2.2 Voraussichtlicher Nutzen und Verwertbarkeit

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ViKiS
Videokonferenz mit integrierter
Simultandolmetschkomponente
Förderkennzeichen: 01 BN 604/7
Schlußbericht
Videokonferenz mit integriertem
Simultandolmetschen:
Entwurf der Dolmetschkomponente
Kurt Kohn, Sabine Braun, Claudius Heeger, Hans Mikasa
Universität Tübingen
Seminar für Englische Philologie
Wilhelmstr. 50, D-72074 Tübingen
Tel. +49 7071 29-72377 / -78455
Fax: +49 7071 29-5079
eMail: [email protected]
http://www.uni-tuebingen.de/vikis
ViKiS (01 BN 604/7)
Inhalt
INHALT ....................................................................................................................... 1
1
AUFGABENSTELLUNG UND VORAUSSETZUNGEN ..................................... 2
1.1 Aufgabenstellung ........................................................................................ 2
1.2 Voraussetzungen ........................................................................................ 3
1.3 Planung und Ablauf des Vorhabens ........................................................... 3
1.4 Wissenschaftlich-technischer Stand ........................................................... 4
1.5 Verwendete Fachliteratur ............................................................................ 5
1.6 Zusammenarbeit mit anderen Stellen ......................................................... 7
2
EINGEHENDE DARSTELLUNG ........................................................................ 8
2.1 Ergebnisse .................................................................................................. 8
A
Konzeption und Evaluation des ViKiS-Prototypen .............................. 8
B
Empirische Begleituntersuchungen .................................................. 13
C
Analyse dolmetschrelevanter Tools.................................................. 17
2.2 Voraussichtlicher Nutzen und Verwertbarkeit der Ergebnisse und
Erfahrungen .............................................................................................. 20
2.3 Erfolgte und geplante Publikationen der Ergebnisse ................................ 21
3
ANHANG: ERFOLGSKONTROLLBERICHT ................................................... 23
3.1 Beitrag der Ergebnisse zu förderpolitischen Zielen................................... 23
3.2 Wissenschaftlich-technischer Erfolg des Vorhabens ................................ 23
3.3 Verwertbarkeit der Ergebnisse.................... Error! Bookmark not defined.
3.4 Arbeiten, die zu keiner Lösung geführt habenError! Bookmark not defined.
3.5 Finanz- und Zeitplan ................................... Error! Bookmark not defined.
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
ViKiS (01 BN 604/7)
1
Aufgabenstellung und Voraussetzungen
1.1 Aufgabenstellung
Ausgangspunkt für das ViKiS-Vorhaben war die Feststellung, daß die Kommunikation per Videokonferenz seit der Verbreitung ISDN-basierter VK-Systeme rapide
zunimmt und daß hiervon auch die Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg
betroffen sein wird. Erste Recherchen ergaben, daß es keine ernsthaften Ansätze
gab, Dolmetscher in geeigneter Form in eine Videokonferenz einzubeziehen.
Die rasante Entwicklung der Kommunikationsnetze (ISDN, ATM) schien die
notwendige Bandbreite und Übertragungsqualität für komplexere VK-Schaltungen zu
liefern, in denen auch ein Dolmetscher einen entsprechenden Platz finden könnte.
Außerdem machte die Entwicklung im Bereich der VK-Systeme selbst, insbesondere
der Übergang von (teuren) Raumsystemen zu (preiswerteren und flexibleren) PCbasierten Systemen, die Nutzung von VK-Systemen auch im Bereich kleinerer und
mittlerer Unternehmen (einschließlich Dolmetsch-Agenturen) zu einer realistischen
Option.
Ausgehend von diesen Beobachtungen hatten sich die Projektpartner zum Ziel
gesetzt, eine konzeptionelle und technische Lösung für den Prototyp eines VKgestützten Simultandolmetschplatzes und dessen Integration in eine VK-Schaltung
zu erarbeiten, zu implementieren und zu erproben.
Das Projekt wurde als Verbundprojekt in zwei Teilvorhaben durchgeführt. Das
Teilvorhaben "Entwurf der Dolmetschkomponente" war Aufgabe der Universität
Tübingen (Seminar für Englische Philologie, Lehrstuhl Prof. Kohn); das Teilvorhaben
"Integration
der
Dolmetschkomponente"
oblag
der
Firma
NTS
Nachrichtentechnische Systementwicklungs GmbH in München.
Der vorliegende Bericht bezieht sich auf die Projektaktivitäten und Ergebnisse der
Tübinger Arbeitsgruppe, die für folgende Teilziele verantwortlich war:

Entwurf einer konzeptionellen Lösung für den Prototypen auf der Grundlage
dolmetschspezifischer Anforderungen (AP 1.1),

Entwurf eines geeigneten
Dolmetschplatzes (AP 3.1),

funktionale
Evaluation
des
Benutzeroberfläche (AP 4),

empirische Begleituntersuchungen zur Bestimmung der Bedingungen und
Merkmale der ein- und mehrsprachigen VK-Kommunikation in Kleingruppen
sowie der Spezifik des VK-Dolmetschens im Kontext der aktuellen Forschung
(AP 4),

Untersuchung dolmetschrelevanter
Dolmetschplatz (AP 5.1).
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
Designs
für
die
Prototypen
Tools
zur
Benutzeroberfläche
und
insbesondere
Integration
in
den
des
der
VK-
ViKiS (01 BN 604/7)
1.2 Voraussetzungen
Organisatorisch-technische Voraussetzungen
Der Projektpartner (NTS) implementierte zunächst zwei PC-basierte VK-Plätze mit
2B-ISDN-fähigen Codecs an der Universität Tübingen und einen zusätzlichen Platz
bei einem Dolmetscher und Projektmitarbeiter in Heidelberg. Nach Fertigstellung des
Prototypen wurde auch dieser von NTS in Tübingen implementiert. In der letzten
Phase des Projekts wurde kurzzeitig einer der PC-basierten Konferenzplätze durch
ein 6B-ISDN-Raumsystem ersetzt und der Dolmetschplatz entsprechend für 6B-ISDN
erweitert.
Für die empirischen Begleituntersuchungen wurden neben den Tübinger und
Heidelberger Konferenzplätzen auch VK-Plätze im Hause NTS sowie bei Partnern
der Tübinger Arbeitsgruppe im In- und Ausland genutzt.
Die Anbindung an das ISDN und der Zugang zum B-WiN wurden in Zusammenarbeit
mit dem Zentrum für Datenverarbeitung der Universität Tübingen in den Räumen der
Arbeitsgruppe installiert.
Personelle Voraussetzungen
Die Vorarbeiten zum Projekt und ein Teil der Projektarbeiten wurden von
wissenschaftlichen Mitarbeitern des Lehrstuhls von Prof. Kohn übernommen. Die
Arbeitsgruppe des Lehrstuhls konnte auf theoretische Kenntnisse und praktische
Erfahrungen im Bereich des Übersetzens und Dolmetschens und der mehrprachigen
Kommunikation ganz allgemein zurückgreifen.
Mit Beginn des Projekts wurden zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Dazu zählte von
Beginn an ein Dolmetscher. Nach Verfügbarkeit des Prototypen wurde ein zweiter
Dolmtescher engagiert; weitere externe Dolmetscher wurden als Berater und als
Versuchspersonen für die Evaluation des Prototypen und für die empirischen
Begleituntersuchungen hinzugezogen.
Für begleitende Arbeiten im Rahmen der Untersuchung dolmetschrelevanter Tools
sowie für die Aufbereitung der Daten im Rahmen der Begleituntersuchungen wurden
studentische Hilfskräfte eingesetzt.
Finanzielle Voraussetzungen
Zu Projektbeginn lag die Gesamtkalkulation bei 522.928,00 DM. Dieser Betrag
reduzierte sich im Lauf des Projektvorhabens um 115.528,08 DM auf 407399,92 DM.
1.3 Planung und Ablauf des Vorhabens
Die Idee für das Projektvorhaben entstand bereits in der ersten Hälfte des Jahres
1995 in der Tübinger Arbeitsgruppe. Die Wahl eines technischen Projektpartners fiel
auf NTS, weil hier Erfahrungen und Möglichkeiten einer Systementwicklung auf dem
Gebiet der Videokonferenz vorlagen.
Der Projektantrag wurde dem Projektträger am 14. November 1995 eingereicht und
als Verbundprojekt genehmigt. Am 1. Juni 1996 wurde mit dem Projektvorhaben
begonnen.
Auf Tübinger Seite wurde zunächst die Basiskonstellation für den Prototypen
erarbeitet. Daran anschließend fanden in Zusammenarbeit mit NTS die ersten Tests
zur Audioqualität des zu entwickelnden Prototypen statt. Parallel dazu wurde mit der
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ViKiS (01 BN 604/7)
Untersuchung der Bedingungen und Merkmale der VK-Kommunikation, zunächst
ohne Verdolmetschung, begonnen und in Zusammenarbeit mit NTS an der
Benutzeroberfläche für den Prototypen gearbeitet. In Tübingen wurde außerdem mit
der Untersuchung dolmetschrelevanter Tools begonnen.
Zusätzliche technische Aufgaben (anfänglich nicht im notwendigen Umfang
eingeplante Audiotests mit verschiedenen Dolmetschern) sowie technische Probleme
(Probleme bei der Installation universitätsinterner ISDN-Anschlüsse und
Verzögerungen in der Entwicklung des Prototypen beim Projektpartner) führten dazu,
daß zwischen der Tübinger Arbeitsgruppe und dem Projektträger eine
Unterbrechung der Tübinger Arbeiten (insbesondere der Begleituntersuchungen) in
Verbindung mit einer Personalmittel-Sperre vom 1. Juni 1997 bis 31. Oktober 1997
vereinbart wurde.
Danach wurden die Untersuchungen des VK-Dolmetschens und die Anbindung an
das B-WiN begonnen und kamen in der ersten Hälfte des Jahres 1998 zügig voran.
Dabei wurde deutlich, daß eine weitere Verbesserung der Audioqualität notwendig
war.
Zur Durchführung der weiteren Anpassung des Prototypen auf NTS-Seite und der
entsprechenden Evalutationsbegleitung auf Tübinger Seite wurde das Projekt in
Absprache mit dem Projektträger kosten-neutral um sechs Monate gestreckt.
Die Streckung ermöglichte es auch, die Arbeitsüberlast abzubauen, die eingetreten
war durch die anfänglichen zusätzlichen Audiotests, durch Arbeitsverzögerungen
aufgrund der Netzanbindungsprobleme sowie durch die Personalmittelsperre im
Zusammenhang mit der Fertigstellung des Prototypen.
Das Projekt wurde am 30. November 1998 beendet. In diesem Zeitrahmen konnten
die geplanten zusätzlichen Arbeiten zum Abschluß gebracht werden.
1.4 Wissenschaftlich-technischer Stand
Das Thema VK-Dolmetschen war vor Beginn des ViKiS-Projekts nur vereinzelt im
Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.
Böcker et al. (1993) berichteten von Ergebnissen, die VK-Systeme für
Dolmetschzwecke ungeeignet erscheinen ließen. Ein Vergleich der technischen
Spezifikation und des Untersuchungs-Setups legte jedoch nahe, daß die heute (und
bereits zu Beginn des ViKiS-Projekts) übliche Technik und auch die ViKiS-Schaltung
bessere Aussichten auf Erfolg bieten könnten.
Auch die wenigen anderen Studien und Einschätzungen (z.B. Mouzourakis 1996)
kamen zu dem Schluß, daß das Simultandolmetschen in einer ISDN-VK
insbesondere wegen der als unzureichend erachteten Tonqualität nicht vertretbar
sei. Entsprechend dieser Ausgangslage kam es auch nicht zu eingehenderen
Untersuchungen der Bedingungen und Strategien des VK-Dolmetschens.
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
ViKiS (01 BN 604/7)
1.5 Verwendete Fachliteratur
Technische Kommunikation, Videokonferenz und VK-Dolmetschen
Böcker, Martin. & Anderson, Donald (1993): "Remote Conference Interpreting using
ISDN Videotelephony: A Requirements Analysis and Feasibility Study".
Proceedings of the Human Factors and Ergonomics Society 37th Annual
Meeting, 1993, 235-239.
Bros-Brann, Eliane (1997): "The Video Conference Demonstration 9 January at
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Färber, Berthold (1993): "Videokonferenzen: Einsatzgebiete und Grenzen", Office
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Franke, Thomas (1997): "Per Videokonferenz einmal um die Finanzwelt. Global24:
13 Stunden Diskussion über die Währungsunion. Sechs Standorte auf drei
Kontinenten". FAZ, 29.07.97.
Gratzfeld, Reiner (1996): "Videoconferencing – Erfahrungen in der Henkel-Gruppe".
Office Management 6/1996, 22-25.
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Höflich, Joachim R. (1996): Technisch vermittelte interpersonale Kommunikation:
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Tonnemacher, J. & Stachelsky, F. von (1987): Videokonferenzen in
Dienstbesprechungen der Deutschen Bundespost. Ein Akzpetanzuntersuchung
zur
innerbetrieblichen
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Heinrich-Hertz-Institut
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Begleitforschung. Berlin 1987.
Vugt, Reinhardt van (1994): Audiovisuelle Kommunikation. Elektronische Medien in
Aus- und Weiterbildung, Präsentation und Konferenz. Basel: Beltz.
Linguistische Grundlagen
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Blakemore, Diane (1992): Understanding utterances. Oxford & Cambridge, Mass.:
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Brown, Gillian & Yule, George (1983): Discourse analysis. Cambridge: CUP.
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Vol.1, No. 1.
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anglistik & englischunterricht, Band 55/56,. Heidelberg: Winter.
Kalina, Sylvia (1998a): "Zur Rolle der Theorie in der Dolmetscherausbildung".
TextConText 6, 101-113.
Kalina, Sylvia (1998b): Strategien und Prozesse beim Dolmetschen. Theoretische
Grundlagen, empirische Fallstudien, didaktische Konsequenzen. Tübingen:
Narr.
Kohn, Kurt & Kalina, Sylvia (1996): "The Strategic Dimension of Interpreting". Meta,
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Dolmetschrelevante Tools
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Sprachdatenverarbeitung - das Beispiel Südtirol". In: Lauer et al.
Der Spiegel 5/1997. "Mit Weltwissen gefüttert."
Dretzke,
B.
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"Moderne
englisch-englische
Beurteilungskriterien". fsu 41/50 (1997) 3. 218 - 223.
Lernerwörterbücher.
Lauer, Angelika & Gerzymisch-Arbogast, Heidrun & Haller, John & Steiner, Erich
(Hrsg.) (1996): Übersetzungswissenschaft im Umbruch. Festschrift für
Wolfram Wills zum 70. Geburtstag. Tübingen: Narr.
Neth, H. & Müller, T. (1997): "Wörterwucher - Einsprachige Wörterbücher auf CDROM". c’t Heft 10. 206 - 213.
Neubert, Albrecht (1996): "Computers, Dictionary Makers and Translators". In: Lauer
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Reinke, Uwe (1996): "Der Rechnergestützte Übersetzungsarbeitsplatz im Wandel".
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auf English?". Süddeutsche Zeitung 18.2.1997.
Schmitt, Peter A. (1996): "Computereinsatz in der Translation". In: Lauer et al.
Stevens, V. (1997): "CALICO Software Product Review:
http://calico.org/review/monoconc.html.
MonoConc 1.2".
Wagenknecht, A. (1997): Praxistest: "Ihr PC - der persönliche Dolmetscher".
PCPraxis 12/97. 62-73.
Zimmer, D. (1997): "Bezahlung kann sein gemacht. Von Übersetzungsmaschinen,
Sinn und Unsinn". MDÜ 4/5 1997. 1-6.
1.6 Zusammenarbeit mit anderen Stellen

externe VK-Partner in den empirischen Begleituntersuchungen: Ulster
University (Nordirland), Ecole des Mines de Nancy (Frankreich), Alcatel
(Österreich), STEAG (Deutschland), DaimlerChrysler (Deutschland).

externe Dolmetscher, Berater und Durchführung von Testreihen: Günther
Brenner, Peter Bretthauer, Dr. Sylvia Kalina, Beatrice Löberl-Irmey, Rebecca
Sprengel, Lucy Taylor, Michael Zeller.

für wissenschaftliche Veröffentlichungen: Prof. Dr. Heidrun GerzymischArbogast, Universität Saarbrücken, FR 8.6 (Übersetzen und Dolmetschen).

für die Netzanbindung: Zentrum für Datenverarbeitung der Universität
Tübingen, DFN-Verein Berlin.
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ViKiS (01 BN 604/7)
2
Eingehende Darstellung
2.1 Ergebnisse
A
Konzeption und Evaluation des ViKiS-Prototypen
Bei der Konzeption des ViKiS-Prototypen ging es darum, ein System zu entwerfen,
das den Anforderungen des Simultandolmetschens in einem zweisprachigen
Kleingruppengespräch genügt. Darin eingeschlossen war
(a)
die Spezifikation von Anforderungen an eine Basiskonstellation und
(b)
die Konzeption einer Benutzeroberfläche für den Dolmetschplatz.
Die Evaluation hatte zweierlei zum Ziel: die Beurteilung und kontinuierliche
Verbesserung des Prototypen als Ganzes sowie die Beurteilung der Audioqualität in
den verschiedenen Netzanbindungen (ISDN, B-WiN) hinsichtlich der Machbarkeit
des Dolmetschens.
A.1 Basiskonstellation
Bei der Basiskonstellation (Abbildung 1) ging es darum, zwei Teilnehmerplätze über
den Dolmetschplatz miteinander so zu verbinden, daß die Simultanverdolmetschung
eines Gesprächs möglich ist.
Abbildung 1: ViKiS-Basiskonstellation
Die Tübinger Arbeitsgruppe spezifizierte die folgenden Hardware- und SoftwareAnforderungen für den ViKiS-Prototypen und evaluierte deren Umsetzung durch den
Projektpartner NTS. Nach der Evaulation folgten Verbesserungen am Prototyp.
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Grundausstattung

Spezifikation: Zur Grundausstattung gehören ein VK-fähiger Rechner mit 17Zoll-Monitor mit
offenem Kopfhörer und Mikrofon. Falls an einem
Konferenzplatz mehrere Teilnehmer versammelt sind, sollte eine zusätzliche
Überblickskamera
dem
Dolmetscher
eine
Gesamtansicht
der
Gesprächssituation ermöglichen.

Umsetzung: Die ViKiS-Station umfaßt den Rechner (mit mehreren CPUs), vier
Monitore, eine Kamera, zwei Headsets (mit Kopfhörer und Mikrofon), sowie
Tastatur und Maus zur Bedienung der ViKiS-Software. Einer der Bildschirme
dient als Steuerungsmonitor zur Darstellung der Benutzeroberfläche und damit
zur Bedienung der Dolmetscherstation (Herstellen und Einrichten der
Wählverbindungen, Hin- und Herschalten zwischen den Teilnehmern, Beenden
der Verbindung). Auf zwei weiteren, links und rechts vom Steuerungsmonitor
angeordneten Bildschirme sieht der Dolmetscher die beiden Teilnehmer T1 und
T2. Mit Hilfe des vierten, kleineren Monitors kann der Dolmetscher sein
Eigenbild überprüfen, das während der Einrichtungsphasen (vor der
eigentlichen Konferenzschaltung) von der Dolmetscherstation zu den
Teilnehmern über tragen wurde.

Evaluation:
Die
Lösung
kommt
den
Bedingungen
an
einem
Konferenzdolmetschplatz (Dolmetschkabine) nahe und wurden allgemein als
benutzerfreundlich eingeschätzt. Die Installation einer Überblickskamera erwies
sich bei der aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen als nicht notwendig. Aus
Dolmetschersicht wäre es günstiger, die beiden Teilnehmer auf einem einzigen
Monitor (Bildsplittung oder Fenstertechnik) zu sehen.
Steuerelemente

Spezifikation: Die wichtigsten Steuerelemente am Dolmetscherplatz (Mikrofonbedienung, Auswahl des Sprachkanals, Regelung von Lautstärke, Höhen
und Tiefen sowie "Räusper"-Taste) sollten hardwaremäßig als Steuerpult oder
als Touchpad realisiert sein, denn bei Softwarelösungen kann schon das
Positionieren des Mauszeigers bzw. das Anklicken der gewünschten
Schaltfläche(n) den Dolmetscher zu stark von seiner eigentlichen Aufgabe
ablenken.

Umsetzung: Das Steuerpult wurde zunächst als Softwarelösung realisiert.

Evaluation: An der ersten Version wurden im Zuge der Evaluation durch
Tübingen mehrmals Verbesserungen vorgenommen, die es erlaubten, es bei
einer Softwarelösung zu belassen (vgl. Kap. A.2).
Tonkanal für den Dolmetscher

Spezifikation: Im Unterschied zur derzeitigen VK-Technik, bei dem jeweils nur
ein Teilnehmer das Rederecht haben kann, müssen in der Dolmetschsituation
der jeweils sprechende Teilnehmer (T1 oder T2) und der Dolmetscher
gleichzeitig das Rederecht haben. Eine wesentliche technische Anforderung an
das ViKiS-System ist daher ein separater Tonkanal für den Dolmetscher. Um
von eventuellen Bedienungsfehlern Dritter unabhängig zu sein, sollte der
Dolmetscher sich das Rederecht selbst erteilen können, d.h. es sollte nicht (z.B.
vom Sitzungsleiter) zugewiesen werden. Auch eine automatische
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ViKiS (01 BN 604/7)
Mikrofonaktivierung wäre hier fehl am Platze; das Mikrofon muß aktiv von den
Dolmetschern ein- und ausgeschaltet werden können.

Umsetzung: Der Ton des gerade sprechenden Teilnehmers (Originalton) wird
zum Dolmetschplatz übertragen. Durch entsprechendes Umschalten der
Dolmetscher der Dolmetschrichtung bestimmt der Dolmetscher, für welchen
Teilnehmer er dolmetscht. Die Tonkanäle von den Teilnehmerplätzen zum
Dolmetschplatz sind stets beide offen, also auch der Kanal vom Zuhörer zum
Dolmetscher. Vom Dolmetschplatz aus wird der Dolmetschton zur
Zuhörerseite übertragen. Außerdem ist der "Rückkanal" vom jeweiligen
Empfänger
der
Verdolmetschung/Zuhörer
zum
Sender
des
Originaltons/Sprecher
stets
offen,
so
daß
der
Sprecher
z.B.
Zwischenbemerkungen vom Zuhörer wahrnehmen kann (vgl. Abbildung 2).

Evaluation: In der Schaltung des separaten Tonkanals für den Dolmetscher
besteht eines der wesentlichen Charakteristika des VK-Dolmetsch-Systems.
Die Umsetzung erfolgte entsprechend der Spezifikation. Für den Dolmetscher
ist es in der Gesprächssituation wichtig, daß stets beide Tonkanäle (d.h. vom
Sprecher und vom Zuhörer zu ihm) offen sind. So kann der Dolmetscher stets
alle Äußerungen der Teilnehmer mitverfolgen und läuft nicht Gefahr, z.B. durch
nicht rechtzeitige Umschalten etwas von deren Redebeiträgen zu verpassen.
Die Teilnehmer waren dagegen uneinig darüber, ob "Rückkanal" offen oder
geschlossen sein sollte. Die zu hörenden Zsichenbemerkungen der Zuhörer
waren für einige von ihnen irritierend.
Abbildung 2: Schaltung der Tonkanäle in der ViKiS-Konstellation
T1
Dolmetscher
T2
T1 spricht
T2 hört zu / empfängt
Verdolmetschung
T1-Ton ("O-Ton")

O-Ton  D-Ton

D-Ton
T2-Ton

T2-Ton

T2-Ton
T1 hört Zwischenbemerkung
oder Redebeginn von T2
T2 macht Zwischenbemerkung oder beginnt
zu sprechen
Sprachkanalwahl für die Teilnehmer

Spezifikation: Für die Konferenzteilnehmer müssen der Originalton (über
Lautsprecher) und der Dolmetschton (über Kopfhörer) verfügbar sein; die
Teilnehmer müssen die Möglichkeit haben, den Sprachkanal selbst
auszuwählen, d.h. auch in einer VK zwischen den Kanälen zu wechseln.

Umsetzung: Im Verlauf der Implementierung trafen die Projektpartner die
Entscheidung, zunächst nur den Dolmetschton zu den Teilnehmern zu
übertragen. Nur dadurch konnte gewährleistet werden, daß teilnehmerseitig
keine speziell angepaßten VK-Systeme benötigt wurden. Gerade für VKSchaltungen mit auswärtigen Beiteiligten ist dies unabdingbar.

Evaluation: Der "Verlust" durch den nicht mit übertragenen Originalton kann
als gering angesehen werden, da es ja darum ging, das VK-Dolmetschen zu
untersuchen und somit gewünscht war, daß die Teilnehmer dem Dolmetscher
zuhören und nicht versuchen, dem Originalredner zu folgen. Der Originalton
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
ViKiS (01 BN 604/7)
kann jedoch, falls dies erforderlich wird, durch Schaltung zusätzlicher
Telefonleitungen übertragen werden.
A.2 Benutzeroberfläche
Als Benutzeroberfläche an der ViKiS-Station dient eine graphische Oberfläche
(Abbildung
3),
die
sich
soweit
wie
möglich
an
herkömmliche
Konferenzdolmetschanlagen anlehnt. Folgende Punkte gehörten zu den
wesentlichen Anforderungen:

In der Software ist eine Fenstertechnik erforderlich, die den Bedingungen der
ViKiS-Situation angepaßt ist und insbesondere dem Dolmetscher erlaubt, alle
Konferenzteilnehmer gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen.

Zu
den
Steuerfunktionen
gehören
die
Mikrofonbedienung,
Auswahl/Umschaltung des Sprachkanals, Regelung von Lautstärke, Höhen und
Tiefen sowie "Räusper"-Taste.

Um von eventuellen Bedienungsfehlern Dritter unabhängig zu sein, sollte der
Dolmetscher sich das Rederecht durch (Schaltung des Sprachkanals) selbst
erteilen können. Auch das Mikrofon muß aktiv vom Dolmetscher ein- und
ausgeschaltet werden können.

Auf Konferenzen ist immer wieder zu beobachten, daß manche Teilnehmer
trotz der Anwesenheit von Dolmetschern den Wunsch verspüren, sich in der
Fremdsprache zu äußern. Der Dolmetscher muß deshalb die Möglichkeit
haben, das Mikrofon auszuschalten. Dabei muß gewährleistet sein, daß der
Originalton direkt an den Gesprächspartner übertragen wird.
Die ViKiS-Software wurde in mehreren Entwicklungsläufen stetig verbessert und in
ihrer nun vorliegenden Gestalt von den Dolmetschern im allgemeinen als
bedienerfreundlich empfunden. Abbildung 3 zeigt die im Rahmen des ViKiS-Projekts
optimierte Benutzeroberfläche.
Abbildung 3: ViKiS-Benutzeroberfläche
Zum Herstellen der Verbindung kann der Dolmetscher auf die Schaltfläche
WÄHLEN klicken. In dem sich öffnenden Fenster kann dann die Nummer des
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gewünschten Teilnehmers entweder manuell eingegeben oder aus dem Adreßbuch
aufgerufen werden. Alternativ kann der Dolmetschplatz auch vom Teilnehmer
angewählt werden. Informationen über den Verbindungsaufbau bzw. –zustand sind
dem Feld VERBDINDUNGSSTATUS zu entnehmen.
Nach erfolgreichem Herstellen einer Verbindung kann der Dolmetscher sich für eine
Einrichtungsphase vor der eigentlichen Konferenzschaltung zunächst über die
Schaltfläche EINRICHTEN mit je einem der beiden Teilnehmer verbinden. Ein
weiteres Fenster öffnet sich, in dem verschiedene Parameter (Lautstärke, Helligkeit,
Kontrast u.a.) eingestellt werden können.
Die Dolmteschfunktionen der Benutzeroberfläche wurden in Anlehnung an
herkömmliche Dolmetschpulte im unteren Teil des Bildschirms angeordnet. Die
Größe der einzelnen Schaltflächen wurde der Bedeutung der Funktionen
entsprechend gewählt.
Zunächst ist das Mikrofon des jeweils benutzten Headsets (bzw. bei Teamarbeit: das
Mikro des jeweils aktiven Dolmetschers) anzuschalten (Schaltflächen MIKRO AN
rechts bzw. links unten). LAUTSTÄRKE und TON können bei Bedarf während der VK
nachgeregelt werden.
Die bei jedem Sprecherwechsel und damit am häufigsten zu betätigende OUTPUTSteuerung ist bewußt an zentraler Stelle angeordnet und mit auffälligen Pfeilen
versehen, die bei Aktivierung jeweils aufleuchteten. Wird beispielsweise in der
Konstellation von Abbildung 3 der Münchner Teilnehmer gedolmetscht und der
Tübinger Teilnehmer hört zu, so ist der nach rechts zeigende Pfeil zu aktivieren und
umgekehrt der nach links zeigende.
Die Schaltfläche STUMM fungiert als "Räuspertaste", ohne gleichzeitig die
Verbindung zwischen Dolmetscher und Teilnehmer zu unterbrechen.
Mit MIKRO AUS kann sich der Dolmetscher dagegen vollkommen aus der
Verbindung heraussschalten und die Teilnehmer direkt miteinander verbinden. Auch
nach Betätigen der MIKRO AUS kann der Dolmetscher aber das Gespräch noch
vollständig mitverfolgen.
A.3 Audioqualität und Netzanbindung
Die Restriktionen der ISDN-basierten VK hinsichtlich der Tonübertragung waren den
Projektpartnern bekannt. Im Rahmen der Anforderungsspezifikation konnte lediglich
darauf hingewiesen werden, daß eine Tonqualität, die der "normale"
Zuhörer/Teilnehmer als ausreichend empfindet, nicht notwendigerweise auch für
Dolmetscher akzeptabel ist, da der Dolmetscher seine Aufmerksamkeit zwischen
dem Zuhören/Verstehen, dem Umsetzen und der Kontrolle des eigenen Outputs
teilen muß.
Bereits vor der Fertigstellung des Prototypen wurde mit ersten Audiotests in ISDNbasierten Konferenzen (zunächst mit 2B-ISDN) begonnen. Der Schwäche der
vorhandenen VK-Systeme wurde zunächst dadurch zu begegnen versucht, daß
qualitativ hochwertige Headsets verwendet wurden, die die Sende- und
Empfangsqualität steigern sollten. Die Verbesserungen waren jedoch minimal. Als
nächstes wurden Equalizer in das System eingebaut. Versuchspersonen bestätigten,
daß sich dadurch die Tonqualität erheblich verbesserte.
Im Rahmen der Begleituntersuchungen wurden aus Wirtschafltichkeitsgründen
zunächst Konferenzen mit 2B-ISDN durchgeführt. Es zeigte sich, daß hier die
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Verbesserung der Audioqualität für die Dolmetscher ein ganz zentrales Thema war
(vgl. Kap. B).
Parallel zu den Untersuchungen mit dem ISDN-Prototypen implementierte der
Projektpartner den Zugang zum B-WiN in den Räumen der ViKiS-Projektgruppe an
der Universität Tübingen. Nachdem eine Verbindung hergestellt war, blieb diese
ohne Unterbrechung stabil. Allerdings war die Qualität der Audio- und der
Videosignale bei der Übermittlung über das B-WiN weniger gut als erhofft. Die
Sprachübertragung war verständlich, aber abgehackt. Das Bild war sichtbar, aber die
Bewegung war ruckhaft, und die Bildwiederholungsfrequenz weit niedriger als selbst
in einer 2B-ISDN-Verbindung.
In der letzten Projektphase wurden Tests mit 6B-ISDN durchgeführt, wodurch sich
die Tonqualität erheblich verbesserte. Außerdem wirkte sich die größere Bandbreite
auch vorteilhaft auf das übertragene Videobild aus. Insgesamt genügte damit die 6BISDN-Verbdindung auch den dolmetscherischen Anforderungen.
B
Empirische Begleituntersuchungen
B.1 Durchführung
Für die Begleituntersuchungen wurden sowohl authentische als auch experimentelle
Zwei- und Mehrpunktkonferenzen mit unterschiedlichem Charakter herangezogen.

authentische einsprachige Zweipunkt- und Mehrpunktkonferenzen (z.B.
technische Besprechungen im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts)

einsprachige Zweipunktkonferenzen mit authentischem Charakter (z.B.
Vorbereitung einer Gruppenpräsentationen im Rahmen eines Hauptseminars
an der Universität Tübingen)

Rollenspiele in einsprachigen Zweipunktkonferenzen (z.B. Simulation von
Geschäftsverhandlungen
mit
deutschen
und
französischen
Wirtschaftsstudenten im Rahmen eines Geschäftsenglisch-Kurses an den
Universitäten Tübingen und Nancy)

authentische
mehrpsprachige
Zweipunktkonferenzen
mit
(nichtprofessioneller)
Dolmetschunterstützung
(z.B.
technische
Besprechungen im Umfeld des ViKiS-Projekts)

Rollenspiele
in
mehrpsprachigen
Mehrpunktkonferenzen
mit
Konsekutivverdolemtschung
(Informationsgespräche
über
einen
Auslandsstudienaufenthalt, in denen Tübinger Studenten Fragen an Mitarbeiter
von Partner-Universitäten in England und Frankreich richteten).

Rollenspiele
in
mehrsprachigen
ViKiS-Konferenzen
Simultanverdolmetschung und mit jeweils einem Teilnehmer an jedem
Platz
(z.B.
Bewerbungsgespräche,
in
denen
Mitarbeiter
Personalabteilungen verschiedener Firmen und Tübinger Studenten
Bewerbungskandidaten interviewten),

Rollenspiele
in
mehrsprachigen
ViKiS-Konferenzen
mit
Simultanverdolmetschung und mit je einem Teilnehmer an einem VK-Platz und
mehreren Teilnehmern an dem anderen Platz (Informationsgespräche über das
Auslandsstudium, in denen Tübinger Studenten Fragen an englische
Muttersprachler in der Rolle eines Mitarbeiters einer ausländischen Universität
richteten).
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
mit
VKvon
als
ViKiS (01 BN 604/7)
Alle Konferenzen wurden aufgezeichnet. Zu den experimentellen Konferenzen
wurden mit Hilfe von Fragebögen und/oder anschließenden Kommentarsitzungen mit
den Versuchspersonen (Dolmetscher und Teilnehmer) ergänzende Daten erhoben.
Die Kommentarsitzungen wurden ebenfalls aufgezeichnet. Alle Aufzeichnungen
wurden transkribiert und mit Hilfe der Techniken der Konversationsanalyse sowie
nach üblichen Kriterien zur Bewertung von Dolmetschleistungen ausgewertet.
B.2 Allgemeine VK-spezifische Probleme
Im Ergebnis wurden drei hauptsächliche Problemkreise der VK-Kommunikation
allgemein identifiziert:

Infolge einer leichten Zeitverzögerung in der Tonübertragung wird der
Gesprächsverlauf an den einzelnen Teilnehmerplätzen unterschiedlich
wahrgenommen und es kommt zu Sprecherwechselproblemen sowie zu
Problemen beim Empfang von Zwischenbemerkungen der Zuhörer.

Die räumliche Trennung der Gesprächspartner und die daraus resultierende
Ausschnitthaftigkeit der Wahrnehmung non-verbaler Signale erzeugt ein Gefühl
der reduzierten sozialen Präsenz mit einer Reihe von kommunikativen
Beeinträchtigungen. In einer Mehrpunktkonferenz wirken sich diese Nachteile
stärker aus als in einer Zweipunktkonferenz.

Die (unzulängliche) Tonqualität
Mißverständnisse zur Folge.
hat
Verständnisschwierigkeiten
und
Speziell für das VK-Dolmetschen mit dem ViKiS-Prototypen ließen sich die im
folgenden beschriebenen teilnehmerseitigen und dolmetscherseitigen Merkmale,
Besonderheiten und Probleme ermitteln.
B.3 Teilnehmerseitige Probleme in den ViKiS-Konferenzen
Bedeutende Unterschiede zwischen einsprachigen und gedolmetschten Konferenzen
bestanden bezüglich der Interaktion:

In den gedolmetschten Konferenzen kam es zu einer doppelten Verzögerung
beim Sprecherwechsel, weil zu der VK-spezifischen Übertragungsverzögerung
noch der Abstand hinzu kam, den der Simultandolmetscher zum Originalredner
benötigt ("Décalage").

An den Teilnehmerseiten äußerte sich das in schleppendem Tempo mit langen
Wartezeiten beim Sprecherwechsel. Bis zur Wahrnehmung einer Antwort oder
Erwiderung (bzw. von deren Verdolmetschung) vergingen oftmals 10 Sekunden
und mehr.

Die langen Wartezeiten verleiteten die Teilnehmer oftmals dazu, Nachträge zu
ihren Redebeiträgen zu produzieren, wodurch es zu überlappender Rede mit
dem anderen Teilnehmer oder mit dem Dolmetscher kam.

Diese Erfahrungen mit Überlappungen bzw. (subjektiv empfundenen)
Unterbrechungen löste bei den Teilnehmern Unsicherheit darüber aus, ob bzw.
wann sie das Wort haben.

Das erkennbare Bemühen um die Vermeidung bzw. Auflösung von
Unterbrechungen und Überlappungen hatte zur Folge, daß die Teilnehmer
manchmal zögerlich reagierten und stellenweise das Gefühl hatten, nicht bzw.
nicht an der geeigneten Stelle zu Wort zu kommen.
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
ViKiS (01 BN 604/7)

Dadurch gingen Gedanken verloren, die sich zu einem späteren Zeitpunkt nicht
mehr sinnvoll im Gespräch unterbringen ließen. Somit war ein gewisser Verlust
an Spontaneität in den Gesprächen zu konstatieren.

Aufgrund der nur unvollständig und zeitverzögert übertragenen verbalen und
nonverbalen Signale zur Steuerung der Interaktion war nur unzureichendes
Feedback vom Gesprächspartner erhältlich. Daraus ergab sich eine
Schwächung des Bezugs zum Gesprächspartner.
Gerade der insgesamt abgeschwächte Bezug zum Gesprächspartner äußerte sich
auch in verschiedenen Produktions- und Verstehensproblemen:

In vielen Äußerungen zeigte sich bei den VK-Teilnehmern ein Hang zum
Monologisieren und erhöhte Redundanz.

Die so entstehenden Gesprächsbeiträge waren gekennzeichnet
unzureichende Struktur und inhaltliche Unstimmigkeiten.

Die gesamte kommunikative Situation erforderte erhöhte Konzentration beim
Sprechen. Umgekehrt forderten die beschriebenen Mängel in den
Redebeiträgen, wenn sie nicht in der Verdolmetschung ausgeglichen wurden,
den Teilnehmern dann natürlich auch in der Zuhörerrolle erhöhte Konzentration
ab.

Dadurch entging den Teilnehmern die eine oder andere Einzelheit oder
Wendung im Gespräch einfach, und sie hatten das Gefühl, es fände teilweise
ein abrupter Themenwechsel statt.

Dort, wo solche Unstimmigkeiten zu Verstehensproblemen führten, war zu
beobachten, daß Teilnehmer sehr genau abwogen, ob sie mit einer Nachfrage
Klärung einholen oder nicht. Sie prüften von Fall zu Fall, ob die Klärung einer
Unklarheit dem Gespräch eher dienlich gewesen wäre oder durch die
Komplexität, die eine Klärung (via Dolmetscher) zwangsläufig mit sich bringt,
den Gesprächsverlauf eher gestört hätte.
durch
Die Teilnehmer waren sich inhaltlicher Unstimmigkeiten im Gesprächsverlauf ebenso
bewußt wie der Mängel in ihrem eigenen kommunikativen Verhalten und in dem der
Gesprächspartner. Entscheidend ist jedoch die Bedeutung, die den erkannten
Unzulänglichkeiten beigemessen wurde: Sie wurden nicht als unüberwindbar
betrachtet, so daß bei den Teilnehmern ein positiver Gesamteindruck entstand.
Ein für das ViKiS-Setup zweifellos entscheidender Aspekt war in diesem
Zusammenhang auch die Wahrnehmung des Dolmetschers durch die
Gesprächsteilnehmer:

In den Simultankonferenzen empfanden die Teilnehmer einen besseren Bezug
zu ihrem Gesprächspartner als den durchgeführten konsekutiv gedolmetschten
Konferenzen. Sie erachteten die Gespräche als insgesamt natürlich.

Die Rolle des Dolmetschers wurde von den Teilnehmern als angemessen
empfunden. Insbesondere das für das Simultandolmetschen typische
"Zurückbleiben" des Dolmetschers "hinter der Szene" wurde als angenehm
empfunden.

Verstehensprobleme wurden von den Teilnehmern nicht automatisch dem
Dolmetscher zugeschrieben. In der Analyse der Ursachen für
Verstehensprobleme vermochten bzw. versuchten die Teilnehmer vielmehr,
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genau zu differenzieren, ob die Probleme vom Gesprächspartner oder vom
Dolmetscher verursacht worden waren.
Aus Teilnehmersicht war die Kommunikation in einer gedolmetschten
Videokonferenz zwar teilweise schwieriger als in vertrauteren kommunikativen
Situationen, aber dennoch (gut) möglich. In einer Situation, in der ein echtes
Kommunikationsanliegen besteht, daß ohne VK und ohne Verdolmetschung nicht
oder nur mit sehr viel größerem Aufwand realisierbar ist, dürften die bestehenden
Kommunikationsschwierigkeiten an den Teilnehmerseiten ohne weiteres hinnehmbar
sein.
B.4 Dolmetscherseitige Probleme
Ein kaum überraschendes Ergebnis der Untersuchungen besteht darin, daß sich die
VK-Situation auf den Dolmetschprozeß erschwerend auswirkt. Zur Überwindung
verschiedener Probleme waren die Dolmetscher gezwungen, vorwiegend
problemorientierte Strategien einzusetzen, die die Qualität der Dolmetschleistung
teilweise reduzieren (vgl. Abbildung 4).
Abbildung 4: Dolmetschstrategien in der VK
Mittlerfunktion
Moderation
Signalisierung
Reduzierte
Simultaneität
Komprimierung
Antizipation
Verallgemeinerung
Reduzierte Outputqualität
Verstehens- und Produktionsprobleme resultieren hauptsächlich aus der
unzulänglichen Tonqualität. Die Tonqualität ist verantwortlich für reduzierte
Simultaneität in der Verdolmetschung. Damit der Abstand zwischen Original und
Verdolmetschung trotzt reduzierter Simultaneität nicht zu groß wird, kommt es in der
Verdolmetschung stellenweise zu starker Komprimierung. Darüber hinaus hat die
Tonqualität Verstehensdefizite zur Folge, die die Dolmetscher zur Verallgemeinerung
und zu Auslassungen zwingt. Dadurch entstehen Irrtümer und Ungenauigkeiten.
Dem Verstehen muß häufig so viel Kapazität gewidmet werden, daß die Kontrolle der
eigenen Produktion (d.h. der Verdolmetschung) und schließlich auch die
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Verdolmteschung selbst gelegentlich leiden. So werden z.B. Mängel im Originaltext
(Stocken, Redundanz u.a.) nachvollzogen.
Die Interaktionsprobleme in der ViKiS-Situation (Simultanverdolmetschung eines
Gesprächs) verlangen vom Dolmetscher ein hohes Maß an Antizipation und
erfordern spezielle Strategien zur Signalisierung des Gesprächsverlaufs an die
Teilnehmer. Darüber hinaus kommen auf den Dolmetscher gesprächssteuernde
Aufgaben (Moderation) zu, die in einer normalen Simultansituation nicht auftreten
und dem Dolmetscher zusätzliche Kapazitäten abfordern.
Insgesamt gelang es den Dolmetschern zwar, die Akzeptabilität für die Rezipienten
zu wahren. Sie waren als Mittler der Kommunikation in der Regel in der Lage,
Kommunikationsprobleme in einem für die jeweilige Situation ausreichenden Maße
zu überbrücken. Für die Dolmetscher war dagegen die Akzeptabilität zumindest in
den 2B-ISDN-Verbindungen nur eingeschränkt gegeben. Daß in den Tests mit 2BVerbindungen die Grenze des Machbaren trotz der geringen sprachlichen und
inhaltlichen Anforderungen häufig schon erreicht wurde, gibt sicher mit Blick auf
einen möglichen zukünftigen Nutzerkreis der ViKiS-Technologie zu denken: Kleinere
und mittlere Unternehmen (KMUs) möchten möglicherweise mit Hilfe von
Videokonferenzen auch Themen besprechen, die einen Irrtum nicht zulassen.
Zu einer realistischen Option wurde das VK-Dolmetschen, sobald alle Beteiligten
über eine 6B-ISDN-Verbindung verfügten.
Als drei äußerst wichtige Punkte für den Umgang mit einer VK-Situation hoben die
Dolmetscher hervor:

die Eignung des Mediums VK für die jeweilige kommunikative Situation,

die Gewöhnung an die VK-Situation durch entsprechendes Training,

eine sehr gründliche Vorbereitung auf jeden einzelnen VK-Dolmetscheinsatz.
Die Ergebnisse der empirischen Begleituntersuchungen wurden in separaten
Berichten zum AP 4 "Begleituntersuchungen" ausführlich dargelegt (Januar 1997,
Juli 1999).
C
Analyse dolmetschrelevanter Tools
Im Rahmen der Auftragsvorbereitung müssen Dolmetscher Dokumente analysieren
und bearbeiten. Da das digitale Medium Videokonferenz neben der Ton- und
Bildübertragung auch die elektronische Übertragung von Dokumenten erlaubt,
eröffnen sich hier neue Wege der Erschließung von Dokumenten. Deshalb wurde im
Rahmen des ViKiS-Projekts auch der Analyse dolmetschrelevanter Tools
Aufmerksamkeit geschenkt. Verschiedene Typen von Tools wurden hinsichtlich ihres
Nutzens in verschiedenen Phasen der Vorbereitung eines Dolmetschauftrages
(insbesondere Erschließung, Dokumentation und Abfrage terminologischer Daten)
untersucht.
C.1 Textanalyse (Erschließung der einschlägigen Terminologie)
Automatische Übersetzungsprogramme: Ein Problem für den Dolmetscher ist das
effiziente Herausfiltern der einschlägigen Terminologie aus Texten. Die untersuchten
"automatischen" Übersetzungsprogramme (z.B. Klett Personal Translator Plus,
Langenscheidt T1 Plus) erlauben mit der Funktion "Unbekannte Wörter" (o.ä.) das
Herausfiltern aller nicht im internen Wörterbuch des Programms existierenden Wörter
aus dem Quelltext. So lassen sich viele (nicht alle!) Termini in Texten finden. Die
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Übersetzungsprogramme können somit als einfaches Terminologie-Extraktionstool
genutzt werden.
In ihrer eigentlichen Zweckbestimmung, der Erstellung einer (Roh)Übersetzung, sind
die Übersetzungsprogramme für den dolmetscherischen Vorbereitungsprozeß
weniger hilfreich. Einerseits ist der Dolmetscher kaum an einer vollständigen
Übersetzung eines Dokuments interessiert. Vor allem sind die gelieferten
"Übersetzungen" auch bei hohem Vorbereitungsaufwand (entsprechendes
Präparieren eines Quelltextes für die Einspeisung in das Programm) zu ungenau und
oft sinnentstellend.
Konkordanzprogramme: Die mit den Übersetzungsprogrammen erstellten Listen
"unbekannter Wörter" können zur weiteren terminologischen Recherche mittels
Exportfunktionen in Konkordanzprogramme (z.B. MonoConc, System Quirk)
eingespeist werden. Die Kompatibilität von Formaten läßt allerdings noch zu
wünschen übrig. Die Konkordanzprogramme eignen sich sehr gut zum Auffinden der
– für den Dolmetscher überaus wichtigen – Kollokationen (typischen Wendungen) in
Textdokumenten.
Wörterbücher: Die Analyse ein- und zweisprachiger Wörterbücher für das Englische
bzw. das Sprachenpaar Englisch/Deutsch (einsprachig z.B. Collins English
Dictionary, Longman Interactive Dictionary, Oxford English Dictionar; zweisprachig
z.B. Profiline Langescheidts Handwörterbuch, Euroglot Professional, Oxford-Duden
German Dictionary) erbrachte zwei Ergebnisse, die hier besonders einschlägig sind:
Erstens können inzwischen einige Wörterbücher vollständig auf der Festplatte
installiert werden, so daß man ohne CD-ROM und deshalb bequem mit mehreren
Wörterbüchern gleichzeitig arbeiten kann; zweitens ist es bei einigen Wörterbüchern
möglich, eigene Einträge hinzuzufügen.
C.2 Dokumentation und Abfrage
Terminologieverwaltungssysteme (TVS): Diese Spezialprogramme (z.B. Multiterm,
System Quirk) bieten viele Möglichkeiten für die dolmetschspezifische Verwaltung
terminologischer Daten (z.B. vielfältige Klassifikations-Optionen) und lassen
genügend Raum für (Freitext-)Anmerkungen, Erklärungen usw. Der Export und
Import von Terminologiesammlungen haben in den letzten Jahren Fortschritte
gemacht. Der Zugriff auf die Daten ist in den Windows-basierten Programmen sehr
einfach geworden.
Trotz dieser positiven Entwicklungen darf aber nicht übersehen werden, daß einige
der "traditionellen" Probleme der dolmetscherischen Terminologiearbeit mit keinem
der analysierten TVS zu lösen sind. Hier sind insbesondere Zeitprobleme zu nennen:
Der hohe Zeitaufwand für die solide Pflege von Terminologie, zumal in einem (durch
die Vielzahl der Funktionen) unvermeidlich komplexen TVS, steht der Schnellebigkeit
des Dolmetschgeschäfts entgegen. Auch einige inhaltliche Probleme können nur bis
zu einem bestimmten Grad in einem TVS erfaßt werden: Zweisprachige
Terminologien sind ein komplexes und nur schwer abbildbares Gefüge aus nicht
"eins-zu-eins" übersetzbaren Termini bzw. Wendungen.
Wörterbücher: Einige wenige Wörterbücher bieten die Möglichkeit zum Anlegen
eigener bzw. Ändern vorhandener Einträge (z.B. Langenscheidts Profiline
Handwörterbuch). Man ist an die vom Wörterbuch vorgegebene Struktur gebunden.
Die Möglichkeiten einer dolmetschspezifischen Klassifikation/Selektion von
Stichwörtern sind somit stark eingeschränkt. Importfunktionen für die Einbindung
fremder Terminologiesammlungen in den eigenen Bestand fehlen.
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
ViKiS (01 BN 604/7)
Die Ergebnisse der Tool-Analysen in einem separaten Bericht zum AP 4 "Analyse
dolmetschrelevanter Tools" ausführlich dargelegt (Februar 1998).
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ViKiS (01 BN 604/7)
2.2 Voraussichtlicher Nutzen und Verwertbarkeit der Ergebnisse
und Erfahrungen
Die VK-Kommunikation hat sich seit einigen Jahren als eigenständiger, wirtschaftlich
relevanter Kommunikationstyp etabliert. Das VK-Dolmetschen ist horizontal zu
diesen Kommunikationsaktivitäten zu sehen. So ist es aus der Sicht mittelständischer
Unternehmen notwendig (und lohnenswert), Videokonferenz-Lösungen auch für die
mehrsprachige Kommunikation zu schaffen. Aus Dolmetschersicht ist eine
Mitgestaltung an den Lösungen sowie eine Anpassung an die neue
Kommunikationssituation durch Fortbildung und mittelfristige Integration in die
Ausbildung wünschenswert. Für die Forschung stellen sich dadurch neue Aufgaben
hinischtlich der Untersuchung des Dolmetschens und unseres Kommunikations- und
Konversationsverhaltens ganz allgemein.
Entwicklung
Mit der Konzeption und Implementierung des ViKiS-Prototypen wurde erstmals ein
funktionierendes, PC-basiertes VK-System geschaffen, das die simultane
Verdolmetschung mehrsprachiger Videokonferenzen ermöglicht. Mit dem innerhalb
der Projektlaufzeit erreichten Entwicklungsstand des ViKiS-Prototypen ließen sich
VK-Kleingruppengespräche passabel führen und auch dolmetschen.
Der ViKiS-Prototyp ist ausbaufähig, und die Begleituntersuchungen lieferten
wertvolle erste Ergebnisse zu der kommunikativen Situation des VK-Dolmetschens.
Eine Weiterentwicklung des Prototypen muß in erster Linie auf eine verbesserte die
Tonqualität abzielen. Daneben ist auch die Integration von Dokumenten mittelfristig
von Bedeutung. Zur Bedienung größerer internationaler Institutionen wie der EU ist
darüber hinaus das Dolmetschen zwischen mehreren Sprachen ein in Betracht zu
ziehendes Szenario.
Da Breitbandnetze in ATM-Technik kurzfristig international und flächendeckend noch
nicht zur Verfügung stehen, ist derzeit eine hybride Entwicklungsstrategie
empfehlenswert: Durch die Erschließung der ISDN-basierten VK-Technologie als
Übergangslösung für das ViKiS-Vorhaben und ihre erst anschließende Integration in
Breitbandnetze wird es möglich, die potentiellen Nutzer an eine neue Technik und
ein neues Übertragungsmedium auf relativ niedriger Schwelle zu gewöhnen und
damit die Akzeptanz schrittweise zu erhöhen.
Dolmetschertraining
Dolmetschen ist ein Dienstleistungsberuf und muß auf die Bedürfnisse des
Kommunikationsmarktes reagieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Für
Dolmetscher, die sich der "Herausforderung" der VK-Technik für das Dolmteschen
stellen, sind Wettbewerbsvorteile zu erwarten.
Ein frühzeitiger Umgang mit der Technologie ist wichtig für die Entwicklung
entsprechender Strategien und Kompetenzen für das VK-Dolmetschen. Deshalb
sollten verschiedene Formen des VK-Dolmetschens in die Dolmetscherausbildung
integriert werden. Die Projektergebnisse wurden Dolmetscherinstituten im Rahmen
von Vorträgen, Veröffentlichungen und persönlichen Gesprächen zur Verfügung
gestellt (vgl. Kap. 1.6 und 2.3).
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Darüber hinaus bieten sich für aktive Dolmetscher Trainings- und
Fortbildungsmaßnahmen an. Es ist geplant, solche Fortblidungsaktivitäten im
Rahmen des Steinbeis-Transferzentrums "Sprachtrining und Kommunikation" an der
Universität Tübingen (Leiter Prof. Kohn) anzubieten.
Forschung
Die Beschäftigung mit dem VK-Dolmetschen gibt zunächst wichtige Aufschlüsse über
die Bedingungen, Merkmale und Probleme des VK-Dolmetschens. Sie ist somit
einerseits der Schlüssel zu einer kompetenten Beurteilung dessen, was gegenwärtig
und mittelfristig machbar ist und was man aus Dolmetscher- und Teilnehmersicht für
das und vom VK-Dolmetschen erwarten kann. Andererseits kann eine frühzeitige und
intensive (und kritische) Beschäftigung mit dem VK-Dolmetschen dazu beitragen, die
entstehenden technologischen Lösungen so dolmetscherfreundlich wie möglich zu
gestalten.
Darüber hinaus bieten die Daten von Videokonferenzgesprächen auch interessante
Aufschlüsse über die Beschaffenheit der menschlichen Konversationskompetenz
und insbesondere über das darin enthaltene Potential zur Anpassung an immer
neue, auch "technisch" geprägte Kommunikationssituationen.
2.3 Erfolgte und geplante Publikationen der Ergebnisse
Während der Projektlaufzeit bzw. im Anschluß wurde das Projekt mit Vorträgen und
Präsentationen auf folgenden Veranstaltungen einem Fachpublikum vorgestellt:

Saarbrücker Symposium Dolmetschen – Theorie und Praxis, Universität
Saarbrücken: Vortrag, März 1997;

Institut für Übersetzen und Dolmetschen in Heidelberg: Vortrag und Diskussion
mit Dolmetscherstudenten, Januar 1998;

Symposium Wirtschaft trifft Wissenschaft IHK Reutlingen: Präsentation und
Live-Demonstration, 26. November 1998;

Saarbrücker Symposium als Euroconference Translation and Interpretation:
Methodological Problems in Cultural Transfer, Universität Saarbrücken: Vortrag
über die Ergebnisse, März 1999.
Weiterhin ist eine Vorstellung der Ergebnisse auf der Jahrestagung der GAL
(Gesellschaft für Angewandte Linguistik) im September 1999 geplant.
Auf der Grundlage des ersten Arbeitsberichtes und im Anschluß an das Symposium
in Saarbrücken 1997 (s. oben) wurde die folgende Veröffentlichung vorgelegt:
Braun, Sabine & Kohn, Kurt & Mikasa, Hans (1999): "Kommunikation in der
mehrsprachigen Videokonferenz: Implikationen für das Dolmetschen". In
Gerzymisch-Arbogast, Heidrun; Gile Daniel; House, Juliane & Rothkegel,
Annely. Wege der Übersetzungs- und Dolmetschforschung (1. Jahresband der
DGÜD). Tübingen: Narr, S. 267-306. ISBN 3-8233-5200-8.
Im Nachgang zu dem Vortag auf dem Saarbrücker Symposium 1999 (s. oben) ist
eine Veröffentlichung zu den Ergebnissen der empirischen Begleituntersuchungen ist
in Vorbereitung (Titel: "Dolmetschen in der Videokonferenz. Kommunikative
Kompetenz und Monitoringstrategien"). Dabei geht es schwerpunktmäßig um eine
Diskussion der Ergebnisse aus dolmetschwissenschaftlicher Sicht.
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ViKiS (01 BN 604/7)
Darüber hinaus werden die Ergebnisse der empirischen Begleituntersuchungen
einfließen in ein Promotionsvorhaben zur Konversationskompetenz als Teil der
kommunikativen Kompetenz, einer Fallstudie auf der Basis linguistischer
Untersuchungen von Videokonferenzgesprächen.
Für das Projekt wurde eine Webseite eingerichtet, auf der Veröffentlichungen
zugänglich gemacht werden (http://www.uni-tuebingen.de/vikis).
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ViKiS (01 BN 604/7)
3
Anhang:
Erfolgskontrollbericht
3.1 Beitrag der Ergebnisse zu förderpolitischen Zielen
Bisher waren Videokonferenzsysteme in ihrer Funktionalität auf die Interaktion der
Konferenzteilnehmer untereinander beschränkt. Die Integration eines Simultandolmetschers war nicht vorgesehen. Zudem waren Videokonferenzen im
wesentlichen auf das ISDN-Netz beschränkt.
Im ViKiS-Projekt wurde eine Komponente für die Einbindung eines oder mehrerer
Simultandolmetscher in Videokonferenzen entwickelt und für dieses System die
Verwendbarkeit des Hochgeschwindigkeitsnetzes WiN in ATM-Technologie
untersucht.
Durch
diese
innovative
Funktionserweiterung
werden
Videokonferenzsysteme für mehrsprachige Konferenzen im internationalen Einsatz
erschlossen.
Das Projekt fördert und stärkt die Anwendung der Videokonferenztechnik. Hierdurch
ergibt sich insbesondere für mittelständische Unternehmen eine entscheidende
Verbesserung ihrer sprachübergreifenden Kommunikationsmöglichkeiten und somit
auch ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Damit dient das Projekt der
Unterstützung und Sicherung der multimedialen Telekommunikation und auch der
Telearbeit.
3.2 Wissenschaftlich-technischer Erfolg des Vorhabens
Mit der Konzeption und Implementierung des ViKiS-Prototypen wurde erstmals ein
funktionierendes, PC-basiertes VK-System geschaffen, das die simultane
Verdolmetschung mehrsprachiger Videokonferenzen ermöglicht. Mit dem innerhalb
der Projektlaufzeit erreichten Entwicklungsstand des ViKiS-Prototypen ließen sich
VK-Gespräche unter den gegebenen Umständen (mit den technischen
Rahmenbedinungen, mit den Probanden, ihrer Anzahl pro VK und ihrem Verhalten,
mit den gewählten Themen und ihrem Schwieirgkeitsgrad sowie mit der Länge der
einzelnen Gespräche) passabel führen und, trotz der verständlicherweise kritischen
Sicht mancher Dolmetscher, auch dolmetschen. Darüber hinaus lassen die
Untersuchungen auch den Schluß zu, daß das ViKiS-Setup grosso modo für die
Vedolmetschung eines VK-Gesprächs tauglich ist.
Die Nutzung veschiedener Netze verlief insofern erfolgreich, als die Übertragung der
Aduio- und Videodaten zunächst mit allen gewählten Netzwerken (2B-ISDN, 6BISDN, B-WiN) prinzipiell möglich war. Für das VK-Dolmetschen, insbesondere für die
hierbei erforderliche Tonqualität, stellt die 6B-Übertragung auch jetzt schon eine
realistische Option dar. Die Übertragung im B-WiN erfordert noch weitere
Anpassungen der Ton- und Bildübertagungsqualität.
Im Tübinger Teilprojekt wurden im einzelnen folgende Ergebnisse erzielt:
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Konzeption und Evaluation des ViKiS-Prototypen

Für den ViKiS-Prototypen wurde eine Basiskonstellation konzipiert, die den
Anforderungen des Simultandolmetschens in einem zweisprachigen
Kleingruppengespräch genügt. Dazu wurden Hardware- und SoftwareAnforderungen spezifiziert, die für dolmetscherische Zwecke geeignet waren.
Die Basiskonstellation wurde vom Projektpartner erfolgreich umgesetzt. Als Teil
der Basiskonstellation wurde ein Steuerpult konzipiert, das sich soweit wie
möglich an herkömmliche Konferenzdolmetschanlagen anlehnt und das vom
Projektpartner zunächst als Softwarelösung realisiert wurde (graphische
Benutzeroberfläche). An der ersten Version nahm der Projketpartner im Zuge
der Evaluation durch die Tübinger Arbeitsgruppe mehrmals Anpassungen vor,
die es erlaubten, es bei einer Softwarelösung zu belassen.

Bereits vor der Fertigstellung des Prototypen wurde die Audioqualität zunächst
in ISDN-basierten Konferenzen getestet, da die Audioqualität für das
Dolmetschen als ein zentrales Thema erachtet wurde. Der Schwäche der
vorhandenen VK-Systeme hinsichtlich der von ihnen übertragenen
Audioqualität wurde zunächst durch die Verwendung hochwertiger Headsets zu
begegnen versucht. Die Verbesserungen waren jedoch minimal. Als nächstes
wurden Equalizer in das System eingebaut. Versuchspersonen bestätigten, daß
sich dadurch die Tonqualität erheblich verbesserte.

Parallel zu den Untersuchungen mit dem ISDN-Prototypen implementierte der
Projektpartner den Zugang zum B-WiN in den Räumen der Tübinger ViKiSProjektgruppe. Nachdem eine Verbindung hergestellt war, blieb diese ohne
Unterbrechung stabil. Allerdings war die Qualität der Audio- und der
Videosignale bei der Übermittlung über das B-WiN weniger gut als erhofft. Die
Sprachübertragung war verständlich, aber abgehackt. Das Bild war sichtbar,
aber die Bewegung war ruckhaft und die Bildwiederholungsfrequenz weit
niedriger als selbst in einer 2B-ISDN-Verbindung.

In der letzten Projektphase wurden Tests mit 6B-ISDN durchgeführt, wodurch
sich die Tonqualität erheblich verbesserte. Außerdem wirkte sich die größere
Bandbreite auch vorteilhaft auf das übertragene Videobild aus. Insgesamt
genügte damit die 6B-ISDN-Verbdindung auch den dolmetscherischen
Anforderungen.

Die verschiedenen Entwicklungsstadien des ViKiS-Prototypen von
Konzeption bis zur Evaluation und die verschiedenen Aspekte
Basiskonstellation, Benutzeroberfläche bzw. die Evaluationsergebnisse
Audioqualität wurden in zwei Berichten zum AP 4 (Zwischenbericht
Abschlußbericht) beschrieben.
der
wie
und
und
Empirische Begleituntersuchungen

Zur Erhebung geeigneter Daten wurden sowohl authentische als auch
experimentelle Zwei- und Mehrpunktkonferenzen mit unterschiedlichem
Charakter herangezogen (z.B. technische Besprechungen im Rahmen eines
EU-Forschungsprojekts, Vorbereitung einer Gruppenpräsentationen im Rahmen
eines Hauptseminars, Rollenspiel-Bewerbungsgespräche), die aufgezeichnet,
transkribiert und mit Hilfe der Techniken der Konversationsanalyse sowie nach
üblichen Kriterien zur Bewertung von Dolmetschleistungen ausgewertet
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
ViKiS (01 BN 604/7)
wurden. Zusätzliche Daten wurden mit Hilfe von Fragebögen und/oder
Kommentarsitzungen mit den VK-Teilnehmern und Dolmetschern erhoben.

Erstes Teilergebnis war die Identifikation der hauptsächlichen
Problemkreise
der
VK-Kommunikation:
Infolge
einer
leichten
Zeitverzögerung in der Tonübertragung wird der Gesprächsverlauf an den
einzelnen Teilnehmerplätzen unterschiedlich wahrgenommen und es kommt zu
Sprecherwechselproblemen sowie zu Problemen mit dem Empfang von
Zwischenbemerkungen der Zuhörer. Die räumliche Trennung der
Gesprächspartner und die daraus resultierende Ausschnitthaftigkeit der
Wahrnehmung non-verbaler Signale erzeugt ein Gefühl der reduzierten
sozialen Präsenz mit einer Reihe von kommunikativen Beeinträchtigungen. In
einer Mehrpunktkonferenz wirken sich diese Nachteile stärker aus als in einer
Zweipunktkonferenz.
Die
(unzulängliche)
Tonqualität
hat
Verständnisschwierigkeiten und Mißverständnisse zur Folge.

Es folgte eine detaillierte Beschreibung der beobachtbaren Merkmale,
Besonderheiten und Probleme der VK-Kommunikation: Im ersten
Arbeitsbericht im Rahmen des AP 4 ging es um Probleme der VKKommunikation allgemein und um Implikationen für das Dolmetschen. Die
Ergebnisse wurden veröffentlicht (vgl. Kap. 2.3.). Die Ergebnisse der
Belgeituntersuchungen zum VK-Dolmetschen mit dem ViKiS-Prototypen
wurden im Abschlußbericht zum AP 4 dargelegt und werden in geeigneter Form
veröffentlicht.

Die Begleituntersuchungen schlossen Untersuchungen zur Akzeptanz ein.
Während die Akzeptanz beim Dolmetschen mit dem ViKiS-Prototypen
teilnehmerseitig in hohem Maße gegeben war, steht und fällt die
dolmetscherseitige Akzeptanz des Systems mit der Audioqualität. In den
Konferenzen mit 2B-ISDN war die Grenze des Machbaren in den
Testkonferenzen oft erreicht. Sobald alle Beteiligten über eine 6B-ISDNVerbindung verfügten, wurde das VK-Dolmetschen unter den gegebenen
Umständen (Dolmetschen eines Gesprächs in einer kleinen Gruppe) zu einer
realistischen Option.

Als drei äußerst wichtige Punkte für den Umgang mit einer VK-Situation hoben
die Dolmetscher (a) die Prüfung der Eignung des Mediums VK für eine
gegebene kommunikative Situation, (b) die Bedeutung eines VK-DolmetschTrainings zur Gewöhnung an die VK-Situation und zur Entwicklung
entsprechender Anpassungsstrategien sowie (c) eine gründliche Vorbereitung
auf jeden einzelnen VK-Dolmetscheinsatz hervor.
Analyse dolmetschrelevanter Tools

Gegenstand
von AP
5 war die
Untersuchung verschiedener
dolmetschrelevanter Tools hinsichtlich ihres Nutzens in verschiedenen Phasen
der Vorbereitung eines Dolmetschauftrages (insbesondere Erschließung,
Dokumentation und Abfrage terminologischer Daten). Hierzu zählten Tools für
die
Vorbereitung
(automatische
Übersetzungsprogramme
und
Konkordanzprogramme insbesondere zum Herausfiltern wichtiger Wörter und
Wendungen aus Vorbereitungsdokumenten sowie eletronische Wörterbücher
zur Bedeutungserschließung) und Tools für die Dokumentation und Abfrage von
Terminologie (erweiterbare elektronische Wörterbücher sowie spezielle
Terminologieverwaltungssysteme). Die Untersuchungsergebnisse wurden in
einem spearaten Bericht zu AP 5 dargelegt (vgl. Kap. 2.1C).
Universität Tübingen, 31. Juli 1999
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