Mortalität in Abhängigkeit von der Anzahl transfundierter EKs 33 Anesthesiology 2016; 124:387-95 Empfehlung zur Transfusion bei akuter Anämie Hb-Bereich Kompensationsfähigkeit / Risikofaktoren Transfusion ≤ 6 g/dl ‚Völlig egal‘ Ja > 6 und ≤ 8,0 g/dl Kompensation vorhanden, keine Risikofaktoren nein > 6 und ≤ 8,0 g/dl Kompensation eingeschränkt z.B. KHK, Herzinsuffizienz, cerebrovaskuläre Insuffizienz ja > 6 und ≤ 8,0 g/dl Hinweise auf anämische Hypoxie: z.B. Tachykardie, Hypotension, EKG-Ischämie, Laktazidose ja > 8,0 und ≤ 10,0 g/dl Risikofaktoren, keine Hinweise auf anämische Hypoxie Eher nicht > 8,0 und ≤ 10,0 g/dl Hinweise auf anämische Hypoxie: z.B. Tachykardie, Hypotension, EKG-Ischämie, Laktazidose ja > 10 g/dl ‚Völlig egal‘ nein 34 Querschnittsleitlinien - www.bundesaerztekammer.de. .. Patient-Blood-Management Optimierung der eigenen RBC Zellzahl des Patienten 35 Blutverlust minimieren Nutzen + Optimieren physiologischer Reserven A. Steinbicker, HVA, Münster 36 .Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2012; 47: 410–416. Gerinnung: XI XIIa VIIIa + Ca++ IXa X VIIa + Ca++ Va + Ca++ Prothrombin Xa 37 .. tissue factor VII Extrinsische Kaskade Thrombin Fibrinogen IX XIa Intrinsische Kaskade XIIIa Fibrin Fibrinnetz Gerinnung: XI XIIa VIIIa + Ca++ IXa X VIIa + Ca++ Va + Ca++ Prothrombin Xa 38 .. tissue factor VII Extrinsische Kaskade Thrombin Fibrinogen IX XIa Intrinsische Kaskade XIIIa Fibrin Fibrinnetz Vollplasmaprodukte § gefrorenes Frischplasma aus Einzelspenden (FFP), schockgefroren bei -30°C, 4-6 Monate Quarantäne § lyophilisiertes Plasma, fast keine wissenschaftlichen Daten § mit einem Solvent-Detergent-Verfahren inaktiviertes gefrorenes Poolplasma (SDP), Poolplasma aus hunderten o. tausenden von Spendern, ‚kalibriert‘ auf 1 U/ml jedes Gerinnungsfaktors, vergleichbare Wirksamkeit wie FFP § mit Methylenblau inaktiviertes gefrorenes Frischplasma aus Einzelspenden (MFP). Ca. 800.000 Vollplasmaprodukte 2014 in Deutschland genutzt, Verbrauch kontinuierlich rückläufig 39 .. Vollplasmaprodukte: Indikationen § Verlust- und Dilutionskoagulopathie, § Massivtransfusion § fortgeschrittene Lebererkrankungen mit komplexen Hämostasestörungen und Blutung § Therapie der Verbrauchskoagulopathie § Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und adultes hämolytisch§ urämisches Syndrom (HUS) § Substitution bei Faktor V- und XI-Mangelzuständen § Plasmaaustauschverfahren (z. B. schwere Hämolyse) 40 .. Gerinnungsfaktorenkonzentrate: 41 Gerinnungsforum 4/2015. Thrombozytenkonzentrate § Entweder aus Vollblutspende oder aus Spenderapharese § Pool-TKs aus 4-6 Spender § Können bis zu 5 Tage unter Bewegung bei 22 °C gelagert werden § Indikationen nach chronischem Krankheitsbild, aktiver Blutung, Blutungsrisiko bei Operationen etc. 42 .. Thrombozytengabe (Querschnittsleitlinien) 43 .. Rotem-Analyse 44 .. Konkrete Empfehlungen zum klinischen Einsatz in Notfallsituationen 45 .. ESA: Management of severe perioperative bleeding 46 .. Eur J Anaesthesiol 2013; 30:270–382 Stand 7/2016 47 AWMF.de. European guideline on management of major bleeding 48 .. Rossaint et al. Critical Care (2016) 20:100 49 .. Empfehlungen 50 AWM.de .. 51 .. AWMF.org 52 .. 53 .. Blutungen unter laufender Antikoagulation 54 .. Blutungen unter laufender Antikoagulation 55 .. S-3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung 2016 ‚Zusammenfassend gilt für den Traumapatienten, dass er einen individuellen und ausreichenden Hb-Wert benötigt sowie nur das, was wirklich nötig ist und nur dann, wenn es nötig ist transfundiert werden soll.‘ 56 .. AWMF.org Gabe von Faktorenkonzentraten (Querschnittsleitlinien) Die Gabe von 1 E/kg KG führt zum Anstieg des jeweiligen Faktors im Plasma um 1–2% 57 .. PPSB 58 .. Nebenwirkungen von Transfusionen 59 .. Nebenwirkungen der EK-Gabe nach dtsch. Hämovigilanzbericht • Akute Transfusionsreaktion 15 auf 1 Million transfundierter Eks • Transfusionsassocierte Volumenüberladung 8,5 auf 1 Million transfundierter Eks • Virusübertragungen 2012-2014: keine Übertragung von Hepatitis A, B, C oder HIV 60 .. Paul-Ehrlich-Institut 2015 61 Posttransfusionelle Purpura Transfusionsassoziierte Volumenüberladung Transf. bedingte virale Infektion Transf. bedingte bakt. Infektion Hämolytische Transfusionsreaktion transfusionsassoziiertes Lungenversagen allergische Transfusionsreaktion Schwere Transfusionsreaktionen über 12 Jahre Geisen C et al. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2012; 47: 398–407 Akute Transfusionsreaktion (Sofortreaktion) Klinische Beschwerden - Unwohlsein Schüttelfrost Dyspnoe Hautjucken Schwindelgefühl Übelkeit Erbrechen Kopfschmerzen Rückenschmerzen 62 .. Urticaria/„Flush“ Fieber (Anstieg um mehr als 1°C) Bronchospasmus/Tachypnoe Blutdruckabfall (um mehr als 20 mmHg) Tachykardie/Arrhythmie Kollaps/Schock Purpura Hämoglobinurie/Anurie Ikterus Maßnahmen bei Transfusionsreaktionen § Transfusion stoppen, Zugang sichern, Transfusion asservieren + steril abstöpseln § Symptomatische Notfallmaßnahmen (Atmung, Kreislauf etc.) § Infusion anhängen (sicherer Zugang!) § Sofort erneuter Bedsidetest von Patient und Konserve (letzteres bei EK) § Laborröhrchen füllen – Transfusionsmedizin anrufen § Abgestöpselte Transfusion und Laborproben in eine Transfusionsmedizin § Dokumentation 63 .. Transfusions-assoziierte Lungenschädigung (TRALI) § Akute Hypoxie und nicht-kardiogenes Lungenödem in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer Transfusion (< 6 h) § Immunologischer Mechanismus mit Alloantikörper des Spenders, die sich gegen Leukozyten des Empfängers richten, diese aktivieren und agglutinieren. In der Lunge führen diese Leukozytenaggregate dann zu Schädigungen der Kapillarstrombahn. Häufig bei Einzelplasma von Frauen nach Schwangerschaften. § Symptomatische Therapie, Intubation, Beatmung § Meist rasche Besserung der Klinik TRALI 64 n. Genesung .Gerinnungsforum 4/2015 65 .. Blood is still the best thing possible to have in our veins. Woody Allen 66