XXXX Cand. med. vet. 12. Semester Gießen, den XXX Krankenbericht Über einen Patienten der Klinik für Wiederkäuer und Schweine der Justus-LiebigUniversität Gießen. Es handelt sich um eine weiße deutsche Edelziege mit der Patienten-Nr. xxx. Der Besitzer ist Herr Y aus X. Die Untersuchung findet in der Zeit von 09.15 bis 11.00 Uhr im Stall der oben genannten Klinik statt. Signalement: Es handelt sich um eine ca. 3 Jahre alte, etwa 65 kg schwere, weibliche deutsche Edelziege. Zur Altersschätzung wird die Tatsache herangezogen, daß Ziegen in den ersten vier Lebensjahren jährlich einen Schneidezahn wechseln. Bei dieser Ziege ist der I4 noch nicht gewechselt. Das Tier hat keine Ohrmarke oder ähnliches. Das Fell ist weiß. Nur um die Augen und an den Ohren ist die Haut punktförmig schwarz pigmentiert. Die Ziege steht zusammen mit ihren beiden Lämmern in der Klinik. Anamnese: Das Tier stammt aus einem Bestand mit 20 Ziegen. Es handelt sich um eine Hobbyhaltung, die dem Fleischerwerb dient. Die Ziegen werden im Stall mit Auslauf gehalten. Andere Tiere, insbesondere Kühe und Schafe, werden nicht gehalten. Die Tiere gehen nicht auf Ausstellungen o.ä. und der Besucherverkehr ist gering. Das Futter besteht aus Melasseschnitzeln, pelletiertem Milchleistungsfutter, Getreideschrot, Heu und im Sommer auch Gras. Die Fütterung erfolgt aus Krippen. Die Tiere wurden vor zwei Monaten mit Panacur® (Wirkstoff: Fenbendazol) entwurmt. Geimpft wird im Bestand mit Covexin8®. Die Ziege wird am 21.05.2001in der Klinik vorgestellt, weil im Bestand seit mehreren Wochen Husten auftritt. Bei Einlieferung hatte das Tier eine Körperinnentemperatur von 40°C. Die Tiere wurden vom Haustierarzt immer wieder antibiotisch behandelt, woraufhin die Symptomatik zurückging. Beim Absetzen der Medikamente trat das Problem jedoch erneut auf. Auf Nachfrage ist zu erfahren, daß vor etwa drei Jahren ein Tier zugekauft wurde und seitdem immer wieder Husten auftrat. In der Zwischenzeit wurde nicht zugekauft. Allgemeine Klinische Untersuchung : Das Tier steht, belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig und ist aufmerksam. Die Lendenwirbelquerfortsätze sind erkennbar, es besteht eine leichte Einziehung zur Hungergrube und Hüft- und Sitzbeinhöcker sind vorstehend, d.h der Ernährungszustand ist mäßig. Der Pflegezustand ist mäßig bis gut. Die Ziege hat dorsal an beiden Carpalgelenken beginnende Dekubitusstellen. Das Tier ist seinem Alter entsprechend entwickelt. Die Herzfrequenz liegt bei 116 Schlägen pro Minute, die Atemfrequenz bei 36 pro Minute, die Körperinnentemperatur beträgt 39,2°C und der Pansen zeigt auskultatorisch sowohl in der Hungergrube als auch im Bereich der rippengestützten Bauchwand zwei kräftige Kontraktionen in zwei Minuten. Das Tier hustet spontan immer wieder. Insgesamt erscheint das Allgemeinbefinden des Tieres nur geringgradig gestört. Der vermutliche Sitz der Erkrankung ist im Atmungssystem. Spezielle klinische Untersuchung A) Haare, Haut, Unterhaut, sichtbare Schleimhäute Das Haarkleid ist anliegend und geschlossen. Es zeigt keine besonderen Verschmutzungen und das einzelne Haar ist nich vermehrt ausziehbar. Es finden sich keine Hinweise auf Ektoparasiten. Die Haut ist blaßrosa gefärbt. Sie weist einen normalen Fettgehalt auf und der Hautgeruch ist tierartspezifisch. Es sind weder Juckreiz noch Substanzverluste oder Umfangsvermehrungen feststellbar. Eine am oberen Augenlid aufgezogene Hautfalte verstreicht sofort, der Hautturgor ist somit erhalten. Die sichtbaren Schleimhäute von Nase, Maul und Konjunktiven sind blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. B) Lymphapparat Die Lnn. mandibulares und die Lnn. cervicales superficiales sind jeweils ca. kirschkerngroß, die Lnn. axillares und die Lnn. poplitei sind nicht fühlbar und die Lnn. subiliaci sind ca 1,5cm lang und bleistiftstark. Die Lymphknoten sind verschieblich, nicht schmerzhaft und nicht vermehrt warm. C) Kreislauf Der Herzseitenstoß ist nicht sichtbar aber palpierbar. Das Herzperkussionsfeld liegt caudal des linken Olekranons und ist von physiologischer Größe. Auskultatorisch ergibt sich eine Frequenz von 116/min. Diese stimmt mit der Pulsfrequenz überein. Die Intensität der Herztöne ist links und rechts stark, das Herz schlägt regelmäßig, die Herztöne sind deutlich abgesetzt und es sind keine Nebengeräusche zu hören. Der Puls ist kräftig, gleich- und regelmäßig. Die Episkleralgefäße sind mäßig gefüllt und hellrot gefärbt. Die Venae jugulares lassen sich anstauen, wobei das Blut beim Lösen des Staus sofort wieder abfließt. Undulation oder Venenpuls sind nicht zu erkennen. Die kapilläre Rückfüllungszeit liegt unter 2 Sekunden. D) Atmungsapparat Das Tier hustet spontan und vermehrt nach Belastung. Der Husten ist krächzendrasselnd. Es treten einzelne Hustenstöße und kein Hustenanfall auf. Bei der Atemhemmprobe zeigt das Tier fünf Hustenstöße, die Atmung ist nicht auffallend angestrengt, Nebengeräusche sind nicht zu hören und die Zeit bis zur Wiederberuhigung beträgt 30 Sekunden. Die Stimme ist unauffällig. Die Atemluft ist ohne besonderen Geruch. Die Nasenlöcher sind geringgradig verschmutzt. Nasenausfluß ist nicht erkennbar. Die Atemfrequenz liegt bei 36/min, der Atemtyp ist abdominal, die Atmung erscheint nicht angestrengt aber alle Atemgeräusche sind mittelgradig verschärft. Die Perkussion ergibt rechts eine physiologische Lungengrenze. E) Verdauungsapparat Die Adspektion bzw. Palpation von Maulhöhle, Rachen und Schlund sind ohne besonderen Befund. Es sind keine Verletzungen, Umfangsvermehrungen oder ähnliches festzustellen. Die physiologische Schichtung des Pansens ist erhalten. Er ist mäßig gefüllt. Die Auskultation des Pansens zeigt sowohl im Bereich der Hungergrube als auch im Bereich der rippengestützten Bauchwand 2 deutliche Kontraktionen in 2 Minuten. Darmkontraktionen sind auskultatorisch beidseits hörbar. Die Schwing- und Perkussions-Auskultation ergibt keine Steelband- oder PlätscherGeräusche. Ein Verdacht auf Labmagenverlagerung liegt aufgrund der oben genannten Befunde nicht vor. Bei Perkussion im Bereich von Retikulum und Psalter zeigt das Tier keine Schmerzäußerungen. Das Leberdämpfungsfeld schließt sich in physiologischer Größe caudal an das Lungenperkussionsfeld an. Die Bauchdecke ist locker. Die Ziege nimmt Futter auf und setzt geformten Kot ab. F) Harnapparat Die Ziege nimmt Wasser auf und setzt spontan Harn ab, jedoch läßt sich zu Untersuchungszwecken nichts davon auffangen. G) Bewegungsapparat Das Tier belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig und läuft in der Box herum. Es liegen keine Hinweise für Haltungs- oder Stellungsanomalien vor. Die Klauen haben die gewünschte Länge und eine physiologische Hornbeschaffenheit. Die Gelenke sind weder umfangsvermehrt, noch vermehrt warm oder schmerzhaft. H) ZNS Das Tier ist wach und aufmerksam. Das Verhalten ist ruhig. Anal-, Lidschluß- und Ohrreflex sind erhalten. I) Sinnesorgane Die Untersuchung von Augen und Ohren ergibt keinen besonderen Befund. Das Tier reagiert sowohl auf akkustische als auch auf optische Reize. J) Geschlechtsorgane und Euter Der Anogenitalbereich ist sauber. Die Labien sind symmetrisch und geschlossen und das Euter ist milchgefüllt und zeigt keine Anzeichen einer Entzündung. Weiterführende Untersuchungen: Es wurde eine Kotuntersuchung durchgeführt, bei der ein geringgradiger Befall mit Magen-Darm-Strongyliden festgestellt wurde. Durch eine tracheobronchale Lavage ließen sich Pasteurellen nachweisen. Am Schlachtkörper von Tieren dieses Bestandes waren verdichtete Bezirke in den Spitzenlappen der Lungen aufgefallen. Diagnose: chronische enzootische bakterielle Bronchopneumonie geringgradiger Befall mit Magen-Darm-Strongyliden Differentialdiagnosen: Bronchopneumonien anderer Genese : verminöse Bronchopneumonie virale Bronchopneumonie Pneumomykose Epikrise: Bronchopneumonien teilt man klinisch ein in sporadische und enzootische Erkrankungen. Für die sporadischen Formen sind prinzipiell die gleichen Erreger verantwortlich wie für enzootisch auftretende Geschen, jedoch kommt im Einzelfall auch eine allergische Reaktion oder eine Tumorerkrankung in Frage. Ein enzootisches Auftreten spricht für eine infektiöse Krankheitsursache. Häufig liegt primär eine Viruserkrankung vor, z.B. Parainfluenza, Caprine Arthritis-Encephalitis, Respiratorisches Syncytialvirus, Caprines Herpesvirus, ferner auch Adeno- und Reoviren. Komplikationen in Form von bakteriellen Sekundärinfektionen, z.B. durch Pasteurellen, Mycoplasmen ferner auch Arcanobacterium pyogenes, Streptokokken und Chlamydien, sind häufig. Aufgrund der Chronizität und der im Vorbericht erwähnten Haltungsform ist auch ein Befall mit Lungenwürmern sehr gut möglich. Lungenwürmer bei der Ziege sind zum einen Dictyocaulus filaria und zum anderen die Protostrongyliden (Protostrongylus ssp., Cystocaulus ocreatus, Neostrongylus linearis, Muellerius capillaris). Dictyocaulus filaria ist hier der am stärksten pathogene Lungenwurm, vor allem für Ziegen. Der Nematode ist ca. 3-8 cm lang, weißlich und sehr dünn. Die adulten Würmer leben hauptsächlich in großen Bronchien. Aus den Eiern schlüpft noch in der Trachea die Larve 1, welche entweder ausgehustet wird oder nach erreichen der Mundhöhle abgeschluckt wird und über den Magen-DarmTrakt ins Freie gelangt. Im Kot entwickelt sich die einfach bescheidete Larve 2 und hieraus schließlich die doppelt bescheidete infektiöse Larve 3. Die Infektion erfolgt per os und die Larve erreicht nach Abstreifen der Hüllen über die Dünndarmschleimhaut die Lymphgefäße. In den Mesenteriallymphknoten entwickelt sie sich zur Larve 4, welche über den Ductus thoracicus und die Vena cava in das rechte Herz und schließlich in die Lunge gelangt. In den Alveolen bohren sich die Larven aus, und der Abschluß der Entwicklung erfolgt in den Bronchien. Dictyocaulus ist in der Lage eine monatelange Hypobiose durchzumachen. Das Infektionsrisiko ist in der zweiten Hälfte der Weideperiode am größten. Ansteckungsquellen sind Tiere aller Alterklassen, die im Vorjahr Weidegang hatten und im Frühjahr als stumme Larvenausscheider die Weide kontaminieren. Die Weide kann auch durch überwinterte Infektionslarven oder durch Wildwiederkäuer verseucht sein. Schwere Krankheitsausbrüche sind zu erwarten, wenn zugekaufte Ausscheider auf nichtimmune Tiere treffen. Der Nachweis von Larven gelingt mittels Trichterauswanderungsverfahren. Auch Schlachtkörper oder eine Sektion können Aufschluß geben. Das klinische Bild der Dictyocaulose ist bei der Ziege gekennzeichnet durch Fieber, Durchfall mit Abmagerung und Husten. Komplikationen wie bakterielle Sekundärinfektionen sind häufig. Die Pathogenität der kleinen Lungenwürmer ist relativ gering, aber häufig kommen sie als Mischinfektion mit Dictyocaulus vor. Die Entwicklung der kleinen Lungenwürmer über die zweite zur dritten Larve auf der Weide erfolgt in Schnecken, in denen die dritten Larven überwintern und zwei Jahre überleben können. Ein Befall mit Lungenwürmern kommt im vorliegenden Fall prinzipiell in Frage, da ein negatives Testergebnis beim Trichterauswanderungsverfahren einen Befall nicht ausschließt, die Tiere immer im gleichen Stall und auf derselben Wiese gehalten werden und auch die Entwurmung keine Garantie bedeutet. Der Wirkstoff von Panacur® ist Fenbendazol, ein Benzimidazol, und diese Wirkstoffgruppe ist bei Ziegen allgemein schlecht wirksam. Als Erreger bakterieller Bronchopneumonien sind bei der Ziege vor allem Pasteurella haemolytica und Pasteurella multocida sowie Mycoplasma ovipneumoniae und Mycoplasma arginini zu nennen. Häufig treten Kombinationen auf. Beide Erregergruppen verursachen eine fibrinöse alveoläre Herdpneumonie. Es kommt über bronchialen Erregereintritt und endobronchiale Ausbreitung zur Beteiligung vieler Lungenläppchen. Da wegen der endobronchialen Ausbreitung nicht alle Lobuli gleichzeitig erfaßt werden, kommt es i.d.R. zu einem Nebeneinander verschieden alter entzündlich veränderter und gesunder Lungenläppchen (pathologisch-anatomisches Bild der bunten Marmorierung). Eine Erregerisolierung sollte über eine tracheobronchale Lavage erfolgen wobei ein kleiner Tokar zwischen zwei Trachealspangen eingestochen wird und nach entfernen des Stiletts ein Katheter möglichst tief eingeführt wird. Nach Instillation einer kleinen Menge steriler Flüssigkeit versucht man, möglichst viel dieser Flüssigkeit zurück zu gewinnen und hieraus Erreger anzuzüchten. Mycoplasmen sind jedoch sehr schwer anzüchtbar. Im vorliegenden Fall wurden Pasteurellen nachgewiesen. Diese könne primär für das Krankheitsgeschehen verantwortlich sein, oder es ist eine Viruserkrankung voraugegangen. Unter den Viren spielt hier vor allem Parainfluenza-3-Virus eine große Rolle. Es wirkt stark immunsuppressiv. Die Infektion führt nach 2-3 Tagen Inkubationszeit zunächst zu Fieber und katharrhalischen Erscheinungen im Bereich der oberen Luftwege. Je nach Begleitinfektionen und Haltungsbedingungen kann ein chronisches Stadium mit katharrhalisch-eitrigen, bakteriellen Pneumonien vor allem im Bereich der Spitzenlappen folgen. Eine Pneumomycose kann z.B. durch Aspergillus fumigatus bei geschwächter Abwehr hervorgerufen werden. In der Lunge finden sich dann Pilzgranulome. Solche wurden aber am Schlachtkörper nicht nachgewiesen. Bei den im Kot nachgewiesenen Eiern von Magen-Darm-Strongyliden kann es sich um Ostertagia spp., Cooperia spp., Trichostrongyliden, Nematodirus spp., Haemonchus oder Mischinfektionen daraus handeln. Es handelt sich um typische Weideinfektionen. Auf eine initiale Frühjahrsinfektion folgt eine Anreicherung der Eier auf der Weide, woraufhin die stärksten Infektionen im Sommer erfolgen und sich dann auch klinische Symptome zeigen. Prognose: Die Prognose ist im vorliegenden Fall vorsichtig zu stellen, da das Tier chronisch erkrankt ist und die Lunge unter Umständen bleibende Schäden davonträgt. Außerdem handelt es sich um ein Bestandproblem, d.h. das Tier wird in eine Umgebung mit sehr hohem Infektionsdruck zurückkehren. Therapie: Gegen Pasteurella haemolytica wirken Penicillin und Sulfonamide, gegen Pasteurella multocida Tetracycline und Enrofloxacin. Es sollte unbedingt ein Resistenztest gemacht werden, um die Erreger gezielt bekämpfen zu können. Die Ziege sollte Ruhe und viel frische Luft (Weidegang) erhalten. Die Magen-Darm-Strongyliden sollten durch erneute Entwurmung z.B. mit makrozyklischen Laktonen bekämpft werden. Prophylaxe: In erster Linie gilt es, das Stallklima zu optimieren, die Besatzdichte zu verringern und schädliche Einflüsse wie Wurmbefall, Ernährungsfehler und Streß abzustellen. Für zugekaufte Tiere sollte eine Quarantäneeinrichtung vorhanden sein. Wenn der Erreger isoliert und typisiert ist kann eine stallspezifische Vakzine hergestellt werden, die vor allem zum Schutz der Jungtiere dienen soll. Nur so ist eine langfristige Bestandssarnierung möglich. Gießen, den xxx 2001 XXX