Abstract_Berg

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HBV-, HCV-Infektion: ist die leitliniengetreue Therapie noch zeitgemäß?
PD Dr. med. Thomas Berg
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie
Charité, Campus Virchow-Klinikum
Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Germany
Tel.: ++49 30 450 553071
Fax.: ++49 30 450 553903
e-mail: [email protected]
Hepatitis B Virus (HBV)-Infektion
Therapie der HBeAg-positiven chronischen Hepatitis B
Therapieziel ist die Induktion einer Serokonversion mit Verlust von HBeAg und
Bildung von anti-HBe. In Deutschland zugelassen Therapeutika sind Lamivudin (3TC),
Adefovirdipivoxil und Interferon-alpha. Die Rate der Serokonversionen unterscheidet sich
geringfügig in Abhängigkeit der verwendeten Substanz und liegt nach 1-Järiger
Therapiedauer bei ca. 20-30%. Aktuelle Daten zeigen eine Überlegenheit der pegylierten
Interferone gegenüber den Standardinterferonen, so dass im Einzelfall bereits jetzt die
Verwendung eines pegylierten Interferons gerechtfertig erscheint (bisher existiert jedoch
noch keine Zulassung für diese Indikation). Von der DGVS-Konsensus-Konferent wird bei
HBeAg positiver chronischer Hepatitis B v.a. bei deutlich erhöhten Transaminasen (> 5 x
oberer Normwert) der Einsatz von Interferon-alpha über 4-6 Monate favorisiert. Unklar ist
bisher die optimale Therapiedauer. Es zeichnet sich jedoch ab, dass mit zunehemnder
Therapiedauer die Rate der HBeAg-Serokonversionen zunimmt. Es wird daher v.a im
Rahmen der Nukleos(t)idanaloga-Therapie eine Fortführung der Therapie bis zur
Serokonversion (und 6 Monate darüber hinaus) empfohlen. Auch für die Interferon-basierten
Therapieschemata wird man heutzutage eher eine längere Therapiedauer (z.B. 1 Jahr)
anstreben.
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Therapie der HBeAg-negativen chronischen Hepatitis B
Die Therapie der HBeAg-negativen chronischen Hepatitis B ist problematisch, da
erstens kein definierter Therapieendpunkt existiert und zweitens die Rückfallraten nach initial
erfolgreicher Behandlung sehr hoch sind. Da die Response der antiviralen Therapie nicht
durch HBeAg-anti-HBe-Serokonversion bestimmt werden kann, ist das wesentliche
Responsekriterium bei dieser Patientengruppe die effiziente Suppression der Hepatitis B
Virämie (Negativierung der HBV-DNA oder Reduktion auf Werte unter 105 Kopien/ml) mit
Normalisierung der Transaminasen.
Lamivudin (3TC), Adefovirdipivoxil und Interferon-alpha sind in Deutschland
zugelassene therapeutische Optionen. Weltweit existiert bisher jedoch kein Konsens,
welches dieser Medikamente in der Primärtherapie bevorzugt werden sollte.
Klinische Studien belegen inzwischen eindeutig, dass Patienten mit HBeAg
negativer/anti-HBe-positiver
chronischer
Hepatitis
B
von
einer
Therapie
mit
den
Nukleos(t)idanaloga Lamivudin oder Adefovirdipivoxil profitieren. Die virologischen und
biochemischen Responseraten liegen initial bei 70-96% und eine Besserung der
Leberhistologie wird in 20-95% beobachtet. Die optimale Therapiedauer ist unbekannt. Die
Mehrzahl aller Patienten (>90%) entwickelt jedoch einen Relpase, wenn die Therapie nach
48 Wochen beendet wird, so dass meist eine Langzeittherapie erforderlich ist. Generell sollte
bei fortgeschrittener chronischer Hepatitis bzw. Cirrhose die Therapie unlimitiert erfolgen
bzw. bis zur Resistenzentwicklung oder bis zur HBsAg-Serokonversion. Aufgrund der
längeren klinischen Erfahrung mit dem Einsatz von Lamivudin und der geringeren
Therapiekosten im Vergleich zu Adefovirdipivoxil, wird Lamivudin (ZeffixTM 100 mg/d p.o.) in
der Primärtherapie der HBeAg negativen chronischen Hepatitis B bevorzugt (DGVS
Konsensuskonferenz 2003). Die hohe Rate an Resistenzentwicklungen unter Lamivudin
muss jedoch berücksichtigt werden. Bei Resistenzentwicklung sollte frühzeitig der Wechsel
auf Adefovirdipivoxil (HepseraTM 10 mg/d p.o.) erfolgen. Eine primäre Kombinationstherapie
von
Lamivudin
und
Adefovirdipivoxil
könnte
hinsichtlich
der
zu
erwartenden
Resistenzentwicklung von Vorteil sein, kann aber derzeit noch nicht generell empfohlen
werden.
Interferon-alpha zeigt bei dieser Patientengruppe initial gute Ansprechraten (38% bis
90%), die Langzeitresponseraten sind mit durchschnittlich 24% allerdings gering und
erfordern meist eine mindestens 1-jährige Therapie. Bei anhaltenden Respondern wurden
HBsAg-Verlustraten in bis zu 15-30% beobachtet. Interferon alpha sollte in einer Dosierung
von 3 x 5-10 Mio. Einh. pro Woche über mindestens ein Jahr gegeben werden. Bei
Therapieversagen kann das Therapieregime gewechselt werden.
Der mögliche Stellenwert pegylierter Interferone als Monotherapie oder in
Kombination mit Lamivudin wurde in einer internationalen Multizenterstudie an über 500
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Patienten geprüft. Nach einjähriger Therapie mit Peg-Interferon-alpha-2a 180 µg pro Woche
s.c. konnten anhaltende Responseraten 6 Monate nach Therapieende (d.h. Normalisierung
der Transaminasen und Suppression der HBV-DNA < 20.000 Kopien/ml) in 36% der Fälle
erzielt werden und bei 4% kam es zum Verlust von HBsAg. In der Lamivudin-MonotherapieGruppe lag die anhaltende Response bei 23% und bei keinem Patienten kam es zum
HBsAg-Verlust. Die Kombination von Peg-Interferon-alpha-2a plus Lamivudin hatte
gegenüber der Monotherapie mit Peg-Interferon-alpha-2a keinen signifikanten zusätzlichen
Vorteil gezeigt.
Therapie der Lamivudin-Resistenz
Bei Lamivudin-Resistenz ist Adefovirdipivoxil (HepseraTM) in einer Dosierung von 10
mg/Tag p.o. wirksam (Peters M 2004, Perillo 2004). Bei einem Anstieg der HBV-DNA unter
Lamivudin-Therapie (> 1 log-Stufe), d.h. virologischem Versagen, sollte die Therapie auf
Adefovirdipivoxil umgestellt werden. Adefovirdipivoxil bewirkt im Median eine 3-4 log-Stufen
Reduktion der Hepatitis B Virämie innerhalb der ersten 6-12 Monate. Eine komplette
Response unter Adefovirdipivoxil (Negativierung der HBV-DNA mittels quantitativer Tests) ist
daher am besten zu erreichen, wenn die Therapie frühzeitig im Rahmen der
Resistenzentwicklung begonnen wird, d.h. bei HBV-DNA Konzentrationen < 105-106
Kopien/ml.
Eine Fortführung der Lamivudin-Therapie in Kombination mit Adefovir führt nach
bisherigen Ergebnissen nicht zu einer Steigerung der antiviralen Response und sollte daher
zurzeit nicht erfolgen. Weitere Nukleos(t)id-Analoga, wie z.B. Entecavir und Emtricitabine
(FTC) befinden sich im Stadium der klinischen Prüfung. Größere Untersuchungen zum
Einsatz von Interferon-alpha bzw. PegInterferon-alpha bei Lamivudin-Resistenz fehlen
bisher.
Therapie der Adefovirdipivoxil-Resistenz
Aufgrund der großen strukturellen Ähnlichkeit von Adefovirdipivoxil mit dem
natürlichen Substrat Deoxyadenosintriphosphat und der flexiblen acyclischen Struktur der
Substanz, die eine sterische Behinderungen verhindert, treten Resistenzprobleme unter
Adefovirdipivoxil selten auf. In den seltenen Fällen der Entwicklung einer Adefovir-Resistenz
ist eine Therapie mit Lamivudin Erfolg versprechend. Aufgrund des hohen Risikos der
Lamivudinresistenzentwicklung, insbesondere dann, wenn der Patient bereits mit Lamivudin
vorbehandelt
worden
ist,
sollte
die
Lamivudin-Therapie
Adefovirdipivoxil-Therapie durchgeführt werden.
unter
Fortführung
der
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Hepatitis C Virus (HCV) Infektion
Das primäre Ziel der antiviralen Therapie bei Patienten mit HCV-Infektion ist die
Ausheilung der Infektion definiert durch den fehlenden Nachweis Hepatitis-C-spezifischer
RNA im Serum sechs Monate nach Therapieende. Durch die Einführung neuer Medikamente
sowie ein besseres Management der Nebenwirkungen der antiviralen Kombinationstherapie
konnten die Behandlungserfolge in den letzten Jahren deutlich gesteigert werden mit
Heilungsraten von 50-60%.
Indikationen zur Therapie bei chronischer Hepatitis C Virus (HCV)-Infektion
Die Indikation zur Therapie sollte gestellt werden, wenn die chronische Hepatitis C
nachgewiesen ist und keine Kontraindikationen vorliegen. Zum Nachweis der HCV-Infektion
gehört eine positive Serologie für anti-HCV und HCV-RNA.
Patienten mit HCV-induzierter kompensierter Leberzirrhose im Stadium Child A sollten
antiviral behandelt werden. Diese Patienten können auch bei fehlender dauerhafter
Viruseradikation
von
einer
histologischen
Befundverbesserung
profitieren
und
möglicherweise wird auch das Risiko der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms
gesengt. Bei Patienten mit einer dekompensierten Leberzirrhose ist Interferon kontraindiziert.
Hier muss die Indikation zur Lebertransplantation geprüft werden.
Therapie der chronischen Hepatitis C
Folgende Medikamente sind in Deutschland zur Therapie der chronischen Hepatitis C
zugelassen:

Interferon-2a (Roferon); zugelassene Dosierung: 3 x 3-4,5 MIU pro Woche allein
oder in Kombination mit Ribavirin

Interferon-2b (Intron A); zugelassene Dosierung: 3 x 3 MIU pro Woche allein oder in
Kombination mit Ribavirin

Interferon alfacon-1 (Inferax); zugelassene Dosierung: 3 x 9 µg pro Woche

Peginterferon-2a (Pegasys); zugelassene Dosierung: 180 µg einmal pro Woche
allein oder in Kombination mit Ribavirin

Peginterferon-2b (PegIntron); zugelassene Dosierung: 0,5-1,0 µg/kg Körpergewicht
einmal pro Woche in der Monotherapie und 1,5 µg/kg Körpergewicht einmal pro
Woche in Kombination mit Ribavirin

Ribavirin (Rebetol); zugelassene Dosierung: 800 mg/Tag für Patienten < 65 kg, 1000
mg/Tag für Patienten 65-85 kg, 1200 mg/Tag für Patienten über 85 kg
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
Ribavirin (Copegus); zugelassene Dosierung: Genotyp HCV-1: 1000 mg/Tag für
Patienten < 75 kg, 1200 mg/Tag für Patienten > 75 kg, Genotyp HCV-2,3: 800
mg/Tag
Therapie bislang nicht vorbehandelter Patienten
Die Standardtherapie der chronischen Hepatitis C erfolgt mit einem pegylierten
Interferon in Kombination mit Ribavirin. Patienten mit einer HCV-Genotyp 1-Infektion sollten
über 48 Wochen, Patienten mit einer HCV-Genotyp 2 oder 3-Infektion 24 Wochen behandelt
werden. Die empfohlene Ribavirindosis sollte für Patienten mit HCV-Genotyp 1-Infektion
körpergewichtsbezogen erfolgen (s.o., bzw. 12-14 mg/kg KG). Für Patienten mit Genotyp
2/3-Infektion ist eine Ribavirindosis von 800 mg pro Tag ausreichend.
Retherapie von Patienten mit Rückfall
Patienten mit einem Rückfall nach einer Interferon- Monotherapie sollten kombiniert
mit einem (pegylierten) Interferon und Ribavirin behandelt werden.
Für Patienten mit einem Rückfall nach einer Kombinationstherapie können zurzeit keine
allgemeingültigen Empfehlungen ausgesprochen werden; die Behandlung im Rahmen
kontrollierter Studien ist wünschenswert.
Retherapie von Patienten mit Nonresponse
Bei Patienten mit "Non-Response" auf eine Interferon- Monotherapie kann ein
erneuter Therapieversuch mit einem (pegylierten) Interferon plus Ribavirin erfolgen.
Für Patienten mit "Non-Response" nach einer Kombinationstherapie existiert derzeit keine
etablierte Therapie; die Behandlung sollte im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen.
Therapie der akuten Hepatitis C
Die hohe Chronifizierungsrate der akuten Hepatitis C rechtfertigt therapeutische
Ansätze zur Verhinderung eines chronischen Verlaufs. Die Therapie sollte mit Interferon-
als Monotherapie für 24 Wochen durchgeführt werden.
Der optimale Zeitpunkt, wann die Therapie begonnen werden sollte, ist bisher unklar (sofort
bei Diagnosestellung oder zunächst den Spontanverlauf abwarten). Eine Verzögerung der
Therapie um 3-4 Monate nach Beginn der Symptome erscheint im Einzelfall vertretbar und
könnte hilfreich sein, solche Patienten zu identifizieren, die besonders von einer Behandlung
profitieren, d.h. bei denen sich eine Chronifizierung der HCV-Infektion abzeichnet (HCV-RNA
positiv). In diesem Zusammenhang sind die Beobachtungen interessant, dass Patienten mit
symptomatischer (ikterischer) akuter Hepatitis C mit 50 % eine höhere Chance der
spontanen Viruselimination haben.
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In einer aktuellen, durch das Kompetenznetz Hepatitis (HepNet) geförderten randomisierten
Studie, wird die Effektivität der unterschiedlichen Therapiestrategien (Therapiebeginn bei
Diagnosestellung vs. 3-monatige Verlaufsbeobachtung und Therapie nur wenn keine
spontane Viruselimination eingetreten ist) geprüft.
Weitere Medikamente
Weitere Medikamente sind in Deutschland für die Therapie der Hepatitis C nicht
zugelassen. Für Amantadin in Kombination mit Interferon- liegen verschiedene prospektiv
kontrollierte Studien vor, die eine Effektivität gegen HCV belegen; die Datenlage ist aber
bislang für eine allgemeine Therapieempfehlung (v.a. in Kombination miet pegylierten
Interferonen) noch nicht ausreichend, rechtfertig jedoch im Einzelfall den individuellen
Einsatz.
Kriterien zum vorzeitigen Therapieabbruch bei Nonresponse
Patienten, die nicht innerhalb der ersten 12 Therapiewochen HCV-RNA negeativ
werden, haben eine sehr geringe Chance eine anhaltende Remission zu erreichen. Die HCV
RNA sollte daher quantitativ vor und 12 Wochen nach Therapiebeginn und qualitativ nach 24
Wochen bestimmt werden. Die Therapie sollte bei Patienten beendet werden, deren
Viruslast in Woche 12 gegenüber der Viruslast zu Therapiebeginn nicht mindestens um
einen Faktor 100 abgefallen ist (2 log-Stufen), sowie bei Patienten mit nachweisbarer HCV
RNA (> 50 IU/mL) zu Woche 24 der Therapie. Bei Patienten mit HCV-Genotyp 2 und 3Infektion liegen die primären Responsraten bei >95%, so dass bei dieser Patientengruppe
auf quantitative HCV-RNA-Bestimmungen während der Therapie verzichtet werden kann.
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