Ohl JB 2011 Spider Rider

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Den Feind im Nacken – Eine spinnenreitende Insektenlarve in Bernstein
Wer kennt sie nicht, die grünen Insekten mit den transparenten Flügeln, die oft in Wohnungen
auftauchen und von denen eine Art sogar zum „Insekt des Jahres 1999“ gekürt wurde? Es
handelt sich um Florfliegen (wissenschaftlich Chrysopidae), einer Gruppe von Netzflüglern
(Neuroptera). Unter den Netzflüglern weitaus weniger gut bekannt als die Florfliegen sind die
Fanghafte oder Mantispidae, von denen bislang 350 Arten bekannt geworden sind. Fanghafte
sehen Gottesanbeterinnen auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich, da bei beiden die
Vorderbeine zu effektiven Fangapparaten umgebildet sind, mit denen sie Insekten zum
eigenen Verzehr fangen.
Die Larven der Fanghaften ernähren sich wie alle Netzflüglerlarven von tierischer Substanz,
nur die Quelle ihrer Nahrung ist mehr als ungewöhnlich. Die Larven der meisten Arten leben
als Parasiten in Spinnenkokons, ein an sich bereits ungewöhnlicher Lebensraum. Das wird
aber noch übertroffen von einem besonderen Verhalten vieler Fanghaft-Larven in ihrem
Bemühen, überhaupt Spinnenkokons zu finden. Bei ihnen unterscheiden sich die
verschiedenen Larvenstadien in ihrem Körperbau und ihrem Verhalten dramatisch. Die frisch
geschlüpfte Erstlingslarve ist schlank und besitzt drei kräftige Beinpaare. Sie ist schnell und
wendig und hat nur ein Ziel: Sie muss eine vorbeilaufende Spinne finden und sie in
Windeseile besteigen. Ist dies gelungen, hat die Larve den ersten Teil ihrer Aufgabe erfüllt.
Die Larve des Fanghafts wartet auf ihrem Reittier darauf, dass die Spinne einen Kokon für
ihre Eier baut. Sobald die Spinne dies tut, verlässt die Larve die Spinne und dringt in den
Kokon der Spinne ein. Dort wandelt sie sich nach kurzer Zeit in das zweite Larvenstadium
um, das wie eine dicke Fliegenmade aussieht. Diese ernährt sich nun in aller Ruhe von den sie
umgebenden Spinneneiern.
Dieses innerhalb der Insekten ungewöhnliche Verhalten wird als „spider boarding“ bezeichnet
und ist nur schwer zu beobachten. Umso ungewöhnlicher ist der Nachwies einer solchen
„Spinnenreiters“ auf einer Sackspinne (Clubionoidea) in 44 Millionen Jahre altem Baltischen
Bernstein. Dieser Fund ist nicht nur ungewöhnlich, weil es die erste fossile Larve eines
Fanghafts überhaupt ist, sondern auch, weil dies der direkte Nachweis für die Existenz einer
besonderen Verhaltensstrategie vor vielen Millionen Jahren darstellt. Nur selten lässt sich
Verhalten bei Fossilien überhaupt nachweisen. Und nicht zuletzt ist dies auch der erste
Nachweis von Fanghaften aus dem Baltischen Bernstein überhaupt.
PD Dr. Michael
Publikation
Ohl, M. 2011. Aboard a spider — a complex developmental strategy fossilized in amber. –
Naturwissenschaften 98: 453-456.
Abbildungsunterschriften (inkl. Bildrechte!)
Abb. 1. Sackspinne in Baltischem Bernstein mit der Larve eines Fanghafts, die sich in einer
typischen Position auf dem Rücken der Spinne festhält. Foto: Springer Science+Business
Media B.V.
Abb. 2. Euclimacia hostaspoecki Ohl, ein heute lebender Fanghaft aus Thailand. Foto: S.
Materna.
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