3 - Research projects - Universität Tübingen

Werbung
ViKiS
Videokonferenz mit integrierter
Simultandolmetschkomponente
Förderkennzeichen: 01 BN 604/7
Arbeitspaket 4
Begleituntersuchungen zum Kommunikationsverhalten
unter Videokonferenzbedingungen
– Abschlußbericht –
Kommunikation und Dolmetschen
unter Videokonferenzbedingungen
Kurt Kohn, Sabine Braun, Claudius Heeger, Hans Mikasa
Universität Tübingen
Seminar für Englische Philologie
Wilhelmstr. 50, D-72074 Tübingen
Tel. +49 7071 29-72377 / -78455
Fax: +49 7071 29-5079
eMail: [email protected]
www.uni-tuebingen.de/vikis
Inhalt
0 EINLEITUNG ..................................................................................................................... 3
1 DIE VIKIS-BEGLEITUNTERSUCHUNGEN ....................................................................... 4
1.1 Besonderheiten der VK-Kommunikation ..................................................................... 4
1.2 Prozesse und Formen des Dolmetschens .................................................................. 5
1.3 Videokonferenz-Dolmetschen – eine einführende Betrachtung................................... 7
1.4 Gegenstand der Begleituntersuchungen zum VK-Dolmetschen.................................. 8
2 UNTERSUCHUNGSAUFBAU UND DATENBASIS ......................................................... 10
2.1 Das ViKiS-System .................................................................................................... 10
2.1.1 Dolmetscherstation und VK-Plätze ................................................................ 10
2.1.2 Bildübertragung ............................................................................................. 11
2.1.3 Tonübertragung ............................................................................................. 12
2.1.4 Audioqualität .................................................................................................. 14
2.1.5 Benutzeroberfläche am Dolmetschplatz......................................................... 14
2.2 Die Untersuchungen ................................................................................................. 16
2.2.1 Untersuchungsszenarien und Untersuchungsreihen ...................................... 16
2.2.2 Versuchsteilnehmer ....................................................................................... 16
2.2.3 Durchführung ................................................................................................. 18
2.3 Die Datenerfassung und –aufbereitung .................................................................... 18
2.4 Bewertung der Daten ................................................................................................ 20
3 VK-DOLMETSCHEN AUS TEILNEHMERSICHT............................................................. 22
3.1 Verstehen und Produzieren ...................................................................................... 22
3.1.1 Monologisierungstendenzen .......................................................................... 22
3.1.2 Redundanz .................................................................................................... 24
3.1.3 Strukturelle Schwächen ................................................................................. 24
3.1.4 Inhaltliche Mängel .......................................................................................... 25
3.2 Interaktion................................................................................................................. 27
3.2.1 Schleppendes Tempo beim Sprecherwechsel ............................................... 27
3.2.2 Nachträge durch Wartezeiten ........................................................................ 30
3.2.3 Überlappende Rede ...................................................................................... 32
3.2.4 Verlust an Spontaneität ................................................................................. 34
3.2.5 Unzureichendes Feedback ............................................................................ 35
3.2.6 Gesprächseröffnung und Gesprächsende ..................................................... 37
3.3 Wahrnehmung der VK-Verdolmetschung ................................................................. 38
3.4 Zusammenfassung ................................................................................................... 40
1
4 DAS VK-DOLMETSCHEN AUS DOLMETSCHERSICHT ................................................ 41
4.1 Verstehen und Produzieren: der Dolmetscher als Mittler .......................................... 41
4.1.1 Reduzierte Simultaneität ................................................................................ 41
4.1.2 Komprimierung und Auslassung .................................................................... 43
4.1.3 Starke Verallgemeinerung ............................................................................. 44
4.1.4 Reduzierte Produktionskapazitäten ............................................................... 45
4.1.5 Der Dolmetscher als Mittler............................................................................ 48
4.2 Interaktion: der Dolmetscher als Moderator .............................................................. 49
4.2.1 Überlappende Rede am Dolmetschplatz........................................................ 49
4.2.2 Antizipation und Signalisierung ...................................................................... 51
4.2.3 Der Dolmetscher als Moderator ..................................................................... 54
4.3 Zusammenfassung ................................................................................................... 54
5 AUSWERTUNGSERGEBNISSE...................................................................................... 56
5.1 Probleme des VK-Dolmetschens .............................................................................. 56
5.1.1 Dolmetscherseitige Probleme ........................................................................ 56
5.1.2 Teilnehmerseitige Probleme .......................................................................... 57
5.2 Rolle und Leistung des Dolmetschers....................................................................... 58
5.2.1 Vermittlung des Inhalts .................................................................................. 58
5.2.2 Versprachlichung ........................................................................................... 59
5.2.3 Vortrag .......................................................................................................... 59
5.2.4 Kommunikative Leistung ................................................................................ 60
5.3 Akzeptanz................................................................................................................. 61
5.3.1 Teilnehmerseitige Akzeptanz ......................................................................... 61
5.3.2 Dolmetscherseitige Akzeptanz....................................................................... 62
6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ....................................................................... 65
7 ANHANG: ZEICHENERKLÄRUNG FÜR DIE TRANSKRIPTE ........................................ 66
8 LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................. 67
2
0 Einleitung
Die Videokonferenz-Kommunikation hat sich seit einigen Jahren als eigenständiger,
wirtschaftlich relevanter Kommunikationstyp etabliert. Die Kommunikation per VK
ersetzt bei weitem nicht jedes persönlichen Treffen zwischen Geschäftspartnern an
verschiedenen Orten. Andererseits schafft sie jedoch durch ihre Flexibilität eine
Reihe zusätzlicher Kommunikationsmöglichkeiten. Während sich wohl kaum ein
ganzer Mitarbeiterstab für eine kurze technische Besprechung auf Dienstreise
begeben würde, eignet sich die Videokonferenz gerade für diese
Kommunikationsszenario: zeitlich eng begrenzte Kleingruppengespräche wie
Arbeitsbesprechungen oder Mitarbeiterschulungen.
Das VK-Dolmetschen ist horizontal zu diesen Kommunikationsaktivitäten zu sehen.
So ist es aus der Sicht mittelständischer Unternehmen notwendig (und lohnenswert),
Videokonferenz-Lösungen auch für die mehrsprachige Kommunikation zu schaffen.
Aus Dolmetschersicht ist eine Mitgestaltung der Lösungen sowie eine Anpassung an
die neue Kommunikationssituation durch entsprechende Fortbildung sowie
mittelfristige Integration in die Dolmetscher-Ausbildung wünschenswert. Für die
Forschung stellen sich dadurch neue Aufgaben hinsichtlich der Untersuchung des
Dolmetschens und unseres Kommunikations- und Konversationsverhaltens ganz
allgemein.
Mit der Konzeption und Implementierung des ViKiS-Prototypen wurde erstmals ein
funktionierendes, PC-basiertes VK-System geschaffen, daß die simultane
Verdolmetschung mehrsprachiger Videokonferenzen ermöglicht. Zur Sicherung der
Benutzerrelevanz und Akzeptanz wurden die Entwicklungsarbeiten von
Begleituntersuchungen flankiert.
In dem vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse der Begleituntersuchungen
zusammengefaßt. In Kap. 1 wird zunächst einen Überblick über die
Begleituntersuchungen gegeben und das Anliegen der Begleituntersuchungen
skizziert. In Kap. 2 werden der Untersuchungsaufbau und die Datenbasis
beschrieben. Die anschließenden Kapitel 3 und 4 schildern die Merkmale, Probleme
und Strategien des VK-Dolmetschens aus Teilnehmer- und Dolmetschersicht. In
Kap. 5 werden die Ergebnisse einer Bewertung unterzogen.
3
1 Die ViKiS-Begleituntersuchungen
Im Rahmen der Begleituntersuchungen ging es darum, die Relevanz des ViKiSPrototypen durch fortlaufende Evaluationszyklen zu sichern. Im weiteren sollte die
Machbarkeit des VK-Dolmetschens in einschlägigen Kommunikationsszenarien,
insbesondere im Kontext mittelständischer Unternehmen, beurteilt werden.
Als Grundlage wurden empirische Untersuchungen durchgeführt, und zwar zunächst
zu den Bedingungen und Merkmalen der ein- und mehrsprachigen VKKommunikation in Kleingruppen und anschließend zur Spezifik des Dolmetschens
unter Videokonferenz-Bedingungen.
In dem vorliegenden Bericht stehen die Untersuchungen des VK-Dolmetschens im
Vordergrund. Die Ergebnisse des ersten Teils der empirischen Untersuchungen, die
Besonderheiten der VK-Kommunikation allgemein, werden in Kap. 1.1 im Überblick
dargestellt. In Kap. 1.2 folgt ein Überblick über die spezifischen Merkmale des
Dolmetschens (unter herkömmlichen Bedingungen). In Kap. 1.3 wird das VKDolmetschen kurz charakterisiert. In Kap. 1.4 werden die einzelnen
Untersuchungsanliegen bezüglich des VK-Dolmetschens beschrieben.
1.1 Besonderheiten der VK-Kommunikation
Für die zu Beginn des Projekts durchgeführten Untersuchungen einsprachiger
Videokonferenzen wurden sowohl authentische als auch experimentelle Zwei- und
Mehrpunkt-Konferenzen mit unterschiedlichem Charakter herangezogen.

authentische
Zweipunktund
Mehrpunkt-Konferenzen,
Arbeitsbesprechungen im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts;

Zweipunkt-Konferenzen mit authentischem Charakter, z.B. Vorbereitung einer
Gruppenpräsentationen im Rahmen eines Hauptseminars an der Universität
Tübingen;

Rollenspiele
in
Zweipunkt-Konferenzen,
z.B.
Simulation
von
Geschäftsverhandlungen
durch
deutsche
und
französische
Wirtschaftsstudenten im Rahmen eines Geschäftsenglisch-Kurses an den
Universitäten Tübingen und Nancy;

authentische
Zweipunkt-Konferenzen
mit
(nichtprofessioneller)
Dolmetschunterstützung, z.B. Arbeitsbesprechungen im Umfeld des ViKiSProjekts.
z.B.
Diese Konferenzen wurden aufgezeichnet. Zu den experimentellen Konferenzen
wurden mit Hilfe von Fragebögen und/oder anschließenden Kommentarsitzungen mit
den Probanden ergänzende Daten erhoben. Die Kommentarsitzungen wurden
ebenfalls aufgezeichnet. Alle Aufzeichnungen wurden tranksribiert und mit Hilfe der
Techniken der Konversationsanalyse ausgewertet. Im Ergebnis wurden drei
hauptsächliche Problemkreise der VK-Kommunikation identifiziert:
4

Infolge einer leichten Zeitverzögerung in der Tonübertragung wird der
Gesprächsverlauf an den einzelnen Teilnehmerplätzen unterschiedlich
wahrgenommen und kommt zu Problemen beim Sprecherwechsel sowie bei
Feedback-Äußerungen der Zuhörer.

Die räumliche Trennung der Gesprächspartner und die daraus resultierende
Ausschnitthaftigkeit der Wahrnehmung nonverbaler Signale erzeugt ein Gefühl
der reduzierten sozialen Präsenz mit einer Reihe von Beeinträchtigungen der
Kommunikation. In einer Mehrpunkt-Konferenz wirken sich diese Nachteile
stärker aus als in einer Zweipunkt-Konferenz.

Die (unzulängliche) Tonqualität
Mißverständnisse zur Folge.
hat
Verständnisschwierigkeiten
und
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden in dreierlei Hinsicht genutzt: Sie
gaben Aufschluß über die Besonderheiten der VK-Kommunikation, aus ihnen ließen
sich Implikationen für das VK-Dolmetschen ableiten, und sie halfen bei der
Erarbeitung geeigneter Untersuchungsszenarien für die gedolmetschte VK.
1.2 Prozesse und Formen des Dolmetschens
Es ist hilfreich, zwischen Dolmetschen als Verarbeitungsprozeß und Dolmetschen als
(translatorischer)
Kommunikationspraxis
zu
unterscheiden.
Als
Verarbeitungsprozeß steht das simultane Dolmetschen dem konsekutiven
Dolmetschen gegenüber.
Beim simultanen Dolmetschen wird der Originaltext kontinuierlich und quasi ohne
Zeitversetzung in eine andere Sprache übertragen. Um mit dem Redner
"mitzuhalten", ohne dabei eine falsche Richtung zu dolmetschen, oder auch um die
Verdolmetschung notfalls nachträglich noch zu korrigieren, sind für das simultane
Dolmetschen bestimmte Strategien grundlegend (Kalina 1998b: 113-125). Eine
gewisse Kenntnis des Gesprächsgegenstandes und des Redners erleichtert es dem
Dolmetscher, den Sinn einer Aussage zu antizipieren. Ermöglicht und gefördert wird
die Antizipation von Aussagen u. a. durch Kontextualisierungshinweise, die das
Kommunikationsverhalten der beteiligten Sprecher bis zu einem gewissen Grad
planbar machen (vgl. Gumperz 1982).
Beim konsekutiven Dolmetschen gibt der Dolmetscher die Ausführungen des
Redners abschnittsweise und somit zeitlich versetzt wieder. Bei den Abschnitten
kann es sich um einzelne Sätze oder um Teilstücke von bis zu 10 oder 15 Minuten
Länge handeln. Die Hauptlast beim Konsekutivdolmetschen trägt das Gedächtnis,
unterstützt durch Notizen. Im Gegensatz zur simultanen Übertragung hat der
Dolmetscher hier den Vorteil, daß aufgrund des zeitversetzten Arbeitens die
Rednerintention klarer erkennbar ist und daß bei Unklarheiten eine Rückfrage
möglich ist. Das große Manko des konsekutiven Dolmetschens liegt darin, daß durch
das zeitlich versetzte Arbeiten des Dolmetschers der Zeitaufwand annähernd doppelt
so hoch ist wie bei der simultanen Übertragung. Darüber hinaus kann es für die
5
Zuhörer ermüdend sein, Ausführungen in einer Sprache zu folgen, derer sie nicht
mächtig sind, und stets auf die Verdolmetschung warten zu müssen.
In der translatorischen Kommunikationspraxis haben sich auf der Basis simultaner
oder
konsekutiver
Verarbeitungsprozesse
unterschiedliche
Formen
des
Dolmetschens herausgebildet. Eine der prototypischen Formen ist das
Konferenzdolmetschen bei internationalen Veranstaltungen (Kongressen, Tagungen,
Diskussionsforen etc.) mit Einzelvorträgen, Paneldiskussionen oder auch
Diskussionen zwischen Vortragenden und dem Publikum. Hier haben die erwähnten
Nachteile der konsekutiven Verarbeitung dazu geführt, daß sich das simultane
Dolmetschen weitgehend durchgesetzt hat. Konferenzdolmetschen wird daher oft mit
Simultandolmetschen gleichgesetzt.
Bei der Verdolmetschung von Reden, festlichen Vorträgen, Festansprachen oder
Tischreden steht oft keine Simultandolmetschanlage zur Verfügung oder wäre
unpassend. In diesen Szenarien kommt dem konsekutiven Dolmetschen nach wie
vor Bedeutung zu.
Neben diesen Formen der publikumsorientierten Kommunikation hat sich für die
Bedingungen und Anforderungen der dialogischen Kommunikation (in informellen
Gesprächssituationen,
Verhandlungen,
Arbeitsgruppenbesprechungen,
Schulungsveranstaltungen und dergleichen, d.h. in Kommunikationsszenarien in
kleinerem
Rahmen
ohne
Publikum)
mit
dem
Gesprächsbzw.
Verhandlungsdolmetschen eine weitere Form des Dolmetschens herausgebildet. Die
Ausprägungen dieser Variante reichen vom Dolmetschen in gesellschaftlichen,
staatlichen, sozialen und medizinischen Einrichtungen (engl. meist community
interpreting) bis zum Dolmetschen bei geschäftlichen Besprechungen (engl. meist
liaison interpreting) (Roberts 1997: 8).
Die genannten Gesprächssituationen zeichnen sich durch eine schnelle Abfolge
kürzerer Redebeiträge aus, die spontan als Reaktion auf vorangegangene Beiträge
entstehen. Der Gesamttext wird also – im Unterschied zur monologischen
Kommunikation – nicht im voraus von einem der Redner geplant. Daraus ergibt sich
ein spezifischer Stil mit Redundanzen, Selbstkorrekturen sowie eher geringer
Struktur und Komplexität. Zu einer wichtigen Stütze für den Dolmetscher wird in
dieser offenen Gesprächssituation neben dem unmittelbaren Kontext insbesondere
sein Wissen über verschiedene Formen der dialogischen Kommunikation. Dieses
Wissen kann vor allem die Rederechtübergabe zwischen den Gesprächspartnern
und dem Dolmetscher, die gewöhnlich durch eine Reihe von verbalen und
nonverbalen Signalen geregelt ist, unterstützen. Um den Gesprächsfluß so wenig wie
möglich zu unterbrechen, kommt es beim Dolmetschen hier oft zu einer Mischung
aus simultanem Dolmetschen (in Form von Flüsterdolmetschen) und konsekutiver
Verdolmetschung kürzerer Passagen (Kalina 1998b: 28).
Insbesondere im geschäftlichen Bereich wird die Verdolmetschung in
Gesprächssituationen mitunter von sprachlich versierteren Gesprächsteilnehmern
übernommen – vor allem, wenn aufgrund vorhandener Fremdsprachenkenntnisse
6
der Gesprächsteilnehmer nicht alles gedolmetscht werden muß. Diese Situation soll
hier deshalb angesprochen werden, weil sie auch in Videokonferenzen ihren Platz
hat. Die Dolmetschenden können aufgrund ihrer Kenntnis des besprochenen
Themas, der Beteiligten und deren Wissen relativ problemlos einschätzen, wann und
wie sie längere Passagen bei der Verdolmetschung zusammenfassen können bzw.
wann und in welcher Form sie Zusatzinformationen in die Verdolmetschung
einfließen lassen sollten. Die Gefahr dabei ist allerdings, daß die sprachlich
versierteren Teilnehmer aufgrund ihrer Doppelfunktion (Teilnehmer und Dolmetscher)
im Gespräch dominieren und auch die Rolle des jeweiligen Gesprächspartners
übernehmen.
1.3 Videokonferenz-Dolmetschen – eine einführende Betrachtung
Beim Dolmetschen per Videokonferenz sind prinzipiell die folgenden Varianten
denkbar (für eine Diskussion dieser und ähnlicher Konstellationen vgl. O'Hagan
1996):
a)
Tele-Dolmetschen: alle Teilnehmer sind an einem Ort versammelt, lediglich der
Dolmetscher wird extern per VK zugeschaltet;
b)
Konferenzdolmetschen: auf mehrsprachigen Veranstaltungen werden die
Reden externer, über VK zugeschalteter Teilnehmer in die Dolmetschkabinen
eingespeist und simultan gedolmetscht;
c)
VK-Dolmetschen in einer Zweipunkt-VK: der Dolmetscher wird in eine VKGruppe an einem der beiden Standorte aufgenommen;
d)
VK-Dolmetschen in einer Mehrpunkt-VK: der Dolmetscher wird von einem
zusätzlichen (normalen) VK-Platz aus als weiterer Partner in eine VK integriert;
e)
VK-Dolmetschen von einem speziellen Dolmetschplatz: der Dolmetscher wird
von einem speziell ausgerüsteten Teilnehmerplatz – mit separatem Tonkanal
für die Verdolmetschung – in eine VK integriert (ViKiS-Projekt-Konstellation).
Dem Tele-Dolmetschen (Variante a) wird – wenn überhaupt – vermutlich erst
längerfristig Bedeutung zukommen, da es zunächst wenig sinnvoll erscheint, die für
die Herstellung der sprachübergreifenden Kommunikation verantwortliche Person als
einzige außen vor zu lassen. Variante b wird auf mehrsprachigen Konferenzen
bereits praktiziert.
Vor allem aber zeichnet sich für die nähere Zukunft ein Bedarf an der
Verdolmetschung von Kleingruppenbesprechungen per VK ab (insbesondere
Varianten c, d und e). Bereits heute führen zahlreiche länderübergreifend
operierende Konzerne, aber auch mittelständische Unternehmen regelmäßig
Videokonferenzen durch.
Den Varianten des VK-Dolmetschens – c , d, und e – ist gemeinsam, daß sie sich
insbesondere für die Kleingruppengespräche eignen. Bei der Identifikation weiterer
Merkmale des VK-Dolmetschens spielt natürlich die gewählte Variante und ihre
7
konkrete Ausgestaltung eine Rolle: Wie sieht die VK-Schaltung aus? Wo sitzt der
Dolmetscher in dieser Schaltung? Ist ein Gespräch oder ein Monolog zu
dolmetschen? Wird konsekutiv oder simultan gedolmetscht? usw. Für alle VKDolmetsch-Szenarien lassen sich aber auch Gemeinsamkeiten ausmachen:
Im Vergleich zur einsprachigen VK-Situation, die ja durch die räumliche Trennung
der Teilnehmer schon für sich genommen die Möglichkeiten der Interaktion zwischen
den Gesprächspartnern einschränkt und damit (soziale) Distanz schafft, kommt in
jeder gedolmetschten VK für die Gesprächspartner mit der sprachlich-kulturellen
Trennung ein weiterer distanzschaffender Aspekt hinzu.
Verglichen mit einer herkömmlichen Dolmetschsituation besteht der auffälligste
Unterschied zum VK-Dolmetschen darin, daß hier im Gegensatz zu den meisten
anderen Dolmetschsituationen alle Beteiligten räumlich voneinander getrennt sind. In
herkömmlichen Dolmetschsituation befinden sich zumindest die Gesprächspartner im
gleichen Raum; und der Platz des Dolmetschers variiert in Abhängigkeit von der Art
der Verdolmetschung (Konsekutiv oder Simultan) und vom Szenario (Vortrag oder
Gespräch).
So
sitzt
der
Dolmetscher
beispielsweise
bei
einem
Verhandlungsgespräch im Prinzip mit am Verhandlungstisch. Bei einer Ansprache
steht er neben dem Redner, und selbst auf einer internationalen Konferenz ist der
Dolmetscher mit seiner Kabine im gleichen Raum wie die Konferenzteilnehmer.
Einer der Gesprächsteilnehmer an einer ViKiS-Konferenz kommentierte die
Verbindung von VK und Dolmetschen so: "Through the interpreter and through not
being able to see the person face to face ... I don’t think it’s a big deal, but some
qualities might be lost or some things might be overlooked." (5b/291).
1.4 Gegenstand der Begleituntersuchungen zum VK-Dolmetschen
(A) Adäquatheit der ViKiS- Konstellation
ViKiS orientiere sich insbesondere am Kommunikationsbedarf mittelständischer
Unternehmen und beschäftigte sich dementsprechend mit einer VK-Lösung, die sich
insbesondere für die mehrsprachige Geschäftskommunikation mittelständischer
Unternehmen eignet. Hierbei handelt es sich in der Regel um
Kleingruppenbesprechungen, die unter Einbeziehung eines Gesprächs- oder
Konsekutivdolmetschers stattfinden.
Für diesen Kommunikationstyp können die in Kap. 1.3 genannten Varianten c und d
eine Lösung bieten. Sie erlauben das Gesprächs- bzw. Konsekutivdolmetschen in
einer Zwei- oder Mehrpunkt-Konferenz. Unsere Annahme und zugleich der
Ausgangspunkt des ViKiS-Projekts bestand jedoch darin, daß sich das
Kommunikations- und Dolmetschmanagement wesentlich vereinfachen würde, wenn
in einer Videokonferenz simultan gedolmetscht werden könnte.
Drei der hauptsächlichen Anliegen der Begleituntersuchungen waren damit:
8

Prüfung
der
Eignung
Kleingruppenkommunikation

Identifikation besonders geeigneter Kommunikationsszenarien

Prüfung der vermuteten Vorteile des ViKiS-Szenarios gegenüber konsekutiv
gedolmetschten Zwei- oder Mehrpunkt-Konferenzen
der
ViKiS-Konstellation
für
die
(B) Spezifische Merkmale des VK-Dolmetschens
Faktoren wie die räumliche Trennung sowie auch die leicht zeitverzögerte
Übertragung von Ton (und Bild) wurden bereits in den einsprachigen
Videokonferenzen als gewichtige Einflußfaktoren mit sehr vielschichtigen
Auswirkungen auf die Gesprächsinteraktion identifiziert.
Vor dem Hintergrund der Merkmale der VK-Kommunikation einerseits und der
gedolmetschten Kommunikation andererseits (vgl. Kap. 1.1, 1.2) sollte es in den
Begleituntersuchungen zum VK-Dolmetschen darum gehen, die Auswirkungen
dieser Faktoren auf das VK-Dolmetschen zu bestimmen in empirischen
Untersuchungen und die Besonderheiten herauszuarbeiten, die sich aus der
Verbindung von VK und Verdolmetschung ergeben.
Von den empirischen Untersuchungen wurden wichtige Aufschlüsse über die
Bedingungen, Merkmale und Probleme dieses Kommunikationstyps erwartet. Sie
sind somit der Schlüssel zu einer kompetenten Beurteilung dessen, was gegenwärtig
und mittelfristig machbar ist und was man aus Dolmetscher- und Teilnehmersicht für
das und vom VK-Dolmetschen erwarten kann.
(C) Anpassungs- und Kompensationsstrategien in der VK-Kommunikation
Bereits nach der Durchführung erste Videokonferenzen war offensichtlich, daß die
Kommunikation hier erschwert ist. In den Untersuchungen galt es herauszufinden, ob
und inwieweit bei den Gesprächsteilnehmern und Dolmetschern ein
Gewöhnungsprozeß zu beobachten ist, d.h. ob sie mit zunehmender VK-DolmetschErfahrung eine gewisse VK-Kompetenz mit entsprechenden Anpassungs- und
Kompensationsstrategien entwickeln.
Für die Dolmetschpraxis geht es dabei um die Frage, inwieweit und welche
Trainings- bzw. Fortbildungsmaßnahmen den Dolmetschern den Umgang mit dem
VK-Dolmetschen erleichtern können.
9
2 Untersuchungsaufbau und Datenbasis
In diesem Kapitel wird zunächst das ViKiS-System beschrieben, mit dem die
Untersuchungen zum Simultandolmetschen durchgeführt wurden. Nach einer ersten
Evaluationsphase war das System vom Projektpartner NTS weiter an die
dolmetschspezifischen Bedürfnisse angepaßt worden. Es war klar, daß sich die
Gestaltung des ViKiS-Dolmetschplatzes in ihren Grundzügen so eng wie möglich an
das Setup einer Dolmetschkabine bzw. Konferenzdolmetschanlage halten sollte.
Dies galt insbesondere für die Bedienbarkeit. Darüber hinaus ergaben sich durch die
VK-Schaltung
jedoch
Besonderheiten,
die
den
Kommunikations- und
Dolmetschprozeß auf ganz spezifische Weise beeinflußten. Hierzu ist insbesondere
die Schaltung der Ton-Übertragungskanäle zu zählen.
Im weiteren werden in diesem Kapitel Art und Inhalte der Videokonferenzen, die
Teilnehmer und Dolmetscher sowie die Datenerfassung und –aufbereitung
beschrieben. Schließlich wird diskutiert, wie die erhobenen Daten zu beurteilen sind.
2.1 Das ViKiS-System
2.1.1 Dolmetscherstation und VK-Plätze
Die Dolmetscherstation umfaßt den Rechner (mit mehreren CPUs), vier
Bildschirme, eine Kamera, zwei Headsets, sowie Tastatur und Maus zur Bedienung
der
ViKiS-Software.
Einer der Bildschirme dient als Steuerungsmonitor zur Darstellung der
Benutzeroberfläche und damit zur Bedienung der Dolmetscherstation (Herstellen und
Einrichten der Wählverbidungen, Hin- und Herschalten zwischen den Teilnehmern,
Beenden der Verbindung). Auf zwei weiteren, links und rechts vom
Steuerungsmonitor angeordneten Bildschirmen sieht der Dolmetscher die beiden
Teilnehmer T1 und T2; der sichtbare Bildausschnitt hängt von der Kameraeinstellung
am jeweiligen Teilnehmerplatz ab. Mit Hilfe des vierten, kleineren Bildschirms kann
der Dolmetscher sein Eigenbild überprüfen, das während der Einrichtungsphasen
(vor der eigentlichen Konferenzschaltung) von der Dolmetscherstation zu den
Teilnehmern übertragen wird.
Darüber hinaus sind 2 Headsets an das System angeschlossen. Gemäß der
Spezifikation handelt es sich um offene Kopfhörer mit Schaumgummipolsterung und
integriertem Mikrofon.
10
Die beiden Teilnehmerplätze wurden dem Dolmetschplatz in der ersten beiden
Testreihen zum VK-Dolmetschen über je eine 2B-ISDN-Verbindung zugeschaltet.
Dabei befand sich Teilnehmerplatz 1 außerhalb der Universität Tübingen. Die extern
zugeschalteten Teilnehmer verfügten über standardmäßige, H.320-kompatible VKStationen (PC-basiert oder Raumsysteme) verschiedener Hersteller. Teilnehmerplatz
2 befand sich in an der Universität Tübingen. Es wurden NTS-Stationen benutzt (PCgestützter VK-Platz mit integrierter VK-Software; Darstellung von Fremdbild und
Eigenbild).
In der zweiten Testreihe befanden sich alle Teilnehmerplätze an der Universität
Tübingen. In einem Teil der Testreihe war der Teilnehmerplatz 1 mit 6B-ISDN mit
dem Dolmetschplatz verbunden. Die dazu verwendete VK-Station war ein NTSRaumsystem. Am Teilnehmerplatz 2 wurden die gleichen NTS-Stationen benutzt wie
in der ersten Testreihe.
2.1.2 Bildübertragung
Die Teilnehmerbilder wurden sowohl zum Dolmetschplatz als auch zum jeweils
anderen Teilnehmerplatz übertragen. Der Dolmetscher sah während der gesamten
VK beide Teilnehmerplätze (auf getrennten Monitoren). Die Teilnehmer sahen jeweils
die andere Teilnehmerseite (und je nach benutztem VK-System eventuell auch ihr
Eigenbild).
In den Videokonferenzen waren pro Teilnehmerseite maximal drei Teilnehmer
zugegen, die von einer einzigen Kamera abgedeckt wurden, was sich sowohl für die
Dolmetscher als auch für die Teilnehmer als ausreichend erwies.
Die Bilder wurden von Dolmetschern und Teilnehmern insofern als hilfreich erachtet,
als sie ein gewisses Beurteilen des Teilnehmerverhaltens und der -reaktionen
ermöglichten. Eine Teilnehmerin erklärte beispielsweise zu einer Stelle, in der sie
bezüglich des Sprecherwechsels zunächst verunsichert war: "... und dann hab ich
einfach weitergesprochen, wegen dieser Handbewegung, dieses klassische 'Mach'
weiter'." (4a/48).
11
In den 2B-Konferenzen war die Bildqualität allerdings nicht optimal. Einer
Teilnehmerin zufolge ließen sich Einzelheiten "nicht aus dem Bild erschließen. Ich
mein, ob sie jetzt gelangweilt oder genervt guckt, das nicht, aber man sieht
zumindest, sie sitzt da und guckt in die Richtung und macht sich Notizen." (4a/113).
In den 6B-Konferenzen war die Bildqualität merklich besser.
Den Dolmetschern bereitete das Bild in den 2B-Konferenzen auch insofern
Probleme, als durch das Ruckeln des Bildes der Eindruck entstand, Bild und Ton
seien nicht synchron (obwohl sie es sind). Für die Teilnehmer stellte sich dieses
Problem nicht, weil sie zum Bild des Teilnehmers ohnehin nur den Dolmetschton
hörten.
Das Bild wurde in einigen VK-Sitzungen durch eine nicht optimale
Kamerapositionierung an der Gegenstelle verschlechtert, so daß z.B. ein Proband
seine Gesprächspartnerin nur als "dunklen Punkt" auf dem Bildschirm wahrnahm: "I
found I couldn’t see her as well as I would have, I don’t know, I found it a bit impersonal because she’s sort of just a black spot in the background." (5a/20). Wichtige
Einzelheiten gingen somit zum Teil verloren.
Unabhängig von der Bildqualität bestand für die Dolmetscher ein weiteres Problem
darin, daß sie die Teilnehmer auf getrennten Bildschirmen sahen. Die Dolmetscher
konzentrierten sich im wesentlichen auf den Bildschirm des Sprechenden. Besser
wäre es aus ihrer Sicht gewesen, beide Teilnehmer im Splitmodus auf einem
Bildschirm zu sehen. So wäre es leichter gewesen, sowohl Sprecher als auch
Zuhörer im Auge zu behalten und auch die Reaktionen des Zuhörers, soweit die
Bildqualität dies erlaubte, zu überprüfen (drückt der Zuhörer mit seinem
Gesichtsausdruck Unverständnis aus; sollte eine Aussage vielleicht noch einmal
wiederholt oder präzisiert werden; lacht der Zuhörer über Scherze?).
2.1.3 Tonübertragung
Der Ton der Teilnehmer (Originalton) wurde zum Dolmetschplatz übertragen und
war dort im Kopfhörern des Dolmetschers zu hören. Durch entsprechendes
Umschalten bestimmte der Dolmetscher der Dolmetschrichtung, für welchen
Teilnehmer er dolmetschte. Die Tonkanäle von den Teilnehmerplätzen zum
Dolmetschplatz waren stets beide offen, also auch der Kanal vom Zuhörer zum
Dolmetscher. So konnte der Dolmetscher stets alle Äußerungen der Teilnehmer
mitverfolgen und lief nicht Gefahr, z.B. durch nicht rechtzeitige Umschalten etwas
von deren Redebeiträgen zu verpassen.
Vom Dolmetschplatz aus wurde der Dolmetschton zur Zuhörerseite übertragen. Der
Originalton war auf Zuhörerseite nicht zu empfangen1. Mit andere Worten heißt das,
1 Die Entscheidung, nur den Dolmetschton zum zuhörenden Teilnehmer zu übertragen, war getroffen
worden, um zu gewährleisten, daß teilnehmerseitig keine speziell angepaßten VK-Systeme benötigt
wurden. Gerade für VK-Schaltungen mit auswärtigen Beiteiligten war dies unabdingbar. Der "Verlust"
durch den nicht mit übertragenen Originalton kann als gering angesehen werden, da es ja
12
daß der Tonkanal des gerade Verdolmetschten/Sprechers vom Teilnehmerplatz nur
bis zum Dolmetschplatz offen war und ab dort durch den Tonkanal für den
Dolmetschton "ersetzt" wurde.
Demgegenüber war der "Rückkanal" vom jeweiligen Empfänger der
Verdolmetschung, also dem jeweiligen Zuhörer, zum Sender des Originaltons, also
dem jeweiligen Sprecher, stets offen, so daß der Verdolmetschte/Sprecher z.B.
Zwischenbemerkungen vom Verdolmetschungsempfänger/Zuhörer wahrnehmen
konnte.
Die Öffnung bzw. Schließung der Kanäle erfolgte beim Umschalten der Dolmetschrichung. Abbildung 1 zeigt die Tonübertragung für den Fall, daß T1 Redner ist, d.h.
gerade gedolmetscht wird.
Abbildung 1: Schaltung der Tonkanäle in der ViKiS-Konstellation
T1
Dolmetscher
T2
T1 spricht
T2 hört zu / empfängt
Verdolmetschung
T1-Ton ("O-Ton")

O-Ton  D-Ton

D-Ton
T2-Ton

T2-Ton

T2-Ton
T1 hört Zwischenbemerkung
oder Redebeginn von T2
T2 macht Zwischenbemerkung oder beginnt
zu sprechen
Über den offenen "Rückkanal" war bei einem Sprecherwechsel manchmal auch der
Beginn der neuen Äußerung im Original zu hören, bis der Dolmetscher die
Sprachrichtung umgeschaltet hatte. (Beispiel 1).
Beispiel 1 (6b, T2-Platz)
1
T2:
Eh, I feel I can always adapt my teaching methods to classes of any level. I can adapt
my language quite easily. [...] And I don’t -- think there’s any problems with not speaking
the, the native language so much, I think I can still carry on in English. -- I hope that
answers your question.
2
T1:
(5) Ok, ja. Ehm, wie ... =
D:
= (3) How are you teaching, do you teach in ... mainly individuals, in small groups [...]
Dieses Beispiel gibt einen Gesprächsausschnitt am T2-Platz wieder. Man erwartet
hier nur die Eigenäußerungen von T2 und die Fremdäußerungen vom Dolmetscher.
Redebeitrag (2) beginnt jedoch mit einigen Worten Originalton von T1 (kursiv), die
mitten im Satz abbrechen. An dieser Stelle schaltete der Dolmetscher die
Sprachrichtung (zu T2) um und schloß damit gleichzeitig den Rückkanal von T1 zu
T2, der offen war, solange T1 Zuhörer war.
hauptsächlich darum ging, das VK-Dolmetschen zu untersuchen und somit gewünscht war, daß die
Teilnehmer dem Dolmetscher zuhören und nicht versuchen, dem Originalredner zu folgen.
13
Dem Zuhörer ging dadurch nichts von der Verdolmetschung verloren. Wie in Beispiel
1 zu sehen, schaltete der Dolmetscher einige Sekunden vor dem Beginn der
Verdolmetschung um. Dennoch waren die Teilnehmer uneinig darüber, ob der Kanal
offen oder geschlossen sein sollte. Die "Brocken" des Originaltons waren irritierend.
Ein Teilnehmer faßte den allgemeinen Eindruck gut zusammen: "Sometimes you
could hear Christof [T1]. It was a bit off-putting, because --- you were kind of then
waiting for the interpreter. [...] it didn't stop you from beginning to hear him [Dolmetscher]; it made you aware that it was a three-way conversation." (2a/154f).
2.1.4 Audioqualität
In den Simultankonferenzen bestätigte sich, was die Untersuchungen in den
einsprachigen und konsekutiv gedolmetschten Konferenzen schon vermuten lassen:
Manko Nr. 1 aus Dolmetschersicht war die unzulängliche Audioqualität, zumindest in
den 2B-Konferenzen. Drei Faktoren spielten hier eine Rolle: Erstens vermochte der
erste ViKiS-Prototyp als 2B-ISDN-basiertes System generell nur einen begrenzten
Ausschnitt des Sprachfrequenzbereichs zu übertragen. Zweitens entstanden
insbesondere durch die Hardware an den Teilnehmerplätzen Nebengeräusche, die
die Tonqualität beeinträchtigten. Drittens war die Tonqualität in den einzelnen VKSchaltungen recht unterschiedlich bzw. schwankte auch während der Konferenzen.
In diesem Zusammenhang kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, daß
eine Tonqualität, die der "normale" Zuhörer/Teilnehmer als ausreichend empfindet,
nicht notwendigerweise auch für das Dolmetschen akzeptabel ist, da der
Dolmetscher seine Aufmerksamkeit zwischen dem Zuhören/Verstehen, dem
Umsetzen und der Kontrolle des eigenen Outputs aufteilen muß.
Um ein Verstehen bei gleichzeitigem Sprechen zu ermöglichen, mußte die
Lautstärke zum Teil über das normal übliche Maß hinaus erhöht werden, wodurch
das Dolmetschen als Belastung für das Gehör empfunden wurde.
Beim Einsatz des 6B-Codecs war die Tonqualität merklich besser. Anzumerken ist
hierzu allerdings, daß die am Dolmetschplatz empfangene Tonqualität in hohem
Maße davon abhängt, welche Geräte (PC-System, Raumsystem, Art des Mikrofons
etc.) die Teilnehmer verwenden und damit auch Faktoren unterliegt, die vom
Dolmetschplatz aus nicht beeinflußbar sind. Selbst wenn das ViKiS-System die
jeweils neuesten Komponenten verwendet, wird daher nicht in allen Fällen die
theoretisch mögliche Tonqualität erzielt werden.
2.1.5 Benutzeroberfläche am Dolmetschplatz
Als Benutzeroberfläche diente die zuvor im Projekt konzipierte, implementierte und
evaluierte graphische ViKiS-Oberfläche (Abbildung 2).
14
Abbildung 2: ViKiS-Benutzeroberfläche
Zum Herstellen einer Verbindung klickte der Dolmetscher auf die Schaltfläche
WÄHLEN. In dem sich öffnenden Fenster konnte dann die Nummer des
gewünschten Teilnehmers entweder manuell eingegeben oder aus dem Adreßbuch
aufgerufen werden. Alternativ konnte der Dolmetschplatz auch vom Teilnehmer
angewählt werden. Informationen über den Verbindungsaufbau bzw. –zustand sind
dem Feld VERBDINDUNGSSTATUS zu entnehmen.
Nach erfolgreichem Herstellen einer Verbindung konnte der Dolmetscher sich
zunächst über die Schaltfläche EINRICHTEN mit je einem der beiden Teilnehmer
verbinden. Ein weiteres Fenster öffnete sich, in dem verschiedene Parameter
(Lautstärke, Helligkeit, Kontrast u.a.) eingestellt werden konnten.
Die Dolmteschfunktionen der Benutzeroberfläche wurden in Anlehnung an
herkömmliche Dolmetschpulte im unteren Teil des Bildschirms angeordnet. Die
Größe der einzelnen Schaltflächen wurde der Bedeutung der Funktionen
entsprechend gewählt.
Zunächst war das Mikrofon des benutzten Headsets anzuschalten (Schaltflächen
MIKRO AN rechts bzw. links unten). LAUTSTÄRKE und TON konnten bei Bedarf
während der VK nachgeregelt werden.
Die bei jedem Sprecherwechsel und damit am häufigsten zu betätigende OUTPUTSteuerung wurde an zentraler Stelle angeordnet und mit auffälligen Pfeilen versehen,
die bei Aktivierung jeweils aufleuchteten. In Abbildung 2 sind z.B. ein Münchner und
ein Tübinger Teilnehmer zusammengeschaltet. Wurde der Münchner Teilnehmer
verdolmetscht und der Tübinger Teilnehmer hörte zu, so war der nach rechts
zeigende Pfeil zu aktivieren und umgekehrt der nach links zeigende.
Die Schaltfläche STUMM fungierte als "Räuspertaste", ohne gleichzeitig die
Verbindung zwischen Dolmetscher und Teilnehmer zu unterbrechen. Mit MIKRO
15
AUS konnte sich der Dolmetscher dagegen vollkommen aus der Verbindung
herausschalten und die Teilnehmer direkt miteinander verbinden. Diese Funktionen
wird für de Fall benötigt, daß einer der Teilnehmer in der Sprache des anderen zu
sprechen beginnt und der Dolmetscher somit (kurzzeitig) nicht benötigt wird. Auch
nach Betätigen von MIKRO AUS konnte der Dolmetscher aber das Gespräch noch
vollständig mitverfolgen.
Mit diesen Funktionen entsprach der ViKiS-Platz in seiner Funktionalität weitgehend
den Gegebenheiten in einer Konferenzdolmetschkabine.
2.2 Die Untersuchungen
2.2.1 Untersuchungsszenarien und Untersuchungsreihen
Im Vorfeld der Untersuchungen mit dem ViKiS-System hatten wir bereits
unterschiedlich geartete Videokonferenzen aufgezeichnet und analysiert (vgl. Kap.
1.1). Für die Untersuchungen zum VK-Dolmetschen entschieden wir uns für die
Durchführung von Rollenspielen, weil diese sich für die gegebenen Umstände am
ehesten realisieren ließen: Es wurden verschiedensprachige Gesprächsteilnehmer
benötigt, die über ein Thema sprechen konnten, das sowohl für eine VK als auch für
ein gedolmetschtes Gespräch als realistisch angesehen werden konnte.
Gegenstand der Videokonferenzen waren (simulierte) Bewerbungsgespräche,
Informationsgespräche über Job-Aussichten im Tübinger/Stuttgarter Raum sowie
Informationsgespräche über einen Auslandsstudienaufenthalt. Diese Szenarien
wurden als realistisches Thema für eine Videokonferenz erachtet und ließen sich
außerdem mit den zur Verfügung stehenden Gesprächsteilnehmern (Teilnehmer aus
und von Partneruniversitäten der Projektgruppe sowie Studenten der Universität)
sehr gut durchführen.
Mit den beschriebenen Szenarien wurden drei hauptsächliche Untersuchungsreihen durchgeführt, zwei davon zum Simultandolmetschen mit dem ViKiSPrototypen und eine zum Konsekutivdolmetschen in Mehrpunkt-Konferenzen. In
allen Untersuchungsreihen wurden die Rollenspiele verwendet.
In der ersten ViKiS-Untersuchungsreihe war an jedem Teilnehmerplatz ein
Teilnehmer zugegen. In der zweiten ViKiS-Reihe hatten die Gespräche jeweils an
einem VK-Platz einen Teilnehmer und an dem anderen Platz zwei bzw. drei
Teilnehmer. In den Mehrpunkt-Konferenzen waren pro Platz ein bzw. zwei
Teilnehmer zugegen. Alle Konferenzen wurden von je einem Dolmetscher
gedolmetscht.
2.2.2 Versuchsteilnehmer
Bei der Auswahl der Gesprächsteilnehmer achteten wir darauf, daß die Rollen der
realen Situation der Teilnehmer so nahe wie möglich kam. Außerdem war uns daran
16
gelegen, VK-Teilnehmer aus der Industrie in unsere Untersuchungen einzubeziehen,
die die Videokonferenz bereits als gängiges Kommunikationsmedium benutzen:
(A)
Für die Bewerbungsgespräche konnten Mitarbeiter aus Personalabteilungen
einer deutschen und einer österreichischen Firma sowie zwei Mitarbeiter einer
Partneruniversität
in
Frankreich
gewonnen
werden;
bei
den
Bewerbungskandidaten handelte es sich um Austauschstudenten aus England,
USA und Kanada sowie Studenten aus Lehramts- und Magisterstudiengängen
der Neuphilologischen Fakultät, die sich in ihrer Rolle um die Stelle eines
Sprachlehrers oder eines Technical Writers bewarben.
(B)
Die Informationsgespräche über Job-Chancen in der Region führte ein NTSMitarbeiter mit englischen Austauschstudenten an der Tübinger Universität.
(C) Für die Informationsgespräche über einen Auslandsstudienaufenthalt stellten
sich Mitarbeiter von Partner-Universitäten in England und Frankreich zur
Verfügung, die von (deutschen) Tübinger Studenten befragt wurden.
(D) Weitere Informationsgespräche über das Auslandsstudium wurden in Tübingen
simuliert, indem englische Muttersprachler aus der Tübinger Region die Rolle
der auskunftgebenden Person einer auswärtigen Universität übernahmen und
Tübinger Studenten Fragen zum Auslandsstudienaufenthalt stellten.
Die auswärtigen Teilnehmer (Mitarbeiter in Personalabteilungen und an
ausländischen Partneruniversitäten) waren allesamt VK-erfahren. Eine Ausnahme
bildeten die englischen Muttersprachler im Szenario (D). Von den Tübinger bzw.
Austauschstudenten hatte noch niemand an einer VK teilgenommen, und nur wenige
von ihnen waren bereits zuvor mit dieser Technik in Berührung gekommen.
Ähnlich war es mit den Dolmetscherfahrungen. Während die auswärtigen Teilnehmer
bereits professionelle Dolmetschsituationen erlebt hatten, kannten die Studenten
dies nur aus dem Fernsehen. Einige von ihnen hatten allerdings eigene, wenn auch
nichtprofessionelle Erfahrungen damit ("Dolmetschen" im Familienkreis, für Freunde).
Die an den Videokonferenzen beteiligten Dolmetscher waren Diplom-Dolmetscher
mit unterschiedlicher Berufserfahrung. Neben den beiden im ViKiS-Projekt
beschäftigten
Dolmetschern
wurden
externe,
freiberuflich
tätige
Konferenzdolmetscher hinzugezogen. In den ersten Konferenzen kamen verstärkt
die im Projekt mitarbeitenden Dolmetscher zum Einsatz, weil davon ausgegangen
wurde, daß die Szenarien und Arbeitsbedingungen (z.B. Länge der VK) noch zu
optimieren waren. Auch später wurden die projektinternen Dolmetscher (neben den
externen) noch mehrmals herangezogen, um auch die Adaptationsfähigkeit über
mehrere VK-Einsätze hinweg zu prüfen.
Schließlich waren in alle Videokonferenzen mehrere Versuchsleiter involviert: zur
Vorbereitung und Einweisung der Teilnehmer und Dolmetscher, zur Überwachung
des Ablaufs der einzelnen Konferenzen, zur Beobachtung des Konferenzgeschehens
an den einzelnen Plätzen sowie zur Betreuung und Befragung der Dolmetscher und
Teilnehmer nach den Konferenzen.
17
2.2.3 Durchführung
Zur inhaltlichen Einweisung der Versuchspersonen in ihre Rolle bzw. in das
Gesprächsszenario führten wir mit den Tübinger Studenten und den Probanden an
den externen Gegenstellen wenige Tage vor der jeweiligen VK-Sitzung Gespräche
und gaben ihnen eine Szenariobeschreibung. Außerdem erhielten die Teilnehmer
schriftliche Vorgaben in Form einer allgemeinen Szenario-Beschreibung sowie
stichpunktartiger Anregungen für den Gesprächsinhalt. Diese Vorgaben wurden für
jede VK-Sitzung individuell angepaßt, um sie optimal auf die Teilnehmer
abzustimmen. Zudem waren die Vorgaben für T1 und T2 – also z.B. Interviewer und
Bewerbungskandidat – unterschiedlich, und jeder kannte jeweils nur seine eigenen
Vorgaben.
Den Dolmetschern waren die Gesprächsszenarien nur insoweit bekannt, als dies zur
Vorbereitung des Dolmetscheinsatzes erforderlich und realistisch war. Sie wurden
über darüber informiert, welche Personen an den Gesprächen teilnahmen und
welche Themen voraussichtlich besprochen wurden. Das entspricht der üblichen
Praxis im Rahmen der dolmetschspezifischen Auftragsvorbereitung.
Vor jeder VK-Sitzung erhielten die Dolmetscher und Tübinger Teilnehmer eine kurze
technische Einweisung. Den Dolmetschern wurde insbesondere die Handhabung
des ViKiS-Systems erläutert. Mit den Tübinger Probanden wurde eine kurze (1015minütige), einsprachige Test-VK durchgeführt. Die ausgewählten Teilnehmer an
den externen Gegenstellen verfügen über VK-Erfahrung. Eine technische
Einweisung erübrigt sich deshalb. Allen Teilnehmern wurde das Dolmetschszenario
erläutert.
Zu Beginn jeder VK hatten die Teilnehmer und Dolmetscher in einer
Einrichtungsphase Gelegenheit, sich direkt miteinander über die VK-Leitung
miteinander zu unterhalten, damit insbesondere der Dolmetscher Lautstärke und Ton
optimal einstellen konnte. In einigen Fällen trafen die Dolmetscher die Tübinger
Teilnehmer auch schon vorher persönlich und nutzten dieses kurze, nicht geplante
Zusammentreffen stets sofort zu einer möglichst intensiven Unterhaltung, um sich an
den Teilnehmer zu gewöhnen.
2.3 Die Datenerfassung und –aufbereitung
In den Begleituntersuchungen ging es vorrangig um die Prozesse der Interaktion,
des Verstehens und Produzierens beim VK-Dolmetschen bzw. der VKKommunikation. Eine wichtige Rolle für die Analyse der Prozesse spielen natürlich
die durch Beobachtung bzw. Aufzeichnung des VK-Geschehens gewonnenen Daten
(Primärdaten) selbst.
Deshalb fertigten wir von jeder VK-Sitzung an allen VK-Standorten, an denen das
möglich war, Aufzeichnungen an. Im wesentlichen gelang dies am Dolmetschplatz
und an den Tübinger Teilnehmerplätzen. In einigen Fällen konnten die Konferenzen
auch an externen Teilnehmerplätzen aufgenommen werden. Am Dolmetschplatz
18
wurden mehrspurige Tonaufnahmen angefertigt, um später die für die Analyse des
Simultandolmetschens geeigneten Daten zur Verfügung zu haben.
So wichtig die Aufzeichnungen auch sind, ist es schwierig, allein aus diesen Daten
genaue Aufschlüsse z.B. über die Ursachen von Problemen zu gewinnen. Deshalb
sahen wir es als sinnvoll an, im Rahmen der Betreuung und Begleitung der
Konferenzen, unterstützendes Datenmaterial (Sekundärdaten) zu erheben. Die
durchgeführten Konferenzen ließen dies zumindest für die Teilnehmer an den
Tübinger Plätzen und die Dolmetscher zu. Von ihnen wurden die folgenden
Sekundärdaten erhoben:
Vor der VK führten wir mit den Tübinger Gesprächsteilnehmern eine kurze VorabBefragung durch, in der wir sie zu ihren VK- und Dolmetsch-Erfahrungen, ihren
Erwartungen und ihrem Befinden befragten.
Außerdem nahmen die Versuchsleiter zur Beobachtung an jeder VK teil. Sie
verfolgten die VK an dem Tübinger Teilnehmerplatz (bzw. an einem der Tübinger
Teilnehmerplätze) und/oder am Dolmetschplatz. An dem Teilnehmerplatz stellten wir
dazu an einer geeigneten Position ein zusätzlicher Bildschirm auf, der das gleiche
Bild zeigte, das auch der Teilnehmer empfing. So konnte vermieden werden, daß die
Versuchsleiter dem Probanden direkt über die Schulter schauen mußten. Am
Dolmetschplatz konnten die Versuchsleiter das Geschehen über das zweite Headset
mitverfolgen. Die Versuchsleiter machten sich Notizen zum Verlauf der VK.
Im Anschluß an jede VK wurden ausführliche Kommentarsitzungen mit den
Tübinger Beteiligten (Teilnehmer und Dolmetscher) durchgeführt. In der ersten
Untersuchungsreihe wurden diese Kommentarsitzungen mit dem Dolmetscher und
dem Teilnehmer separat durchgeführt. In der zweiten Untersuchungsreihe wurde
eine Gruppensitzung mit allen Teilnehmern und dem Dolmetscher abgehalten. Die
Sitzungen wurden jeweils von einem der Versuchsleiter durchgeführt. Die Probanden
wurden zuerst gebeten, spontan ihre Eindrücke zu schildern. Anschließend wurde
ihnen die Aufzeichnung von ihrem eigenen Platz vorgespielt. Sie sollten dazu
möglichst alles kommentieren, an das sie sich erinnern konnten. Die Versuchsleiter
stellen unterstützende Fragen. Die Kommentarsitzungen wurden aufgezeichnet.
Sowohl von den VK-Aufzeichnungen an den verschiedenen Plätzen als auch von
den Aufzeichnungen der Kommentarsitzungen wurden vollständige Transkripte
angefertigt. Die Daten aus der Vorab-Befragung der Teilnehmer wurden von den
Versuchsleitern jeweils in Fragebögen festgehalten.
Die Primärdaten wurden nach den Prinzipien und Methoden der
Konversationsanalyse ausgewertet. Außerdem stützten wir uns auf Kriterien, die
üblicherweise für die Evaluation von Dolmetschleistungen herangezogen werden.
Aus den Kommentarsitzungen extrahierten wir relevante Aussagen der Probanden
nach einem zuvor aufgestellten Raster. So konnten Befunde aus den Primärdaten
mit Hilfe der Kommentardaten überprüft werden und umgekehrt.
19
2.4 Bewertung der Daten
In bezug auf die Gesprächsteilnehmer stellt sich in den experimentellen
Videokonferenzen und insbesondere in den Konferenzen, die auf einem Rollenspiel
basieren, zunächst die Frage nach der Authentizität des VK-Gesprächs.
In den meisten Gesprächen wurde die Authentizität von den Tübinger Teilnehmern
als äußerst hoch eingestuft. Das jeweilige Bewerbungsszenario war, wie bereits
erwähnt, gut auf die einzelnen Probanden abgestimmt. Einige der Tübinger
Studenten hatten erst kurz vor der VK an tatsächlichen Bewerbungsgesprächen
teilgenommen.
Auch
an
das
Einholen
von
Informationen
zum
Auslandsstudienaufenthalt konnten sich die teilnehmenden Studenten noch gut
erinnern. Die Kommentare reichten von "nicht unrealistisch, aber anders" über
"ziemlich nah dran" bis zu "vollkommen realistisch".
Für die Dolmetscher stellte sich das Problem der Authentizität nicht in dieser Weise.
Ihre Vorbereitung bzw. Vorab-Information war so, wie für Dolmetscher üblich.
Während des Gesprächs war es für sie unbedeutend, ob das Gesagte den
Tatsachen oder einem Rollenspiel entsprungen war. Jedes Gespräch verlief auf
seine eigene Weise, da die Teilnehmerkombination in jeder Konferenz eine andere
war und die Inhalte ja nicht bis ins Detail vorgegeben waren.
Lediglich in einer VK-Sitzung geschah es zufällig, daß sich die Teilnehmerin in der
Rolle der Auskunftgebenden an einer Universität und einer der Studenten an der
Gegenseite untereinander kannten (ohne das dies dem Versuchsleiter bewußt war)
und auch über die VK-Leitung vor dem eigentlichen VK-Gespräch ausführlich
darüber redeten, weil sie selbst überrascht waren, sich auf diese Weise
wiederzusehen. Diese VK hatte einiges an Authentizität eingebüßt, und auch der
Dolmetscher nahm sich kleinere "Freiheiten" heraus. In allen anderen Konferenzen
waren die Dolmetscher bemüht, die bestmögliche Leistung zu erbringen und so
professionell wie möglich zu agieren.
Als "Kontrollmöglichkeit" für die Authentizität konnte auf die Aufzeichnungen
authentischer Konferenzen zurückgegriffen werden. Damit war es den
Versuchsleitern im wesentlichen möglich, auch unabhängig von den Aussagen der
Probanden zu beurteilen, ob ein bestimmtes Problem auf mangelnde Authentizität
des Szenarios oder tatsächlich auf die VK-Dolmetsch-Situation zurückzuführen war.
Ein eher methodisches Problem besteht bezüglich der nach den Videokonferenzen
abgehaltenen Kommentarsitzungen. Hier handelt es sich um eine spezielle Form der
Methode des Lauten Denkens. Dabei verbalisiert der Proband in der Regel, während
er eine zu untersuchende Tätigkeit ausführt, alles, was ihm während zu dieser
Tätigkeit gerade durch den Kopf geht. Es ist klar, daß diese Parallelität von
Ausführung der Tätigkeit und Verbalisierung der Gedanken dazu in der VK nicht
möglich ist. Somit konnten Gedanken der Probanden erst beim nachträglichen
Anhören des Mitschnittes festgehalten werden.
20
Bei einer solchen retrospektiven Verbalisierung der Gedanken besteht immer die
Gefahr, daß sich die gewünschten spontanen Reaktionen der Versuchsteilnehmer
mit unerwünschten, aber sich zwangsläufig einstellenden Interpretationen der Daten
bzw. Tätigkeiten vermischen, so daß es zu Verzerrungen kommen kann. Bei
entsprechendem Umgang mit den Kommentaren geben diese aber wichtige
Aufschlüsse über die untersuchten Prozesse und bieten Informationen, die sich allein
aus den Primärdaten nicht erschließen lassen. Zu diesem Schluß kommt auch Krings
(1986). Er weist darauf hin, daß diese bei entsprechend behutsamer Auswertung und
nach Maßgabe eines zugrunde gelegten theoretischen Modells eine wertvolle
Datenquelle darstellen (vgl. Krings 1986: 63-69).
Um die Verläßlichkeit der Aussagen der Versuchspersonen in den
Kommentarsitzungen zu prüfen, stellten die Versuchsleiter ihnen während der
Sitzungen unauffällige "Kontrollfragen". Durch die Antworten konnten einige
Aussagen bestätigt werden. Andere wurden relativiert bzw. blieben wegen ihrer
offensichtlichen Unzuverlässigkeit in der Analyse unbeachtet. Außerdem wurden die
Kommentare in enger Verbindung mit den vorliegenden VK-Aufzeichnungen selbst
analysiert.
21
3 VK-Dolmetschen aus Teilnehmersicht
Zwischen
der
teilnehmerseitigen
Wahrnehmung
der
gedolmetschten
Videokonferenzen durch die Gesprächsteilnehmer und den dolmetscherseitigen
Merkmalen, Bedingungen und Problemen des VK-Dolmetschens besteht ein enger
Zusammenhang. So geben die Kommunikationsprobleme bzw. deren Bewertung
durch die Teilnehmer indirekt ebenso wichtige Aufschlüsse über das VKDolmetschen wie die Betrachtung und Beurteilung der Daten aus Dolmetschersicht
(Kap. 4).
Aufgrund der fehlenden Erfahrung mit gedolmetschten Videokonferenzen hatten die
meisten der befragten Teilnehmer kaum konkrete Erwartungen bezüglich ihres VKGesprächs. Die wenigen von ihnen, die bereits an einsprachigen VK-Sitzungen
teilgenommen hatten, zeigten sich allerdings in der Mehrzahl positiv überrascht.
Diese Bewertung ist angesichts der Kommunikationsprobleme, die während der VKSitzungen auftraten, bemerkenswert und weist ihnen auch ihren Stellenwert zu.
Die Kommunikationsschwierigkeiten zeigten sich einerseits in einzelnen Problemen
des Verstehens und Produzierens von Äußerungen in der VK und andererseits in
globalen Problemen der Interaktion wie dem Herstellen eines Bezugs zum
Gesprächspartner und der Organisation des Sprecherwechsels. Für viele der
Kommunikationsschwierigkeiten waren zumindest ansatzweise Lösgungsstrategien
erkennbar. Dies ist gerade angesichts der noch fehlenden Erfahrung der
Gesprächsteilnehmer im Umgang mit gedolmetschten Videokonferenzen ein
ermutigendes Signal.
3.1 Verstehen und Produzieren
An verschiedenen, in den Kommentarsitzungen immer wiederkehrenden Aussagen
der Teilnehmer wird deutlich, daß sie den Bezug zu ihren Gesprächspartnern oft als
unzureichend empfanden. Zumindest war der Bezug ihrer Einschätzung nach
schwächer als in einem direkten Gespräch. Die schlug sich in erster Linie in
Besonderheiten der Äußerungsproduktion nieder. So zeigt sich in vielen Äußerungen
ein Hang zum Monologisieren sowie eine erhöhte Redundanz. Die so entstehenden
Gesprächsbeiträge sind gekennzeichnet durch eine schwache Strukturierung und
inhaltliche Unstimmigkeiten, die bemerkenswerterweise aber nicht immer auch
Verstehensprobleme nach sich zogen. Einige der Unstimmigkeiten blieben
unbemerkt, und insgesamt hatten die Teilnehmer das Gefühl, ihren
Gesprächspartner verstanden zu haben.
3.1.1 Monologisierungstendenzen
Ein Hang zum Monologisieren war vor allem bei denjenigen Gesprächsteilnehmern
erkennbar, die an ihrem VK-Platz allein waren. Dabei geht es nicht einfach um lange
Gesprächsbeiträge, sondern um Beiträge, die durch ständiges spontanes
22
Hinzufügen und Wiederholen von Informationen in die Länge gezogen wurden. Bei
einem größeren Teilnehmerkreis, d.h. in den Konferenzen mit zwei bis drei
Teilnehmern am gleichen VK-Platz, war diese Tendenz nicht zu beobachten. Auch in
einsprachigen Konferenzen war uns ein solches Verhalten nicht aufgefallen.
Der amerikanische Student Jay, der in der Rolle eines Bewerbungskandidaten mit
der Personalchefin einer Firma ein Gespräch führte, das man insgesamt als äußerst
erfolgreich bezeichnen kann, produzierte viele lang gezogene Beiträge, weil er
stellenweise das Gefühl hatte, nur mit sich selbst zu reden: "I kind of felt like I was
talking to myself at times ... I wasn’t that intimidated because she wasn’t there in front
of me and there was a middle man translating what I was saying, therefore, there
wasn’t so much pressure put on me and what I was saying." (5b/65). "[...] I just kept
talking and rambling, because she wasn’t in front of me ... (5b/103f).
Bei Jay äußerte sich der fehlende Bezug zur Interviewerin so, daß er weniger Druck
als in einem direkten (Bewerbungsgespräch) verspürte und "unbeschwerter" redete.
Dadurch entstanden für eine Bewerbungssituation unangemessene Äußerungen.
Auch die Sprachtrainerin Lucy redete in ihrem "Bewerbungsgespräch" mehr als sie
wollte. Dadurch wurden ihre Redebeiträge – wie auch die anderer Teilnehmer –
planlos, sie sagte gelegentlich Unüberlegtes (Beispiel 2) und verstrickte sich dadurch
in Situationen, die für eine Job-Kandidatin unvorteilhaft wirken.
Beispiel 2 (6b, T2-Platz)
T1:
Gut, können Sie mir sagen was =
D:
= Well, (2) are you having fun in teaching and eh are
you orientating both towards children and adults?
2
T2:
Ehm. Yes, I, I at the moment eh I teach only one child, but I really enjoy that still. Eh,
But most of all I’m interested in teaching adults. (3) I wanted to try teaching children, I
did that, and it was very nice, but I don’t think that’s really where my future lies.
(7)
3
T1:
Eh und warum? =
1
D:
4
T2:
= Why is it more interesting to work with adults?
Ehm. Well, I found the Business English area very interesting, ehm I’m interested to find
out more about business, find out more about different companies, automobile industry
has really interested me and obviously that’s not possible when you’re teaching children, eh I found it a little bit limiting. Ehm teaching general English to children.
(7)
T2 (Lucy) kommentierte diese Passage wie folgt: "I don’t think I would have got myself in that situation because as soon as you say ‘I enjoy that more than that’ ... you
always get straight back ’Why?'. And you just try and not to get yourself into that situation because whatever reason you say is going to be weak. ... I think I would have
been a bot more careful if the person had been in front of me then. I was trying to
keep talking but I could have just shut up at that point. ... I said a bit more than I
should have." (6b/37f).
23
Beim Anhören der VK-Aufzeichnung war Lucy noch mehrere Male erstaunt über das,
was sie selbst gesagt hatte. An einer Stelle, an der es um ihre Zeitaufteilung bei
ganztätigen Trainings ging, erklärte sie, vormittags mache sie "grammar intensive
work, just tackling individual’s problems, without wasting time, well not wasting time,
but spending time on other students’ problems [...]" (6b/24). In der Kommentarsitzung
konnte sie kaum glauben, beinahe die Formulierung "wasting time on other students"
(Zeit mit anderen Lernern verschwenden) gebraucht zu haben.
Derartige "Ausrutscher" und Lucy's Reaktion darauf (Erstaunen über die eigenen
Äußerungen) deuten auf die erhöhte Belastung der Teilnehmer hin – ob durch VK,
Verdolmetschung oder Bewerbungssituation. Die gesamte kommunikative Situation
erforderte erhöhte Konzentration beim Sprechen und hatte qualitative Mängel,
insbesondere Strukturmängel und Redundanz in den Geprächsbeiträgen zur Folge.
3.1.2 Redundanz
Der erwähnte unzureichende Bezug zum Gesprächspartner äußerte sich auch in
einer ständigen Unsicherheit der Teilnehmer darüber, wie ihre eigenen Äußerungen
vom Gesprächspartner aufgenommen wurden. Sie fühlten sich unverstanden bzw.
zweifelten, ob ihre Äußerungen vom Gesprächspartner richtig (d.h. so wie
beabsichtigt) verstanden wurden – und das, obwohl sie selbst kaum oder keine
Verstehensprobleme hatten (vgl. 3.1.4) und daraus den Schluß hätten ziehen
können, daß es dem Gesprächspartner ebenso geht.
Der latenten Unsicherheit versuchten sie durch erhöhte Redundanz in ihren
Äußerungen zu begegnen, die bei weitem das Maß an Wiederholung überstieg, das
man aus direkten Gesprächssituationen kennt und das ein Merkmal aller mündlicher
Rede ist. "It’s sort of taking a chance having someone else saying my words for me
but that’s why I tried to be clear and tried to -- like I never completely finished a sentence, I was always adding things on because I wanted to be clear and make sure
that I got everything in." (5a/81).
Die Teilnehmer waren bei ihren Äußerungen also wenig auf Sprachökonomie
bedacht, sondern wollten vielmehr der von ihnen empfundenen Notwendigkeit des
Insistierens Rechnung tragen, damit ihre Äußerungen trotz der situativen und
namentlich technischen "Barrieren" und trotz Verdolmetschung zum Gegenüber
durchdringen.
Das Problem der hier zu beobachtenden, spontanen Redundanz ist allerdings, daß
sie ebenso wie die beschriebenen Monologisierungstendenzen zu strukturellen
Mängeln in den Gesprächsbeiträgen führt.
3.1.3 Strukturelle Schwächen
Die strukturellen Mängel in den Äußerungen forderten den Zuhörern erhöhte
Konzentration ab. Zumindest einige Teilnehmer fanden die VK-Sitzung deshalb
anstrengender als ein persönliches Gespräch.
24
Außerdem entstand bei einigen Teilnehmern aufgrund struktureller Mängel das
Gefühl, daß ihre Gesprächspartner das Thema häufig abrupt wechselten: "It just
went straight back on to the next question. I did feel as if it was kind of jumping from
point to point. [...] I found it a bit kind of abrupt in many ways, I suppose." (2a/208f).
Teilweise mag dieser Eindruck durch den speziellen Stil der Interviewer in den
Bewerbungsgesprächen entstanden sein. Einige hatten offenbar eine Art Checkliste,
die sie abarbeiteten; und bei der Konzentration, die natürlich auch sie (als Sprecher)
angesichts der VK-Situation aufwenden mußten, kann der Übergang von einem
Thema zum nächsten auf der Liste schon einmal abrupt geraten sein. Häufiger
entging aber den Teilnehmern die eine oder andere Einzelheit oder Wendung im
Gespräch einfach, und sie hatten daher einfach nur das Gefühl, es fände ein
abrupter Themenwechsel statt.
Als Teilnehmer konnte man Unzulänglichkeiten in einer Äußerung natürlich nur über
die Verdolmetschung wahrnehmen. Daß sie trotzdem wahrgenommen wurden, sagt
etwas über die Verdolmetschung aus. Inwiefern die Verdolmetschung den Eindruck
planloser Rede, mangelnden Sinnzusammenhangs oder abrupter Themenwechsel
beeinflußte oder gar verstärkte, wird in Kap. 4 genauer hinterfragt.
3.1.4 Inhaltliche Mängel
Die Teilnehmer gaben allesamt an, keine oder höchstens unmaßgebliche inhaltliche
Verstehensprobleme gehabt zu haben; die akustische Qualität der VK-Sitzungen
spielte für sie gar keine Rolle. Probleme mit der Tonqualität wurden auch in den
Interview-Sitzungen von den Teilnehmern gar nicht thematisiert. Auf Nachfrage der
Versuchsleiter gaben die Teilnehmer an, akustisch alles verstanden zu haben.
Beides ist bemerkenswert: das problemlose akustische Verstehen, weil es im
krassen Gegensatz zu den akustischen Problemen der Dolmetscher steht; das
problemlose inhaltliche Verstehen, weil die Transkripte zeigen, daß sowohl die
Originalbeiträge als auch die Verdolmetschungen eine Reihe von Unstimmigkeiten
bzw. Fehlern enthielten, auch in Gesprächen, die scheinbar reibungslos verliefen.
Einige der inhaltlichen Unstimmigkeiten blieben von den Empfängern einfach
unbemerkt und erzeugten somit kein Verstehensproblem. So wurde z.B. Lucys
Aussage "I feel I can always adapt my teaching methods" vom Dolmetscher
(akustisch) falsch verstanden als "I ... doubt my teaching methods" und demzufolge
mit "Ich habe Zweifel an meinen Lehrmethoden" übersetzt. Doch diese für ein
Bewerbungsgespräch recht ungewöhnliche Aussage der Bewerberin Lucy löste
keine Reaktion (Nachfrage o.ä.) bei der Interviewerin aus. Man kann davon
ausgehen, daß der die Interviewerin diese Aussage entgangen ist.
Für die Stellen, an denen die Teilnehmer die Unstimmigkeiten in den Erwiderungen
ihrer Gesprächspartner wahrnahmen, ist der Umgang damit interessant. Aus den
Kommentaren der Tübinger Probanden geht hervor, daß sie sehr genau abwogen,
ob sie mit einer Nachfrage Klärung einholen (Beispiel 3) oder nicht (Beispiel 4).
25
Beispiel 3 (4a, T2-Platz)
1
T2:
Ja, Ich würde gerne zu Beginn des Semesters einen Einstufungstest machen, ... und
ich würde sehr gerne die Leute einteilen in zwei Gruppen. [...]
2
D:
Ja, ich wollte trotzdem noch was zu diesen Leistungsniveaus sagen, es gibt ja schon in
der Schule Tests, sie müssen die Leute also nicht nochmal testen, nur wenn es Ihnen
jetzt wirklich darum geht zu wissen, in Ihrer schwachen und Ihrer stärkeren Gruppe, wie
die Leute sich genau auskennen ... Aber Sie müssen eigentlich keine Niveaugruppen
bilden im eigentlichen Sinne, weil diese Tests vorher schon durchgeführt werden, und
Sie haben ja schon eine stärkere und eine schwächere Gruppe ...
3
T2:
Ja, kann ich dann diese Tests... =
4
D:
5
T2:
Ah ja, kann ich diese Tests dann vorher einsehen, daß ich ein bißchen weiß, was da
vorhanden ist an Wissen?
6
T1:
D’accord, je... =
= Aber es gibt keine Niveaugruppen.
D:
7
T2:
= Ja, ich kann Ihnen die natürlich zuschicken, die Tests. ...
Ja gut, könnte ich das dann ..., ist da dann das Prinzip mit den zwei Gruppen, sind Sie
damit einverstanden, oder möchten Sie, daß ich ... soll ich sie nicht aufteilen?
Der Kommentar von Beate (T2) zu diesem Ausschnitt ist sehr aufschlußreich: "Gut,
da mußte ich jetzt wirklich nochmal nachfragen, weil ich mir dann auch nicht mehr
sicher war, nachdem sie das, sie hat zu mir gesagt, es ist okay mit der stärkeren und
schwächeren Gruppe, und dann hat sie mir erzählt, daß sie Einstufungstests haben
[Turn 2], und dann hat sie mir erzählt, daß es keine Niveaugruppen gibt [Turn 4], und
dann war ich ein bißchen am schwimmen. Deshalb wollt ich das jetzt einfach
nochmal klären, also da war ich mir nicht sicher, ob wir uns jetzt falsch verstanden
hatten oder ob das jetzt einfach .... Deswegen mußt ich nochmal, was eigentlich
schon ewig lang abgehakt war, nochmal irgenwie hochgraben." (4a/79)
Die Aussagen (2) und (4) standen hier in einem so offensichtlichen Widerspruch
zueinander, daß Beate eine Klärung benötigte. Ihr Kommentar macht allerdings
deutlich, daß sie um die Schwierigkeit des Nachfragens (via Dolmetscher) wußte. Ihr
war klar, daß dies das Gespräch in seiner Entwicklung aufhalten bzw. zurückwerfen
könnte. Wohl aus ähnlichen Überlegungen heraus entschied sich Sibyl im folgenden
Beispiel gegen eine Nachfrage.
Beispiel 4 (4b, T2-Platz)
1
T2:
... Im Grammatikbereich, wenn man den reinen Grammatikbereich hat, ist es natürlich
schwer, alle Möglichkeiten, die einem der Computer, das computergestützte Lernen
bieten, daß man die auch alle verwendet und benutzt. Grade Hörübungen und
Sprechübungen sind eben etwas schwieriger. Das heißt, da kann man viele Funktionen
gar nicht so nutzen.
2
T1:
Vous pensez =
D:
= Dann denken Sie also, daß der Computer sehr, sehr viele
Möglichkeiten an sich bietet, vor allem im grammatikalischen Bereich?
T2:
Nicht vor allem, nein, aber er bietet eine ganze Menge Möglichkeiten auch den Leuten,
die anfangen, eine Sprache zu lernen ...
3
26
Sibyl beschrieb diese Situation wie folgt: "Das war ein Moment, wo ich dachte, oje,
sie [die Dolmetscherin] muß es irgendwie falsch übersetzt haben. Denn das ist
eigentlich genau das Gegenteil von dem, was ich gesagt hab. Ich hab gesagt, daß
das gerade im Bereich der Grammatik eingeschränkt ist, und sie sagt, das bietet also
gerade im grammatikalischen Bereich Möglichkeiten. Da war ich dann so einen
kurzen Moment am Schwanken, was mach ich jetzt, sag ich jetzt 'nein, das haben
Sie falsch verstanden, ich meinte das so und so', oder sag ich einfach, 'sei's drum,
laß laufen, mach weiter'. Ich hab mich dann für das zweite entschieden, glaub ich."
(4b/74)
Diese Beispiele belegen, daß die Teilnehmer strategisch entschieden, ob die Klärung
von Mißverständnissen für den Fortgang des Gesprächs notwendig ist. Außerdem
zeigen die Beispiele, daß die Teilnehmer auch darüber nachdachten, ob eine
Unklarheit vom Gesprächspartner oder vom Dolmetscher erzeugt wurde. Dabei geht
es nicht darum, ob die Teilnehmer die Fehlerquelle "korrekt" bestimmen konnten.
Das ist in den beiden Beispielen ohne Kenntnis aller Redebeiträge (Original und
Verdolmetschung) gar nicht möglich. Vielmehr ist es wichtig festzuhalten, daß die
Teilnehmer keinesfalls alle Unstimmigkeiten automatisch dem Dolmetscher
anrechneten.
3.2 Interaktion
Eine gedolmetschte VK ist für die Gesprächsteilnehmer von "Distanz" und
gelegentlich schleppendem Tempo geprägt. Sie müssen sich über eine Mittlerperson
verständigen; durch die Verdolmetschung ist die inhaltliche Verständigung etwas
mühselig. Daneben gestaltet sich aber auch der Sprecherwechsel komplexer und
verlangsamt sich. Da ist es dann besonders hinderlich, daß die verschiedenen
(verbalen und nonverbalen) Feedback-Signale, mit denen wir normalerweise den
Sprecherwechsel organisieren, aber auch die Verstehensprozesse kontrollieren und
die Äußerungsproduktion steuern, aufgrund der räumlichen Trennung,
Ausschnitthaftigkeit der Bildübertragung und zeitverzögerten Tonübertragung nicht
oder nur unzureichend zur Wirkung gelangen. Das Fehlen dieser Signale vermittelt
den VK-Teilnehmern den Eindruck eines unzureichenden Rezipientenbezugs, der,
wie beschrieben, wiederum weitreichende Konsequenzen für Verstehen und
Produzieren hat.
3.2.1 Schleppendes Tempo beim Sprecherwechsel
Aufgrund
der
gewählten
Gesprächsszenarien
(Bewerbungsbzw.
Informationsgespräche), hatten wir vermutet, daß die mit den Szenarien verbundene
Verteilung der Rollen in "Fragende" und "Antwortende" den Sprecherwechsel etwas
vereinfachen würde. Es zeigte sich jedoch schnell, daß sich die Gespräche
komplexer gestalteten, als die Szenarien auf den ersten Blick vermuten ließen.
Oft wurden gar keine Fragen formuliert, sondern es reihte sich Aussage an Aussage,
oder längere beschreibende Teile gingen einer Frage voraus. Beate kommentierte es
27
so: "Ja gut, da war's dann auch so, daß sie [T1] sehr viel beschrieben hat. Und ich
fand nicht recht den Punkt, 'ne Frage zu stellen oder 'ne Antwort zu geben. Und sie
hat mir auch nicht direkt 'ne Frage gestellt. Es war eben so ein Gespräch, wo man
normalerweise einfach unterbricht und was dazu sagt. Und nicht eben so Frage –
Antwort." (4a/35). Somit ging es in den Gesprächen ebenso "spontan" zu wie in
Gesprächen ohne feste Rollenverteilung.
Die Besonderheit am Sprecherwechsel bestand in der mehrfachen Verzögerung in
bezug auf den Empfang des Dolmetschtons, denn zu der VK-typischen
Übertragungsverzögerung kam der Abstand hinzu, den der Simultandolmetscher
zum Originalredner benötigt: Zunächst setzt die Verdolmetschung beim
Simultandolmetschen immer erst mit einer gewissen Verzögerung ein; durch diesen
notwendigen Abstand endet der Dolmetscher auch sehr häufig nach dem gerade
verdolmetschten Teilnehmer. In den Videokonferenzen war dieser Abstand oft sogar
noch größer als normalerweise beim Simultandolmetschen. An den Teilnehmerseiten
äußerte sich das in schleppendem Tempo mit langen Wartezeiten auf eine
Erwiderung, die nicht selten 10 Sekunden und mehr betrugen (Beispiel 5).
Beispiel 5 (8a): Wartezeiten in der gedolmetschten VK
Zeit (s)
T2-Platz
D-Platz
T2: Und wie sieht es aus mit Kran1,5
3,0
4,5
T2: Und wie sieht es aus mit KranT2: kenversicherung, sind wir da
T2: irgendwie abgesichert als auslänT2: dische Studenten in England?
7,5
9,0
10,5
12,0
13,5
15,0
16,5
19,5
21,0
22,5
24,0
25,5
27,0
28,5
30,0
1
T2: kenversicherung, sind wir da
6,0
18,0
T1-Platz
7
D:
In
--- Groß-
D:
--- britannien ---
D: ---
haben die
D: meisten Studenten private
D: Versicherungen – ODER
D:
SIE
D:
"National
D: Service".
sind
im
Health
Das
2
T2: irgendwie
abgesichert als auslän3
D:
Ehm,
what
D:
Ehm,
what
T2: dische Studenten in England?
D: about our health insurance D: about our health insurance D: ehm do-do we get the same
D: ehm do-do we get the same
D: health insurance as students in
D: health insurance as students in
D: England?
4
D: England?
5
T1: Well, the bizarre thing about
T1: Well, the bizarre thing about
T1: Britain is most students, in
T1: Britain is most students, in
T1: fact probably all students
6 probably all students
T1: fact
D:
In
--- GroßT1: don't actually have private
T1: don't actually have private
D:
--- britannien --T1: health care – ehm everyone
T1: health care – ehm everyone
D: --haben die
T1: just uses the National Health
T1: just uses the National Health
D: meisten Studenten private
T1: Service. So it's up to you to
T1: Service. So it's up to you to
D: Versicherungen – ODER
T1: individual foreign students
T1: individual foreign students
D:
SIE
sind
im
T1: to make sure they make
T1: to make sure they make
D:
"National
Health
T1: arrangements for their own
T1: arrangements for their own
D: Service".
Das
T1: health care.
T1: health care.
D: bedeutet, daß also jeder
D: bedeutet, daß also jeder
28
D: Student ehm selbst hier
31,5
D: Student ehm selbst hier
D: Vorkehrungen treffen muß.
D: Vorkehrungen treffen muß.
In Beispiel 5 sind alle drei beteiligten Stellen (Teilnehmer 1, Dolmetscher, Teilnehmer
2) dargestellt. Die erste Äußerung stammte von T2. Nach ca. 6 Sekunden hatte T1
seine Frage beendet und wartete von diesem Zeitpunkt an auf eine Anwort. Diese
erhielt er ca. 11 Sekunden später. Die lange Pause kam folgendermaßen zustande:
1.
vk-bedingte Verzögerung bei Übertragung von T2 zu D: die Äußerung von T2
traf mit ca. 0,4 Sekunden Verzögerung (VK-bedingt) beim Dolmetscher ein.
2.
dolmetschbedingter Abstand: Die Verdolmetschung begann mit ca. 4 Sekunden
Verzögerung.
3.
vk-bedingte Verzögerung bei Übertragung von D zu T1: Wiederum etwas
verzögert war die Verdolmetschung nach insgesamt ca. 5,5 Sekunden bei T1
zu hören.
4.
unmerkliche Pause vor der Antwort: Die Verdolmetschung endete am T1-Platz
nach etwa 10,5 Sekunden. T1 begann ohne merkliche Pause mit der Antwort.
5.
vk-bedingte Verzögerung bei Übertragung von T1 zu D: Die Antwort kam wieder
etwas verzögert beim Dolmetscher an.
6.
dolmetschbedingter Abstand:
Dolmetscher zu sprechen.
7.
vk-bedingte Verzögerung bei Übertragung von D zu T2: Schließlich wird die
Wahrnehmung der Antwort bei T2 dolmetschbedingt noch einmal kurz
verzögert.
Ebenfalls
wieder
verzögert
begann
der
Die Verdolmetschung schließlich kam nach ca. 16,5 Sekunden bei T1 an. Somit
vergingen vom Ende der Frage von T2 bis zum Eintreffen der (verdolmetschten)
Antwort am T2-Platz 11 Sekunden. Einen Eindruck von den Wartezeiten, zu denen
es stellenweise kam, vermittelt auch die folgende Abbildung.
29
Abbildung 3 (Verzögerungen beim Sprecherwechsel)
Abstand T2-D
Reaktion T2-T1
18
Rückmeldung T1-D
16
14
12
Sekunden
10
8
6
4
2
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Gesprächsbeitrag (Turn)
Die Tabelle in Abbildung 3 zeigt zehn aufeinanderfolgende Sprecherwechsel. Die
jeweils linke Säule zeigt an, in welchem Abstand der Dolmetscher nach dem
jeweiligen Sprecher endet. Die Differenz zwischen der linken und der mittleren Säule
zeigt, wieviel Zeit nach dem Ende der Verdolmetschung bis zur Reaktion des
Gesprächspartners vergeht: im Durchschnitt weitere 4s, wobei der extreme Wert von
Turn 2 mit 8s an dieser Stelle auf erhebliche Vorsicht oder Unsicherheit beim
Sprecherwechsel hindeutet. Der Abstand zwischen mittlerer und rechter Säule
veranschaulicht, mit welchem Abstand der Dolmetscher die Antwort des
Gesprächspartners zu verdolmetschen beginnt: Es zeigt sich, daß der jeweils als
Bezugspunkt genommene Teilnehmer im Durchschnitt rund 12s, oft jedoch auch 15s
auf eine hörbare Antwort warten muß und immerhin meist erst nach knapp 9s am
Bildschirm erkennen kann, daß sein Gegenüber zur Reaktion den Mund öffnet. Die
Versuchung, in diese lange Pause hineinzureden und damit den Sprecherwechsel zu
gefährden, war groß.
3.2.2 Nachträge durch Wartezeiten
Die langen Wartezeiten, die man als Teilnehmer zwischen seinen eigenen
Äußerungen und einer Erwiderung des Gesprächspartners, wahrnahm, hatten ein
sehr oft wiederkehrendes Verhaltensmuster zur Folge: Sie verleiteten die Wartenden
häufig dazu, zu ihren (schon beendeten) Gesprächsbeiträgen noch einen Nachtrag
zu produzieren (Beispiel 6).
Beispiel 6 (4a, T2-Platz): Nachtrag
1
T2:
Ich wollte einfach auf der einen Seite prüfen, wie weit das Deutschwissen, Grammatik
und ein paar Vokabeln allgemein vorhanden sind und dann danach schon einteilen,
damit ich die Leute, die recht gut in Deutsch sind direkt für ihre Spezialfachsachen
ausbilden kann und Leute, denen tatsächlich auch noch Deutsch Grundkenntnisse
fehlen, die miterarbeite. --- Ich würde also einfach verschiedene Übungen machen,
die ich dann, die Schwierigkeit unterschiedlich stufen würde.
2
T1:
D’accord, em... =
30
D:
= Ja, ich wollte trotzdem noch was zu diesen Leistungsniveaus sagen
[...]
In Beispiel 6 erkennt man, daß T2 (Beate) im Redebeitrag (1) nach einer Pause noch
etwas hinzufügt. Beate kommentierte diese Stelle anschließend so: "Eigentlich war
ich da zu Ende, und dann setz' ich nochmal 'nen Satz drauf, weil ich irgendwie auf
'ne Entgegnung warte, aber die kann einfach noch nicht kommen." (4a/72).
In einem direkten Gespräch zeigt eine (zu) lange ausbleibende Reaktion des
Gesprächspartners meist an, daß er nichts sagen will. Der Vorredner spricht in
diesen Fällen meist weiter bzw. fügt noch etwas hinzu, z.B. um seine Redeintention
deutlicher oder für den Partner relevanter zu machen. Diese Strategie wurde in den
gedolmetschten VK-Sitzungen oftmals übernommen. Sie ist jedoch unpassend, weil
die langen Pausen, wie beschrieben, hier eine andere Ursache haben.
In Beispiel 6 hatte der Nachtrag keine Auswirkungen, weil die Dolmetscherin die
Pause vor dem Nachtrag in der Verdolmetschung nicht nachvollzog und somit für
den Empfänger gar nicht spürbar war, daß es sich um einen Zusatz zu einem
eigentlich schon abgeschlossenen Beitrag handelte. Im allgemeinen waren die
Nachträge jedoch nicht unproblematisch. Sie kreuzten sich manchmal mit einer
bereits begonnenen Erwiderung, und es entstanden Überlappungen (Beispiel 7).
Beispiel 7 (4a, T2-Platz): Nachtrag
1
T2:
2
T1:
3
T2:
Ja, Ich würde gerne zu Beginn des Semesters einen Einstufungstest machen [...] und
ich würde sehr gerne die Leute einteilen in zwei Gruppen. [...] Wäre das in Ordnung
wenn ich den Kurs so aufteile? --- Ich würde dann versuchen, die Zeit zwischen den
einzelnen Stunden für den jeweiligen Kurs [ zu überbrücken durch Eigen/ /*
[ Alors --- OK, continuez.*
durch Übungen [...]
Hier wurde vor dem Nachtrag eine Frage formuliert. Da dies ein deutliches Signal für
den beabsichtigten Sprecherwechsel ist, begann T1 sofort, etwas zu erwidern. Die
Erwiderung kommt am Platz von T2 (Beate), von dem dieses Beispiel stammt, etwas
zeitverzögert an. Auf den ersten Blick sieht es deshalb so aus, als unterbreche T1
hier die Sprecherin T2 (Beate) mitten im Redefluß. Beate erklärte jedoch
anschließend: "Da hab ich dann den einen Fehler gemacht, daß ich was beschrieben
hab', 'ne Frage gestellt hab und dann aber trotzdem einfach weitergesprochen hab
und sie [T1] ja auch keine Chance hatte. Also eigentlich hätt' ich da ja auch warten
müssen, aber irgendwie hab ich dann, weil ja nicht gleich 'ne Antwort kam, hab ich
dann weitergesprochen, aber praktisch einen halben Satz später gemerkt, daß es
auch Unsinn ist, was ich jetzt mache, weil ich ihr auch nicht die Chance gebe, auf
eine Frage, die ich ganz genau gestellt hab, zu antworten. Aber, da war's schon
vorbei." (4a/46).
Im Verlauf einzelner VK-Sitzungen war zu beobachten, daß die Gesprächsteilnehmer
ihr Kommunikationsverhalten anzupassen versuchten und sich um Vermeidung von
31
Nachträgen bemühten. Beate und andere Versuchsteilnehmer war dies eine Sache
der Gewohnheit: "Da muß an sich wahrscheinlich erst wirklich dran gewöhnen, daß
man wirklich einfach kürzere Sätze oder sich einfach kürzere Dinge überlegt und
dann auch wirklich 'nen Punkt macht." (4a/72).
3.2.3 Überlappende Rede
Überlappende Rede ist in einem direkten Gespräch sehr häufig und wird nicht als
störend empfunden, sondern ist eher ein Mittel für sehr effiziente Kommunikation ist:
Man beginnt schon mit seiner Erwiderung, wenn der Gesprächspartner die letzten
Silben ausspricht. In Videokonferenzen sind Überlappungen dagegen sehr
problematisch, weil sie erstens andere Entstehungsursachen haben und zweitens
von den VK-Partnern wegen der zeitverzögerten Übertragung nicht gemeinsam
erlebt werden.
In den gedolmetschten Konferenzen gab es Überlappungen zwischen dem
Dolmetscher und den Teilnehmern, aber wegen des offenen "Rückkanals" auch
direkt zwischen den Teilnehmern. Zu den Ursachen für überlappende Rede zählten
hier nämlich neben den beschriebenen Nachträgen bzw. den zugehörigen
Verdolmetschungen auch Zwischenbemerkungen der Zuhörer, die über den offenen
"Rückkanal" vom Zuhörer zum Sprecher im Originalton zu hören waren (vgl. Kap.
2.1.3) und wegen der zeitverzögerten Tonübertraung zu spät an der Gegenstelle
eintrafen und deshalb dort oft mitten in eine Äußerung "hineinplatzten". Schließlich
entstanden Überlappungen durch versuchte Rederechtübernahmen in ungeschickt
gesetzten oder einfach nur falsch (als Sprecherwechselsignal) interpretierten Pausen
in einem Gesprächsbeitrag bzw. der zugehörigen Verdolmetschung.
Gerade im Fall der Pausen ist es (wie auch in Beispiel 7) so, daß ein
Gesprächsteilnehmer etwas in eine Pause hinein sagt, was aber an der Gegenstelle
erst dann ankommt, wenn dort schon wieder gesprochen wird, so daß die
Überlappung nur einseitig an der Gegenstelle wahrnehmbar ist.
Demzufolge gestaltet sich auch die Auflösung von überlappender Rede sehr
komplex. Die Erfahrungen mit (subjektiv empfundenen) Unterbrechungen und
Überlappungen lösten wiederum bei den Teilnehmern Unsicherheit darüber aus, ob
bzw. wann sie das Wort haben (Beispiel 8).
Beispiel 8 (2a, T2-Platz)
1
D:
[...] how long have you been in Tübingen?
2
T2:
(2) Ehm, --- I only arrived ... =
3
D:
= And, äh, --- how much time --- would you want to
spend, --- äh, for a part-time job?
4
T2:
(1) Ehm, --- I only arrived in Tübingen a couple of weeks ago, --- ehm, I'm going to be
here until the end of February. --- A part-time job would suit me better as I have to study
here as well.
5
D:
(3) Äh, --- let me repeat my --- last question, ehm, that was --- for how long do you want
32
to stay here? /Or/ that means you will be here for --- approximately one semester or a
YEAR?
6
T2:
(1) Ehm, --- I'll be here until the [end of Fe*
7
D:
[And* perhaps (12) O. K., l..., let me --- repeat that.
(2) Are you not staying in Germany --- for --- a very long time?
8
T2:
(2) Ah, I'm [going to be --- here until the end of February* [wird leiser]
9
D:
[Or --- perhaps it* would be a chance for you to get a job in the educational
field, for instance to offer --- private tuition, --- or to --- work --- in some form of institution
ehm --- in a classroom situation.
10
T2:
Right. [...]
Das Beispiel zeigt einen Ausschnitt vom T2-Platz (Tammy). Von der Gegenstelle (T1;
Christof) kommen mehrere Nachträge. Tammy versucht zunächst in (2) und später
auch in (6) als auch in (8) relativ erfolglos, Antworten auf Christofs Fragen zu
plazieren. Jedes Mal wurde sie von Christof (bzw. von der Verdolmetschung!) wieder
unterbrochen, weil er noch weitere Fragen anhing. Auf ihrer Seite entstanden
deshalb zahlreiche Überlappungen. Tammy fühlte sich unterbrochen und war
zunächst verunsichert: "You don't know when to speak"; 2a/5).
Später versuchte sie, den Überlappungen strategisch gegenzusteuern, indem sie
länger wartete, bevor sie etwas sagte: "I got a bit more used to it, but I think it put me
off – the fact, that several times I did start to reply and then got cut off, and I think
that made me actually pause a bit longer ... because I thought 'I don't want this to
keep happening'. I don't know whether it necessarily got any easier. [...] I think you'd
need a couple of conversations with the same people to kind of get used to the way it
works [...] I think, I think there's always going to be various pauses." (2a/283ff).
Insbesondere in den Bewerbungsgesprächen ging es den Tübinger Teilnehmern
(Bewerbungskandidaten) bei ihrem Bemühen um die Vermeidung bzw. Auflösung
überlappender Rede auch um den "guten Eindruck" beim Interviewer. Häufig war z.B.
zu beobachten, daß die Tübinger Teilnehmer, sobald sie vom Interviewer (scheinbar)
unterbrochen wurden, diesem bereitwillig das Wort überließen (Beispiel 9).
Beispiel 9 (6b, T2-Platz): Umgang mit Überlappungen
1
T2:
2
T1:
3
T2:
4
T1:
It varies, and that’s what I like, eh I have one-to-one courses, I also teach quite large
groups, large meaning anything up to ten students. Ehm --- I like -- classes of all sizes
for different reasons. I find [I can *
[Ahm, Und * =
= Yes?
(6) OK. Was ist Ihrer Mei ... =
D:
= (2) What is the most successful method in your opinion? ...
Die Bewerberin T2 (Lucy) gerät hier in (1) ins Stocken. T1 (die Interviewerin) nahm
wohl deshalb an, daß jetzt Lucy nichts mehr sagen wolle und versuchte deshalb in
(2), ihre nächste Frage anbringen. Obwohl dies für Lucy wie eine Unterbrechung
33
mitten in ihrem Satz wirkte und Lucy nicht einmal sicher sein konnte, ob die
Interviewerin lediglich eine kurze Zwischenbemerkung machte oder das Wort
ergreifen wollte, setzte sie mit ihrem "Yes?" in (3) und einer relativ langen Pause –
bis zum Eintreffen von Turn 4 bei Lucy vergingen 6 Sekunden – ein deutliches Signal
für ihre Bereitschaft, der Interviewerin das Rederecht zu überlassen.
Sibyl erklärte dieses Bestreben, damit, daß man denke, "'Oje, dann hab ich dem
Menschen, der mich vielleicht einstellen will, dem zukünftigen Chef reingelabert.' Das
kommt dann noch mit im Kopf dazu. Eine höhergestellte Persönlichkeit unterbrechen.
Das ist ein bißchen theatralisch ausgedrückt, aber das steckt schon mit drin."
(4b/20).
3.2.4 Verlust an Spontaneität
Betrachtet man die langen Wartezeiten zwischen den Gesprächsbeiträgen (vgl. Kap.
3.2.1), ist es eigentlich erstaunlich, wieviel Geduld die Teilnehmer oftmals
aufbrachten bzw. daß überlappende Rede nicht zur Dauererscheinung wurde.
Vielleicht sind Erwägungen wie die von Sibyl (zum Schluß des vorangegangenen
Kapitels) ein Grund dafür, zumindest was die Bewerbungskandidaten betrifft.
Die Kehrseite der davon war allerdings ein zögerliches Reagieren der
Gesprächsteilnehmer, wie in dem bereits zitierten Kommentar von Tammy
beschrieben: "[...] I think it put me off – the fact, that several times I did start to --reply and then got cut off, and I think that made me actually pause a bit longer even -- more than ... because I thought 'I don't want this to keep happening'" (2a/283ff).
Wenn der nicht unterbrochene Sprecher nun redselig veranlagt war oder zumindest
aufgrund der VK-Situation die beschriebenen Monologisierungstendenzen zeigte
(vgl. Kap. 3.1.1), stellte sich beim Zuhörer zuweilen das Gefühl ein, nicht bzw. nicht
an der geeigneten Stelle zu Wort zu kommen. Dadurch gingen einerseits Gedanken
verloren, die sich zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr sinnvoll im Gespräch
unterbringen ließen. Andererseits wurde auch die Korrektur von Mißverständnissen
oder das Nachfragen bei Unklarheiten schwierig.
Hier zeigt sich ein enger Zusammenhang zu einer häufig beobachteten Strategie im
Umgang mit inhaltlichen Unklarheiten: Im Falle von Unklarheiten wogen die
Gesprächsteilnehmer genau ab, ob sich durch Nachfrage Klärung einholen oder, weil
es den Gesprächsfluß zu sehr stören könnte, lieber ohne Klärung fortfahren (vgl.
Kap. 3.1.4). Wie hier lassen sich auch andere Verstehens- und Produktionsprobleme
auf die VK- und dolmetschbedingten Schwierigkeiten mit der Interaktion
zurückführen.
Für die Schwierigkeiten mit der Unterbrechung oder Nachfrage ist ein Stück weit
natürlich die Verdolmetschungssituation verantwortlich beobachten. Auch in den
einsprachigen Videokonferenzen hatten wir dies aber bereits beobachtet. Auch dort
sagten die Teilnehmer immer wieder aus, daß Gedanken verlorengingen, weil man
sie keine Gelegenheit hatten, diese rechtzeitig ins Gespräch einzubringen. Somit
34
kann man davon ausgehen, daß das Gefühl durch die Kombination aus VK-Situation
und Verdolmetschung noch verstärkt wurde.
Insgesamt ist damit ein gewisser Verlust an Spontaneität zu konstatieren, weil man,
wie Beate es formulierte, "nicht einfach kurz unterbrechen kann, nicht sagen kann: 'O
nein, so hab ich's nicht gemeint', weil in dem Moment ja die Dolmetscherin damit
beschäftigt ist – also dann würde mich ja nur die Dolmetscherin hören, ich müßte ihr
sagen, daß sie etwas korrigieren muß, und dann wäre also aus einer einfachen
kurzen Unterbrechung so ein wahnsinniges über drei Leute Hin-und-Hersprechen
kommen. Deswegen hab ich gewartet, bis sie zu Ende geredet hat, und dann erst
verbessert." (4a/29).
3.2.5 Unzureichendes Feedback
Bei den bisher beschriebenen Besonderheiten der VK-Dolmetsch-Situation – Hang
zum Monologisieren, Unsicherheit, ob das Gesagte beim Gesprächspartner
ankommt usw. – wurde immer wieder deutlich, daß es für die Gesprächsteilnehmer
schwierig war, einen Bezug zum Gesprächspartner aufzubauen und
aufrechtzuerhalten bzw. ausreichendes Feedback vom Gesprächspartner zu
bekommen (Hat er mich verstanden? Hört er mir zu? Will er etwas sagen?).
Ein (themenunabhängiger) Bezug der Gesprächspartner zueinander ist wichtig für
den reibungslosen Ablauf jeder kommunikativen Situation. Hierfür ist zum einen die
Bedeutung nonverbaler Signale hervorzuheben. Im direkten Gespräch genügen oft
ein Blick oder eine Handbewegung der Sprecherin, um zu signalisieren, ob sie auf
einen Wechsel hinarbeitet, ob sie noch überlegt, nach einer passenden Formulierung
sucht usw. Ebenso reicht ein entsprechender Gesichtsausdruck des Zuhörers, um
anzuzeigen, ob er das Gesagte verstanden hat, ob er zustimmt und vieles mehr.
In der VK-Situation generell ist die Übertragung bzw. Wahrnehmung dieser Signale
schwierig: Direkter Blickkontakt ist kaum möglich und durch die verzögerte,
ungenaue und ausschnitthafte Bildübertragung geht ein Teil der Gestik und Mimik
verloren oder verfehlt seine Wirkung anderweitig. Hierin lag nach Aussage von Jay
eine der wesentlichen Ursachen für die Unsicherheit und die Tendenz, endlos
weiterzusprechen: "[...] I just kept talking and rambling, because she wasn’t in front of
me ... because I couldn’t see her face. ... By people’s non-verbal feedback you can
read so much and then that was what I had trouble with.(5b/103f).
In den gedolmetschten Konferenzen kam hinzu, daß man zu dem Bild des
Gesprächspartners die Verdolmetschung hörte, d.h. daß das Bild, aus dem ohnehin
nicht alles zu entnehmen war, noch dazu auch nicht zum Ton paßte. Somit war es
auch schwierig, die Gestik und Mimik des Gesprächspartners zu interpretieren.
Wenn nonverbale Signale wegfallen, wie z.B. auch beim Telefonieren, verlassen wir
uns normalerweise verstärkt auf verbale Signale. Die Sprecher verlegen sich auf
beispielsweise auf eine entsprechende Intonation zum Anzeigen eines
35
Sprecherwechsels; die Zuhörer machen Zwischenbemerkungen ("mhm", "aha", "ach
ja?") zur Bekundung von Zustimmung, Ablehnung oder Nichtverstehen.
In der ViKiS-Situation wurden die (wichtigen) Zwischenbemerkungen der Zuhörer
zwar über den offenen "Rückkanal" zum Sprecher übertragen (vgl. Kap. 2.1.3), doch
aus ihnen konnte nur begrenzter Nutzen gezogen werden. Erstens kamen sie im
Originalton (d.h. in der Fremdsprache) an und blieben deshalb weitgehend
unverständlich. Zweitens trafen sie zu spät ein, so daß ihr Bezug nicht immer klar
war. Darüber hinaus muß man auch bedenken, daß eine VK immer geprägt ist von
begleitenden Nebengeräuschen und davon, daß die Teilnehmer sich mehr auf das,
was sie sagen wollen, konzentrieren müssen, als in einem direkten Gespräch. Drang
nun in diese "angespannte" Atmosphäre plötzlich ein akustisch oft nicht genau
definierbares
Geräusch,
konnten
schon
kleine,
normalerweise
klare
Zwischenbemerkungen ihre Wirkung vollkommen verfehlen (Beispiel 10).
Beispiel 10 (8b, T1-Platz): Feedback-Probleme
1
T1:
Okay. You should get there in the week starting the 19th of September (4) because the
week after things really get going, so you should really be there in that week. Okay?
2
T2a:
(4) Mhm.
3
T1:
Right. What you do as you get then, I would recommend is come to us, in the oversea
students’ office.
4
T2a:
(5) Mhm.
5
T1:
O. k? Ehm – you can find us on the main Campus you should be [jemand hustet] --- you
should be sent [ a map* ...
T2b:
T1:
6
T2a:
7
T1:
8
T2a:
D:
[ Okay.*
--- hello? - [ Okay?*
[ Ja?*
Right =
= Ähm - wie sieht es =
= (2) eh – what about - what about a contact person is
there a special contact person for political sciences [...]
In diesem VK-Ausschnitt sprechen zwei Tübinger Studenten (am T2-Platz) zur
Vorbereitung ihres Auslandsstudiums in Birmingham mit einer Mitarbeiterin der
Birmingham University (T1). T1 erklärt den Studenten, wie sie bei ihrer Ankunft in
Birmingham vorgehen sollen. Die Studenten signalisierten in (2) und (4), daß sie den
Äußerungen folgen können und keine Zwischenfragen haben. Die FeedbackKommentare ("Mhm") in (2) und (4) störten am T1-Platz nicht, weil sie dort in den
relativ langen Pausen von T1 eintrafen. Zum Problem wurde dagegen der
Kommentar "Okay" von in (5). Diese Bemerkung kam bei T1 vermutlich mitten in
ihrer Rede an. Sie nahm das "Okay" wohl nur als Geräusch wahr, das sie nicht
genau einordnen konnte. Deshalb prüfte sie einerseits mit "hello", ob die Verbindung
noch gegeben war, und andererseits mit "okay?", ob die Studenten (T2) ihr folgen
konnten. Durch die daran anschließenden Feedback-Kommentare geriet das
36
Gespräch für eine Weile durcheinander. Schließlich ergriff einer der Studenten das
Wort, ohne daß T1 ihre in (5) begonnene Äußerung zu Ende bringen konnte.
Insgesamt reagierten die Teilnehmer recht unterschiedlich auf verbales Feedback
vom Gesprächspartner. Viele nahmen die Äußerungen kaum als FeedbackÄußerungen wahr (Beispiel 11).
Beispiel 11 (Standort: T2)
1
T2:
2
T1:
3
T2:
OK, ehm, yeah, I’ve -- done quite a bit of teaching with that in mind, with my students
then being sent over to America, for example, -- ehm, and a lot of it comes from the students themselves, ehm what they want to know. Eh there are several things that I always have to mention, for example polite language, but also very practical things eh –
the most essential – items, so ‘How do you go shopping’, ‘how do you eh -- buy tickets’ - for the train [and things*
[Ah, ja.*
Is this what you mean?
Hier erläutert T2 (Lucy) etwas und erhält von T2 ein bestätigendes "Ah, ja". Dennoch
vergewissert sie sich in (3), ob ihre Antwort passend war. Lucy's eigener Kommentar
dazu zeigt, daß sie die Äußerung "Ah, ja" nicht einmal als Feedback-Äußerung
wahrgenommen hat. "All I really heard from her [T1] was the ‘Ehm’. The first ‘Ehm’
after I responded and eh that was the same actually all the way through. I couldn’t
really gage what she thought about it." (6b/188).
Sibyl erkannte das Feedback ihres Gesprächspartners als solches, war aber irritiert,
weil ihr der Bezug unklar war, d.h. "weil ich nicht wußte, ob er jetzt wirklich auf das
reagiert, was ich gerade gesagt hab, oder auf was von vorher" (4b/33). Dieser
Kommentar zeugt davon, daß Sibyl die VK-Situation sehr gründlich durchschaut hat.
Andere Teilnehmer waren sich der Auswirkungen technischer Gegebenheiten (z.B.
Verzögerung oder offener Rückkanal) weniger bewußt.
Beate sagte beispielsweise zu ihrem Feedback-Verhalten an einer Stelle, da habe
sie "auch ständig ein 'Ja, ja' gesagt, wo mir erst dann eingefallen ist, das kommt ja
gar nicht drüben an. Aber gut. Sie sieht's wenigstens." (4a/32). Da Beate selbst
gelegentlich Feedback-Kommentare von ihrer Gesprächspartnerin hörte, hätte sie
schlußfolgern können, daß auch ihre Bemerkungen akustisch an der Gegenstelle
ankommen. Andererseits konnte sie mit den Kommentaren ihrer Gesprächspartnerin
überhaupt nichts anfangen (da sie kein einziges Wort Französisch kann) und hat
diese deshalb vollkommen ausgeblendet bzw. lediglich als Geräusch
wahrgenommen.
3.2.6 Gesprächseröffnung und Gesprächsende
Probleme bereitete die Distanz (und ganz konkret die räumliche Trennung)
schließlich auch bei der Gesprächseröffnung und am Gesprächsende. Die Interaktion
zwischen den Teilnehmern war nämlich auch insofern eingeschränkt, als sie lediglich
über den Dolmetschplatz miteinander verbunden waren.
37
Vor den VK-Sitzungen sprachen die Dolmetscher jeweils kurz mit jedem Teilnehmer
einzeln (Einrichtungsphase). Danach entstand manchmal Verwirrung, weil keiner der
Teilnehmer wußte, ob und wann das eigentliche Gespräch beginnen konnte. Sibyl
wußte zu Beginn "überhaupt nicht, spricht der jetzt eigentlich schon mit mir, müßte
ich den Dolmetscher hören, mit wem spricht der jetzt eigentlich. Und das hat wirklich
ein bißchen die Unsicherheit ausgelöst. In dem Moment war ich völlig neben mir."
(4b/22).
In unserem Szenario lösten sich die Probleme allerdings meist schnell, weil die
Rollenverteilung nahelegte, wer das Gespräch eröffnen sollte.
3.3 Wahrnehmung der VK-Verdolmetschung
Man kann den Unterschied des VK-Dolmetschens zum herkömmlichen Dolmetschen
auch an der direkten Reaktion der Gesprächsteilnehmer auf die Verdolmetschung.
Deshalb ist die Wahrnehmung des Dolmetschers bzw. der Dolmetschsituation
innerhalb der gesamten Situation durch die Gesprächsteilnehmer ein für die
Bewertung des ViKiS-Setups entscheidender Aspekt.
Herauszuheben ist hier zunächst das Gefühl der Natürlichkeit, das sich bei den
meisten Teilnehmer in den simultan gedolmetschten Konferenzen trotz räumlicher
Trennung vom Gesprächspartner und anderer für die Kommunikation eher
ungünstiger Begleitumstände der VK-Situation einstellte. Die Teilnehmer hatten das
Gefühl, direkt mit ihrem Gesprächspartner zu reden, und nicht mit dem Dolmetscher.
Lucy erklärte, daß sie den Dolmetscher nach einer Weile gar nicht mehr wahrnahm
("I didn’t even notice him [den Dolmetscher] after a while."; 6b, 10). Jay gab z.B. zu
Protokoll: "I knew I was talking to him [Dolmetscher] but I knew I was talking for her
[T1] ... I certainly wasn’t fixing anything I was saying for Hans’ [Dolmetscher] benefit,
it was more just, I was speaking the way I wanted her to hear me. What I wanted to
appear." (5b/105).
Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied zu den konsekutiv gedolmetschten
Videokonferenzen, von deren Teilnehmer im Anschluß berichteten, daß sie teilweise
glaubten, das Gespräch mit dem Dolmetscher geführt zu haben und daß sie ihren
eigentlichen Gesprächspartner gar nicht richtig wahrgenommen hätten. In den
simultan gedolmetschten Konferenzen (ViKiS-Situation) es dagegen nicht einmal
problematisch, daß in einigen Fällen eine weibliche Teilnehmerin von einem Mann
gedolmetscht wurde bzw. umgekehrt.
Hierin darf kein Widerspruch zu der Aussage der Teilnehmer gesehen werden, daß
sie manchmal den Bezug zum Gesprächspartner verloren und deshalb z.B. viel und
sehr redundant redeten. Es handelt sich um zwei verschiedene Ebenen der
Betrachtung. Die Tatsache, daß die Probanden in den simultan gedolmetschten
Konferenzen einen viel besseren Bezug zum Gesprächspartner hatten als in den
konsekutiv gedolmetschten, sagt etwas über die Eignung der verschiedenen
Dolmetschszenarien für das Dolmetschen in der VK aus. Dies schließt nicht aus, daß
38
die Verständigung in einer VK, und erst recht in einer gedolmetschten VK, natürlich
schwieriger ist als in der direkten Kommunikation (mit und ohne Dolmetscher) und
daß deshalb auch der Bezug zum Gesprächspartner in einer VK generell schwächer
ist als in der direkten Kommunikation.
Bemerkenswert ist, daß die meisten Teilnehmer trotz dieser Probleme und ihrer
Folgen wie Unsicherheit u.a. das Eindruck eines reibungslosen Verlaufs von ihrer
der VK-Sitzung hatten. Für Lucy verlief die VK so reibungslos, daß sie die
Anwesenheit des Dolmetschers regelrecht vergaß und sich vollkommen auf ihre
Gesprächspartnerin konzentrierte: "I think it went an awful lot smoother than I expected. I thought it was going to be very jolty and that you’d sort of forget the question because there would be such a gap and then they’d have to repeat it and you’d
always be speaking over each other. That’s the idea that I had. But I didn’t even notice him [den Dolmetscher] after a while - in a way. I just had this voice - he’s got a
very calm voice - it was really nice just - I don’t know - just how to describe it - it just
goes in and you don’t even notice it. It’s excellent." (6b/10).
Noch beim nachträglichen Anhören des Gesprächs-Mittschnitts von ihrem Platz (an
dem nur sie selbst und der Dolmetscher zu hören sind), hatte sie das Gefühl, sie
höre ihre Gesprächspartnerin statt der Stimme des Dolmetschers. Und das, obwohl
hier ein (männlicher) Dolmetscher für eine Teilnehmerin gedolmetscht hatte.
Auch Beate hatte einen positiven Eindruck von ihrer VK und empfand insbesondere
das für das Simultandolmetschen typische "Zurückbleiben" des Dolmetschers "hinter
der Szene" als angenehm: "Ich hab das Gefühl, wenn jetzt ein Dolmetscher allem
physisch neben mir sitzt, dann wüßte ich jetzt nicht, mit wem ich sprechen soll."
(4a/117).
Auf Nachfrage der Versuchsleiter äußerten die Teilnehmer in den Befragungen
Zufriedenheit mit der Dolmetschleistung. Zu beachten ist dabei, daß die
tatsächliche Leistung der Dolmetscher von einem Teilnehmer kaum beurteilt werden
kann und für diesen Eindruck nicht ausschlaggebend ist. Es handelt sich um einen
positiven Eindruck, den die Gesprächsteilnehmer zu Protokoll gaben und der im
übrigen auch daran deutlich wird, daß die in den VK-Gesprächen aufgetretenen
Verstehensprobleme nicht automatisch den Dolmetschern an. So sagte Sibyl über
eines der Verstehensprobleme: "Sie [die Dolmetscherin] hat ja eigentlich deutlich
gemacht, daß ER [Gesprächspartner] es auch nicht verstanden hat, sonst hätte er ja
nicht nachgefragt. Ich hatte aber auch den Eindruck, daß sie es vielleicht auch nicht
richtig mitgekriegt hat, war aber da nicht so sicher." (4b/44).
Schließlich hatten die Teilnehmer auch inhaltlich einen positiven Eindruck von ihrem
VK-Gespräch. Des gilt sogar für diejenigen, die größere Schwierigkeiten mit der
Interaktion hatten und denen die Situation weniger natürlich vorkam. Zufriedenheit
mit der ausgetauschten Informationsfülle äußerten alle befragten Teilnehmer.
Beate schätze ein, daß "wir für eine Viertelstunde wir relativ viel geklärt haben. Also
für mein Gefühl. Ich fand, ich hatte jetzt 'ne klare Aussage, ab wann ich da sein soll,
was von mir in der ersten Woche erwartet wird ... für mich wäre es auf jeden Fall
39
schon mal 'ne Info, mit der ich mich selber orientieren könnte ..." (4a/107). Auch für
Jay war das Gespräch nicht nur erfolgreich, sondern auch sehr authentisch: "That
was a real interview ... what she needed to get she got and what was to be asked I
was asked." (5b/285).
Angesichts der insgesamt positiven Beurteilung der Gesprächssituation insgesamt,
der Fülle der ausgesuchten Information und der Dolmetschleistung ist es nicht
verwunderlich, daß eine Teilnehmerin auf die Frage, was ihnen in ihrem VKGespräch die größten Schwierigkeiten bereite, weder Aspekte der VK-Situation noch
Merkmale
der
Dolmetschsituation
hervorhob,
sondern
lediglich
das
Bewerbungsszenario: "I don’t think that an interview situation is incredibely relaxed
anyway. But I think that was the only problem." (5a/15f)).
3.4 Zusammenfassung
Zusammenfassend ist zunächst festzuhalten, daß die VK-Situation und die
Dolmetsch-Situation die Distanz zwischen den Gesprächspartnern auf spezifische
und unterschiedliche Weise erhöhen und die Kommunikation insgesamt erschweren.
In einem Kommunikationsszenario wie dem Bewerbungsgespräch tritt dies
besonders klar zutage (und ist deshalb besonders gut zu beobachten), denn in
diesem Szenario wird auch den scheinbar nebensächlichsten Aspekten der
Kommunikation größte Aufmerksamkeit geschenkt.
Ausgelöst vor allem durch Probleme mit der Gesprächsinteraktion, insbesondere
mit der nonverbalen Verständigung, dem Sprecherwechsel und dem Feedback vom
Gesprächspartner, führte der teilweise fehlende Bezug zum Gesprächspartner zu
Produktions- und Verstehensproblemen.
Gerade an schwierigen Stellen in der Kommunikation wurde aber an dem
strategischen Verhalten der Teilnehmer auch deutlich, daß sie von Beginn an
versuchten, mit den Problemen umzugehen, sie zu lösen und sich auf die
kommunikative Situation einzustellen.
Der positive Gesamteindruck der meisten Teilnehmer deutet darauf hin, daß ihnen
das auch weitgehend gelungen ist. Aus Sicht der meisten Teilnehmer hat ihr
Gespräch auch nicht einfach nur "funktioniert", sondern war sogar erfolgreich. Sogar
der Eindruck der auswärtigen Interviewer in den Bewerbungsgesprächen, also der
schwierigsten der hier geschaffenen kommunikativen Situationen, waren von den
(simultan gedolmetschten) Konferenzen immerhin so positiv angetan, daß sie auf
diese Weise zumindest Vorgespräche mit einer Reihe von Bewerbern führen würden,
auch wenn sie das entscheidende Gespräch natürlich lieber unter vier Augen führen
würden.
40
4 Das VK-Dolmetschen aus Dolmetschersicht
In diesem Kapitel sollen die im Laufe der Testreihe erhobenen Daten aus der
Perspektive des Dolmetschers beleuchtet werden. Der Schwerpunkt wird hierbei auf
den folgenden beiden Fragen liegen:

Welche Faktoren beeinflussen die Dolmetschleistung in einer VK-Situation,
insbesondere im Unterschied zur herkömmlichen Simultansituation?

Welche Strategien verwenden bzw. entwickeln die Dolmetscher, um sich an die
Besonderheiten der VK-Situation anzupassen?
Wie bereits im ersten Arbeitsbericht (Kap. 4.2) angedeutet, kommt der Audioqualität
und der räumlichen Trennung eine entscheidende Rolle zu.
4.1 Verstehen und Produzieren: der Dolmetscher als Mittler
Ein wenig überraschendes Ergebnis der Untersuchungen war, daß die unzulängliche
Audioqualität für den Dolmetscher nach wie vor das Hauptproblem des VKDolmetschens darstellt. So zeigte sich bei der Auswertung der Daten immer wieder,
daß die schlechte Audioqualität für den Dolmetschprozeß alles andere als förderlich
war. Zum einen wiesen alle Dolmetscher in den Befragungen auf diesen Umstand
hin; zum anderen bestätigte sich dieser subjektive Eindruck auch bei der Betrachtung
der Daten bzw. Transkripte. Hier waren (neben Fehlern) häufig solche Prozesse und
problemorientierte Strategien zu beobachten (vgl. Kalina 1998b), die auch in anderen
Simultandolmetsch-Situationen ein Indiz dafür sind, daß der Dolmetscher
Schwierigkeiten hat, dem Gesagten zu folgen und gleichzeitig einen adäquaten
Zieltext zu produzieren. Als weiteres Erschwernis kam hinzu, daß der Dolmetscher
hier stärker als in anderen Dolmetschsituationen als Mittler gefordert zu sein schien:
Er mußte nicht nur über die sprachlich-kulturelle Distanz, sondern auch über die
räumlich-soziale Distanz der Teilnehmer hinweg vermittelnd tätig sein.
4.1.1 Reduzierte Simultaneität
Die auffälligste Folge der schlechten Tonqualität war wohl die Reduzierung der
Simultaneität in der Verdolmetschung durch Erhöhung des Abstands zum Sprecher
(Décalage) und/oder eine nachträgliche Präzisierung und Explizitmachung zu
nennen. Eine Erhöhung des Abstandes macht es dem Dolmetscher möglich, den
Inhalt einzelner Teilbeiträge bzw. die Gesamtintention des Sprechers besser
abschätzen zu können, bevor er mit der Verdolmetschung beginnt. Nachteilig wirkt
sich allerdings aus, daß der zeitliche Abstand zwischen Dolmetscher und Sprecher
relativ groß wird, was vom Dolmetscher durch ein erhöhtes Redetempo und ein
eventuelles Nachliefern von Informationen (d.h. etliche Sekunden nachdem der
Sprecher geendet hat) ausgeglichen werden muß. Das folgende Beispiel, in dem
eine zeitgleiche Darstellung der Äußerungen von T2 und des Dolmetschers
41
vorgenommen wurde, soll dies verdeutlichen (das Symbol [] steht für eine stakkatoartige Sprechweise).
Beispiel 12 (2b, D-Platz)
1
T2:
D:
Ehm, -- I think I'd be more interested in, äh – handing out
2
T2:
D:
Tickets at the theatre. - Because – it would help me to speak
Ich glaube, daß äh der Verkauf von Theater-
3
T2:
More German, --- as opposed to just -- sitting at a desk and
D:
Tickets
T2:
Write – reading through English. – And also if the people in
4
D:

wär' für mich doch interessanter,
könnte ich
doch
äh
denn

da
mehr mit den Menschen auf Deutsch
5
T2:
D:
The office speak, ehm,
--speak more English than
Sprechen und müßte
nichtsovielenglischeBücherlesen
6
T2:
D:
German, which I don't know if they do or not, - then - that
Und
7
T2:
D:
Also wouldn't be very useful for my - German. So, I, I'm quite
und nachdem Sie schon sagten, daß
8
T2:
D:
Interested in the theatre job.
Ihre
Mitarbeiter
in der Firma sehr gut Englisch
sprechen, wär' das vielleicht für mich nicht so gut, weil ich ja
Deutsch lernen möchte, und deswegen wäre ich eher an der zweiten
Aufgabe, an dem zweiten Job interessiert [7 Sek. nach Ende T2,
trotz stark erhöhtem Sprechtempo].
In diesem Beispiel fällt auf, daß der Dolmetscher einen überdurchschnittlich hohen
Abstand zu T2 hält, um sich verstärkt auf den Verstehensprozeß konzentrieren zu
können. Verstandene Elemente werden mit zum Teil erhöhter Sprechgeschwindigkeit
"nachgeschoben", was insbesondere für den letzten Teil der Aussage gilt. Aufgrund
der schlechten Tonqualität und der zusätzlich etwas verklausulierten Ausdrucksweise
von T2 war für den Dolmetscher die Rednerintention erst sehr spät erkennbar, so
daß er mit seiner Verdolmetschung ganze 7 Sekunden hinter T2 zurückfällt.
Bezeichnenderweise kommentierte T1 im Anschluß an die VK, daß bei ihm
stellenweise der Eindruck entstanden sei, es habe sich weniger um eine Simultanals vielmehr um eine Konsekutiv-Verdolmetschung gehandelt.
An solchen Stellen gerät der Dolmetscher in einen Zielkonflikt: Durch die
Reduzierung der Simultaneität kann er zwar die Qualität des Zieltextes verbessern,
doch da er mit dem Zieltext wesentlich später fertig ist als der Originalredner, hemmt
diese Strategie den Textfluß, und die großen Pausen, bei den Teilnehmern nicht
zuletzt auch den Abstand des Dolmetschers entstehen zum Originalredner
entstehen, erregen bei den Teilnehmern Unsicherheit (wo bleibt die erwartete
Antwort oder Reaktion?) und verleiten sie dazu, in den Pausen weitere Äußerungen
42
nachzuschieben; Sprecherwechselstörungen sind die Folge (vgl. Kap. 3.2.1, ), die
dann auch dem Dolmetscher Schwierigkeiten bereiteten (vgl. Kap. 4.1.2).
4.1.2 Komprimierung und Auslassung
Um nun beides – die zum Verstehen oft notwendige reduzierte Simultaneität
einerseits und das Bestreben, möglichst wenig hinter dem Originaltext
hinterherzuhängen, andererseits – miteinander in Einklang zu bringen, versuchten
die Dolmetscher an vielen Stellen, den Originaltext in der Verdolmetschung
zusammenzufassen. Komprimierung ist eine beim Simultandolmetschen häufig
angewendete Strategie, bei der der Dolmetscher einzelne ausgangssprachliche
Detailinformationen ausläßt, die für das Gesamtverständnis und den logischen
Aufbau des Zieltextes nicht unbedingt erforderlich sind.
Beispiel 13 (2a, D-Platz)
Original
Verdolmetschung
OK. Hello? --- My name is Tammy. --- I've just
arrived in Tübingen --- a couple of weeks ago --to study at the university. I come from Leicester
University. And I am studying modern languages,
French and Italian. I've just started learning German. --- Ehm, and --- I' m wondering if you could
help me find a job --- so that I can learn a bit
more German and meet some people as well.
Hallo. Mein Name ist Tammy. – Ich bin seit
einigen Wochen hier in Tübingen. Ich komme aus
Leicester University, studiere Französisch und
Italienisch. Habe erst vor kurzem mit Deutsch
angefangen. -- Und vielleicht könnten Sie mir
helfen, einen Job zu finden.
In der vorliegenden Textpassage, die durch eine besonders schlechte Tonqualität
gekennzeichnet war, ließ der Dolmetscher die kursiv gedruckten AusgangstextElemente sowie die fett gedruckte Passage am Ende des Originalbeitrages in der
Verdolmetschung aus.
Bei der Übertragung der kursiv gekennzeichneten Elemente kann man von einer
bewußten Anwendung der Komprimierungsstrategie bei der Verdolmetschung
ausgehen, denn die Elemente werden in sinnvoller Zusammenfassung
wiedergegeben. So wird aus der Äußerung "I've just arrived in Tübingen --- a couple
of weeks ago --- to study at the university" in der Verdolmetschung einfach "Ich bin
seit einigen Wochen hier in Tübingen." Der erste Teil der Äußerung, "I've just arrived
in Tübingen", kann als redundant zum wichtigeren zweiten Teil, "a couple of weeks
ago", angesehen werden. Der letzte Teil, "to study at the university", dürfte bereits
aus dem Kontext kar geworden sein. Schließlich wußten die Gesprächspartner vor
der VK-Sitzung voneinander, was sie machen. Die Komprimierung läßt sich also gut
begründen.
Der fett gedruckte Teil am Ende dieses Beitrages wurde dagegen vom Dolmetscher
offenbar nicht verstanden. Die geringe Komplexität dieser Aussage läßt den Schluß
zu, daß das Nichtverstehen auf die schlechte Tonqualität und nicht etwa auf
mangelnde Sprach- oder Sachkenntnis seitens des Dolmetschers zurückzuführen ist.
43
Als bewußt eingesetzte Strategie hat die Komprimierung durchaus ihren Nutzen und
auch vorbeugenden Charakter gegenüber den Verstehensproblemen. Zu starke
Komprimierung bzw. zu viele Auslassungen können jedoch schnell zum
Informationsverlust führen, vor allem dann, wenn die Kapazitäten des Dolmetschers
anderweitig derart in Anspruch genommen sind, daß er keine sachliche und ruhige
Entscheidung über die entbehrlichen Informationen fällen kann.
4.1.3 Starke Verallgemeinerung
Trotz Abstand zum Originalredner und Komprimierung hatten die Dolmetscher
Verstehensprobleme. Davon zeugen die häufigen Verallgemeinerungen in den
Verdolmetschungen verglichen mit dem Originaltext. Die Dolmetscher waren bemüht,
nicht (genau) verstandene Elemente des Originaltextes durch eine unverfängliche,
allgemeine
Aussage
zu
ersetzen,
um
so
den
Kommunikationsfluß
aufrechtzuerhalten. Im folgenden Beispiel kam es infolge einer zügigen
Sprechgeschwindigkeit des Teilnehmers und schlechter Tonqualität zu einer
erheblichen Überschreitung der Leistungsgrenze des Dolmetschers, der deswegen
Verallgemeinerungen und Ungenauigkeiten in Kauf nehmen mußte (Beispiel 14.
Beispiel 14 (5b, D-Platz): Verallgemeinerungen
Original
Verdolmetschung
1
Do you find it important that your work is appreciated and that people commend you for it?
2
Yes I do. I think it’s ve.. it’s very important, uh,
3
But I think it’s also important to respect, uh, the Aber es ist genauso wichtig, daß man sich in
authority that is within the company
den Rahmen der Firma einfügen kann,
4
And if your idea is not the best or somebody
decides that it’s not the best for this particular
situation
und wenn jemand sagt, daß meine, meine
Ideen nicht die besten sind für die jeweilige
Situation,
5
and you do have to, you know, take somebody else’s course,
dann muß man auch die der anderen
respektieren.
6
uh, I think there is a time and a place when
you need to just let your opionion slide then.
Es gibt immer eine Zeit und einen Ort, wo man
seine Meinung kundtun kann,
7
If you truly believe that your opinion is the
best for that situation
aber man muß auch immer sehen, was in der
Situation am besten ist.
8
then I would never, I would not be afraid to
speak that
Ich hätte also keine Angst, meine Meinung zu
sagen,
9
and I would not be afraid to express why I
would think that my opinion is the best for that
particular situation at that time.
aber ich hätte auch keine Angst, davor, davon
abzurücken, wenn das die Situation erfordert.
10
But I think it’s a matter of judgement
Das ist also eine Frage des Urteilvermögens.
Ich finde das wichtig, daß man meine Arbeit
schätzt. [Pause 3s]
In diesem Beispiel ist festzustellen, daß die durchgestrichenen Aussagen
offensichtlich nicht verstanden wurden, was schon angesichts des geringen
Schwierigkeitsgrades einerseits und der Häufung andererseits eher einem
Hörproblem als anderen Verständnisschwierigkeiten zuzuschreiben ist. Doch selbst
44
bei scheinbar verstandenen Passagen drängt sich vielfach der Schluß auf, daß der
Dolmetscher vor allem die hier fett markierten Schlüsselwörter herausfiltern konnte
(genauso wie sie ihm an anderer Stelle, z.B. bei "slide" (6) und "express" (9)
entgangen sind) und mit ihrer Hilfe den/einen Sinn bzw. Gesamtzusammenhang zu
rekonstruieren suchte, die präzise Aussage des Satzes aber nur vage oder
unterbewußt aufschnappen konnte. In (7) wurde beispielsweise der erste Teil des
Satzes nicht verstanden; der Dolmetscher formt unter Hinzunahme einer
unverfänglichen Floskel aus dem verstandenen Teil eine für den Zuhörer akzeptable
Aussage. Da der Teilnehmer in (9) scheinbar parallel zu dem bereits verstandenen
(8) formuliert, die Hauptaussage für den Dolmetscher hier jedoch unverständlich
bleibt, schließt dieser auf eine naheliegende und daher unverfängliche Aussage –
und irrt.
Die Unsicherheit des Dolmetschers bei der Zieltextproduktion wird schließlich in der
vielfachen Verwendung von abgeschwächten oder allgemeineren Formulierungen
deutlich: In (5) stand beispielsweise das Schlüsselwort "somebody else" bei der
Zieltextproduktion im Mittelpunkt, "take [their] course" wurde nur vage verstanden
und durch ein wesentlich schwächeres "respektieren" wiedergegeben. Im Rahmen
dieser Strategie sind paradoxerweise dem Dolmetscher ausgangstextliche
Redundanzen geradezu willkommen. So wird der Hinweis auf die
Situationsbedingtheit in (4), (7) und (9) stets wiedergegeben. Da Redundanzen als
Wiederholungen
etwas
Bekanntes
darstellen,
sind
die
akustischen
Verständnisprobleme geringer. Gleichzeitig erlauben sie es, überhaupt einen, wenn
auch abgeschwächten oder verallgemeinerten Zusammenhang, wiederzugeben, der
jedoch je nach Schärfe der Hörprobleme ans Banale grenzen kann.
In dem hier beschriebenen Beispiel zog der Dolmetscher es vor, den Zieltext im
Vergleich zum Ausgangstext zu verallgemeinern oder abzuschwächen, um so einem
möglichen kommunikativen Schaden durch falsch wiedergegebene Details
vorzubeugen. Unter Umständen hat der Dolmetscher noch die Möglichkeit, zu einem
späteren Zeitpunkt Einzelheiten (sofern sie verstanden wurden) zu präzisieren oder
nachzuliefern, wenn das Sprechtempo dies erlaubt.
Für die Verallgemeinerungen gilt ähnliches wie für die Komprimierung. Sie helfen
sicher über die eine oder andere nicht (genau) verstandene Stelle hinweg. Ebenso
bergen sie aber die Gefahr von Irrtümern, Ungenauigkeiten und, im schlimmsten Fall,
Sinnentstellungen. In Kap. 3.1.4 wir gesehen, daß die Teilnehmer so manche
Unstimmigkeit in den Äußerungen des Gesprächspartners (bzw. in der
Verdolmetschung) auf sich beruhen ließen, weil sie die Aussage als weniger wichtig
erachteten. Zu denken geben jedoch die Ungenauigkeiten und Unstimmigkeiten mit
Blick auf den Einsatz der VK-Technik zur Behandlung fachbezogenerer Themen.
4.1.4 Reduzierte Produktionskapazitäten
In Anbetracht der hohen Belastung der Dolmetscher beim Hörverstehen ist es doch
erstaunlich, daß die produzierten Zieltexte immerhin so gut waren, daß die
45
Teilnehmer ein sehr positives Gefühl von den VK-Sitzungen hatten (vgl. Kap. 3.2.3).
Dolmetscher selbst gingen kritischer mit ihrer Leistung um. In ihren Kommentaren
verwiesen sie darauf, daß sie aufgrund der Probleme mit dem Hörverstehen oftmals
ihre Produktionskapazitäten reduzieren mußten, d.h. sie reduzierten diejenigen
Kapazitäten, die für die Kontrolle der Zieltextproduktion aufgebracht werden konnten,
um sich verstärkt dem Hör- und Verstehensprozeß widmen zu können.
Solange die reduzierten Kapazitäten für eine adäquate Produktion noch ausreichen,
muß diese Vorgehensweise nicht zwangsläufig mit einer verminderten Zieltextqualität
einhergehen. Ist der Dolmetscher jedoch gezwungen, ein Übermaß an Kapazitäten
für die Rezeption des Ausgangstextes aufzuwenden, kann sich dies natürlich negativ
auf den produzierten Zieltext auswirken. So konnte beobachtet werden, daß die
Dolmetscher zum Teil gedehnt oder abgehackt sprachen, was in einer Störung des
Textflusses resultierte. Weitere Indizien für die reduzierten Produktionskapazitäten
sind eine auffällige Häufung von Stocklauten ("äh", "ehm" usw.), die Wiederholung
bereits gesprochener Wörter sowie eine unsinngemäße Pausensetzung (Beispiel 15,
Beispiel 16) oder auch das Verhaften in Ausgangstext-Strukturen (Beispiel 17).
Beispiel 15 (2a, D-Platz): unsinngemäße Pausensetzung
Original
Verdolmetschung
Dann würde ich vielleicht versuchen noch ein
bißchen zu berichten, daß es verschiedene
Leute, verschiedene Nationalitäten gibt. Zur Zeit
gibt es sehr viele äh Leute aus Rußland, aus den
ehemaligen Sowjetrepubliken. Äh, die deutscher
Abstammung sind, und deshalb das Recht haben
nach Deutschland zu kommen. Aber überhaupt
kein Deutsch sprechen. Das heißt Sie müßten
auch in der Lage sein in solchen Klassen - äh mit
englisch – zu beginnen, aber natürlich sprechen
Sie vermutlich kein Wort russisch. Es ist äh also
ein durchaus äh für Sie auch interessantes
Neuland.
OK, äh, let ---, let me just --- add --- that there
are various --- nationalities at the moment. There
are many people from Russia and from the former republics of the Soviet Union, ethnic Germans, and they are entitled to --- come to Germany, and many of them don't speak --- German
at all, --- and, äh, for you --- that means that you
would have to teach in those classes using, using English as the, --- äh, language of instruction,
but I don't suppose that you, that you speak
Russian ---. So for that, äh, for you that would
be inter..., an interesting and, äh, new experience, wouldn't it?
Die Pausen in der Verdolmetschung in Beispiel 15 sind nicht besonders gravierend.
Sie mindern jedoch die Qualität des Zieltextes und wirken auf Dauer ermüdend für
den Zuhörer. Das folgende Beispiel zeigt aber, daß die unsinngemäße
Pausensetzung auch eine Quelle der Verunsicherung der Teilnehmer sein konnte:
Hier führte eine solche Pause in Turn 9 zu einer (kurzer) Unklarheit bei T2 (Sibyl).
Beispiel 16 (4b, T2-Platz): unsinngemäße Pausensetzung
1
D:
Haben Sie in diesen Schulen eine bestimmte Erfahrung sammeln können mit
Computergestützten Sprachmitteln?
2
T2:
Äm, ja, das habe ich, und zwar vor allem in der letzten Zeit sehr häufig. ...
3
T1:
Oui =
D:
= Ja gut, könnten Sie vielleicht genauer beschreiben, wo ihre Erfahrungen da
bestehen? ...
46
4
T2:
Ähm, es ist unterschiedlich. Sehr großen Wert lege ich eigentlich immer darauf, daß die
Dinge, die am Computer gemacht werden, auch noch einmal in der Gruppe
nachbereitet werden, besprochen werden. Gegebenenfalls auch schon vorher
eingeführt werden, so daß also niemand nur mit dem Computer alleine ist. ...
5
T1:
C’est ca, donc... =
D:
= Ja, genau. Also die Teilnehmer sind meistens in einer Gruppe und
Sie selbst, Sie sind eigentlich auch immer da?
6
T2:
Ja ja, auf jeden Fall.
7
D:
Und im Moment haben Sie keine Erfahrungen --- in denen Sie gesehen hätten daß die
Studenten z.B. alleine arbeiten, also nicht direkt bei Ihnen sind, und Sie kontrollieren sie
nur von Ferne, oder nach dem, nachdem die eigentliche Arbeit getan ist?
Für Sibyl stellte sich diese Situation so dar, daß sie nach langem Reden über ihre
Erfahrung in Turn 9 plötzlich hörte: "Sie haben also keine Erfahrungen. Sibyl
kommentierte dazu: "[...] dann wartete sie [die Dolmetscherin], was als nächstes
kommt von ihm [T1], und machte da eine kurze Pause. Und irgendwie hat mich diese
Pause am Anfang irritiert, weil ich dachte. 'Wie, keine Erfahrungen? Ich hab doch
gerade von meinen Erfahrungen geredet.' Und dann ging der Satz erst weiter ..."
(4b/39). Interessant ist, daß auch hier die Unklarheit nicht direkt der Dolmetscherin
angelastet wurde. Sibyl führt die Pause einfach auf eine Pause im Originaltext zurück
("dann wartete sie, was als nächstes kommt").
Beispiel 17 (4a, D-Platz): Verhaften in Ausgangstext-Strukturen
Original
Verdolmetschung
1
Alors, première chose, vous parlez
Ja, also das erste, Sie sagen da
2
Des groupes de niveaux.
Niveaus und Einstufung
3
Il faut savoir que
und da müssen Sie wissen
4
Les groupes de niveaux
5
Sont déjà organisés dans l’école par le département des langues de manière générale en
début de première année.
daß hier schon Einstufungstests stattfinden
von der Linguistikabteilung, und zwar am Ende
[Hörfehler] des ersten Jahres.
6
Ce qui fait que
Das führt dann dazu
7
toutes les scolarités des étudiants en cours
des trois ans qui suivent sont déjà prédéfinies
par groupe de niveaux.
daß während der gesamten Zeit, der
Studienzeit von drei Jahren die Studenten
schon vordefiniert sind, was ihr Niveau angeht.
In Beispiel 17 ist in der rechten Spalte (Verdolmetschung) zu sehen, daß der
Dolmetscher sich eng an den Strukturen des Originaltextes orientiert und die darin
angelegte Redundanz weitgehend nachvollzieht. Dieses Verhalten ist oftmals dann
zu beobachten, ein Loslösen von Originaltext-Strukturen aufgrund von Hör- und
Verstehensproblemen schwierig bis unmöglich erscheint. Das Verhaften an den
Originaltext-Strukturen sowie die in der Aufnahme deutlich hörbare Kurzatmigkeit der
Dolmetscherin lassen darauf schließen, daß dieser sich unter Druck befindet. Wie in
den vorangehenden Beispielen, so ist auch hier zu vermuten, daß die Probleme im
Dolmetschprozeß mit der Tonqualität zusammenhängen. Außerdem hatte der
47
Dolmetscher aber noch mit vielen anderen ungewohnten Umständen zu tun und
andere bzw. neue Aufgaben zu bewältigen.
4.1.5 Der Dolmetscher als Mittler
Ein wesentliches Merkmal aller Videokonferenzen ist die räumliche Trennung der
beteiligten Personen, die die Kommunikation insgesamt erschwert. Dieses Kapitel
befaßt sich mit der Frage, inwiefern sich diese Trennung und der damit
einhergehende mangelnde Bezug zum Gesprächspartner auf den Dolmetschprozeß
auswirken.
Auf die Bedeutung nonverbaler Signale (Gestik, Mimik etc.) für die Herstellung
dieses Bezuges wurde bereits hingewiesen. Da die nonverbalen Signale (z.B. zum
Anzeigen eines Sprecherwechsels) mit dem Videobild nur in unzureichendem Maße
übertragen wurden, waren die Zuhörer (auch die Dolmetscher) verstärkt auf verbale
Informationen, z.B. eine entsprechende Intonation, angewiesen. Die Teilnehmer
konnten diese Informationen natürlich nur aus der Verdolmetschung beziehen, so
daß die Dolmetscher hier entsprechend gefordert waren.
In den Äußerungen der Teilnehmer schlugen sich die räumliche Trennung bzw. ihre
Folgen nun u.a. in einem Hang der Sprecher zum Monologisieren, in
unstrukturierten, redundanten Redebeiträgen nieder. Um diese in der
Verdolmetschung auszugleichen, erachteten die Dolmetscher gelegentlich eine
Präzisierung oder explizite Bezugnahme zu früheren Aussagen für notwendig
(Beispiel 18).
Beispiel 18 (5a, D-Platz)
Original
Verdolmetschung
T1: Ich würde gerne Ihnen eine ganz spezielle
Stelle vorstellen.. ehm.. die...ja wo ich denke,
daß es vielleicht interessant sein könnte,
und..em.. zwar ist das eine Position im.. in dem
technischen Bereich, die aber auch sehr viel
auch an sprachlichem Gefühl erfordert, und
dieses beides zusammen erscheint mir eine
interessante Kombination, em, es ist ein
technischer Redakteur, und dieser technische
Redakteur, der soll also die Texte, die man als
Kunde beispielsweise braucht, vor allen Dingen
auch im englischsprachigen Raum oder auch in
aller Welt, der soll diese Texte.. eben erstellen,
und dazu ist es erforderlich, eine ganze Reihe
von.. em.. Funktionen und von Kollegen eben..
em zusammenzubringen, um eben diese Texte
korrekt abzufassen. Weiterhin wird sicherlich..em
auch verlangt, daß es eben manchmal, wenn
Aufträge eben termingerecht fertigwerden
müssen, daß es da eben dann manchmal auch
Überstunden gibt, so daß man also manchmal
keine geregelten Arbeitszeiten hat. Und em.. da
Sie eben diese Stellenausschreibung auch
kennen, haben Sie Fragen dazu?
D: Well, it seems that that was a demanding task,
and I’m sure you had to work very hard. Uh - I
would like to propose a specific job for you. I
think that particular job might be -- interesting for
you -- and that is a job in the technical field that
also requires linguistic -- knowledge, and the
combination of the two seems to be very interesting for you. What we’re looking for is a technical
writer. The job of that technical writer would be -to write texts for our customers, our Englishspeaking customers throughout the world, so -your job would be to write texts and -- that of
course requires that you -- have an overview of
various functions, departments, co-operate with
colleagues. And -- furthermore --- it’s important to
-- meet the deadlines and it might be necessary
here and there to work overtime, so that uh the
working hours would have to be quite flexible. I
think you have read [Ende T1] our job description, but let me ask you first: do you have any
questions regarding that particular position?
[Ende 5s nach T1]
48
Die Originalrednerin macht zwar anfangs die Intention ihres Beitrags deutlich, doch
aufgrund der Länge und des Detailreichtums wird ihr Beitrag zu einer Art Monolog,
der abrupt abgebrochen wird mit "...da Sie eben diese Stellenausschreibung auch
kennen..". Dadurch wird der Sprecherwechsel sehr unvermittelt eingeleitet.
Dem Dolmetscher gelingt hier mit etwas mehr Aufwand ein wesentlich sanfterer
Übergang: Er rundet die Beschreibung mit einem Hauptsatz ab und kündigt die
abschließende Frage, die den Sprecherwechsel einleitet, mit einem eingefügten (hier
fett markierten) Satz explizit an. Seine Frage ist mit der Wiederaufnahme durch "that
particular position" ebenfalls expliziter, so daß der Gesprächspartner insgesamt
weniger unvermittelt zum Antworten aufgefordert wird als in der Originalfrage.
Vor der vorschnellen Einordnung solcher Fälle als VK-typisches Verhalten des
Dolmetschers sollte man sich stets vor Augen führen, daß es sich hier zunächst um
einen speziellen Fall der Simultanverdolmetschung handelt, nämlich die simultane
Verdolmetschung eines Gesprächs. Ein Gespräch ist generell durch spontane Rede
gekennzeichnet, die in der Regel weniger strukturiert ist als eine vorbereitete Rede.
Hinzu kommt noch eine Besonderheit, die auf das ViKiS-Setup zurückgeht: Ein
einziger Dolmetscher ist für das gesamte Gespräch zuständig, d.h. er dolmetscht in
beide Richtungen.
Ohne zu große und unzulässige Verallgemeinerung läßt sich jedoch sagen, daß die
Dolmetscher in unserer speziellen VK-Dolmetsch-Situation, d.h. bei der
Verdolmetschung von Gesprächen am ViKiS-Dolmetschplatz, den Eindruck hatten,
stärker als Mittler gefordert zu sein als in anderen Dolmetschsituationen.
4.2 Interaktion: der Dolmetscher als Moderator
An den Teilnehmerseiten war der Sprecherwechsel in den gedolmetschten
Videokonferenzen gekennzeichnet durch besonders lange Wartezeiten auf
Erwiderungen der Gesprächspartner an der Gegenstelle einerseits und durch
Überlappungen (z.B. durch Hineinreden in die Wartezeiten) andererseits. Auch am
Dolmetschplatz kam es zu überlappender Rede beider Gesprächsteilnehmer(seiten).
Auch hier belegen die VK-Sitzungen und die Dolmetscher-Kommentare
verschiedene Strategien der Dolmetscher. Insbesondere waren die Dolmetscher
darauf bedacht, nicht nur den Gesprächsinhalt, sondern auch den Gesprächsverlauf
(Sprecherwechsel) so weit wie möglich zu antizipieren und aktuelle Wendungen im
Gesprächsverlauf den Teilnehmern aktiv zu signalisieren. Insgesamt geriet der
Dolmetscher dabei zuweilen in eine Rolle, die ihm sonst nicht oder nicht in diesem
Maße zufiel: Er mußte teilweise als Moderator des Gesprächs agieren.
4.2.1 Überlappende Rede am Dolmetschplatz
Ein wesentlicher Grund für Überlappungen am Dolmetschplatz waren die bereits
beschriebenen teilnehmerseitigen "Nachträge" während des Wartens auf eine
Antwort vom Gesprächspartner (vgl. Kap. 3.2.2). Ein weiterer Grund waren längere
49
Pausen des Dolmetschers in der Verdolmetschung, bedingt durch die reduzierte
Simultaneität. In solchen Pausen bestand die Gefahr, daß der Hörer glaubte, sein
Gesprächspartner habe den Redebeitrag beendet, und das Wort ergreifen wollte.
Die Dolmetscher gerieten einige Male in die Situation, daß beide Teilnehmer
gleichzeitig sprachen. Dabei war dreierlei zu beobachten: Wenn sie nichts mehr
verstanden, griffen die Dolmetscher explizit in das Gespräch ein, indem sie einen der
Teilnehmer baten, seine Aussage zu wiederholen. In anderen Fällen warteten sie ab
und überließen es den Teilnehmern selbst, den Kommunikationsfluß wieder in Gang
zu bringen. Am häufigsten aber versuchten sie, die Situation durch indirekte Eingriffe
wieder zu normalisieren. Insbesondere bestimmten sie selbst, in welcher Reihenfolge
sie die überlappenden Redebeiträge dolmetschten (Beispiel 19).
Beispiel 19: 8a
D-Platz
1
T1:
D:
Yes, there are a lot of sports groups at university [...]
Ja, es gibt da ziemlich viel Sportgruppen [...]
2
T2b:
D:
Super. Klingt sehr toll.
T2c:
Wie schaut's mit dem Nachtleben aus [ in Birmingham * ?
3
Oh, that sounds great.
T1:
[ Birming * ham's a good university to
go to, I can definitely recommend it.
4
D:
Ja, also da ist es äh in Birmingham wirklich
toll. Ich kann das empfehlen. | (zu T1 !): Ehm, what about nightclubs and going out
in the ev [ ening?*
T2b:
[ Liegt die* Uni auch ziemlich zentral, also kann man mit dem Rad oder
so sich fortbewegen – Richtung Innenstadt?
Ehm, is äh the university situated ehm
near the town centre?
D:
T1-Platz
1
T1:
Yes, there are a lot of sports groups at university [...]
2
D:
(7) Oh, that sounds great.
3
T1:
Birmingham's a good university to go to, I can definitely recommend it.
4
D:
(6) Ehm, what about nightclubs and going out in the evening? =
T2b:
= also kann man mit
dem Rad oder so sich fortbewegen – Richtung Innenstadt?
D:
Ehm, is äh the university
situated ehm near the town centre?
T2-Platz
1
D:
Ja, es gibt da ziemlich viel Sportgruppen [...]
2
T2b:
Super. Klingt sehr toll.
T2c:
(2) Wie schaut's mit dem Nachtleben aus in Birmingham?
T1:
Birmingham's a good university to go to, I can definitely recomme ... =
3
50
D:
= Ja, also da ist
es äh in Birmingham wirklich toll ich kann das empfehlen.
4
T2b:
Liegt die Uni auch ziemlich zentral, also kann man mit dem Rad oder so sich
fortbewegen – Richtung Innenstadt?
Beispiel 19 zeigt einen Ausschnitt aus einer VK, in der drei Studenten aus Tübingen
(am T2-Platz) Fragen zum Austauschstudium an eine Mitarbeiterin der Universität
Birmingham (T1-Platz) richteten. Die Präsenz mehrerer Teilnehmer am T2-Platz
erschwerte die Kommunikation insofern, als die Teilnehmer am T2-Platz gelegentlich
hintereinander sprachen, ohne T1 dazwischen zu Wort kommen zu lassen. In
Beispiel 20 geschieht dies in (2).
Ein Problem entstand hier, weil T1 glaubte, daß der Redebeitrag (2) mit der T2bÄußerung "Oh, that sounds great." beendet sei und zu sprechen begann. T2c hatte
aber noch eine Frage gestellt, und die T1-Äußerung (3) platzte schließlich am
Dolmetschplatz mitten in die T2c-Fage hinein. Interessant ist, daß der Dolmetscher
zuerst die T1-Äußerung (3) und dann erst die T2c-Frage übertrug, obwohl die beiden
Äußerungen in umgekehrter Reihenfolge bei ihm eintrafen.
Auf den ersten Blick sieht es also so aus, als sei der Dolmetscher, ebenso wie T1,
davon ausgegangen, daß der T2-Beitrag mit der T2b-Äußerung "oh, that sounds
great." zu Ende sei und sich nach dessen Verdolmetschung auf T1 konzentrierte und
deshalb die T2c-Äußerung erst später verdolmetschte. Aus dem T2-Transkript dieser
Passage kann man jedoch entnehmen, daß der Dolmetscher sehr wohl noch
abwartete, ob die Teilnehmer am T2-Platz noch weitersprechen. Man erkennt das
daran, daß die englische Original-Äußerung (3) von T1 ("Birmingham is a good university ...") am T2-Platz noch teilweise zu hören war. Der Kanal von T1 zu T2 war
also offen, und dies war immer nur dann der Fall, wenn T1 gerade in der Hörer-Rolle
war. Folglich muß die Dolmetschrichtung noch eine Weile von T2 zu T1 geschaltet
gewesen sein, d.h. der Dolmetscher rechnete offensichtlich noch eine Weile mit
weiteren Äußerungen von T2-Seite, ehe er den Kanal umschaltete.
Seine Entscheidung, die etwas später eintreffende T1-Erwiderung (3) trotzdem vor
der T2c-Frage zu übersetzen, dürfte sehr bewußt gefallen sein, nämlich weil die T1Äußerung (3) inhaltlich eine Art Nachtrag zu ihrer vorangegangenen Erklärung bzw.
Erwiderung auf die T2b-Äußerung "Super. Klingt sehr toll" war. Die T2c-Frage blieb
somit zwar (zunächst) unbeantwortet, doch der "rote Faden" im Gespräch blieb trotz
der (im T-Platz-Transkript gut sichtbaren) sehr komplexen Überlappungen erhalten.
4.2.2 Antizipation und Signalisierung
An dem im vorangegangenen Kapitel ausführlich diskutierten Beispiel 19 läßt sich
erkennen, daß dem Dolmetscher gerade im Falle von überlappender Rede
gelegentlich die Aufgabe zufiel, den Gesprächsverlauf zu organisieren. Darüber
hinaus verdeutlicht das Beispiel, wie wichtig es gerade an solchen Stellen war, daß
die Dolmetscher in hohem Maße vorausschauend handelten. Nur durch
51
umfangreiches Antizipieren des Gesprächsverlaufs und -inhaltes waren die
Dolmetscher in der Lage, einige Sprecherwechselprobleme dieser Art auszugleichen
(vgl. auch Beispiel 20).
Die Erfahrung der Sprecherwechselprobleme lehrte, daß die Dolmetscher den
Teilnehmern am besten entsprechende Signale übermitteln, die diesen mitteilen, ob
der Redner einen Sprecherwechsel wünscht oder nicht. Sofern für den Dolmetscher
also erkennbar ist, daß der Sprecher noch weiter fortfahren will, obwohl aufgrund des
Gesagten bereits angenommen werden könnte, er habe einen Sprecherwechsel
intendiert, sollte der Dolmetscher dem Zuhörer durch Füllwörter und Konjunktionen
(und, außerdem, ich darf hinzufügen etc.) signalisieren, daß der Sprecher noch
weitere Aussagen machen möchte.
Beispiel 20 (2b, D-Platz)
1
T1:
D:
Ja, ich hab so ein paar Vorstellungen, was wir mit Ihnen machen könnten. Äh,
OK, well, I have,
2
T1:
D:
das
eine
was ich mir vorher überlegt hatte,
äh, i..., in fact I have some ideas
what we could offer you.
3
T1:
D:
ist eine Aufgabe, die eigentlich äh nicht so sehr viel mit Menschen zu tun hat.
Äh, one thing
4
T1:
D:
Und äh das andere ist eine Aufgabe, die ziemlich viel mit Menschen zu tun hat.
is a task that doesn't really involve working with people, and the other thing is a
5
T1:
D:
Äh in dem ersten Fall kann ich Ihnen persönlich vielleicht ein bißchen helfen.
task that does involve quite a lot of working with people.
As far
6
T1:
D:
Und im zweiten Fall müßte ich Sie bitten, sich mal mit einem Theater in
as the first option is concerned, perhaps I can be of help, and as far as the
7
T1:
D:
Verbindung zu setzen.
Nicht
the second option is concerned, äh you would have to contact a theatre.
8
T1:
D:
T2:
daß Sie dort auf der Bühne stehen müssen, sondern Sie stehen sozusagen
A N D
not that you would have to work as
Yeah.
9
T1:
D:
vor der Bühne und würden Menschen begrüßen ...
an actress ...
T1 liefert hier einen recht langen Redebeitrag. In Zeile 7 macht er eine lange Pause.
Der Dolmetscher antizipiert hier, daß T2 den Beitrag von T1 aufgrund dieser Pause
als abgeschlossen verstehen könnte, merkt aber, als er mit der Verdolmetschung
gerade bis zur Pause aufgeholt hat ("... conact a theatre"), daß T1 fortfährt. Zur
Überbrückung des Abstandes, den er zur inhaltlichen Erfassung von T1' weiterer
Rede benötigt, fügt der Dolmetscher hier schnell ein gedehntes "AND" ein und
signalisiert T2 damit, daß T1 noch weitersprechen wird. Wie nützlich diese Art von
Signalisierungsstrategie hier ist, erkennt man daran, daß T2 offenbar schon im
Begriff war, etwas zu erwidern (Zeile 8).
52
Im weiteren Verlauf der Untersuchungsreihe wurde diese Signalisierungsstrategie
sehr häufig zur Vermeidung von Überlappungen herangezogen. Diejenigen
Dolmetscher, die in mehreren VK-Sitzungen arbeiteten, streuten ganz bewußt
Füllelemente ein, um ein verfrühtes Reagieren des zuhörenden Teilnehmers zu
vermeiden.
Diese Strategie bot sich insbesondere dann an, wenn der Sprecherwechsel bereits
vollzogen wurde, der Dolmetscher aber aufgrund einer anfänglichen Zögerlichkeit
seitens des antwortenden Teilnehmers noch keine konkreten Aussagen machen
kann.
Ähnlich positive Auswirkungen auf den Gesprächsverlauf hatte die Tatsache, daß
Pausen der Teilnehmer in ihren Redebeiträgen vom Dolmetscher nicht immer
nachvollzogen wurden, sondern teilweise einfach zur Verdolmetschung genutzt
wurden (Beispiel 21).
Beispiel 21 (9a, D-Platz)
Original
Verdolmetschung
Wenn ich im fünften Semester nach Birmingham
gehen würde, also, im deutschen fünften
Semester, muß ich dann direkt mit dem
Professor absprechen, ob ich für den bestimmten
Kurs geeignet bin oder nicht? (3) Oder
entscheide ich ganz frei, welche Kurse ich
belegen möchte in dem Austausch mit Tübingen
und Birmingham?
If I would go to Birmingham, ehm, as a fifth semester student, (2) would I have to contact the
professor to make sure whether I have the right
level for the courses on offer, or is that decision
up to me, uh, which courses I would like to do
while I am in, uh, Birmingham (1,5) as a fifth semester student?
Der Originalredner war offenbar nach dem ersten Teil seiner Äußerung fertig, hängt
dann aber mangels ausbleibender sofortiger Reaktion ca. 3 Sekunden später noch
etwas an. Diese Pause, die leicht zu einer Überlappung hätte führen können, konnte
hier Dolmetscher "aufgefangen" werden, weil sie zur Verdolmetschung genutzt
wurde.
Ähnlich dem bewußten Einstreuen von Füllwörtern zur Signalisierung des
Sprecherwechsels handelt es sich hier um ein strategisches Vorgehen des
Dolmetschers oder zumindest um eine bewußte Entscheidung, die Pause nicht
nachzuvollziehen, sondern zur Vervollständigung der Verdolmetschung zu nutzen.
Abgesehen davon, daß die Pausen dazu sicher recht gelegen kam, verhinderte der
Dolmetscher damit, daß der Gesprächspartner das Wort zu zeitig ergriff.
Die Gefahr dabei ist allerdings, daß der Hörer aufgrund mangelnder Pausen
(Sprecherwechsel-Angebote) kaum Gelegenheit bekommt, etwas zu erwidern. So
führen die hier erörterten Problemfällen letztlich zu der altbekannten Frage, inwieweit
der Dolmetscher den Gesprächsverlauf derartig steuern und beeinflussen darf bzw.
muß. Die Antwort darauf ist für das VK-Dolmetschen vermutlich komplexer als für
andere Dolmetschsituationen.
53
4.2.3 Der Dolmetscher als Moderator
Der Dolmetscher hat im ViKiS-Setup gegenüber den Teilnehmern eine
Sonderstellung. Er kann als einziger den Gesprächsverlauf aus einer Art
Vogelperspektive beobachten, denn nur er kann gleichzeitig die beiden Teilnehmer
und sich selbst hören. Wie beschrieben, ist es dem Dolmetscher aus diesem Grund
auch eher als den Teilnehmern möglich, Überlappungen oder Brüche im
Kommunikationsfluß zu erkennen und daraufhin steuernd einzugreifen, indem er
einem der beiden Teilnehmer quasi das Wort erteilt bzw. im Falle von
Überlappungen die Reihenfolge der Verdolmetschung bestimmt oder indem er durch
Anwendung der beschriebenen Signalisierungsstrategie dem zuhörenden
Teilnehmer vermittelt, daß er mit seiner Reaktion noch warten möge.
Dadurch wurden die Dolmetscher in eine Art Moderatoren-Rolle gedrängt, die jedoch
nicht alle von ihnen akzeptieren wollten. Wie ebenfalls bereits erwähnt, kam
gelegentlich zu einer Situation, in der beide Teilnehmer gleichzeitig das Wort
ergriffen, woraufhin der Dolmetscher nichts mehr verstand. In einigen Fällen erklärte
dann einem der beiden Teilnehmer, was geschehen war und bat diesen, seine
Aussage noch einmal zu wiederholen.
Für den Dolmetscher ist dies jedoch eine sehr heikle Situation. Nach welchen
Kriterien soll er entscheiden, wer das Rederecht erhalten soll? Fühlt sich der andere
Teilnehmer nicht vielleicht übergangen? Diese Überlegungen stellte offenbar auch
der Dolmetscher an, denn als sich eine ähnliche Situation zum zweiten Mal in
derselben VK ergab, überließ er es den Teilnehmern zu bestimmen, wer
weitersprechen darf. Hierdurch kam es allerdings zu einer ungewöhnlich langen
Gesprächspause von ca. 16s, was für den Gesprächsverlauf wiederum auch nicht
zuträglich ist.
Zur Lösung von Sprecherwechselproblemen war also das gelegentliche Eingreifen
des Dolmetschers unabdingbar, was ihn in eine neue bzw. ungewohnte Rolle
brachte. Die Moderatoren-Rolle des Dolmetschers läßt sich aber nicht nur an der
gelegentliche Steuerung des Gesprächsverlauf festmachen, sondern auch an der
Vermittlung des Inhalts.
4.3 Zusammenfassung
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich die VK-Situation mit den in den
Tests vorherrschenden Bedingungen (insbesondere Audioqualität) eher den
schwierigen Dolmetschsituationen zuzuordnen ist. Zur Überwindung der Probleme
sind die Dolmetscher gezwungen, vorwiegend problemorientierte Strategien
einzusetzen, die die Qualität der Dolmetschleistung reduzieren (vgl. Abbildung 4).
Verstehens- und Produktionsprobleme resultieren hauptsächlich aus der
unzulänglichen Tonqualität. Diese ist verantwortlich für reduzierte Simultaneität in der
Verdolmetschung. Damit der Abstand zwischen Original und Verdolmetschung nicht
zu groß wird, muß in der Verdolmetschung stellenweise komprimiert werden.
54
Darüber hinaus hat die Tonqualität Verstehensdefizite zur Folge, die die Dolmetscher
zur Verallgemeinerung und zu Auslassungen zwingt. Dadurch entstehen Irrtümer und
Ungenauigkeiten. Schließlich muß dem Verstehen so viel Kapazität gewidmet
werden, daß die Kontrolle der eigenen Produktion (d.h. der Verdolmetschung) und
schließlich auch die Verdolmetschung selbst gelegentlich leiden. So werden z.B.
Mängel im Originaltext (Stocken, Redundanz u.a.) nachvollzogen.
Abbildung 4: Dolmetschstrategien in der VK
Mittlerfunktion
Moderation
Signalisierung
Reduzierte
Simultaneität
Komprimierung
Antizipation
Verallgemeinerung
Reduzierte Outputqualität
Die Interaktionsprobleme in der ViKiS-Situation (Simultanverdolmetschung eines
Gesprächs) verlangen dem Dolmetscher ein hohes Maß an Antizipationsvermögen
ab und erfordern spezielle Strategien zur Signalisierung des Gesprächsverlaufs an
die Teilnehmer. Darüber hinaus kommen auf den Dolmetscher gesprächssteuernde
Aufgaben (Moderation) zu, die in einer normalen Simultansituation nicht auftreten
und dem Dolmetscher zusätzliche Kapazitäten abfordern. Angesichts der Tatsache,
daß allein für den Hör- und Verstehensprozeß schon übermäßig viele Kapazitäten
aufgewendet werden müssen, ist damit die Grenze des Machbaren schnell erreicht.
Als zwei äußerst wichtige Punkte für den Umgang mit einer VK-Situation hoben die
Dolmetscher deshalb hervor: die Gewöhnung an die VK-Situation durch
entsprechendes Training sowie eine sehr gründliche Vorbereitung auf jeden
einzelnen VK-Dolmetsch-Einsatz.
55
5 Auswertungsergebnisse
Gegenstand dieses Kapitels ist die Diskussion der Datenauswertung in Kap. 2.5
sowie die Bewertung gedolmetschter Videokonferenzen. In Kap. 2.5 wurde deutlich,
daß Dolmetscher und Teilnehmer in der ViKiS-Situation andere Bedingungen als in
gewohnten kommunikativen Situationen vorfinden und daß insbesondere der
Dolmetscher auch andere Aufgaben wahrnehmen muß als in anderen
Dolmetschsituationen. Beide Gesichtspunkte wirken sich wesentlich auf die
Akzeptanz der ViKiS-Situation aus, und zwar auf die dolmetscherseitige Akzeptanz
sowie auf die Akzeptanz der Dolmetschleistung durch die Teilnehmer und damit
verbunden die teilnehmerseitige Akzeptanz.
5.1 Probleme des VK-Dolmetschens
5.1.1 Dolmetscherseitige Probleme
Mit Blick auf die begrenzten Ressourcen, die vom Dolmetscher zur
Aufgabenerfüllung aufgeboten werden können, muß das Augenmerk zunächst jenen
Faktoren gelten, die eine Beanspruchung der Kapazitäten über das normale Maß
hinaus mit sich bringen. In der ViKiS-Situation ist hier zuvörderst die Qualität des
übertragenen Originaltons zu nennen. In den meisten Fällen beschrieben die
Dolmetscher die Tonqualität zwar als für Dolmetschzwecke insgesamt ausreichend.
Gleichwohl mußten sie an einigen Stellen eingestehen, daß insbesondere das
fremdsprachliche Original in bestimmten Einzelheiten akustisch nicht verstanden
wurde. Solange diese Problematik nur einzelne Textelemente betrifft und selten
auftritt, stehen dem Dolmetscher Strategien zur Überbrückung entsprechender
Verständnislücken zur Verfügung. Im Falle einer Häufung wird jedoch der Kontext
löchrig und die Erkennbarkeit der Textintention herabgesetzt; es kann zu
Sinnentstellungen kommen.
Nun wäre es allerdings verfehlt, die Schwierigkeit des VK-Dolmetschens allein auf
die hohe Beanspruchung der Verstehenskapazitäten zurückzuführen. Schließlich ist
jede Dolmetschsituation gekennzeichnet durch eine mehr oder minder hohe
Belastung der mentalen Kapazitäten des Dolmetschers und eine entsprechende
Aufteilung seiner Ressourcen. Auch Unzulänglichkeiten des Originaltextes (z.B.
erhöhte Vortragsgeschwindigkeit, undeutliche Artikulation seitens des Redners, eine
allzu komplexe Syntax oder Gedankenführung oder gar Unstimmigkeiten in
derselben) oder erhöhte Anforderungen an den Zieltext (z.B. beim
Fernsehdolmetschen) strapazieren die Kapazitäten des Dolmetschers.
Eine solche Kapazitätsbeanspruchung durch einen Faktor läßt sich auch ganz gut
wettmachen, solange die übrigen Faktoren im Normalbereich liegen. Die
Schwierigkeit beim VK-Dolmetschen erwächst aus der Tatsache, daß hier gleich
56
mehrere Faktoren dafür
Gleichgewicht gerät.
sorgen,
daß
die
Ressourcenaufteilung
aus
dem
Durch die vollkommene Trennung des Dolmetschers von den Teilnehmern und die
ausschnitthafte Bildübertragung fehlen nämlich auch wichtige nonverbale Signale,
die zum Ausgleich einer Verständnislücke dienlich sein könnten. Des weiteren muß
der Dolmetscher einen Teil seiner Kapazitäten für Aufgaben verwenden, die ihm in
herkömmlichen Dolmetschsituationen nicht abverlangt werden. Schließlich ist hier
auch der Originaltext von Unzulänglichkeiten geprägt, die man in anderen
kommunikativen Situationen nicht antrifft.
Damit wird generell die Frage nach dem Verhalten der Teilnehmer aufgeworfen,
deren Erfahrung und kommunikative Kompetenz im Umgang mit Videokonferenz und
Verdolmetschung in vielen Fällen noch wenig ausgeprägt ist. Letztlich verlangt die
ViKiS-Situation den Teilnehmern ein hohes Maß an Disziplin und Gespür ab; In der
Befragung der Probanden zeigte sich, daß sich viele von ihnen unsicher fühlten und
an manchen Stellen ihr eigenes kommunikatives Verhalten als unzulänglich
empfanden.
5.1.2 Teilnehmerseitige Probleme
Die der Videokonferenz eigene verminderte soziale Präsenz wird durch den
zusätzlichen Zwischenschritt der Verdolmetschung natürlich weiter herabgesetzt.
Erstens erfahren die (verbalen) Äußerungen, von denen die Kommunikation zum
größten Teil getragen wird, eine Umkodierung durch den Dolmetscher. Zweitens
fallen ist die in vielen anderen Fällen unterstützende nonverbale Kommunikation
schwierig oder stellenweise gar unmöglich. Hervorgehoben wurde auch, daß die
relativ neutrale Stimme des Dolmetschers kaum Schlüsse über die Haltungen des
Gegenübers zulasse. Die Indirektheit geht überdies noch einher mit zeitlichen
Verzögerungen, die den jedem Gespräch eigenen "Verhandlungsprozeß" behindern,
mit dem die Teilnehmer ja fortlaufend ihre Beziehung zueinander, den
Gesprächsgegenstand und dessen Behandlung, die Sprecherwechsel etc.
abstimmen müssen. Ein schnelles Reagieren und damit auch Korrigieren einer nicht
gewollten Wendung im Kommunikationsverlauf ist nicht möglich.
Damit schwindet bei den Teilnehmern zuweilen auch das Vertrauen in ihre
kommunikative Kompetenz, mit deren Hilfe sie in anderen kommunikativen
Situationen eine beabsichtigte Wirkung erzielen können. Zum einen scheint
Unsicherheit darüber zu herrschen, ob vertraute Kommunikationsmuster tatsächlich
zur gewohnten Wirkung gereichen, zum andern scheint der Wirkungsaspekt durch
die zeitweilig empfundene Abwesenheit des Gegenübers vorübergehend in
Vergessenheit zu geraten: Beiträge weiten sich leicht zu Monologen aus, Argumente
werden gleich mehrmals vorgetragen, Fragen leiten nicht notwendigerweise einen
Sprecherwechsel ein. Es fehlt der Rezipientenbezug.
Erst an den Stellen, an denen die Teilnehmer die zwischen ihnen liegende Distanz
durch einen um so aktiveren Gestaltungswillen zu überwinden suchten, wurde die
57
Interaktion oftmals lebhafter; die Sprecherwechsel wurden häufiger, wenn konkrete
Themen Klarheit über Kommunikationsgegenstand und -zweck schufen und wenn
auf eine konkrete Frage eine ebenso konkrete, sprich klar umrissene und begrenzte
Antwort gegeben werden konnte. Für die ViKiS-Teilnehmer ist es daher ratsam, mit
den eigenen Beiträgen möglichst knapp zu bleiben und die Gesprächspartner so
anzusprechen, daß auch sie ihre Beiträge kurz und konkret halten können. Häufige
Sprecherwechsel mit Fragen und Antworten erscheinen besonders geeignet, um
über die herrschende Distanz hinweg die Interaktion und Beziehung der Teilnehmer
zu fördern.
Es ergeben sich zwei Fragen: Wie kommt es, daß die Teilnehmer trotz der hier noch
einmal zusammengefaßten Probleme insgesamt einen sehr positiven Eindruck von
den Videokonferenzen hatten bzw. daß sie in der Lage waren, die Probleme
stellenweise zu überwinden? Welchen Platz nimmt der Dolmetscher in diesem von
Distanz geprägten Kommunikationsszenario ein?
5.2 Rolle und Leistung des Dolmetschers
Wäre der Dolmetscher nur eine weitere Stufe im Kodierungs- und
Übermittlungsprozeß, so läge der Schluß nahe, daß er die angesprochenen
Probleme auf der Teilnehmerseite einfach nur weiterzuleiten hätte, ohne selbst
davon berührt zu sein. Die Teilnehmer waren sich zwar darüber im Klaren, daß
Kommunikationsprobleme hier keineswegs automatisch dem Dolmetscher
anzulasten waren. Dennoch bestehen teilnehmerseitige Erwartungen in bezug auf
die Kommunikation schlechthin, auf ihr Gelingen und damit auch auf die
Dolmetschleistung. Mit Blicke auf die zu erbringende Dolmetschleistung muß der
Dolmetscher ausgleichend tätig werden, um erstens eine effiziente Nutzung seiner
Kapazitäten zu ermöglichen und zweitens ungewollten Kommunikationsproblemen
vorzubeugen.
Beeinträchtigt werden kann die Dolmetschleistung und ihre Akzeptabilität
insbesondere in vier Bereichen: durch Schwierigkeiten bei Inhalt, Versprachlichung,
Vortrag und kommunikativer Leistung.
5.2.1 Vermittlung des Inhalts
Probleme mit dem Inhalt zeigen sich in einer lückenhaften oder falschen
Wiedergabe, die in mangelndem akustischem oder auch thematischen Verstehen
begründet liegt. Zwischen Inhalt und Versprachlichung besteht wiederum ein enger
Zusammenhang hinsichtlich der Textkohärenz, deren Erkennbarkeit nicht nur vom
Dolmetscher, sondern auch von der vom Sprecher gewählten Strukturierung
abhängt.
In den gedolmetschten Videokonferenzen hatten die Dolmetscher an einigen Stellen
inhaltliche Probleme. Diese entstanden nach Aussage der Dolmetscher vor allem
durch die unzulängliche Tonqualität. Die Dolmetscher konnten diesen Problemen nur
58
mit Verallgemeinerungen oder, im schlimmsten Fall, einzelnen Auslassungen
begegnen. Allerdings soll hier nicht der Eindruck entstehen, daß inhaltliche Probleme
eine ausschließlich für das VK-Dolmetschen typische Erscheinung sind. Sie sind
vielmehr fester Bestandteil der alltäglichen Dolmetschpraxis.
5.2.2 Versprachlichung
Probleme mit der Versprachlichung im engeren Sinn betreffen neben der
sprachlichen Richtigkeit auch die Wahl der Oberflächenstrukturen. Schon im
Ausgangstext ist häufig weder der Mitteleinsatz noch die intendierte Wirkung optimal.
Je nach Verarbeitungsaufwand und Kapazitätsbelastung wächst damit für den
Dolmetscher die Gefahr, durch mangelnde Eigenständigkeit in der Gestaltung der
Mikrostrukturen zum einen sich selbst im Wege zu stehen, z.B. indem er etwa eine
allzu komplexe Syntax nachzuvollziehen sucht. Zum anderen kann er durch
stilistische oder idiomatische Schwächen infolge von Interferenzen, einer
undurchsichtigen Syntax, durch unpräzise Kohäsionsmittel etc. auch dem Zuhörer
Verständnisschwierigkeiten bereiten oder auch nur eine ungünstige Wirkung
erwecken.
Zwar wird der Dolmetscher etwaige Redundanzen, mangelnde Intentionalität und
eine unklare Gedankenführung in der Gesamtstruktur eines Beitrags schwerlich
verhindern können, bei der Gestaltung der Textoberfläche hat er jedoch durchaus die
Möglichkeit, Redundanzen zu mindern und Klarheit zu schaffen. In einigen
Situationen versuchte der jeweilige Dolmetscher – häufig auch aufgrund von
zusätzlichen Akustikproblemen – seinen Verstehens- und Gestaltungsspielraum
durch einen verlängerten Abstand zum Originalredner zu vergrößern. In anderen
Situationen ermöglichte ein kürzerer Abstand teilweise mehr Vollständigkeit oder
auch Wörtlichkeit, führte andererseits aber auch zu gelegentlichen
Planungsschwierigkeiten und damit zu syntaktischen, idiomatischen oder
sprecherischen Problemen.
Sogar in den Situationen, in denen der Dolmetscher aufgrund gravierender
Verständnisschwierigkeiten nur noch zu Verallgemeinerungen greifen kann oder gar
Auslassungen machen muß, sagt er im schlimmsten Fall nicht nichts, sondern etwas
mehr oder minder Nichtssagendes, womit zumindest der generelle
Kommunikationsfluß zwischen den Teilnehmern aufrechterhalten wird. Akzeptabel ist
diese Strategie aus Dolmetschersicht jedoch nur zum Zwecke der Überbrückung.
5.2.3 Vortrag
Am wichtigsten ist das ausgleichende Gestalten durch den Dolmetscher beim
Vortrag, von dem zu einem gewichtigen Teil die Akzeptabilität seiner Leistung
abhängt. Ungünstiges Verhalten der Originalredner wie Zögerlichkeit, Monotonie,
Satzbrüche oder Eilzugtempo kümmern den Zuhörer kaum mehr, sobald er der
Verdolmetschung zuhört. Hier sind solche Schwächen jedoch auf Dauer kaum
akzeptabel. Sie sind für den Zuhörer nicht nur unangenehm, sondern können auch
59
die Rezeption an sich stören. Hinzu kommt, Pausen und Zögern die ohnehin schon
große Distanz zwischen den Gesprächspartnern weiter vergrößern, so daß bei
langen Wartezeiten auch leicht der Gesprächszusammenhang verlorengeht.
Da die Distanz durch die Verdolmetschung erhöht wird, sollte der Dolmetscher durch
die Minderung der Verzögerungen Ausgleich schaffen. Genau dies ist aber häufig
nicht möglich. In den Tests sahen sich einige Dolmetscher infolge von
Kapazitätsüberlastungen und Hörproblemen gezwungen, die Hörlautstärke zu
erhöhen und damit ihre Outputkontrolle herabzusetzen und auch teilweise die
Simultaneität zu reduzieren. Ein Dolmetscher äußerte beispielsweise Unzufriedenheit
über seinen Mangel an Redefluß. Festzustellen waren überdies unsinngemäße
Pausen und Betonungen, Dehnungen und Kurzatmigkeit.
Daß der Vortrag aus Dolmetschersicht in wenigen Fällen optimal war, deutet auf eine
erhebliche anderweitige Kapazitätsbeanspruchung hin – ein Zustand, der zwar auch
in anderen Simultansituationen auftreten kann, der aber nicht von vornherein als
situationsbedingt hingenommen werden muß. Ebensogut können zugunsten von
Versprachlichung und Vortrag kleine Auslassungen in Kauf genommen werden und
mit einer Straffung mehr Konstanz im Redefluß erreicht werden.
5.2.4 Kommunikative Leistung
Bei der Beurteilung der kommunikativen Leistung im engeren Sinne soll es um die
Frage gehen, wie Sprechhandlungen oder gesprächslenkende Handlungen
umgesetzt werden und wie insbesondere der Sprecherwechsel vollzogen wird.
Probleme entstehen, wenn Sprechhandlungen vom Originalredner allzu unvermittelt
eingeleitet werden. Unter Umständen wird der Gesprächspartner nämlich nicht
schnell genug reagieren, was den bislang sprechenden Teilnehmer wiederum dazu
veranlassen könnte, ein Sprecherwechsel-Angebot "zurückzuziehen", d.h. einfach
weiterzusprechen. Die Folgen wurden in Kap. 3.2.1 ausführlich beschrieben.
Bei derartigen Unsicherheiten in der Gesprächslenkung kann der Dolmetscher zwar
nicht aktiv als Vermittler auftreten, er kann jedoch im Vorfeld eines Sprecherwechsels
vorgenommene Sprechhandlungen oder Übergänge zu anderen Handlungsformen
durch im Zieltext verdeutlichen (vgl. Beispiel 18). Gleichzeitig muß er jedoch darauf
bedacht sein, Verzögerungen, die durch Explizitmachung entstehen können, beim
Sprecherwechsel möglichst kurz zu halten, da sie für neue Unsicherheit zu sorgen
vermögen. Lange Nachträge des Dolmetschers am Ende eines Redebeitrages
führen schließlich bei denjenigen, die auf eine Antwort warten, zu langen Pausen.
Ebenso sind dem Abwarten des Dolmetschers zu Beginn eines neuen Redebeitrages
Grenzen gesetzt. Abbildung 3 vermittelt trotz der relativ kleinen Stichprobe eine
Vorstellung davon, wie ungewöhnlich lang die Wartezeiten beim Sprecherwechsel
hier ohnehin schon sind. Hier kann der Dolmetscher etwaigen Problemen
entgegenwirken, indem er dem wartenden Teilnehmer den Vollzug des
Sprecherwechsels durch Einstreuen eines Füllwortes wie etwa ‘also’, ‘nun’, ‘ja’ relativ
zeitig anzeigt, ehe er mit der eigentlichen Verdolmetschung beginnt. Mit dieser
60
Strategie gewinnt der Dolmetscher Zeit und kann
Gestaltungsspielraum für die Verdolmetschung schaffen.
sich
Planungs-
und
Allerdings behindert eine Wartezeit von immer noch stattlichen 6-8 Sekunden auch
bei optimalen Sprecherwechseln spontane Reaktionen. Die Teilnehmer müssen
erhöhte Konzentration aufwenden, um den Zusammenhang mit (weiter)
zurückliegenden Äußerungen und Beiträgen herstellen zu können. Dies scheint
nahezulegen, ViKiS den Teilnehmern eher bewußte und disziplinierte als emotionale
Kommunikation abverlangt und bieten kann.
5.3 Akzeptanz
5.3.1 Teilnehmerseitige Akzeptanz
In Kap. 3 wurde bereits deutlich, daß eine Diskrepanz zwischen den
teilnehmerseitigen Kommunikationsproblemen einerseits (Kap. 3.1, 3.2) und dem
Gesamteindruck der Teilnehmer andererseits (Kap. 3.3) zu herrschen scheint.
Kehren wir also zu der Frage zurück, warum die Teilnehmer die Videokonferenzen
überwiegend positiv beurteilten.
Zum einen sind die technischen Bedingungen aus Teilnehmersicht, wenn auch
ungünstig, so doch ausreichend, und die technischen Probleme sind handhabbar:
Wenn den Gesprächsteilnehmern aufgrund unzureichender Ton- oder Bildqualität
etwas entgeht, steht es ihnen schließlich frei nachzufragen; und selbst wenn eine
Videokonferenzleitung zusammenbricht und die Verbindung mitten im Gespräch neu
hergestellt werden muß, wie es während der Tests einige Male passierte, entsteht
den Teilnehmern daraus kein unüberwindbares Kommunikationsproblem. Das
Gespräch wird einfach wieder aufgenommen.
Die hohe (und steigende) Zahl der in der Industrie und in anderen Einrichtungen
bereits (täglich) durchgeführten Videokonferenzen ist Beweis dafür, daß
(einsprachige) Videokonferenzen ein heute akzeptables (und akzeptiertes)
Kommunikationsmittel sind. Auch in unseren Untersuchungen einsprachiger
Konferenzen hatte sich immer wieder bestätigt, daß in einer VK zwei (oder auch
mehr) Personen relativ natürlich miteinander kommunizieren können.
Die Natürlichkeit der Gesprächssituation blieb für die Teilnehmer auch in den
simultan gedolmetschten Videokonferenzen in ausreichendem Maße gewahrt. Die
meisten Teilnehmer betonten dies in ihren Kommentaren, daß sie das Gefühl hatten,
direkt mit ihrem Gesprächspartner zu reden (und nicht mit dem Dolmetscher) und
daß eine sehr akzeptable Fülle von Informationen ausgetauscht werden konnte.
Hierfür dürfte zu einem großen das Gelingen der Verdolmetschung, dem einzigen
kommunikativ aktiven "Bindeglied" zwischen beiden Teilnehmerseiten, verantwortlich
sein.
61
Trotz aller Schwierigkeiten, die sich im einzelnen ergaben, traten in keiner der
durchgeführten Konferenzen grobe Mißverständnisse auf oder Probleme, die den
Kommunikationsfluß unterbrechen oder zum Erliegen hätten bringen können.
Der positive Gesamteindruck der Teilnehmer bestand nun übrigens nicht darin, daß
sie hier angesichts einer Testsituation, in der es für sie um nichts ging, einfach nur
staunten oder sich freuten, daß es ja funktioniert. Die Teilnehmer waren sich
inhaltlicher Unstimmigkeiten im Gesprächsverlauf ebenso bewußt wie der Mängel in
ihrem eigenen kommunikativen Verhalten und in dem der Gesprächspartner. Sie
äußerten sich insgesamt (glücklicherweise!) auch nicht vollkommen unkritisch.
Entscheidend ist die Bedeutung, die den erkannten Unzulänglichkeiten beigemessen
wurde: Sie wurden nicht als unüberwindbar betrachtet.
Somit ist aus Teilnehmersicht die Kommunikation in einer gedolmetschten
Videokonferenz zwar teilweise schwieriger als vertrautere kommunikative
Situationen, aber dennoch (gut) möglich. In erster Linie eignet sich die ViKiSKonstellation für Besprechungen in kleinen Gruppen, für eher sachliche als stark
emotionalisierte Kommunikation. In einer Situation, in der ein echtes
Kommunikationsanliegen besteht, daß ohne VK und ohne Verdolmetschung nicht
oder nur mit sehr viel größerem Aufwand realisierbar ist, dürften diese
Kommunikationsschwierigkeiten an den Teilnehmerseiten ohne weiteres hinnehmbar
sein.
5.3.2 Dolmetscherseitige Akzeptanz
Es scheint so, daß es Dolmetschern in der Regel gelang, die Akzeptabilität für die
Rezipienten zu wahren, d.h. daß die Dolmetscher hier als Mittler der Kommunikation,
wenn auch bedingt, aber doch in der Lage waren, Kommunikationsprobleme in
einem für die jeweilige Situation ausreichendem Maße zu überbrücken.
Allerdings entbehren dauerhaft angewendete "Übertünchungsstrategien" der
Akzeptabilität für den Dolmetscher selbst, und auch die Vermittler-Rolle ist für den
Dolmetscher nicht unproblematisch. Schließlich sind auch die technischen
Bedingungen aus Dolmetschersicht ungünstiger als für die "normalen" Teilnehmer.
Da zu der üblichen sprachlichen Trennung der Teilnehmer hier eine spürbare
räumliche Trennung hinzukommt, fungiert der Dolmetscher nicht nur als Sprach- und
Kulturmittler, sondern auch als Mittler zur Überwindung von räumlich und technisch
bedingten Kommunikationsschwirigkeiten. Im Vergleich zur herkömmlichen
Simultansituation muß er somit weitaus stärker ausgleichend und regelnd tätig
werden. So sagte eine Dolmetscherin beispielsweise: "Du bist fast versucht..., das
Ganze organisieren zu wollen, also zu sagen: 'Du hast jetzt das Wort'."
Eine solche Moderator-Tätigkeit scheint auch deshalb nötig zu werden, weil das
ViKiS-Szenario durch die ihm zugrundeliegende Gesprächssituation mehr
"Interaktion" zwischen den Teilnehmern mit sich bringt als andere simultan
gedolmetschte Kommunikationssituationen, in denen entweder, wie bei einem
62
Vortrag, weitgehend monologisch kommuniziert wird oder aber ein Vorsitzender den
Ablauf eines Dialogs ordnet. Durch diese Regelgebundenheit wird die Gefahr von
teilnehmerseitigen
Schwierigkeiten
entscheidend
eingedämmt.
Beim
Flüsterbegleitdolmetschen wiederum sind die Partner eines Vieraugen- oder
Kleingruppengesprächs aufgrund der Nähe selbst fähig, den Kommunikationsverlauf
miteinander abzustimmen.
Nach traditionellem Verständnis ist dem Simultandolmetscher ein aktives Eingreifen
in die Kommunikation denn auch weitgehend fremd, d.h. er tritt nicht als
eigenständiger Teilnehmer in Erscheinung. Und das mit gutem Grund: Die
dolmetscherische Mittlertätigkeit findet außerhalb der Beziehung der Teilnehmer
zueinander statt. Die Identifikation des Dolmetschers mit den inhaltlichen oder
beziehungsaspektlichen Interessen des einen oder anderen Teilnehmers ist weder
erwünscht noch unerwünscht, sondern schlichtweg irrelevant; der Dolmetscher soll
die kommunikativen Interessen, die kommunikative Intention der Teilnehmer wahren.
Träte er hingegen aktiv als Vermittler auf, würde er auch zwangsläufig zu den
Teilnehmern direkt in Beziehung treten und hätte bald auch noch andere Interessen
zu vertreten.
Bemühen Dolmetscher sich zur Förderung der Kommunikation auch häufig um
diplomatisches Verhalten, so etwa wenn Teilnehmer aus unwissentlich, so würden
viele es doch ablehnen, Diplomat zu spielen. Und umgekehrt würden wahrscheinlich
viele Teilnehmer den Dolmetscher nicht als Ver-Mittler akzeptieren. Sofern der
Dolmetscher jedoch nicht als Moderator auftreten soll, kann er kommunikativen
Problemen nur begrenzt, ja meist sogar nur an der Textoberfläche entgegenwirken.
Die vermittelnde Tätigkeit ist somit eine Gratwanderung, die ein hohes Maß an
"Fingerpsitzengefühl" verlangt. Es dürfte kaum verwundern, daß gerade vor diesem
Hintergrund die Dolmetscher auch den technischen Bedingungen des VKDolmetschens kritisch gegenüber stehen: Diese trugen für sich genommen schon
häufig zu einer ungebührlichen Erhöhung des psychischen wie physischen Stresses
bei. So glaubten beispielsweise viele Testdolmetscher ihrem subjektiven Empfinden
zufolge länger im Einsatz gewesen zu sein, als das jeweilige Gespräch tatsächlich
dauerte. Streß erwächst hierbei weniger aus dem möglicherweise ungewohnt
technisierten Arbeitsplatz. Die Benutzeroberfläche wurde allgemein als
gebrauchsfreundlich eingestuft, obschon auch hier noch Verbesserungen möglich
sind. Es geht in der Tat um die (noch) ungünstigen technischen
Rahmenbedingungen.
Insbesondere ist die Akzeptabilität für den Dolmetscher in bezug auf die Tonqualität
in den 2B-Verbindungen bislang nur recht eingeschränkt gegeben. Daß in den Tests
mit 2B-Verbindungen die Grenze des Machbaren trotz der geringen sprachlichen und
inhaltlichen Anforderungen häufig schon erreicht wurde, gibt sicher mit Blick auf
einen möglichen zukünftigen Nutzerkreis der ViKiS-Technologie zu denken:
Mittelständische Unternehmen möchten möglicherweise mit Hilfe von
Videokonferenzen auch Themen besprechen, die einen Irrtum nicht zulassen. Hier
63
stellt sich natürlich die Frage der Eignung des Mediums: Die VK eignet sich sicher
nicht für alle Kommunikationstypen. Auch die Eignung der Technologie spielt jedoch
eine Rolle: Sobald alle Beteiligten über eine 6B-ISDN-Verbindung verfügten, wurde
das VK-Dolmetschen zu einer realistischen Option.
Trotz der verständlicherweise kritischen Sicht mancher Dolmetscher haben die
Untersuchungen gezeigt, daß es unter den gegebenen Umständen – mit den
gegebenen technischen Rahmenbedingungen, mit den hier vertretenen Probanden,
ihrer Anzahl pro VK und ihrem Verhalten, mit dem vorgegebenen Thema und seinem
Schwierigkeitsgrad sowie mit der Länge der einzelnen Gespräche – möglich war, im
ViKiS-Setup ein VK-Gespräch passabel zu führen und zu dolmetschen. Darüber
hinaus lassen die Untersuchungen auch den Schluß zu, daß das ViKiS-Setup grosso
modo für die Verdolmetschung eines VK-Gesprächs tauglich ist.
64
6 Zusammenfassung und Ausblick
Unabhängig von technischen Entwicklungen, die sicher in absehbarer Zeit
insbesondere qualitativ bessere Videokonferenzen per PC bringen werden, wird das
VK-Dolmetschen auch langfristig zu den schwierigeren Dolmetschformen zählen.
Somit erhebt sich die Frage, ob Dolmetscher das grundsätzlich höhere Risiko von
kommunikativen Schwierigkeiten zu tragen bereit sind. Letztlich wird nämlich die
Verantwortung für das Gelingen der Kommunikation beim Dolmetscher liegen, der
sich, wie hier beschrieben, kaum darauf beschränken kann, eine rein sprachliche
Mittlertätigkeit anzubieten und den Rest den Teilnehmern zu überlassen.
Gleichzeitig ist aber davon auszugehen, daß die Kommunikation per VK und den
kommenden Jahren noch weiter zunehmen wird und daß davon auch und gerade die
mehrsprachige Kommunikation betroffen sein wird. Für diejenigen Dolmetscher, die
sich dieser Herausforderung stellen, tun sich gewiß Wettbewerbsvorteile auf.
Dolmetschen ist ein Dienstleistungsberuf und muß auf die Bedürfnisse des
Kommunikationsmarktes reagieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Je
früher und intensiver (und kritischer) man sich mit neuen Entwicklungen und
Kommunikationsmedien auseinandersetzt, desto eher ist es sicher möglich, die
verwendete Technologie so dolmetscherfreundlich wie möglich zu gestalten.
Des weiteren gilt, daß in dem Maße, in dem die VK-Kommunikation zunimmt, auch
mit einer Gewöhnung der Teilnehmer (und Dolmetscher) und damit auch mit
steigender kommunikativer Kompetenz bezüglich der VK bei allen Beteiligten zu
rechnen ist. Dies wiederum dürfte die Aufgabe des VK-Dolmetschens unabhängig
von technischen Gegebenheiten erleichtern.
Natürlich ist die Eignung des Mediums VK für jede Situation zu bedenken: eine VK
(mit der ohne Verdolmetschung) bietet sich nicht für jede kommunikative Situation
an. Die gebotene kritische Prüfung und Beurteilung der konkreten Bedingungen
(Gesprächsinhalt, technische Gegebenheiten) und ihrer Eignung für die VK bzw. das
VK-Dolmetschen wird aber erst dann möglich, wenn man sich mit dem Medium
auseinandersetzt. Somit ist die Fähigkeit zur Beurteilung ein Teil der zunächst erst
einmal zu erwerbenden kommunikativen Kompetenz für die VK.
Auch dies macht deutlich, daß ein frühzeitiger Umgang mit dieser Technologie
wichtig ist und auch in die Dolmetscherausbildung integriert werden sollte. Zur
gezielten Verbesserung der VK-Kompetenz aktiver Dolmetscher bieten sich
Trainings- und Fortbildungsmaßnahmen an.
Die Beschäftigung mit dem VK-Dolmetschen ist dabei nicht gleichzusetzen mit der
uneingeschränkten und unbedingten Befürwortung des VK-Dolmetschens zum
gegenwärtigen Zeitpunkt. Sie ist vielmehr der Schlüssel zu einer kompetenten
Beurteilung dessen, was gegenwärtig und mittelfristig machbar ist und was man aus
Dolmetscher- und Teilnehmersicht für das und vom VK-Dolmetschen erwarten kann.
65
7 Anhang: Zeichenerklärung für die Transkripte
[
Beginn einer Überschneidung
*
Ende der Überschneidung
---
Pause/Stocken in einer Äußerung
(0,8)
längere Pause (in Sekunden) zwischen zwei Sprechern
=
unmittelbar aufeinanderfolgende Äußerungen
...
Ende einer unvollständigen, aber nicht fortgeführten Äußerung
< > gedankliche Ergänzung einer unvollständigen Äußerung
/ / unverständliche/unsichere Äußerung
XX
(Großbuchstaben): besonders betonte oder laute Äußerung
66
8 Literaturverzeichnis
Böcker, Martin. & Anderson, Donald (1993): "Remote Conference Interpreting using
ISDN Videotelephony: A Requirements Analysis and Feasibility Study". Proceedings of the Human Factors and Ergonomics Society 37th Annual Meeting,
1993, 235-239.
Braun, Sabine & Kohn, Kurt & Mikasa, Hans (1999): "Kommunikation in der
mehrsprachigen Videokonferenz: Implikationen für das Dolmetschen". In
Gerzymisch-Arbogast, Heidrun; Gile Daniel; House, Juliane & Rothkegel,
Annely: Wege der Übersetzungs- und Dolmetschforschung (1. Jahresband der
DGÜD). Tübingen: Narr.
Bros-Brann, Eliane (1997): "The Video Conference Demonstration 9 January at Montreal". aiic Bulletin 3/97, S. 77.
Färber, Berthold (1993): "Videokonferenzen: Einsatzgebiete und Grenzen", Office
Mangement 4/1993, 45-48.
Franke, Thomas (1997): "Per Videokonferenz einmal um die Finanzwelt. Global24:
13 Stunden Diskussion über die Währungsunion. Sechs Standorte auf drei
Kontinenten". FAZ, 29.07.97.
Gambier, Yves & Gile, Daniel & Taylor, Christopher (eds) (1997): Conference Interpreting: Current Trends in Research. Amsterdam: Benjamins.
Gratzfeld, Reiner (1996): "Videoconferencing – Erfahrungen in der Henkel-Gruppe".
Office Management 6/1996, 22-25.
Gumperz, John (1982): Discourse Strategies. Cambridge: CUP.
Herring, Susan C. (ed.) (1996): Computer-Mediated Communication: Linguistic, Social and Cross-Cultural Perspectives. Amsterdam: Benjamins.
Hatim, Basil & Mason, Ian (1997): The Translator as Communicator. Routledge: London.
Höflich, Joachim R. (1996): Technisch vermittelte interpersonale Kommunikation:
Grundlagen, organisatorische Medienverwendung, Konstitution "elektronischer
Gemeinschaften". Opladen: Westdeutscher Verlag.
Kalina, Sylvia (1995). "Dolmetschen und Diskursanalyse: Anforderungen an
Dolmetschleistungen". In: Beyer, Diller et al. (Hrsg.) anglistik &
englischunterricht, Band 55/56, Realities of Translating. Heidelberg: Winter.
Kalina, Sylvia (1998a): "Zur Rolle der Theorie in der Dolmetscherausbildung".
TextConText 6, 101-113.
Kalina, Sylvia (1998b): Strategien und Prozesse beim Dolmetschen. Theoretische
Grundlagen, empirische Fallstudien, didaktische Konsequenzen. Tübingen:
Narr.
Kohn, Kurt & Kalina, Sylvia (1996): "The Strategic Dimension of Interpreting". Meta,
XLI, 1, 118-138.
Krings, Hans-P. (1986): Was in den Köpfen von Übersetzern vorgeht. Tübingen:
Narr.
Levinson, Steven C. (1983): Pragmatics. Cambridge: CUP.
Mouzourakis, Panayotis (1996): "Videonconferencing: Techniques and Challenges".
Interpreting Vol. 1(1), S. 21-38.
67
O'Hagan, Minako (1996): The Coming Industry of Teletranslation. Clevedon: Multilingual Matters.
Poyatos, Fernando (1997): "The reality of multichannel verbal-nonverbal communication in consecutive and simultaneous interpretation". In: Poyatos, Fernando
(ed): Nonverbal Communication and Translation. Amsterdam: Benjamins, 249282.
Roberts, Roda (1997): "Community Interpreting Today and Tomorrow". In: Carr, Silvana E. & Roberts, Roda & Dufour, Aideen & Steyn, Dini (eds.): The Critical
Link. Interpreters in the Community. Amsterdam: Benjamins, 7-28.
Sacks, Harvey & Schegloff, Emanuel A. & Jefferson, Gail (1974): "A Simplest Systematics for the Organization of Turn Taking in Conversation". In: Language,
50/4, 696-735.
Tonnemacher, J. & Stachelsky, F. von (1987): Videokonferenzen in
Dienstbesprechungen der Deutschen Bundespost. Ein Akzpetanzuntersuchung
zur
innerbetrieblichen
Anwendung.
Heinrich-Hertz-Institut
für
Nachrichtentechnik Berlin GmbH. Abt. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche
Begleitforschung. Berlin 1987.
Viaggio, Sergio (1997): "Kinesics and the simultaneous interpreter: The advantage of
listening with one's eyes and speaking with one's body." In: Poyatos, Fernando
(ed): Nonverbal Communication and Translation. Amsterdam: Benjamins, 283294.
Vugt, Reinhardt van (1994): Audiovisuelle Kommunikation. Elektronische Medien in
Aus- und Weiterbildung, Präsentation und Konferenz. Basel: Beltz.
68
Herunterladen