Artikel über Varizellen Prophylaxe der Varizellen Wie die bisherigen Ausführungen anschaulich zeigen, stellt eine Varizellen-Erkrankung insbesondere für Risikopatienten eine unberechenbare Gefahr dar. Dieser Personenkreis sollte deshalb auf jeden Fall vor einer Infektion geschützt werden. Dies kann grundsätzlich durch eine Expositionsprophylaxe oder spezifisch durch eine passive oder aktive Immunprophylaxe erfolgen. Die zuverlässigste und sicherste Verhütungsmaßnahme ist die aktive Immunisierung, d. h. die Impfung mit einem Lebendimpfstoff, wie Varilrix®. Expositionsprophylaxe Eine Expositionsprophylaxe ist bei Varizellen wegen ihrer hohen Kontagiosität oft nicht absolut zu sichern. Kinder mit unkomplizierten Windpocken oder Zoster können ihre Kindereinrichtung oder Schule wieder besuchen, wenn die kontagiöse Periode vorüber ist (Scholz et al. 2000). Neugeborene von Müttern mit Varizellen sind - sofern sie in der Klinik behandelt werden müssen - bis zum 28. Tag post natum zu isolieren (Scholz et al. 2000). Chemoprophylaxe Eine Chemoprophylaxe ist grundsätzlich möglich: z. B. mit Aciclovir 40(-80) mg/kg Körpergewicht/24 Stunden oral über eine Woche. Die Effektivität scheint bei einem Beginn in der zweiten Woche der Inkubation höher zu sein als bei einem Beginn in den ersten Tagen nach der Exposition. Bisher ist eine solche Prophylaxe allerdings nur bei immunkompetenten Kindern erprobt. Sie stellt deshalb für alle immunschwachen Risikopersonen nur einen Kompromiss dar, falls es für eine passive Immunprophylaxe zu spät ist. Eine praktikablere Variante wäre eine engmaschige Überwachung der exponierten Risikoperson, um ggf. frühestmöglich nach Ausbruch der Erkrankung mit einer intravenösen Aciclovirbehandlung beginnen zu können (Scholz et al. 2000). Passive Immunprophylaxe Die passive Immunprophylaxe mit spezifischem Varicella-Zoster-Immunglobulin wirkt sofort, jedoch nur kurzdauernd (maximal 4 Wochen) und ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Sie ist innerhalb von 72 Stunden, maximal 96 Stunden nach Expositionsbeginn zu verabreichen. Nach dieser Zeit ist mit einem Effekt nicht mehr zu rechnen. Außerdem ist sie kostenaufwendig. Ziel ist es, den Ausbruch einer Erkrankung zu verhindern oder deutlich abzuschwächen. Eine passive Immunprophylaxe ist entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) bei varizellenempfänglichen Personen (mit leerer Varizellenanamnese und negativem oder unbekanntem serologischem Varizellenimmunstatus) mit erhöhtem Risiko für Varizellenkomplikationen angezeigt. Dazu zählen Seronegative immundefiziente Patienten Ungeimpfte Schwangere ohne Varizellenanamnese Neugeborene, deren Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung an Varizellen erkrankte. Für Applikation und Dosierung von VZIG sind die Herstellerangaben zu beachten! Aktive Immunprophylaxe (Impfung) 1 Takahashi und Mitarbeitern gebührt das Verdienst, erstmals 1974 VZ-Viren eines Patienten mit Namen OKA attenuiert und hieraus einen Lebendvirusimpfstoff hergestellt zu haben. Inzwischen wurden nicht nur in Japan und Südkorea, sondern auch in vielen anderen Ländern Patienten mit Leukämien und anderen onkologischen Erkrankungen oder Immunmangelzuständen mit Lebendimpfstoffen erfolgreich geschützt. Sämtliche VZV-Impfstoffe leiten sich von diesem ersten Patientenstamm OKA ab, auch der gründlich erprobte (Kanra et al. 1993; Kreth et al. 1994) und in Deutschland zugelassene Impfstoff Varilrix®. Internationale Erfahrungen mit der Varizellenimpfung Inzwischen gibt es über 25 Jahre Erfahrung mit der Varizellenlebendimpfung. Immunologische Tests sowohl der humoralen als auch zellulären Immunität zeigen, dass die Immunität auch nach 25 Jahren nicht nachlässt (Takahashi et al. 2001). In den USA hat man sich entschlossen, 1995/96 eine allgemeine Kinderimpfung gegen Windpocken einzuführen (American Academy of Pediatrics, Committee on Infectious Diseases 1995; CDC Prevention of varicella: recommendations of the ACIP 1996). Alle Kinder unter 13 Lebensjahren erhalten - in aller Regel im zweiten Lebensjahr - eine einmalige Impfung gegen Varizellen, empfängliche Personen über 13 Lebensjahre werden im Abstand von 6 Wochen zweimal geimpft. Durch eine möglichst hohe Impfrate soll die Viruszirkulation in der Bevölkerung reduziert und damit die Ansteckungsgefahr für Risikopersonen wie chronisch Kranke, Schwangere und ältere Menschen minimiert werden. Die durchschnittlichen Impfraten betrugen im Jahr 2000 68 % und lagen somit unter den angestrebten Impfraten von 90 %. Darüber hinaus hatten sie eine große regionale Streubreite (National Immunization Survey, CDC 2000). Möglicherweise ist die bisher zu geringe Akzeptanz der Impfung dadurch mitbedingt, dass in den USA ein Impfstoff verwendet wird, der tiefgefroren aufbewahrt werden muss. Über die bisherigen Erfahrungen mit der Impfung wird aber sehr positiv berichtet (American Academy of Pediatrics, Committee on Infectious Diseases 2000). Mehr als 95 % der Geimpften sind vor einer schweren VZV-Infektion geschützt. Impfdurchbrüche wurden lediglich bei 1-4 % der Impflinge pro Jahr beobachtet, die in jedem Fall außergewöhnlich milde Krankheitsverläufe mit weniger als 50 Effloreszenzen aufwiesen. Die Dauer des Impfschutzes konnte in den USA bisher mit mindestens 17 Jahren, in Japan aufgrund der längeren Erfahrungen sogar mit mindestens 25 Jahren angegeben werden (Asamo et al. 1994, Takahashi 2001). Daten, die zeigen, dass das in den Ganglien latent persistierende Impfvirus häufig reaktiviert wird, legen jedoch nahe, dass der VarizellenLebendimpfstoff einen lebenslangen Impfschutz vermittelt (Krause et al. 2000). Aufgrund positiver Erfahrungen aus den 70er- und 80er-Jahren (Takahashi et al. 1974; Asano et al. 1977a; Asano et al. 1977b; Asano et al. 1982; Tsujino et al. 1984; Hanngren et al. 1985; Arbeter et al. 1986; Kashtan et al. 1997) wurde eine allgemeine Empfehlung für den großzügigen Einsatz der postexpositionellen Impfung innerhalb von 3 Tagen nach Kontakt mit einem Indexfall gegeben, auch wenn es trotzdem selten einmal zu Erkrankungen kommen kann, die dann aber stets abortiv verlaufen (Salzman et al. 1998). Mit einer leeren Varizellenanamnese wird übrigens nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern wie in England (Gray et al. 1997), in der Schweiz (Just et al. 1985; Zysset et al. 2000), in Australien (Burgess et al. 1999) und neuerdings auch in Deutschland (Epidem. Bull. 7/2001) die Empfehlung gegeben, sich serologisch testen zu lassen und im Fall einer Seronegativität einen Impfschutz zu erwerben. Die Varizellenimpfung wird auch bei der breiten Anwendung wie in den USA als gut verträglich beurteilt. Impfreaktionen sind stets gering und werden nur bei 20 % der Impflinge mit lokalen Beschwerden (Rötung, Schwellung, Schmerz) an der Injektionsstelle und bei 3-5 % mit einem flüchtigen varizelliformen Exanthem beobachtet. Fieber bis 39 °C wurde bei 15 % der Impflinge festgestellt. Schwere Krankheitsverläufe wurden nach Varizellenimpfungen nie gesichert, da derartige gravierende 2 Symptome in aller Regel auf interkurrente Wildinfektionen durch VZV zurückgeführt werden konnten. Sicherheit Die Lebendvirusimpfstoffe gegen Varizellen sind gut verträglich (Diaz-Mitoma et al. 2000). Umfangreiche Studien und Anwendungsbeobachtungen haben sowohl seine Zuverlässigkeit hinsichtlich Stabilität der attenuierten Impfviren als auch seine Verträglichkeit und damit seine Sicherheit an gesunden, immunkompetenten Probanden aller Altersstufen (Ramkissoon et al. 1995; Meurice et al. 1996, 1998; White 1996; Varis et al. 1996; Tan et al. 1996; Lu et al. 1998) sowie auch an Leukämiepatienten - zumeist Kindern - erwiesen (Gershon et al. 1985, 1986, 1990, 1998, 2000; Brunell et al. 1987; Sharrar et al. 2001). Es gibt Publikationen, die sämtliche unerwünschten Ereignisse, die an das US Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS) gemeldet wurden, über mehrere Jahre kritisch ausgewertet und mit kasuistischen Beiträgen unterlegt haben (Wise et al. 2000). Bei den meisten der 6574 berichteten Fälle konnte kein Zusammenhang mit dem Impfstoff gesichert werden. Die Impfstoffassoziierten Fälle waren größtenteils Reaktionen an der Injektionsstelle oder Hautreaktionen. Wirksamkeit Nach internationalen Erfahrungen, die in Japan und Südkorea inzwischen mehr als 25 Jahre betragen, ist ein immunkompetenter Impfling zu mindestens 90 % über Jahrzehnte vor einer VZV-Infektion, zu über 95 % vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt (Izurieta et al. 1997; Vessey et al. 2001; Vazquez et al. 2001). Ältere Impflinge jenseits des 13. Lebensjahres und Immuninkompetente benötigen für einen wirkungsvollen Impfschutz einen intensiveren Anstoß des Immunsystems (Gershon et al. 1990), der durch zweimalige Impfstoffapplikation (Prikazsky et al. 1995, 1996) erzielt werden kann. Impfung von onkologischen Patienten Die Impfung hat eine langjährige erfolgreiche Tradition bei Kindern mit einer Leukämie. In zahlreichen Studien wurden die optimalen Bedingungen für einen Impfschutz dieser Kinder vor einer bösartigen schweren Varizellenerkrankung herausgearbeitet. Sie werden in der Remission in aller Regel zweimal im Abstand von 6-8 Wochen geimpft und zeigen dann in etwa 80 % einen Schutz vor Infektion und in über 90 % einen Schutz vor schwerer Erkrankung (Gershon et al. 1985, 1986, 1990, 1998, 2000; Brunell et al. 1987; Haas et al. 1985; Sharrar et al. 2001). Als Impfreaktionen können bläschenförmige Effloreszenzen auftreten, die potenziell infektiös sind. Man darf diese Impfindikation als weltweit anerkannt bezeichnen. Doch auch Patienten mit anderen onkologischen Erkrankungen wie Morbus Hodgkin, NonHodgkin-Lymphomen oder soliden Tumoren sind durch schwer verlaufende VZV-Infektionen und ihre Komplikationen gefährdet und bedürfen daher dringend eines Impfschutzes. In allen einschlägigen Studien wird immer wieder die gute Verträglichkeit der Impfung hervorgehoben. Die Serokonversionsraten nach Impfung nach der Impfung lagen zwischen 70% bis 90% - abhängig vom Zeitpunkt der Impfung und der zusätzlichen Indikation. (Heath et al. 1985, 1987; Heller et al. 1985; Slordahl et al. 1985; Ninane et al. 1985), teils mit > 80 % (Austgulen 1985) oder gar mit > 90 % (Haas et al. 1985) der Impflinge zufriedenstellend gefunden. Allerdings haben letztere Autoren zur Impfung während der Remission die Zytostatikatherapie für 2 Wochen unterbrochen. Impfung von HIV-Infizierten Grundsätzlich ist festzustellen, dass eine Wildinfektion durch VZV stets eine große Gefahr für HIV-Infizierte darstellt. Eine Impfung unter kontrollierten Bedingungen ist entsprechend den STIKO-Empfehlungen bei asymptomatischer HIV-Infektion möglich. So empfehlen beispielsweise Levin et al. (2001) aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen an 41 HIV-infizierten 3 Kindern eine zweimalige Varizellenimpfung im Abstand von 4-8 Wochen. Eine Verschlechterung des klinischen Zustandes der Impflinge war nicht zu beobachten. Nach der ersten Impfung konnte man kurzzeitig ein geringes Absinken der CD4-Zellen registrieren, das nach weiteren 4 Wochen wieder ausgeglichen war. Nach der zweiten Impfung war bei 83 % der Impflinge eine positive T-Zell-Immunität und bei 60 % eine Serokonversion festzustellen. Impfung vor Organtransplantation Anhand einer Impfstudie an 23 Kindern mit einer chronischen Niereninsuffizienz, die auf eine Nierentransplantation warteten, konnte nach Impfung bei 20 eine Serokonversion nachgewiesen werden (Broyer et al. 1985). Seit Einführung von Varizellenimpfungen kam es auf der Abteilung mit einer Frequenz von 330 Nierentransplantationen zu einem dramatischen Rückgang der Inzidenz von Vari-zellen und Zoster. Weitere Erfahrungen mit Varizellenimpfung vor Nieren- (Broyer et al. 1997; Zamora et al. 1994) und auch vor Lebertransplantationen (Giacchino et al. 1995) sind in der Literatur übereinstimmend als wirksam, gut verträglich und für die Patienten vorteilhaft beschrieben. Impfung nach Knochenmarktransplantation 12-23 Monate nach Knochenmarktransplantation erhielten 15 Kinder (Durchschnittsalter 9 Jahre) eine Varizellenimpfung, die ohne Nebenwirkungen gut vertragen wurde (Sauerbrei et al. 1997). Bis auf ein Kind, das ein zweites Mal geimpft wurde, zeigten alle bereits nach einmaliger Impfung eine Serokonversion. Über den Beobachtungszeitraum von zwei Jahren blieben sämtliche geimpften Kinder frei von Varizellen oder Zoster. Bei einer Vergleichsgruppe von 133 nichtgeimpften Kindern trat innerhalb von 18 Monaten nach der Knochenmarktransplantation in 26,3 % eine VZV-Infektion auf. Varizellenimpfung in der Arbeitsmedizin Varizellen sind aus arbeitsmedizinischer und aus krankenhaushygienischer Sicht ein wichtiges Thema. Die gesetzliche Grundlage zum Schutz der Arbeitnehmer vor potenziellen Gefährdungen im Arbeits- und Krankenhausumfeld bietet die Biostoffverordnung (1999) in Verbindung mit dem Arbeitssicherheitsgesetz. Beide Gesetze stellen die nationale Umsetzung der EG-Richtlinie 90/679/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom November 1990 über den Schutz der Arbeitnehmer vor biologischen Arbeitsstoffen dar. Laut § 3 Biostoffverordnung (Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen vom 27. Januar 1999) ist das Varicella-ZosterVirus in die Risikogruppe 2 einzustufen. Diese Gruppe umfasst biologische Arbeitsstoffe, (a) die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen, (b) damit eine Gefahr für Beschäftigte darstellen können, (c) deren Verbreitung in der Bevölkerung unwahrscheinlich ist und (d) gegen die eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung möglich ist. In der Erwachsenenbevölkerung ist mit Immunitätslücken gegenüber dem Varicella-ZosterVirus von etwa 5 % zu rechnen. Das bedeutet ein indirektes Infektionsrisiko für alle empfänglichen immunsupprimierten Patienten. Wenn Beschäftigte im Gesundheitsdienst Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankengymnasten, Arzthelfer und Ärzte - eine Rate von 5 % Seronegativität aufweisen, sind sie nicht nur selbst durch Windpocken gefährdet, sondern gefährden ihre Patienten potenziell durch Übertragung des VZV. Ein solches Infektionsrisiko für Empfängliche besteht in erster Linie durch Kontakt mit Rachensekreten (Tröpfcheninfektion) und Bläscheninhalt der Windpocken-Effloreszenzen (Schmierinfektion). Da die Virusausscheidung im Oropharynx 1-2 Tage vor dem Exanthem beginnt, ist eine Übertragung schon zu diesem Zeitpunkt möglich. Der Umgang mit Blut, das während der virämischen Phase der Erkrankung entnommen wird (primäre Virämie 4-6 Tage nach der Infektion, sekundäre Virämie mit Auftreten von Hautveränderungen), stellt ebenfalls 4 ein Infektionsrisiko dar. Abstrichmaterial von Haut-Effloreszenzen und aus dem NasenRachen-Raum sowie Liquor sind weitere Infektionsquellen. In der Biostoffverordnung werden neben den Mitarbeitern im Gesundheitsdienst auch Beschäftigte in kinderbetreuenden Einrichtungen - und zwar nicht nur Kinderkliniken, sondern auch Kindergärten - genannt, die durch direkten Umgang mit erkrankten Personen zweifellos das höchste Infektionsrisiko haben. Ein Gefährdungspotenzial besteht aber auch für Personal in medizinischen Laboratorien. Wegen der hohen Infektiosität ist das Risiko einer Übertragung der Varizellen im Krankenhaus besonders groß. Häufigste Infektionsquelle sind zwar Patienten mit akuter Erkrankung. Varizellen beim Personal stellen aber auch eine erhebliche Gefahr für das berufliche Umfeld und bestimmte Patientengruppen dar. Im Krankenhaus fällt die Übertragung einer VZVInfektion in den Bereich der nosokomialen Infektionen. Die Forderung des Qualitätsmanagements, dass ein Krankenhausträger alles in seiner Macht Stehende zu veranlassen habe, um nosokomiale Infektionen zu vermeiden, impliziert somit auch die Impfung gegen Varizellen. Anliegen der Krankenhausträger muss es deshalb sein, Maßnahmen einzuleiten, die eine Übertragung der Varizellen auf Patienten verhindern. Erfolgt dies nicht und kommt es zu einer Übertragung der Viren auf Risikopatienten, so hat im Zuge der Beweislastumkehr nicht der Patient nachzuweisen, dass er sich die VZV-Infektion im Krankenhaus zugezogen hat, sondern der Krankenhausträger hat nachzuweisen, dass er hinreichend Vorsorge getroffen hat, um eine derartige Infektion zu vermeiden. Die Biostoffverordnung ist demnach für den Arbeitgeber die gesetzliche Grundlage für das Anbieten und die Kostenübernahme einer Varizellenimpfung. Im § 15 Abs. 4 heißt es dazu wörtlich: »Beschäftigten, die biologischen Arbeitsstoffen ausgesetzt sein können, ist eine Impfung anzubieten, wenn ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Der Arzt hat die Beschäftigten über die zu verhütende Krankheit, über den Nutzen der Impfung und über mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen aufzuklären.« Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), das ab Januar 2001 in Kraft ist, besteht außerdem für jeden Arbeitgeber die Pflicht zur arbeitsmedizinischen Information, Aufklärung und Belehrung, die in jährlichen Abständen zu wiederholen sind. Darüber hinaus sind bei Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung die »Berufsgenossenschaftlichen Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen G 42« zu beachten. Für die korrekte Durchführung dieser gesetzlichen Vorschriften bietet sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und/oder dem öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) an (Nassauer 2001). Impfdurchbrüche VZV-Erkrankungen bei Geimpften wurden sorgfältig analysiert (Diaz et al. 1991; Wurtz et al. 1999; Krause et al. 2000). Derartige Impfdurchbrüche sind selten und werden von den meisten Autoren mit wenigen Prozent angegeben (American Academy of Pediatrics, 2000). Es scheint eine Korrelation mit geringem Impfalter (beispielsweise im ersten Lebensjahr) und niedriger postvakzinaler Serokonversion zu bestehen (Lim et al. 1998). Sämtliche Erkrankungen bei Impflingen verlaufen signifikant milder als bei den im Vergleich untersuchten Patienten mit natürlichen Infektionen (Bernstein et al. 1993; Watson et al. 1993; Asano et al. 1996). Es wird deshalb bei abgeschwächtem Erkrankungsverlauf geimpfter Personen in der Literatur von einem »modified varicella-like syndrome (MVLS)« gesprochen (Clements 1996). Übertragung des Impfvirus Über die Kontagiosität der Impfvarizellen gibt es kasuistische Mitteilungen, die teilweise aus früheren Zeiten mit alten Impfstoff-Formulierungen stammen (Tsolia et al. 1990). Eine Übertragung auf nichtimmune Kontaktpersonen ist extrem selten. In einem Bericht der USamerikanischen Akademie für Kinderheilkunde (Pediatrics 105: 136-141; 2000) werden 5 Erfahrungen mit über 14 Millionen Impfungen in vier Jahren ausgewertet und dabei drei exakt dokumentierte Übertragungen auf Kontaktpersonen registriert. Vorbedingung für eine Transmission sind Hauteffloreszenzen beim Impfling (LaRussa et al. 1997). Krankheitsverläufe bei Infizierten sind stets sehr milde. Das Angehen eines Impfvirus wird bei der Kontaktperson durch eine Immundefizienz, vielleicht auch durch eine Schwangerschaft (Salzman et al. 1997) begünstigt. Ob eine solche Impfvirus-bedingte Erkrankung antiviral zu behandeln ist, wird wesentlich vom Immunstatus des Patienten bestimmt und kann nur individuell entschieden werden (Shiraki et al. 1993). 6