Marktbericht 21.04.2006 - Dubai Eine Schreibpause bis Mitte Mai ist angesagt. Ich bitte um Verständnis. Dubai - Brücke zwischen Asien und dem Westen. Die hohen Energiepreise bescheren den Scheichtümern am Golf zusätzliche Milliardengewinne. In Dubai bleiben die Petrodollars zunehmend im eigenen Land. Der Emir baut für die Zeit nach dem Öl. Der schwindelerregende Ölpreis überschwemmt die Golfstaaten mit so viel Geld, dass sie kaum mehr wissen, wohin damit. Nirgendwo lässt sich das Öl billiger fördern als hier. Das Barrel (159 Liter) wird für knapp 2 Dollar aus der Erde gepumpt. Russland muss dafür viermal so viel hinblättern - in der Nordsee noch mehr. Die Erlöse aus dem Golföl fliessen praktisch ungeschmälert an den Staat. Da aber auch die arabischen Reserven nicht für immer reichen, bauen die Scheichs mehr und mehr andere Standbeine auf. Vor allem Dubai bereitet sich mit gewaltigen Investitionen auf die Zeit nach dem Öl vor. Milliarden für Tourismus, Infrastruktur und Steuergeschenke sollen aus dem Emirat eine lukrative Brücke zwischen Orient und Okzident schmieden. Noch mangelt es an Petrodollars freilich nicht. Gas und Öl bringen den Staaten des Nahen Ostens in diesem Jahr etwa 320 Milliarden Dollar ein. Der Reichtum wird offen zur Schau getragen. Es überrascht hier niemanden, wenn der Preis einer Luxus-Limousine bar auf den Tisch gelegt wird. Hubschrauberlandeplätze gehören zu den zahllosen Palästen wie Garagen zu amerikanischen Vorstadthäusern. Doch selbst der private Luxus kennt Grenzen. So werden Milliardensummen gleichermassen im Inund Ausland investiert. Das Geld aus den Golfstaaten, das ausserhalb der Region angelegt ist, wird auf ein bis zwei Billionen geschätzt. Die Beteiligungen sind undurchsichtig, und die Herrscherfamilien reden nicht allzu offen über ihre Finanzen. Aber eines scheint klar: Das Ölgeld wird breit gestreut. Hinter fast allen grösseren Beteiligungen stehen staatliche Institutionen. Doch das Geld der Scheiche ist nicht überall willkommen. Ausgerechnet aus dem verbündeten Amerika, dessen Marine im Hafen von Djebel Ali in Dubai emsig ein- und ausläuft, meldete sich Widerstand gegen den staatlich kontrollierten Hafenbetreiber DP World, der für 6.9 Milliarden Dollar die britische P&O (Peninsular and Oriental Steam Navigation Company) übernahm. Mit dem P&OKauf gingen auch die Betreiberrechte für 6 Häfen in den USA an die DP World, darunter New York und Miami. Das war zuviel für einige Kongressabgeordnete, die, trotz Zustimmung des USPräsidenten Bush für das Geschäft, eine arabische Kontrolle ihrer Häfen nicht hinnehmen wollten. Der Emir von Dubai gab nach und verzichtete bis auf weiteres auf die Betreiberrechte in den USA. Wobei dies kaum mehr als den sprichwörtlichen Tropfen auf den heissen Stein ausmacht. Nach Bankenschätzungen haben staatliche Institutionen und Bürger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in den USA 250 Milliarden Dollar investiert. Geld, das vielleicht irgendwann einmal seine Macht auszuspielen versucht. Mohammed bin Rashid Al Maktum, Emir von Dubai, führt sein Reich wie ein Unternehmen. Mit sichtbaren Erfolgen! Inzwischen hängt die Wirtschaft nur noch zu 4 % am Öltropf. Aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es praktisch keine politische Teilhabe der Bevölkerung. Die Einheimischen werden dafür mit grosszügigen Geschenken überhäuft. Bildung und Gesundheitsversorgung sind kostenfrei. Jungen Eheleuten schenkt man Haus und Grund, Wasser und Strom werden kräftig subventioniert. Alte, Behinderte, Witwen und unverheiratete Frauen über 40 Jahre leben auf Staatskosten. Im öffentlichen Dienst wurden im vergangenen Jahr die Gehälter um 25 % angehoben. Aber nur eine sehr kleine Gruppe der 4.2 Millionen Bevölkerung kommt in diesen Genuss. Denn 85 % sind Ausländer ohne jede Möglichkeit jemals Bürger der Emirate zu werden - indische Strassenkehrer, ägyptische Ärzte, Hausmädchen aus Sri Lanka und Maurer aus Pakistan. Die meisten von ihnen verdienen auch hier wenig Geld, doch im Vergleich zu den Löhnen in ihrer Heimat lohnt sich das Schuften bei den Scheichs allemal. Wer keine Arbeit mehr hat, wird allerdings wieder nach Hause geschickt. Gewerkschaften sind praktisch unbekannt. Ausländische Unternehmen zahlen keine Abgaben, weder für das Unternehmen noch für Personen das perfekte Steuerparadies. Das rege Wirtschaftswachstum, die enormen Summen aus den Ölverkäufen, die mehr als nur einladende Steuerregelung und der Wunsch, statt in fernen Erdteilen wieder in der eigenen Region zu investieren, gestalten die Emirate zu einem äusserst anziehenden Standort. Mit immer mehr "Cluster" genannten Zusammenballungen bestimmter Zukunftsbranchen, versucht vor allem Dubai, bekannte Namen ins Land zu locken. In der Media-City haben sich bereits etwa 700 Unternehmen niedergelassen, darunter Bertelsmann, CNN, Sony und Reuters. Das Internet-City konnte Konzerne wie Microsoft, Cisco, HP und Siemens überzeugen. Eine Healthcare-City ist bereits in Bau. Besonders grosse Pläne hegt Dubai mit seinem Bankenviertel, International Financial Center. Bis 2010 sollen dort 60'000 Arbeitsplätze geschaffen sein. In keinem anderen Land ist das Wachstum so sichtbar wie in den Emiraten. Bauprojekte im Wert von 177 Milliarden Dollar schiessen aus dem kargen Wüstensand. Die Vereinigten Arabischen Emirate verkörpern derzeit den lebhafteste Immobilienmarkt der Welt. Für ein solches Wachstum muss auch die Infrastruktur kräftig ausgebaut werden. Und vor allem internationale Konzerne wie Siemens und General Electric verdienen gut daran. Siemens verkauft vor allem Gasturbinen und Informationstechnologie an die Scheichs. Es gibt auf der Erde momentan wohl kaum einen zweiten Ort mit solch ambitionierten Projekten. Einige mögen von Grössenwahn sprechen. Derzeit entstehen vor der Küste Dubais die weltweit grössten, künstlichen Inseln. Dubai spricht offiziell vom achten Weltwunder. Auf dem Festland lässt man einen riesigen Vergnügungspark aufrollen. Den grössten der Welt natürlich. Disneyland in Orlando hätte darin mehrmals Platz.