Thesenblatt (Schockenhoff) zum

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Ethische Probleme im Zusammenhang mit der Ausweitung diagnostischer Verfahren
Die Möglichkeiten der Genomanalyse haben die Medizin ihrem alten Traumziel näher
gebracht, die biologischen Rätsel des Lebens lückenlos zu durchschauen. Seit dem
vorläufigen Abschluss des Humangenomprojektes im Jahr 2001 und seiner offiziellen
Beendigung im Jahr 2003 liegt das menschliche Erbgut in vollständiger Sequenzierung vor.
Die Forschung verspricht sich von der detaillierten Erfassung des menschlichen Genoms nicht
nur eine Erweiterung ihrer Grundlagenkenntnisse, sondern wesentliche Fortschritte in der
Behandlung von Krankheiten, bei deren Bekämpfung die Medizin mit ihren herkömmlichen
Verfahren seit langem auf der Stelle tritt. Individualisierte Therapieansätze („Medizin nach
Maß“) sollen passgenaue, auf die Ansprechbarkeit des jeweiligen Patienten abgestimmte
Medikamentengaben ermöglichen, die geringere Nebenwirkungen als standardisierte
Behandlungsschemata haben und dennoch jedem den optimalen, der Besonderheit seines
genetischen Krankheitsbildes entsprechenden Therapieerfolg garantieren. Die Erstellung einer
persönlichen Genkarte soll darüber hinaus jedem Menschen Auskunft über den
wahrscheinlichen Verlauf seiner biologischen Lebenskurve geben und ihn vor wichtigen
Lebensentscheidungen in Partnerschaft, Familienplanung und Beruf über deren genetische
Risiken informieren.
Im Vorfeld der weltweiten Arbeit an dem Humangenomprojekt vertraten viele
Wissenschaftler die These, nicht nur Gesundheit und Krankheit, sondern mehr oder weniger
alle Lebensäußerungen des Menschen seien genetisch bedingt. Der Glaube an die
schicksalhafte Macht der Gene, den viele Forscher heute mit guten Gründen als Ausdruck
eines verfehlten genetischen Determinismus beklagen, wurde ursprünglich von der scientific
community selbst propagiert, um ihre Forderungen politisch besser durchsetzen zu können.
Damals wurde nicht nur die bald bevorstehende Entdeckung von Genen „für“ bestimmte
Krankheiten in Aussicht gestellt, was inzwischen wenigstens teilweise eingetreten ist,
beispielsweise durch die Entdeckung der für die Entstehung des erblichen Brustkrebses
verantwortlichen Mutation. Man glaubte vielmehr, auch die genetischen Ursachen von
Verhaltensabweichungen
und
besondere
Intelligenz-
und
Begabungsanlagen
sicher
identifizieren zu können.1
1
Die Zeitschrift Science, neben Nature das weltweit angesehenste Wissenschaftsjournal,
vermeldete im Jahr 1993 zwei spektakuläre Entdeckungen, die US-amerikanischen Forschern
mit der sicheren Identifizierung eines „Aggressions-Gens“ und eines zur Homosexualität
führenden „Schwulen-Gens“ gelungen seien. Seitdem wurden nicht nur die medizinischen
Verheißungen der Gen-Religion – ein besonders reißender Buchtitel aus der emphatischen
Anfangszeit der Genforschung lautete: Come, let us play God – heftig diskutiert, sondern
auch die mit dem genetischen Determinismus verbundenen Gefahren der sozialen Kontrolle
und der gesellschaftlichen Stigmatisierung genetischer Merkmalsträger schärfer erfasst.
Inzwischen
ist
die
humangenetische
Forschung
von
dem
eindimensionalen
Krankheitskonzept, das um die 1980er Jahre in der molekularen Medizin vorherrschte, wieder
abgekommen. Das gegenwärtige Paradigma vertritt keine kausale und hierarchische
Beziehung zwischen Genotyp und Organismus mehr, sondern berücksichtigt stärker die
Wechselwirkung zwischen genetischer Anlage und nichtgenetischen Faktoren wie
Umwelteinflüssen, Ernährungsweise und Lebensstil. Wenn diese Faktoren als prinzipiell
gleichrangige Ursachen bei der Krankheitsentstehung zusammenwirken, sind den
prognostischen Möglichkeiten der molekularen Medizin von vornherein engere Grenzen
gesetzt als dies bei dem deterministischen Modell der Fall ist.
Auch in seiner modifizierten Form läuft das Grundkonzept der genetischen Medizin auf einen
weitreichenden Paradigmenwechsel des medizinischen Denkens und eine Neuausrichtung des
Krankheitsbegriffes hinaus. Eine Krankheit wird nicht mehr als pathologische Veränderung
an bestimmten Organen oder als Störung der Zellfunktion, sondern lange vor dem
(eventuellen) Auftreten ihrer Symptome als genetische Disposition aufgefasst. „Krankheit
erscheint als ein ‚Fehler’ oder ‚Defekt’ im genetischen Make-up eines Individuums oder als
Folge einer Kombination genetischer Dispositionen mit anderen Risikofaktoren.“2 Mit dem
Übergang
von
einem
biochemisch-zellulären
zu
einem
genetisch-molekularen
Erklärungsansatz verändert sich auch die subjektive und gesellschaftliche Wahrnehmung der
Krankheit. Ein Diagnosekonzept, das an molekularen Veränderungen ansetzt, um die
betreffende Person über ihre genetischen Gesundheits- und Krankheitsrisiken aufzuklären,
schafft einen künstlichen Zwischenstatus zwischen Gesunden und Kranken. Der „potentiell
Kranke“ ist noch nicht Patient, weil bei ihm keine Erkrankung festgestellt werden kann, aber
auch nicht mehr völlig gesund, da ein erhöhtes Risiko für bestimmte Erkrankungen
diagnostiziert
wurde.3
Insofern
sie
nicht
Krankheiten
aufspürt,
sondern
nur
2
Wahrscheinlichkeiten angibt, mit der Krankheiten, an denen die betreffenden Testpersonen
zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht leiden, in naher oder ferner Zukunft auftreten
können, führen die Informationen der genetischen Medizin zwangsläufig zur Verunsicherung
der Menschen. Sie nehmen ihnen Spontaneität und Vertrauen, indem sie die gewohnte
Lebenssicherheit in Frage stellen und einen bisher unauffälligen Normalzustand
problematisieren.
Auf diese Weise erweitern genetische Informationen den Krankheitsbegriff durch die
Einbeziehung von Risiken und Krankheitsdispositionen, von denen niemand weiß, ob sie sich
jemals zu symptomatischen, mit den gängigen medizinischen Verfahren erfassbaren
Krankheiten entwickeln. Dies verändert die Krankenrolle, indem eine Art von VorläuferStatus zum Kranksein eingeführt wird. Krank ist man nicht mehr aufgrund des subjektiven
Befindens oder messbarer Krankheitswerte, sondern weil man durch die Erfassung des
genetischen Risikoprofils auf einer Art Warteliste verzeichnet ist, die mögliche künftige
Gesundheits- und Erkrankungsszenarien vorwegnimmt. Lange vor ihrem Ausbruch wird die
Krankheit so zu einer virtuellen Realität, die bei der Lebensplanung aufgeklärter Individuen
Berücksichtigung erfordert.
Da genetische Daten nicht nur die untersuchten Risikoträger betreffen, sondern auch für ihre
Familienangehörigen und leiblichen Verwandten relevant sind, erstrecken sich die Sorge um
mögliche Erkrankungsrisiken und ein vorausschauendes Gesundheitsmanagement auf einen
immer weiteren Kreis von Menschen. Die Trennung zwischen den beiden Ebenen des
individuellen Phänotyps (des einzelnen Kranken, bei dem sich die Erkrankung manifestiert)
und
der
des
Genotyps
Verwandtschaftsbeziehungen
(der
vielen
gemeinsam
ist),
Individuen
verändert
aufgrund
den
Fokus
genealogischer
medizinischer
Untersuchungen: Nicht mehr der einzelne Patient und sein erkrankter Organismus stehen im
Mittelpunkt, sondern der Körper eines Familienmitgliedes, der als bloßes Vehikel der Gene
auch für andere zum aussagekräftigen Informationsträger wird. In der modernen
Wissensgesellschaft wird der prädiktive Gentest zu einer neuen Form des Orakels oder der
Wahrsagerei, die den Betroffenen und ihren Angehörigen offenbart, wer sie „eigentlich“ oder
„in Wirklichkeit“ sind.4
Für viele ist der „gläserne Mensch“, der unter den Händen von Wissenschaftlern und
Sozialingenieuren alle Geheimnisse seines Lebens preiszugeben gezwungen ist, eine
3
Horrorvorstellung, die der Abschaffung von Menschenwürde, Autonomie und Freiheit
gleichkommt. Sie sehen in der aus Anlass eines Berufswechsels, eines Versicherungsbeitritts
oder der Teilnahme an einer obligatorischen Reihenuntersuchung aufgezwungenen
Kenntnisnahme der eigenen genetischen Identität eine Freiheitsberaubung, die das
Individuum immer neuen Zwängen des gesellschaftlichen Gesundheitssystems ausliefert. Da
es die Freiheit unserer gegenwärtigen Lebenssituation erheblich einschränkt, wenn wir unsere
noch ausstehende Zukunft durch ihre genetische Offenlegung vorwegzunehmen gezwungen
sind, fordern sie ein prinzipielles Recht auf Nichtwissen, das dem Einzelnen gesetzlich zu
verankernde Weigerungsmöglichkeiten gegenüber jeder Form der Genomanalyse einräumt. 5
Dabei berufen sie sich auf die dem Schutz der Privatsphäre dienende informationelle
Selbstbestimmung, die jedem das Recht gibt, selbst zu entscheiden, welche persönlichen
Daten durch medizinische Testverfahren erhoben, und in welchem Umfang sie an andere
weitergegeben werden sollen. Nach dieser in der ethischen und juristischen Diskussion
unseres Landes weithin anerkannten Position dürfen genetische Informationen, die nach dem
jeweiligen diagnostischen Standard erhoben werden können, dem Einzelnen weder
vorenthalten noch ohne ausdrückliche Zustimmung aufgezwungen werden. Das Recht der
freien Selbstbestimmung umfasst demnach nicht nur den negativen Schutz der Privatsphäre,
also das Recht, nicht ausgeforscht zu werden, sondern auch die positive Freiheit, all das und
nur das über sich selbst in Erfahrung zu bringen, was man selbst wissen will.6 Auf der
anderen Seite des Spektrums sprechen angelsächsische Bioethiker von einer Pflicht zu wissen
(duty to know), die den Einzelnen vor sich selbst und vor der Gesellschaft zum
höchstmöglichen Risikoausschluss als selbstverständlichem Bestandteil einer rationalen
Lebensplanung verpflichtet.7
Unter dem Vorzeichen genetischer Diagnosemöglichkeiten, die dem Individuum erhöhte
Verantwortungslasten für sich und für andere auferlegen, kommt es so zu einer unverhofften
Wiederbelebung paternalistischer Einstellungen. Obwohl das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung das Recht auf Wissen und das Recht auf Nichtwissen als gleichrangige
Komponenten umfasst, wird es immer schwieriger, das Nicht-Wissen-Wollen im Blick auf
molekulare Gesundheitsrisiken gegenüber dem Druck medizinischer Diagnosemöglichkeiten
und der Erwartungshaltung von Familienangehörigen tatsächlich durchzuhalten: „Der Wille
zum Nichtwissen wird (…) als ein ethisch zweifelhafter Wille betrachtet, der von so hohen
4
finanziellen und sozialen Folgekosten belastet sei, dass seine Realisierung unverantwortlich
erscheint.“8
In Rechtsprechung und Literatur wird eine genetische Offenbarungspflicht gegenüber Dritten,
die vom Risiko mitbetroffen sind, für Ärzte inzwischen immer häufiger bejaht. Die
Bundesärztekammer fordert in ihren Richtlinien zur prädiktiven genetischen Diagnostik eine
individuelle Bewertung der Gefahrenlage durch den Arzt, ohne dafür eindeutige Kriterien zu
nennen: Sofern prognostizierbare Erkrankungen Gefährdungen Dritter hervorrufen können,
wie dies bei bestimmten Berufen (Piloten, Busfahrer, Lokführer usw.) anzunehmen ist, muss
der Arzt „zwischen Ausmaß und Wahrscheinlichkeit der Gefahr für die Allgemeinheit
einerseits und dem Patientengeheimnis andererseits abwägen“9. Wenn der Patient sich im
Beratungsgespräch uneinsichtig zeigt und nicht freiwillig in einen Berufswechsel einwilligt,
kann dies als rechtfertigender Notstand gelten, der eine Informationsweitergabe gemäß § 34
StGB rechtfertigt. Auch der Nationale Ethikrat (NER) empfiehlt in seiner Stellungnahme
„Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen“ (2005) gezielte
Eignungstests unter Einschluss genetischer Untersuchungen, wenn sie „unter Beachtung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit notwendig sind, um in der Art der Tätigkeit liegende
spezifische Risiken für Dritte auszuschließen.“10
Ob die schärfere diagnostische Erfassung der eigenen Lebensrisiken den Freiheitsraum des
Einzelnen immer mehr einengt oder die autonome Lebensplanung umgekehrt auf eine
gesicherte Datenbasis stellt, lässt sich nicht in toto für alle Patientengruppen und
Einsatzmöglichkeiten der prädiktiven Medizin entscheiden. Einzelnen Risikoträgern fällt es
leichter, mit einem unbekannten Unsicherheitsfaktor zu leben, der ihnen noch Hoffnung lässt,
während andere eine klare Diagnosestellung auch auf die Gefahr eines negativen Ergebnisses
hin bevorzugen. Manche erbbedingten Erkrankungen sind mit Sicherheit vorherzusagen,
andere lassen den Träger der verhängnisvollen Erbinformation auch nach erfolgter
Diagnosestellung im Ungewissen über die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und den zu
erwartenden Grad der auftretenden Symptome.
Schließlich führt die molekulargenetische Analyse nicht nur zur Erkennung bereits
therapierbarer, sondern zunehmend auch solcher Krankheiten, die gegenwärtig und auf
absehbare Zeit unheilbar bleiben. Im ersten Fall, wie bei der im Jugendalter auftretenden
polypenartigen Dickdarmgeschwulst Polyposis coli fällt der Einsatz der Genomanalyse nicht
aus dem Rahmen der bisherigen Diagnoseverfahren; eine möglichst frühzeitige und gesicherte
Diagnose ist in jeder Hinsicht wünschenswert, solange sie die Chance einer vorhandenen
Therapie erhöht. Wo der Einsatz der prädiktiven Medizin jedoch dazu führt, dass sich die
Schere zwischen vorauseilender Diagnostik und nachhinkenden Therapiemöglichkeiten noch
weiter öffnet, wirft dies schwerwiegende ethische Probleme auf, die im Einzelfall
5
unzumutbare Belastungen für die Betroffenen mit sich bringen können (1). Weitere kritische
Anfragen, die aus ethischer Sicht an eine unkontrollierte Ausweitung diagnostischer
Verfahren zu stellen sind, richten sich auf ein monokausales Krankheitsverständnis, dem die
Genomanalyse in der Bevölkerung erneut Vorschub leisten kann (2), auf die zu erwartende
Umschichtung der Krankheitslasten und Risikofolgen zuungunsten des Individuums (3) und
auf die wachsenden Möglichkeiten der Fremdbestimmung menschlichen Lebens, die sich aus
der pränatalen Diagnostik und der genetischen Familienplanung ergeben können (4-5).
1. Diagnostische Erfassung ohne Therapie?
Eine sicher diagnostizierte genetische Anomalie unterwirft ihren Träger schweren
psychischen Belastungen, weil er seine Lebensführung dem Diktat genetischer Informationen
unterwerfen muss, lange bevor die eigentlichen Krankheitssymptome solche Einschränkungen
erzwingen.
Dies
gilt
nicht
nur
für
Erwachsene,
bei
denen
die
Durchführung
präsymptomatischer Tests an ihre informierte Einwilligung gebunden bleibt, sondern auch für
Kinder, bei denen sie den stellvertretenden Entscheid ihrer Eltern erfordert. Gezielte
Neugeborenen-Screenings können dazu führen, dass Kinder vorzeitig in einen Patientenstatus
gedrängt werden, weil das Wissen ihrer Eltern um eine möglicherweise ausbrechende
Erbkrankheit den Umgang mit ihnen beeinflusst. So bleibt ihnen der Schonraum kindlicher
Unbefangenheit versagt, obwohl sie eine unbeschwerte psychosoziale Entwicklung besonders
nötig hätten, um die eventuellen Belastungen ihres späteren Lebensweges tragen zu können.
Obligatorische Suchtests, wie sie in den USA verbreitet sind, sollten deshalb schon aus
medizinischer Sicht nur auf behandelbare Krankheiten hin durchgeführt werden. Ob die
Empfehlung der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages, nicht-therapierbare
Krankheiten
von
den
präsymptomatischen
Tests
solange
auszunehmen,
bis
erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, auch tatsächlich
befolgt wird, hängt weitgehend von den genetischen Beratungsstellen selbst ab. Die
schleichende Ausweitung genetischer Diagnoseverfahren in der Perinatalmedizin sollte
jedoch Anlass zu besonderer Wachsamkeit geben. Wie diese Entwicklung belegt, sind es
nicht immer medizinische, sondern häufig auch ökonomische Gründe und die Ausnützung
vorhandener Laborkapazitäten, die bei der Ausweitung von Diagnoseverfahren den Ausschlag
geben.11
6
In welches ethische Dilemma die prädiktive Medizin führen kann, zeigt sich besonders im
Fall der Huntington’schen Krankheit (dem so genannten „Veitstanz“), die in der zweiten
Lebenshälfte zu einem unaufhaltsamen Verfall des Nervensystems führt. Mit Hilfe der
präsymptomatischen Tests kann der Träger eines Huntington-Gens sein künftiges Schicksal
lange vor dem Ausbruch der ersten Krankheitssymptome sicher in Erfahrung bringen. Die
unheilbare Krankheit wird so schon früh ein fester Bestandteil seines täglichen Bewusstseins
– mit allen schwerwiegenden Folgen, die dies für ihn selbst, seinen mitbetroffenen Ehepartner
und seine möglichen Kinder haben wird. Weil seine künftige Erkrankung dominant vererbbar
ist, belastet sie nicht nur den Entschluss zur Eheschließung; sie schränkt darüber hinaus auch
seine Fortpflanzungsfreiheit ein, da die Vererbung eines sicher diagnostizierten 50 ProzentErkrankungsrisikos vielen mit einer verantwortlichen Familienplanung unvereinbar
erscheint.12 Vom Zeitpunkt der positiven Diagnosestellung an ist der Träger dieser
genetischen Anomalie zu einem unabsehbar langen Leben im ständigen Aufschub verurteilt,
denn er weiß um die Unausweichlichkeit seiner Erkrankung, ohne dass er sie durch die eigene
Lebensführung beeinflussen könnte. Mit diesem belastenden Wissen muss er in einer
langfristigen „als-ob“-Normalität leben, in der ihm die menschlichen und sozialen Privilegien
versagt bleiben, auf die ein Kranker gegenüber seiner Umgebung sonst rechnen kann.
Diese Faktoren führen nicht nur zu einer äußerst belastenden individuellen Situation des
Betroffenen und seiner Familie, sondern auch zu einer folgenreichen Problemverlagerung.
Wenn die diagnostischen Möglichkeiten der prädiktiven Medizin Einzug in unser
gesellschaftliches Alltagsleben halten, werden auf Dauer nicht nur die biologischen, sondern
auch die sozialen Lebenschancen nach genetischen Kriterien verteilt werden. Wegen solcher
grundsätzlicher sozialethischer Bedenken, aber auch, weil das Wissen um ein auswegloses
Schicksal niemandem zugemutet werden darf, riet die Deutsche Huntington-Gesellschaft
zunächst
von
der
Teilnahme
an
genetischen
Früherkennungstests
ab.13
Ihre
Nachfolgeorganisation, die Deutsche Huntington-Hilfe, spricht heute keine generelle
Empfehlung mehr aus. Sie fordert mögliche Testpersonen aber auf, sich vor der Untersuchung
Klarheit über ihre eigenen Motive und die Auswirkungen zu verschaffen, die ein positives
oder negatives Ergebnis für ihre Partnerschaft, die Verwirklichung eines Kinderwunsches und
ihr Berufsleben sowie für ihre Eltern, Geschwister und weiteren Verwandten haben kann.
Zugleich
wirbt
sie
dafür,
dass
auch
das
Nicht-Wissen-Wollen,
das
in
einer
Informationsgesellschaft allzu leicht als Schwäche erscheint, als ernsthafte Option bedacht
werden sollte.14
7
2. Monokausale Erfassung genetischer Risiken?
Die ethischen Bedenken gegen den flächendeckenden Einsatz präsymptomatischer
Testverfahren (Gen-Chips, Hochdrucksatzsequenzierung) rühren auch daher, dass der
Wahrscheinlichkeitsgrad medizinischer Prognosen in der Bevölkerung häufig falsch
eingeschätzt wird. Weder kann eine genetische Untersuchung die Geburt und ungestörte
Entwicklung eines gesunden Kindes garantieren, noch lassen sich bei einem positiven
Ergebnis in allen Fällen Auftreten, Zeitpunkt und Schwere eines möglichen Defektes mit
Sicherheit vorhersagen. Wenn die genetische Beratung den informierten Selbstentscheid der
Betroffenen zum Ziel hat, muss sie auch über die Unsicherheit der medizinischen Prognose
aufklären. Diese ist keineswegs nur durch die Unvollkommenheit der angewandten
Testmethoden, sondern auch dadurch bedingt, dass monokausale genetische Erklärungen
eines künftigen Krankheitsverlaufes prinzipiell zu kurz greifen. Sie blenden die
Wechselwirkung genetischer Risiken mit sozialen, umweltbedingten und psychischen
Krankheitsfaktoren aus und verkennen so den mehrdimensionalen Charakter von Gesundheit
und Krankheit.
Die multifaktorielle Genese der meisten Krankheiten führt etwa dazu, dass durch den Einsatz
der Genomanalyse in der Arbeitsmedizin nur erhöhte Unverträglichkeitsrisiken im
arbeitsplatzbedingten Kontakt mit Staub, Rauch oder bestimmten chemischen Substanzen,
aber nicht ganze Listen von Berufskrankheiten vorhergesagt werden können. Abgesehen
davon, dass sich die vorrangigen Anstrengungen zur Humanisierung des Berufslebens auf
gesundheitsgerechte Arbeitsplätze und nicht auf die biologische Anpassungsfähigkeit der
Arbeitnehmer richten müssen, setzt die nur teilweise Erfassung der Krankheitsaitiologien
einer Steuerung der beruflichen Ausbildung und Beschäftigung durch die prädiktive Medizin
enge Grenzen.15 In der erwähnten Stellungnahme fordert der NER daher, dass sich
arbeitsmedizinische Untersuchungen auf solche Daten beschränken sollen, die erforderlich
sind, um die Eignung eines Bewerbers für die vorhergesehene Tätigkeit zum Zeitpunkt der
Einstellung festzustellen. Prognostische Untersuchungen dürfen demnach nur begrenzt und
mit dem Einverständnis des Bewerbers herangezogen werden, wenn sie
Krankheitsdispositionen belegen, die sich in erheblichem Ausmaß und mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit innerhalb eines festgelegten Zeitraums (z.B. während der sechsmonatigen
Probezeit) auf die Eignung für den vorgesehenen Arbeitsplatz auswirken.16
Die gesundheitspolitische Aufklärung der Bevölkerung über diesen Bereich muss deshalb
gerade in einer medialen Informationsgesellschaft, die zur Vereinfachung medizinischer
Zusammenhänge neigt, vor einer Überschätzung genetischer Testverfahren warnen. Ihre
unkontrollierte Ausweitung würde nicht nur einzelne Risikogruppen zu Unrecht von Berufsund Sozialchancen ausschließen. Von ihr ginge auch ein falsches gesundheitspolitisches
8
Signal aus, das eine fatalistische non-compliance des Einzelnen gegenüber seinem attestierten
Krankheitsverlauf begünstigt. Ein Zukunftsszenario, das die ärztliche Heilkunst von der
kurativen über die präventive zur prädiktiven Medizin voranschreiten sieht und im
öffentlichen Bewusstsein eine entsprechende Erwartungshaltung schafft, beruht auf einer
fragwürdigen Überschätzung der genetischen Grundlagen von Gesundheit und Krankheit.
Eine solche Entwicklung drohte die mühsamen Ansätze zu einem ganzheitlichen
Medizinverständnis erneut zu unterlaufen. Eine verstärkte Ausweitung diagnostischer
Verfahren durch isolierte Fortschritte der Humangenetik könnte so nicht nur einzelne
Risikoträger vorzeitig mit ihrem unabwendbaren Lebensschicksal konfrontieren, sondern
auch kontraproduktiv auf das allgemeine Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung wirken.17
3. Welche Schlüsse legen erhöhte genetische Krankheitsrisiken nahe?
Da
die
prognostische
Sicherheit
gendiagnostischer
Risikoanalysen
für
einzelne
Krankheitsanlagen sehr breit gefächert ist, lässt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen
aus dem Vorliegen eines positiven Testergebnisses zu ziehen sind, nicht durch
verallgemeinernde Aussagen beantworten. Selbst bei monogenetischen neurodegenerativen
Erkrankungen wie dem Morbus Huntington und seltenen Demenz-Formen oder bestimmten
Varianten des erblichen Dickdarmkrebses (Familiäre Adenomatöse Polyposis – FAP), bei
denen die Träger der entsprechenden genetischen Anomalie mit nahezu hundertprozentiger
Wahrscheinlichkeit
im
Laufe
ihres
Lebens
erkranken,
sind
die
individuellen
Bewältigungsstrategien und die psychosozialen Folgen für die Betroffenen so unterschiedlich,
dass generelle Empfehlungen kaum möglich sind.
Die meisten der diagnostisch erfassbaren, krankheitsrelevanten Genmutationen weisen jedoch
eine deutlich niedrigere Penetranz auf; sie erlauben daher nur die Angabe eines ungefähren
zukünftigen Erkrankungsrisikos. Dieses reicht je nach Krankheitsbild von ein bis zwei
Prozent (chronische Pankreatitis) bis zu zwischen vierzig und achtzig Prozent (erblicher
Brustkrebs); innerhalb dieser erheblichen Bandbreite bewegen sich multifaktorielle
Krankheiten wie Diabetes vom Typ 2, bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma,
Morbus Parkinson, die Anlage zur Hypertonie oder auch genetische Dispositionen zu
Epilepsie, Schizophrenie oder manisch-depressiven Krankheitsbildern. Einzelne genetische
Mutationen tragen in den meisten dieser Fälle nur in geringem Umfang zur Erhöhung des
statistischen Durchschnittsrisikos bei, das die Testperson ohnehin trägt; zudem lässt sich nicht
9
sicher vorhersagen, in welchem Lebensjahrzehnt die Krankheitssymptome eventuell auftreten
können.18
Welche Konsequenzen soll eine verantwortlich denkende, zu rationaler Zukunftsplanung
fähige Person für ihre eigene Lebensführung aus dem Wissen um derartige erhöhte
Erkrankungsrisiken ziehen? Da das Auftreten der Krankheit bei multifaktoriellen Ursachen
wie dem erblichen Eierstock- oder Brustkrebs nicht allein genetisch determiniert ist, sondern
ebenso von Umweltfaktoren und dem eigenen Lebensstil abhängt, ist eine fatalistische
Resignation in solchen Fällen unangebracht. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und eine
Änderung der Lebensgewohnheiten (Verzicht auf Rauchen, eingeschränkter Alkoholkonsum,
Diät, Bewegung) können den Ausbruch der Erkrankung verzögern oder sogar verhindern;
häufig kann er aufgrund engmaschiger, regelmäßiger Untersuchungen so frühzeitig erkannt
werden, dass die Erfolgschancen einer Behandlung deutlich höher als bei fatalistischem
Abwarten
sind.
Dennoch
bleibt
das
Dilemma
bestehen,
dass
ein
bewusstes
Gesundheitsmanagement in Kenntnis des eigenen Risikoprofils von einem ohnmächtigen und
nicht selten auch schädlichen Aktionismus nicht klar abgegrenzt werden kann. Das beste
Beispiel für diesen Konflikt ist die Entscheidung mancher Frauen zu einer „vorbeugenden“
operativen Brustentfernung, nachdem bei ihnen ein genetisches Risiko für erblichen
Brustkrebs festgestellt wurde. Da keineswegs sicher ist, ob sie ohne diese prophylaktische
Maßnahme überhaupt erkrankt wären, nehmen viele von ihnen die körperlichen und
seelischen Belastungen dieses radikalen Eingriffs auf sich, ohne daraus einen medizinischen
Nutzen zu ziehen; zudem gibt die Entfernung der Brustdrüsen keine hundertprozentige
Sicherheit, nicht doch zu erkranken.
Aber auch Frauen, die sich gegen eine prophylaktische Brustentfernung entscheiden,
entkommen der psychischen Falle nicht mehr, in die sie durch das Wissen um ihr genetisches
Erkrankungsrisiko geraten sind. Dieses bleibt für immer Teil ihrer eigenen Selbstdefinition.
So wie jemand sich als ein Mensch mit erhöhtem Blutdruck oder höheren Cholesterinwerten
bezeichnet und somit um ein größeres Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Risiko weiß, verstehen
sie sich als potentielle Krebspatientinnen. Dieses Stigma geht in ihr Selbstbild ein, ohne dass
sie die psychischen und sozialen Privilegien in Anspruch nehmen könnten, mit denen sie beim
Ausbruch der Erkrankung rechnen dürften. Hier zeigt sich wiederum der fatale
Zwischenzustand, in dem ein noch gesunder Mensch sich bereits als latent Kranker fühlt und
deshalb einen hohen Preis für die Kenntnis seines genetischen Risikos bezahlt.
10
Im Ausbleiben der im Krankheitsfall erwartbaren Solidarität und erhöhten Aufmerksamkeit
der Umgebung liegt auch ein denkbarer Erklärungsgrund dafür, dass Testpersonen nicht
selten mit Enttäuschung reagieren, wenn bei ihnen nur ein niedriges Erkrankungsrisiko
festgestellt wird, während ein positiver Befund überraschenderweise größere Zufriedenheit
auslöst. Unterhalb einer bestimmten Risikoschwelle werden die Testpersonen nicht mehr zu
weiteren Vorsorgeuntersuchungen eingeladen; auch entwickeln sie zum Teil Schuldgefühle
oder Missgunst und heimlichen Neid gegenüber denen, die in höherem Maß gefährdet sind als
sie selbst. Umgekehrt zeigt sich die Gruppe mit der Diagnose eines erhöhten
Krankheitsrisikos häufig insgeheim einverstanden, da sie auf die Macht medizinischer
Kontrollmöglichkeiten vertrauen und Gefühle der Sicherheit und Beruhigung entwickeln.19
Der Charakter der genetischen Medizin als „Überwachungsmedizin“ (surveillance medicine –
David Armstrong) kann somit sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das
Lebensgefühl der Betroffenen haben.
Die Rechtfertigung genetischer Risikoanalysen durch die Erwartung, die eigene präsumptive
Gesundheitsentwicklung durch Änderungen der Lebensgewohnheiten positiv beeinflussen zu
können, wird durch das tatsächliche Verhalten der meisten Testpersonen allerdings nicht
bestätigt. Nach der Auswertung mehrerer Studien zu den Reaktionsweisen der
Studienteilnehmer auf die Mitteilung negativer Testergebnisse auf unterschiedliche
Krankheitsdispositionen kommen Regine Kollek und Thomas Lembke zu dem Ergebnis: „Die
verbreitete, die Einführung von prädiktiven genetischen Tests begleitende Hoffnung, dass
positive Untersuchungsergebnisse die Probanden dazu motivieren könnten, ihren Lebensstil
zu verändern, bestätigt sich (…) nicht. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Obwohl
sich die positiv getesteten Personen ihres Risikos bewusst sind, vertrauen sie doch eher der
Effektivität einer medikamentösen Behandlung, als der Umstellung des Lebensstils.“20 Zwar
begünstigen prädiktive medizinische Gentests nicht generell eine fatalistische Einstellung
gegenüber einer möglichen Krankheitsentwicklung, doch führen sie nur in geringem Umfang
dazu, die Eigenverantwortlichkeit der Menschen im Sinne eines vorausschauenden
Gesundheitsmanagements wach zu rütteln. Die Identifizierung genetischer Risiken verstärkt
im Gegenteil den allgemeinen Trend zu einer Medikalisierung des Lebens, die stärker auf
medizinisch-technische Interventionen als auf die Präventivregeln einer gesunden
Lebensweise vertraut.
11
Die
durch
die
molekulare
naturwissenschaftlichen
Medizin
noch
verstärkte
Krankheitsinterpretation
kann
Vorherrschaft
auch
zu
einer
rein
gefährlichen
Schlussfolgerungen verleiten. Personen mit einem negativen Befund, bei denen kein
genetisches Risiko festgestellt wurde, ziehen daraus nicht selten die falsche Konsequenz, sie
seien aufgrund ihrer erblichen Konstitution gegen bestimmte Erkrankungen geschützt, so dass
diese auch bei ungesunder Lebensweise keine Gefahr für sie darstellen.21 Um einer solchen
verhängnisvollen
Fehldeutung
vorzubeugen,
sollten
die
Durchführung
genetischer
Untersuchungen und insbesondere die Teilnahme an Screening-Testverfahren nur im
Zusammenhang mit einer ausführlichen humangenetischen oder ärztlichen Beratung erfolgen.
Nimmt man die Einschränkung auf gesundheitliche Zwecke oder gesundheitsbezogene
Forschungsziele hinzu, die das europäische Menschenrechtsabkommen zur Biomedizin in
Artikel 12 als generelle Voraussetzung fordert, so stehen Angebot und Zugänglichkeit
genetischer Informationen unter einem doppelten Vorbehalt: Sie sollen nur im Rahmen
gesundheitlicher Fragestellungen und nicht zu allgemeinen Lifestyle-Zwecken (Augenfarbe,
Körpergröße, Intelligenz usw.) erhoben und nur unter ärztlicher Begleitung übermittelt
werden. Die Einschränkung auf gesundheitsbezogene Daten und der Arztvorbehalt richten
sich insbesondere gegen kommerzielle Anbieter von Gentests zu Lifestyle-Fragen, die ihre
Serviceangebote über das Internet vermarkten.22 Auch wenn die geforderten Einschränkungen
als Ausdruck eines fragwürdigen Paternalismus erscheinen können, der autonomen
Individuen gewünschte Informationen vorenthält, sind eine Abkopplung von Labordiagnostik
und Beratung und die Verdrängung einer persönlichen Beziehung zwischen Arzt und Patient
durch anonyme Serviceanbieter nicht wünschenswert. Beide genannten Einschränkungen
werden daher sowohl von den Richtlinien der Bundesärztekammer als auch in einer
Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur prädiktiven genetischen
Diagnostik aus dem Jahr 2003 unterstützt.23 Die DFG fordert die Einbettung genetischer Tests
in eine qualifizierte Beratung sowohl vor dem Test als auch nach der Bekanntgabe der
Testergebnisse, damit deren Bedeutung der Testperson angemessen vermittelt werden kann
(Dreischritt: Beratung-Test-Beratung).
1
Die Abhängigkeit spezifischer Begabungen von vererbten Faktoren wurde von der
Vererbungslehre schon lange diskutiert. Berühmte Beispiele sind die auffällige Musikalität in
der Familie Bach und die mathematischen Leistungen mehrerer Mitglieder der Familie
Bernoulli. Dem steht als Gegenbeispiel der Mathematiker Carl Friedrich Gauß gegenüber,
12
dessen Vater Gärtner und dessen Mutter die Tochter eines Steinmetzes waren. P. Propping,
Von Genotyp zum Phänotyp: Zur Frage nach dem genetischen Determinismus, in: ders./L.
Honnefelder (Hg.), Was wissen wir, wenn wir das menschliche Genom kennen?, Köln 2001,
90-102, bes. 91 erklärt dies damit, dass die genetisch bedingten mathematischen Fähigkeiten
der Eltern von Gauß wegen mangelnder Förderung nicht in Erscheinung treten konnten.
2
Regine Kollek/Th. Lembke, Der medizinische Blick in die Zukunft. Gesellschaftliche
Implikationen prädiktiver Gentests, Frankfurt a.M. 2008, 119; vgl. auch K. Bayertz u.a.,
Wissen mit Folgen. Zukunftsperspektiven und Regelungsbedarf der genetischen Diagnostik
innerhalb und außerhalb der Humangenetik, in: JWE 6 (2001) 271-307, hier: 273.
3
Vgl. B. Irrgang, Der Krankheitsbegriff der prädiktiven Medizin und die humangenetische
Beratung, in: A.M. Raem u.a. (Hg.), Gen-Medizin. Eine Bestandsaufnahme, Berlin 2001, 651660, hier: 652.
4
Vgl. C. Rehmann-Sutter, Prädiktive Vernunft. Das Orakel und die prädiktive Medizin, in:
ders., Zwischen den Molekülen. Beiträge zur Philosophie der Gentechnik, Tübingen 2005,
243-265.
5
Vgl. dazu K. Krahnen, Chorea Huntington. Das Recht auf Wissen versus – das Recht auf
Nicht-Wissen, in: T.M. Schroeder-Kurth (Hg.), Medizinische Genetik in der Bundesrepublik
Deutschland, Frankfurt a.M. 1989, 66-103, bes. 96-100; S. Höchst, Recht auf Nichtwissen, in:
D. Beckmann u.a. (Hg.), Humangenetik – Segen für die Menschheit oder unkalkulierbares
Risiko?, Frankfurt a.M. 1991, 143-152, bes. 144f.; J. Reiter, Prädiktive Medizin –
Genomanalyse – Gentherapie, in: IKZ. Communio 19 (1990) 115-129, bes. 121 und H.J.
Münk, Die christliche Ethik vor der Herausforderung durch die Gentechnik, in: J.
Pfammater/E. Christen (Hg.), Leben in der Hand des Menschen (= Theologische Berichte
20), Zürich 1991, 75-178, hier: 142.
6
Vgl. E. Benda, Erprobung der Menschenwürde am Beispiel der Humangenetik, in: R. Flöhl
(Hg.), Genforschung – Fluch oder Segen?, München 1985, 223-230.
7
So M. Shaw, Testing for the Huntington Gene. A right to know, a right not to know or a duty
to know, in: Journal of Medical Genetics 26 (1987) 243-246.
8
Regine Kollek/Th. Lembke, a.a.O., 257.
9
Abgedruckt in: JWE 8 (2003) 493-510, hier: 507.
10
Empfehlung Nr. 5, Berlin 2005, 62f.
11
Vgl. dazu den Bericht der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages „Chancen und
Risiken der Gentechnologie“, hg. von W.M. Catenhusen und H. Neumeister München 1987,
156 und den Bericht des Bundesministers für Forschung und Technologie (Hg.), Die
Erforschung des menschlichen Genoms – Ethische und soziale Aspekte, Frankfurt a.M.-New
York 1991, 199f.
12
Aus der Auswertung einer weltweit erhobenen Datensammlung ergibt sich, dass die
meisten Testpersonen als Motiv für ihre Teilnahme an prädiktiven Huntington-Tests
„Sicherheit für die Zukunft“ und „Familienplanung“ angeben. Aufgrund der weltweiten
13
Verfügbarkeit von Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik fallen in vielen Ländern
allerdings auch die pränatale Ermittlung von Merkmalsträgern und ihre selektive Abtreibung
unter den Begriff der Familienplanung. Vgl. Gerry Evers-Kiebooms, Comments from the
Praxis of Predictive Testing: The Example of Huntington’s Disease, in: Lisa S. Cahill (Ed.),
Genetics, Theology and Ethics, New York 2005, 171-181, bes. 174ff.
13
Das Unverständnis, auf das diese Empfehlung bei angelsächsischen Wissenschaftlern
gestoßen ist, zeigt jedoch, wie schwer ein gesundheitspolitischer Konsens auf internationaler
Ebene zu erreichen ist. Vgl. dazu S. Engel, Der präsymptomatische Gentest am Beispiel der
Huntingtonschen Erkrankung, in: D. Beckmann u.a. (Hg.), Humangenetik, 181-195, bes. 189192.
14
Vgl. Christine Lohkamp, Denkanstöße. Informationen für Risikopersonen der HuntingtonKrankheit zur prädiktiven molekulargenetischen Diagnostik, unter: www.huntington-hilfe.de.
15
Vgl. I. Flagmeyer/K. Schlotmann, Genomanalyse in der Arbeitsmedizin, in: D. Beckmann
u.a. (Hg.), Humangenetik, a.a.O., 225-231; H.W. Rüdiger, Genomanalyse in der
Arbeitsmedizin, in: H.M. Sass (Hg.), Genomanalyse und Gentherapie. Ethische
Herausforderungen in der Humanmedizin, Berlin-Heidelberg 1991, 68-80 und H.J. Münk, Die
christliche Ethik, a.a.O., 144-149.
16
Empfehlung Nr. 2, a.a.O., 61f.
17
Vgl. B. Klees, Der Griff in die Erbanlagen. Verdrängte Probleme der Genom-Analyse,
Braunschweig 1999, 43-45; vor einem einseitig molekularbiologischen Krankheitsverständnis
warnt bereits U. Eibach, Gentechnik – der Griff nach dem Leben. Eine ethische und
theologische Beurteilung, Wuppertal 21988, 183-186.
18
Vgl. P. Propping, Vom Sinn und Ziel der Humangenetik, in: JWE 6 (2001) 89-106, bes. 93
und Regine Kollek/Th. Lembke, a.a.O., 73. 85.
19
Vgl. Regine Kollek/Th. Lembke, a.a.O., 143 und 163.
20
A.a.O., 99.
21
Vgl. a.a.O., 113 und 121.
22
Seit dem Jahr 2007 bietet die US-amerikanische Firma 23andMe, die von der Ehefrau eines
Mitentwicklers der Internetsuchmaschine Google gegründet wurde, einen Gen-Check über
das Internet für € 999 an. Ein europäischer Serviceleister wirbt für ein ähnliches onlineProdukt, das für € 700 zu haben ist, mit einem Slogan, der die Teilnahme an einem
genetischen Schnelltest via Internet als eine Art Mutprobe darstellt: „Nötig sind dafür nur ein
wenig Speichel und etwas Mumm!“ Vgl. Regine Kollek/Th. Lembke, a.a.O., 210ff. und S.
Salm, Gene sind nur Moleküle – aber: Wohin führt die Genmedizin?, in: D. Döring/E.J.M.
Kroker (Hg.), Gentechnik zwischen Natur und Ethos, Frankfurt a.M. 2005, 15-33, bes. 24f.
23
Vgl. den Abdruck der Stellungnahmen in: JWE 8 (2003) 505 und 512 und M. Uhl,
Richtlinien der Bundesärztekammer, a.a.O., 39ff.
14
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