der borna-krimi - Regina Käsmayr

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DER BORNA-KRIMI
Bis vor kurzem galt die Diagnose „Borna-Krankheit“ als sicheres Todesurteil für Pferde.
Tatsächlich kann die mysteriöse Gehirnkrankheit aber völlig unentdeckt verlaufen. In den letzten
Jahren gab es zahlreiche neue Erkenntnisse über das Borna Disease Virus. Viele Vermutungen ,
noch mehr Theorien, aber auch soliden Wissenszuwachs. Wie ein Virus zum Tatmotiv eines
Wissenschafts-Krimis wurde.
TEXT: REGINA KÄSMAYR
Es klingt wie Science Fiction, ist aber wahr: Das Borna-Virus greift in das Gefühlsleben von
Menschen und Tieren ein. Pferde werden apathisch, Menschen depressiv, Schafe, Rinder, Strauße
und andere Säugetiere verlieren ihren Spieltrieb, werden launisch bis aggressiv und sondern sich
von der Gruppe ab. Wie ist so etwas möglich?
„Das Borna Disease Virus setzt sich im limbischen System des Gehirns fest und vermehrt sich
dort“, erklärt Prof. Dr. Hanns Ludwig von der Freien Universität Berlin. „Diese Region im
Zentralhirn ist zuständig für Gefühle und Verhalten. Wenn das Virus dort die Nervenzellen
infiziert, werden sie in ihrer Funktion gestört. Dadurch kommt es zu den Änderungen des
normalen Verhaltens, bei Tieren und Menschen.“
60 Prozent aller Pferde und rund 30 Prozent aller Menschen sind neuesten Studien zufolge mit
dem Borna-Virus befallen. In den meisten Fällen schlummert der Krankheitserreger ein Leben
lang im Gehirn und löst keine oder nur geringe Symptome aus. Es gibt aber auch Pferde, die
immer wieder unter Infektionsschüben leiden. Diese können mit Apathie, Schreckhaftigkeit,
Headshaking, Ataxien, Koliken, Zwangsbewegungen und Leistungsschwäche einhergehen. Auch
Fressstörungen sind an der Tagesordnung. Ein erkranktes Pferd fraß wahllos alles, was in seiner
Krippe landete – sogar Katzenfutter und kleine Steine. Im schlimmsten Fall nimmt das Virus
derart überhand, dass sich der betroffene Gehirnbereich entzündet und es kommt unbehandelt zu
einer tödlichen Enzephalitis. Noch vor wenigen Jahren waren diese Ausnahmefälle als einzige
Form der Borna’schen Erkrankung bekannt. Da es damals noch keine Medikamente gegen das
Virus gab, galt die Krankheit als sicheres Todesurteil. Tatsächlich verhält es sich aber genau
umgekehrt, wie die inzwischen beendeten Forschungsarbeiten am Robert Koch Institut in Berlin
aufzeigen konnten. „Die frühere Auffassung, wonach die Infektion eine über 90-prozentige
Mortalitätsrate hat, muss revidiert werden. Die Infektion hat im Gegenteil eine mindestens in
dieser Größenordnung liegende Überlebensrate. Tödliche Enzephalitiden sind auch bei Pferden
die seltene Ausnahme sozusagen eine Art „Betriebsunfall“, der wahrscheinlich durch eine außer
Kontrolle geratene Virusvermehrung entsteht“, schreibt die Leiterin der Forschungsgruppe, Dr.
Liv Bode 1999 in ihrer Habilitationsschrift. Man nimmt an, dass das Borna-Virus seit vielen
tausend Jahren Säugetiere und Menschen als Wirt benutzt. Für das Virus ist es tatsächlich ein
größter anzunehmender Unfall, wenn sein Wirt stirbt. Denn so kann es sich nicht weiter
fortpflanzen.
Wie die Krankheit übertragen wird, ist noch nicht ganz klar. In Laborversuchen war sowohl
die Tröpfcheninfektion durch die Nase als auch die Injektion des Virus ins Gehirn erfolgreich.
Als „sehr unwahrscheinlich“ tut Dr. Ludwig die Spekulationen ab, Borna-Virus würde durch die
Ausscheidungen von Mäusen und Ratten in der Box auf das Pferd übertragen. „Bei der hohen
Durchseuchungsrate und damit einer großen Anzahl gesunder Trägertiere benötigt dieses Virus
kein Reservoir. Eher kommt die Anstreckung durch gegenseitiges Beschnuppern oder Trinken
aus demselben Wassereimer in Frage.“ Ist ein Pferd im Stall krank, so besteht daher die
Wahrscheinlichkeit, dass es das Virus auf seine Boxennachbarn überträgt. Ansteckend können
Pferde aber auch in einer Phase sein, wo noch niemand ahnen kann, dass eine Borna-Erkrankung
vorliegt. Außerdem wurden Fälle berichtet, in denen Stuten die Virusinfektion an ihre noch
ungeborenen Fohlen weitergaben. Latent Borna-Virus infizierte Pferde, die äußerlich gesund sind
und das Virus schlummernd in sich tragen, sind laut Dr. Ludwig eher nicht ansteckend. „Doch
auch diese Pferde können eines Tages einen Infektionsschub bekommen und dann das Virus
weitergeben.“
Heiß diskutiert wird die Frage, ob es sich bei der Borna-Virus-Infektion um eine Zoonose
handelt, also eine Krankheit, die von Pferd zu Mensch übertragen wird und umgekehrt. „Wir
können nicht ausschließen, dass so etwas möglich ist. Das Überspringen der Speziesbarriere sehe
ich allerdings eher als die Ausnahme an“, sagt Dr. Ludwig, „Dies nachzuweisen, ist aber sehr
schwer und mit unseren derzeitigen Mitteln nicht machbar.“
Christel Schmedt ist von der Zoonose-These überzeugt. „Ich kenne zahlreiche Menschen mit
Borna-positiven Pferden, die diese Symptome haben“, sagt Schmedt, die im Internet eine
Infopage mit einem angeschlossenen Forum für betroffene Pferdebesitzer eingerichtet hat
(www.borna-borreliose-herpes.de). Viele Betroffene aus dem Forum und die Betreiberin selbst
berichten nicht nur von Borna-Virus assozierten Symptomen wie Depressionen und Störungen im
Gedächtnis und der Konzentration, sondern auch über Symptome wie Kopfschmerzen,
Halsschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schlafprobleme, geschwollene Lymphknoten,
Nervenzuckungen und Kribbeln an den Gliedmassen, Ohrgeräusche, Sehstörungen und Allergien.
Vieles davon passt zu den Symptomen, die als Chronic-Fatique-Syndrom (CFS)
zusammengefasst werden, einem Überbegriff für eine bisher noch wenig erforschte Erkrankung.
Auffällig findet Christel Schmedt die Tatsache, dass dem Beginn ihrer eigenen
Krankheitsproblematik eine zeitgleiche Infektion ihres Pferdes vorausging. Seit einem
Impfschaden litt der Halbblut-Wallach unter zahlreichen Symptomen. „Zwischenzeitlich konnte
er fast nicht mehr laufen“, erinnert sich Christel Schmedt. Im Laufe der drei Jahre wurde er
positiv getestet auf Herpesvirus, Borna-Virus und Borrelien. „Mittlerweile geht es ihm wieder
top!“ Geholfen haben Pferd und Besitzerin ausschliesslich naturheilkundliche Mittel wie das
homöopathische Rhus toxicodendron.
Die Schulmediziner der Berliner Arbeitsgruppe behandelten Borna-Virus-Infektionen mit
Amantadin, einem antiviral wirkenden Medikament, das seit 30 Jahren gegen Influenza A
eingesetzt wird, ohne Nebenwirkungen zu verursachen. Es hemmt das Borna-Virus durch
tägliche Gaben über mindestens drei Monate hinweg. „500 bis 1000 Pferde wären längst bei
Petrus, wenn wir dieses Mittel nicht für den Therapieeinsatz empfohlen hätten“, sagt Dr. Ludwig.
„Darunter waren Top-Dressurpferde, die nicht mehr rechts von links unterscheiden konnten. Die
gehen heute wieder erfolgreich im Viereck.“ Um die 80 Prozent der erkrankten Pferde wurden
mit Amantadin symptomfrei. Ob ein Borna-Virus Pferd wieder richtig „gesund“ wird, bleibt
vorerst offen, die Erfahrungen der Berliner Arbeitsgruppe zeigen allerdings, dass mit den
richtigen Medikamenten, einem funktionierenden Immunsystem und artgerechter Haltung VirusSchübe in den meisten Fällen erfolgreich bekämpft werden können.
Die Tierheilpraktikerin und Biologin Dr. Tina Maria Ritter rückte bei ihrem Pferd dem BornaVirus mit Amantadin, Kinesiologie und Naturheilkunde zu Leibe. Sie hält außerdem die
Umgebung, in der das Pferd sich aufhält für enorm wichtig. „Schimmelige Boxenwände,
Elektrosmog, Stress oder Bakterien-verseuchtes, milchiges Brunnenwasser setzen dem
Immunsystem derart zu, dass es wenig Chance hat, sich um das Borna-Virus zu kümmern.“
Speziell Pferde, die neben Borna-Virus auch noch Borelliose-positiv sind, würden sehr sensibel
auf Elektrosmog reagieren und gelegentlich nicht auf Amantadin-Gaben reagieren. In diesen
Fällen empfiehlt sich eine Beseitigung der stressenden Umweltfaktoren und anschließende
Weiterbehandlung.
Dr. Ritter hält noch einen weiteren Borna-Virus Verstärker für wahrscheinlich: Die generell
jährlich empfohlene Impfung der Pferde. „Impfen ist nur was für einen gesunden Organismus“,
erklärt die Biologin. „Borna-Virus jedoch wird häufig nicht erkannt und das Pferd wird trotzdem
gegen Herpes- und Influenza Viren geimpft. Das stresst den Körper des Pferdes so, dass
Krankheitssymptome zu Tage treten können. Ihr Rat daher: ein verdächtiges Pferd auf BornaVirus testen lassen und erst dann Impfen, wenn keine Infektion nachweisbar ist. Ähnliches gilt
für Wurmkuren. „Man muss sich vor Augen führen, dass bei den meisten Impfungen
Schwermetalle mit ins Pferd gespritzt werden. Sie dienen der Konservierung des verwendeten
Impfstoffes, sind aber für Immunsystem und Nervenzellen schädlich.“ Dr. Ritter forscht derzeit
an einer Theorie, die bisher noch nicht belegt ist: „Es könnte sein, dass Pferde nach einer
Herpesvirus-Impfung kurzfristig zu Ausscheidern werden. Das bedeutet, sie werden ansteckend
für den Boxennachbarn und geben so einen nicht unerheblichen Infektionsdruck an weniger
stabile Pferde weiter, wiebeispielsweise an Borna-Virus positive Tiere.“
Der Borna-Virus Experte Dr. Hanns Ludwig hält Dr. Ritters kritische Überlegungen zur gängigen
Pferdeimpfung unbedingt für diskussionswürdig. Gehäuft findet er Borna-Virus positiv getestete
Tiere nach einer Impfung. „In jedem Fall muss solchen Beobachtungen kritisch nachgegangen
werden“, sagt Dr. Ludwig. Ob mit diesen Befunden Zusammenhänge zur Einstellung des BornaVirus Projektes am Robert Koch Institut zu sehen sind, bleibt vorerst offen. Das von der Berliner
Arbeitsgruppe propagierte ELISA Testsystem zur Erkennung von Antikörpern, Antigenen und
Immunkomplexen im Blut sei nicht zuverlässig, lautete die Begründung des Robert Koch
Instituts. Inwieweit die Pharma-Industrie oder andere wissenschaftliche Forschungsgruppen das
Aus für die weltweit führende Borna-Gruppe herbeigeführt haben, wird im Internet und in
Insiderkreisen rauf und runter dekliniert. Dr. Ritter sagt jedenfalls ganz klar: Alles was Dr. Bode
und Dr. Ludwig über Borna schreiben, sehe ich tagtäglich bei vielen Pferden bestätigt. Ebenso
halten betroffene Pferdebesitzer in Christel Schmedts Internetforum die durch ELISA getesteten
Borna-Virus Werte ihrer Pferde für reell und geben häufig auch Rückmeldung zu positiven
Behandlungserfolgen.
Wer sein Pferd auf Borna-Virus testen lassen will, muss jedenfalls kein Gehirnwasser abzapfen
lassen, wie gelegentlich empfohlen wird, sondern kann eine Blutprobe einschicken. Der Test wird
z. Zt. am Institut für Laboratoriumsmedizin Berlin (http://www.iflb.de) durchgeführt.
Kasten:
Kurzinfo Borna:
Die älteste Aufzeichnung über eine von Borna-Virus verursachte Gehirnerkrankung stammt aus
dem Jahr 1660. Damals schrieb Johann Babtista Galiberti von einer „anderen Haubt-Krankheit
bei der die Pferde gantz toll und dumb sind (...) verlieren auch einen guten Theil des Futters und
trinckens.“ Im Laufe der Zeit wurden immer wieder die gleiche Krankheitssymptome
beschrieben und als „Hirnwut“, „hitzige Kopfkrankheit“ oder „seuchenhafte GehirnRückenmarksentzündung“ bezeichnet. Ihren Namen bekam die Krankheit Ende des 19.
Jahrhunderts als um die sächsische Stadt Borna (bei Leipzig) Pferde, auch der preussischen
Armee, erkrankten und starben. Heute gehört die Borna-Virus Infektion zu den meldepflichtigen
Tierkrankheiten und das, obwohl nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, 60 % aller
Pferde – zumindest latent – Träger des Virus sind.
Eine Impfung gegen das Virus ist bisher nicht erfolgreich. Dies wurde in der Vergangenheit
zwar versucht, jedoch wegen unerwünschter Verbreitung der Impfviren durch die LebendVakzine wieder eingestellt. Die ehemalige Borna-Virus Forschergruppe am Robert Koch Institut
hat eine Borna-Skala zur Erkennung der Symptome beim Pferd ausgearbeitet und zur Beurteilung
der klinischen Symptomatik empfohlen. Die Symptome sind:
 Apathie
 Schläfrigkeit
 Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit, Unruhe
 Häufiges Gähnen
 Aggressivität
 Kopfschütteln
 Gangunsicherheit/Ataxie
 Paresen (Einknicken in Vorder- und Hinterhand, Manegebewegungen)
 Veränderungen von Appetit und Futteraufnahme
 Gehäufte Koliken
 Leistungsschwäche
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