Seminarkurs Biologie Schuljahre 2002/2005 Neuro- und Membranphysiologie „unter Weltraumbedingungen“ In Zusammenarbeit von: Wilhelms-Gymnasium Stuttgart Degerloch und Universität Hohenheim, Arbeitsgruppe Membranphysiologie Unterstützt von NaT-Working Ein Förderungsprogramm der Robert Bosch Stiftung Schülerprojekt mikro-Gravitationsforschung in der Membran- und Neurophysiologie Einleitung Die Forschung unter Weltraumbedingungen sowie die begleitende Forschung unter terrestrischen Bedingungen haben in den letzten Jahrzehnten massiv an Bedeutung gewonnen. Die Wichtigkeit dieser Forschung für die Zukunft des Lebens auf der Erde und später im Weltraum wurde zunehmend erkannt. Entsprechend werden in diesem Bereich erhebliche staatliche Mittel aufgewendet. Nach einer Phase der anfänglich Euphorie ist jedoch in der letzten Zeit zunehmend das Interesse der Öffentlichkeit und speziell auch der Jugend an dieser Forschung und Technik zurückgegangen. Hiervon ist auch die Frage der Ausbildung hochqualifizierter Nachwuchskräfte im Bereich der Naturwissenschaften und Technik berührt, der in unserer Gesellschaft ein hoher Stellenwert zukommen muss. Es ist unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen von großer Wichtigkeit, die Öffentlichkeit durch interessante Projekte für die Forschung unter Weltraumbedingungen wieder stärker zu interessieren. Weiterhin ist es notwendig, entsprechend begabte Heranwachsende für obige Fragen zu interessieren und sie bezüglich einer späteren Ausbildungs- und Berufswahl an die Themen im Bereich der Weltraumforschung - und Technik heranzuführen. Es bietet sich daher an, Schüler/innen der höheren Jahrgangsstufen eines naturwissenschaftlichen orientierten Gymnasiums als Zielgruppe zu wählen, damit die notwendigen bildungsseitigen Voraussetzungen gegeben sind, und diese für Projekte im Bereich der Raumfahrt zu gewinnen. Diese Projekte sollten dann eine möglichst weitgehende aktive Beteiligung der Schüler/innen beinhalten. Nur so ist gewährleistet das für die notwendigen längeren Zeiträume (unser Projekt jeweils ein Schuljahr) die erforderliche Mitarbeit erhalten bleibt. Unter den gegebenen Voraussetzungen in der Struktur des Schulwesens, sowie der Finanzierung können entsprechende Projekte nicht von Schulen allein durchgeführt werden. Hier bietet sich eine Zusammenarbeit von Schule und Universität an, die neben den oben genannten Argumenten auch für die Universität von Vorteil ist, da sie spätere Studenten/innen für die Ausbildung an der Universität im naturwissenschaftlich – technischen Bereich aktiviert. Aus Gründen der Praktikabilität ist es sinnvoll die Inhalte eines solchen Schülerprojektes in Zusammenarbeit mit einer universitären Gruppe so zu wählen, dass sie in das Arbeitsprogramm der Gruppe eingepasst werden können. Damit ergeben sich für uns die entsprechenden Inhalte des Projekts. Diese Inhalte sollten zusätzlich so gewählt sein, dass sie der interessierten (Laien) Öffentlichkeit verständlich gemacht werden können, und dass gewonnene Ergebnisse auch wissenschaftlich verwertet werden können. Um ein entsprechendes Projekt attraktiv zu gestalten, ist eine weitgehende Einbindung in den Lehrplan der Schule notwendig, dies geschieht durch einen Seminarkurs Biologie für die Schüler/innen, der im Lehrplan verankert ist. Entsprechende Zusatzveranstaltungen der Universität, speziell ein 1-jähriges Praktikum (Nachmittag mit 3 Schulstunden je Woche während der Schulzeit) im Rahmen des Seminarkurses sind die tragenden Säulen des Projekts. Eine ausführliche Öffentlichkeitsarbeit muss das Pogramm abrunden, insbesondere über die beteiligte Universität. In diesen Rahmen können dann auch weitergehende Veranstaltungen eingebunden werden, die sich über die Schule und die Universität hinaus an die interessierte Öffentlichkeit wenden, es u.a. werden Vorträge zu Themenkreisen im Rahmen der Biologie der Universität Hohenheim angeboten. Um das Projekt für die Beteiligten Schüler/innen attraktiv zu gestalten, werden am Schluss des ersten Seminarjahres Parabelflüge für eigene Experimente unter Schwerelosigkeit durchgeführt (bereitgestellt vom DLR). An den Flügen werden die Schüler/innen selbst teilnehmen. Sie haben dadurch Gelegenheit selbst Schwerelosigkeit zu erfahren, und Experimente unter Schwerelosigkeit durchzuführen. Allgemeine Angaben zum Projekt An dem Projekt sind die Arbeitsgruppe für Membranphysiologie der Universität Hohenheim, Stuttgart (Leitung Prof. Dr. W. Hanke) und eine Gruppe von Schüler/innen der Jahrgangsstufe 12 des Wilhelm-Gymnasiums in Stuttgart-Degerloch beteiligt. Die Gruppengröße wird 8-12 Schüler/innen betragen. Die Schule wird vertreten durch Herrn OStR. Schwertner, Fachgebietsleiter Biologie, der die Schülergruppe bei allen Veranstaltungen betreuen und begleiten wird. Die Zustimmung der Universitäts- und Schulleitung wurden eingeholt, das zuständige Oberschulamt und die zuständigen Ministerien für Forschung und für das Schulwesen in Baden-Württemberg sind unterrichtet und haben ihre Einwilligung erteilt. Die primär vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bewilligte Förderung des Projekts für 2002 bis 2003 beinhaltet zunächst ca. 14.000.- Euro, und die Bereitstellung einer Parabelflugmission Mitte 2003 (mindestens 3 Flugtage, je 2 Personen, findet in Bordeaux, Frankreich statt). Aus universitären Quellen werden weitere Mittel zur Verfügung gestellt (z.Z. 400.- Euro). Die Arbeitsgruppe Membranphysiologie beteiligt sich mit ca. 10.000 Euro. Für die Schuljahre 2003 bis 2005 wurde eine Förderung durch die Robert-Bosch-Stiftung von 17.300.- Euro eingeworben(im Rahmen des Nat-Working Programms). An der Parabel-Mission 2003 sollen die Schüler selbst teilnehmen um mikro-Gravitation zu erfahren. Sie sollen außerdem lernen, unter diesen Bedingungen sinnvolle biologische (neurophysiologische) Experimente durchzuführen, die dann natürlich zusätzlich mit Labormessungen verglichen werden sollen. Die Labor – und die ergänzenden makroGravitationsmessungen sollen in den Labors der Arbeitsgruppe Membranphysiologie durchgeführt werden, soweit dies nicht im Rahmen des Unterrichts and der Schule möglich ist. Projektbeschreibung für den Parabelflug 2003: Es handelt sich um ein µ-Gravitations-Projekt, das im Bereich der Membran- und Neurowissenschaften angesiedelt und mit der Forschung der Arbeitsgruppe Membranphysiologie kompatibel ist. Es wird eine Fragestellung behandelt werden, die zusätzlich im Lehrplan der Jahrgangsstufe 12 des Gymnasiums zumindest grundlegend behandelt werden kann (laut Curriculum), u.U. durch entsprechende Abstimmung des Lehrplans. Zur Zeit wird von unserer Arbeitsgruppe (Abt. Membranphysiologie der Universität Hohenheim) eine Reihe von Experimenten durchgeführt, bei dem die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Aktionspotentialen (AP) in Abhängigkeit von der Gravitation gemessen werden soll. Aktionspotentiale sind die Grundlage der biologischen Reizleitung und Informationsverarbeitung und daher auch für die Physiologie des von grundlegender Bedeutung. Die entsprechenden Experimente können zumindest teilweise am Riesenaxon (Nervenfaser) des Regenwurms durchgeführt werden. Bei Durchführung des Schülerprojekts wollen wir dann, parallel zur Messung der Ausbreitungsgeschwindigkeit von AP´s im Riesenaxon (unter micro-g) die Ausbreitung von AP´s im isolierten gesamten Bauchnerv des Regenwurms (unter micro-g) messen, und zwar in einer Parabelmission (Juni 2003). Im Biologieunterricht der 12 Jahrgangsstufe des Gymnasiums wird Neurobiologie behandelt, hier können auch Versuche zur Untersuchung von Aktionspotentialen am intakten lebenden Regenwurm durchgeführt werden. Daher werden die Schüler/innen einen Versuchsstand aufbauen um Aktionspotentiale am intakten lebenden Regenwurm unter µ-Gravitation zu untersuchen (für eine Parabelflugmission). Der Messstand wurde in Hohenheim gebaut und finanziert. Kontrollexperimente unter 1 g und unter makro-g (in einer von uns zur Verfügung gestellten Zentrifuge) können bei uns im Labor ausgeführt werden, evtl. zumindest teilweise im dem Schul-Seminar. Wir werden eine Parabelflugmission durchführen, bei der je 2 Personen der Arbeitsgruppe Membranphysiologie der Universität – Hohenheim ihre Versuche zum AP durchführen (Bauchnerv des Regenwurm) und gleichzeitig zwei Schüler/innen den entsprechenden Versuch am intakten lebenden Regenwurm (Juni 2003, siehe oben). Die experimentellen Ergebnisse der universitären Arbeitsgruppe und der Schüler/innen aus den Parabeln können gemeinsam ausgewertet und zusammen mit den Daten am isolierten Axon und an Neuronen aus anderen Experimenten verarbeitet werden. Damit wären die Daten aus dem Schülerversuch in unser Versuchsprogramm einzubinden und auch von wissenschaftlichem Interesse. Auch an eine Verwertung im Rahmen einer Publikation kann gedacht werden. Das eigentliche Projekt soll folgende Punkte beinhalten: - Heranführung der Schüler/innen an die wissenschaftliche Arbeit: die Schüler/innen nehmen an entsprechenden (ausgeweiteten) Kursen in Biologie und Physik teil, der Unterrichtsplan für die Schüler/innen wird soweit nötig auf das Projekt abgestimmt, an der Schule wird ein einjähriges Seminar für das Projekt eingerichtet, 3 Stunden pro Woche, die Teilnahme ist obligat, die Noten und evtl. abgelegte Seminararbeiten sind für das Abitur relevant, im Rahmen dieses Seminars führen die Schüler ca. 25 Experimente im Labor der Arbeitsgruppe Membranphysiologie durch, - ein eigenes Experiment der Schüler/innen für eine Parabelflug-Mission (nur in 2003): die Schüler/innen entwerfen und bauen mit Unterstützung der Arbeitsgruppe Membranphysiologie einen eigenen Messstand für die Parabelflugmission. Mittel, Technik und Materialien dazu werden von der Arbeitsgruppe Membranphysiologie gestellt, sie führen die Mission durch und werten die Ergebnisse aus, sie führen Vergleichsmessungen unter 1 g und makro- Gravitation in Labors der Arbeitsgruppe durch - schulisches Begeleitprogramm: Abstimmung des Unterrichts in Biologie und Physik, das oben genannte Seminar ist im Lehrplan verankert, Dokumentation des Projekts durch beteiligte Schüler/innen (Video und Text, während des Projekts eine eigene Internetseite: http://www.wg-weightless.de), eine Abschlussveranstaltung - universitäres Begleitprogramm: Besichtigung verschiedener Institute, Teilnahme der Schüler/innen an geeigneten Praktika und Vorlesungen in Biologie und Physik, Möglichkeit zur Ablegung berufsorientierender Praktika (BOGI), wurde im Herbst 2002 von 5 Teilnehmer/innen wahrgenommen Spezielle Vorlesungen und Vorträge im Umfeld der Raumforschung, die auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich sein sollen Möglichkeit für die Schüler/innen in den Labors der Membranphysiologie eigenständig zu experimentieren (wird regelmäßig wahrgenommen) - Besuche von Institutionen mit Bezug zur Forschung des DLR (optional): DLR in Köln DLR Oberpfaffenhofen In den Herbstferien 2003 wird für den Kurs 2002/2003 eine Exkursion nach Brasilien in die Regenwald-Akademie Salve Floresta im Bundesstaat Sao Paulo durchzuführen. Die Brasilianische Raumfahrtagentur hat ihre Unterstützung angeboten, sodass außerdem die Anlagen der brasilianischen Raumfahrt in Dos Campos, SP, Brasilien (INPE und CTA), innerhalb der oben genannten Reise, besichtigt werden. Ziele, Grundlagen und Verwertung des vorgestellten Vorhabens: Schüler/innen sollen an die wissenschaftliche Arbeit des DLR und allgemeiner an Fragen der „life sciences“ unter Weltraumbedingungen herangeführt werden. Ihr Interesse an der Weltraumforschung soll geweckt werden. Der interessierten Öffentlichkeit soll an diesem Beispiel die Arbeit des DLR, sowie die Weltraumforschung im allgemeinen, nahe gebracht werden. Die Popularität der Raumforschung an Schulen und Universitäten soll gestärkt werden. Es soll gezeigt werden, dass bei einem Projekt an dem interessierte und begabte Schüler/innen beteiligt sind, von diesen mit Unterstützung durch die Lehrer und durch entsprechende Einrichtungen einer Universität wissenschaftliche relevante Ergebnisse erzielt werden können. Die Vorteile einer frühen Forschungsförderung durch staatliche Institutionen, hier des DLR, aber auch durch privatrechtliche Organisationen wie die Robert-Bosch-Stiftung, sollen der Öffentlichkeit demonstriert werden. Versuche an der Uni als praktischer Teil des Seminarkurses durchzuführen 1 2 3 4 5 Elektrische Messtechnik Messung an einem Membranmodell Optische Messtechnik und Spektralphotometrie Lumineszens und Fluorimetrie Messdatenauswertung und Statistik 6 7 Membranlipide Enzymkinetik 8 9 10 11 Osmose Diffusion Diffusionspotential Ionenselektive Elektroden 12 13 14 15 Aktionspotentiale am Regenwurm Aktionspotentiale am Riesenaxon Riesenalge Chara als biophys. Modellsystem Computersimulation von Aktionspotentialen 16 17 18 19 20 Ephys. Messungen an einzelnen Neuronen – Ruhepot. Patch-Clamp Technik – Einzelkanäle Planare Bilayer und Rekonstitution – Alamethicin Monolayer und Filmwaage Computersimulation von Einzelkanälen – NeuroSim 21 22 23 Human- Sinnesphysiologie – Sehen Human- Sinnesphysiologie – Riechen, Schmecken Human- Sinnesphysiologie – Hören 24 24 25 26 27 Bildung von Strukturen in Sand und viskosen Flüssigkeiten Belousov-Zhabotinsky Reaktion Spreading Depression Computersimulation, zelluläre Automaten Human - Elektrophysiologie, EKG – EMG Die Schüler/innen legen am Ende des Schuljahres eine mündliche Prüfung ab (ca. 30 min), sie haben während des Schuljahres einen Vortrag über ein Thema aus dem Wissensbereich des Kurses zu halten (20 min), und die Führung von Protokollbüchern und eine Klausur gehören ebenfalls zum Kurs. Die Kursnote ist für das Abitur relevant. Zusatz-Aktivitäten: Es wurde im Januar 2003 ein ½ Tag langer Kurs in Rhetorik für alle beteiligten Schüler/innen durchgeführt (durch eine eingeladene Referentin). Eine Einführung in die Rhetorik wird aufgrund des Erfolges dieses Kurses in das Programm des Seminarkurses aufgenommen Eine Vorführung des Elektronenmikroskopischen Labors des Lehrstuhls Zoologie wurde mit allen Teilnehmer/innen besucht, diese Veranstaltung wird ebenfalls in das Programm des Seminarkurses aufgenommen. Darstellung des Seminarkurs in den Medien. Eine eigene Internetseite des Kurses wurde eingerichtet, www.wg-wheightless.de. Der Kurs wurde in verschiedenen Medien vorgestellt. Eine Video- und Bilddokumentation durch Kursteilnehmer wird durchgeführt. Teile des Kursprogramms sind bereits publiziert: Völlig losgelöst, Biologie in unserer Zeit, Nr.2, 2003,115-121. Ausblick Für die Jahre 2003 bis 2005 gibt es eine Anschlussförderung durch die Robert-Bosch Stiftung (siehe oben), dadurch ist die Weiterführung des eigentlichen Seminarkurses (Schul- und Universitätsprogramm) für die nächsten 2 Schuljahre gesichert. Als Exkursion ist für 2004 (derzeitiger Termin Ende März bis Anfang April 2004) eine Teilnahme an einem Raketenstart mit einem Experiment der Arbeitsgruppe in (Kiruna) Nordschweden geplant (retinale spreading depression unter Schwerelosigkeit). Im Rahmen des Seminarkurses 2003/2004 werden entsprechende Zusatzveranstaltungen über die wissenschaftlichen Hintergründe des Experiments eingefügt. Eine Exkursion im Umfeld des Inhalts des Seminarkurses für das Schuljahr 2004/2005 befindet sich derzeit in Planung, die Realisierung hängt von der Finanzierbarkeit und den Missionen der Arbeitsgruppe ab. Es ist beabsichtigt, das DLR School-Lab in Köln-Porz jeweils in 2004 und 2005 für ein bis zwei Tage zu besuchen. Der Seminarkurs soll im Rahmen einer fachdidaktischen Promotion aufgearbeitet werden, die Ergebnisse sollen als Buch publiziert werden. Der Seminarkurs soll in das geplante Schnupperstudium der Universität Hohenheim aufgenommen werden.