Völkerbund Der Völkerbund (französisch: Société des Nations, englisch: League of Nations) war eine Internationale Organisation mit Sitz in Genf (Schweiz). Er nahm am 10. Januar 1920, kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges, seine Arbeit auf, um den Frieden dauerhaft zu sichern. 1946 wurde er wieder aufgelöst. Der Ausdruck Völkerbund wurde erstmals von Immanuel Kant benutzt. Aufgrund seines Sitzortes erhielt der Völkerbund auch den Namen Genfer Liga. Er gilt als indirekter, zumindest zeitgeschichtlicher Vorläufer der Vereinten Nationen (UNO). Der Völkerbund sollte sowohl die internationale Kooperation fördern, in Konfliktfällen vermitteln, als auch die Einhaltung von Friedensverträgen überwachen. Der hauptsächliche Grund seines Scheiterns wird in der mangelnden Teilnahme der USA gesehen. Gründung Die Idee eines Völkerbundes kommt von den Philosophen Europas, vor allem Immanuel Kants Schrift Zum ewigen Frieden, in der er erstmals die Idee einer durchgängig friedlichen Gemeinschaft der Völker beschrieb. Ein vergleichsweise konkretes Programm zur Umsetzung dieser Forderung fand sich, ausgelöst durch die Schrecken des Ersten Weltkriegs, im 14-Punkte Programm des US-Präsidenten Thomas Woodrow Wilson von 1918. Die Satzung des Völkerbundes war Teil der Pariser Vorortverträge, maßgeblich initiiert von Lord Robert Cecil, und somit auch des Versailler Vertrages. Die Satzung des Völkerbundes wurde am 28. April 1919 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles angenommen. Mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919 unterzeichneten die beteiligten Staaten auch die Satzung des Völkerbunds – der Bund war Teil des Versailler Vertrags geworden. Mit seiner Ratifizierung am 10. Januar wurde auch der Völkerbund offiziell gegründet und trat am 15. November 1920 zum ersten Mal zusammen. Lord Robert Cecil wurde 1923 Präsident des Völkerbundes und blieb dies bis zur Auflösung 1946. Geschichte Da der Senat die Ratifizierung des Versailler Vertrages ablehnte, waren die Vereinigten Staaten nie Mitglied des Völkerbundes. Dies geschah, da sich der Senat in seiner Autorität von Woodrow Wilson übergangen fühlte, der die Ratifizierung der Satzung des Völkerbundes eigenmächtig (ohne vorherige Rücksprache mit dem Senat) vorantrieb. Die Weimarer Republik wurde erst am 10. September 1926 Mitglied des Völkerbundes und trat am 14. Oktober 1933 unter Hitler wieder aus. Anfangs hatte der Völkerbund einige Erfolge bei der Lösung kleiner Konflikte, beispielsweise um Spitzbergen, die Åland-Inseln und Korfu. Die großen Streitfälle wie der Ruhrkonflikt, der Spanische Bürgerkrieg und die Sudetenkrise wurden außerhalb des Völkerbundes ausgetragen. Eine Vorreiterrolle spielte er aber bei der Dekolonisation, der Hungerbekämpfung und der Betreuung von Flüchtlingen, außerdem sammelte man Erfahrung bei der Konsensfindung. Umstritten war das Nichteingreifen des Völkerbundes beim japanischen Angriff auf China im Jahre 1931. Endgültig demonstrierte er 1935 seine Machtlosigkeit beim italienischen Angriff auf Abessinien: Obwohl der Bund als stärkste Maßnahme Sanktionen verhängte, blieben diese wirkungslos; sowohl die USA (Öl) als auch das Deutsche Reich (Kohle) belieferten Italien weiterhin und führten dadurch die Ohnmacht des Gremiums vor. Die Sowjetunion, seit 1934 Mitglied, wurde 1939 wegen des Angriffs auf Finnland („Winterkrieg“) wieder ausgeschlossen. Auf die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs hatte der Bund keinen maßgeblichen Einfluss. Die Bemühungen, das Deutsche Reich durch Verhandlungen in seine Schranken zu weisen, als es den Versailler Vertrag seit 1933 zunehmend aushebelte, hatten keinen Erfolg. Der spätere Diplomat der Bundesrepublik, Walter Truckenbrodt, schilderte diesen Prozess 1941 aus der Sicht des „Dritten Reiches“ und nannte den Bund „platonisch“, da er keine reale Machtbasis besaß.[1] Auch der Staatsrechtler Carl Schmitt nannte die Genfer Liga 1936 eine bloße „Etikette“, also eine Fassade, hinter der sich die politischen Inhalte regelmäßig änderten.[2] Der Völkerbund verfügte über keine eigenen militärischen Truppen, mit denen er in Krisenregionen hätte eingreifen können. Ein theoretischer Beschluss zu militärischen Aktionen hätte zwar vom Völkerbund getroffen werden können, die Entsendung der Truppen wäre jedoch durch die Mitglieder in einzelstaatlicher Organisation vor sich gegangen. Ein Fall, der in der Praxis nie vorkam. Auf Initiative der Außenminister Chinas, Großbritanniens, der UdSSR und der USA wurden 1945 die Vereinten Nationen als faktische Nachfolgeorganisation des Völkerbundes gegründet. Offiziell löste sich der Völkerbund am 18. April 1946 auf seiner 21. Bundesversammlung selbst auf. Indem der Völkerbund aber einige Zeit neben den Vereinten Nationen, d. h. der UNO existierte, sollte hingegen dokumentiert werden, dass letztere keine Nachfolgeorganisation ist. Probleme des Völkerbundes Für das Scheitern des Völkerbundes sind verschiedene Gründe verantwortlich. Ein Grund ist, dass ihm zu keiner Zeit alle Groß- und Mittelmächte dauerhaft angehörten (so die USA nie; das Deutsche Reich, Italien, die Sowjetunion und Japan nur zeitweise). Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Satzung kein absolutes Kriegsverbot analog des BriandKellogg-Paktes vorsah. Die internationale Abrüstung wurde durch einen Konflikt mit dem Deutschen Reich behindert. Nachdem das Reich die durch den Versailler Vertrag auferlegte Abrüstung durchgeführt hatte, weigerte es sich, den vom Völkerbund geforderten weitergehende Abrüstungsanstrengungen nachzukommen. Das Deutsche Reich wollte, dass ihm seine Abrüstungsmaßnahmen aufgrund des Versailler Vertrages für die allgemeine Abrüstung angerechnet werden, was der Völkerbund aber ablehnte. Das Resultat dieses Konflikts war, dass die Abrüstung nicht fortgesetzt wurde. Ein großes Problem stellte die Umsetzung von Beschlüssen dar, häufig wurden sie aus Eigeninteresse von den Mitgliedern blockiert. Insbesondere die beiden damaligen Großmächte Frankreich und Großbritannien, die den größten Einfluss auf den Völkerbund und seine Mitglieder hatten, verhielten sich so. Beide Staaten machten bei Konflikten, an denen andere Mittelmächte beteiligt waren, diesen häufig Zugeständnisse, um zu verhindern, in die Konflikte mit hineingezogen zu werden. Dieses Verhalten lässt sich in der MandschureiKrise, im Italienisch-Äthiopischen Krieg und im Spanischen Bürgerkrieg finden; bei diesen Konflikten machte der Völkerbund viele Zugeständnisse an die Aggressoren Japan, Italien und des Deutschen Reichs.[3] Die Hauptursache für das Scheitern des Völkerbundes war aber die generelle Zurückhaltung der Mitglieder, die oft im Eigeninteresse handelten. Dies wurde schon 1924 von Hans Wehberger erkannt: „Es ist jedoch eindringlich davor zu warnen von einer Fortbildung der Form des Völkerbundes allein irgend etwas Erhebliches zu erwarten. Die Zukunft des Völkerbundes hängt letzten Endes von der Stärke der moralischen Kräfte ab, die hinter ihm stehen. Auch ohne erhebliche Fortbildung des Völkerbundes wird der Bund Großes leisten können, wenn er anders als bisher, vom Geiste der Gerechtigkeit und Humanität beseelt wird.“[4] Organisationsstruktur des Völkerbundes Die Organisation des Völkerbundes nahm in Grundzügen bereits die Organisation der Vereinten Nationen vorweg. Der größte Unterschied zu heute bestand zum einen in der wesentlich kleineren Zahl an hauptamtlichen Mitarbeitern, zum anderen darin, dass fast alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden mussten. Die Handlungsfähigkeit des Völkerbundes war demzufolge stark eingeschränkt. Die Völkerbundversammlung. Diese tagte einmal jährlich, jedes Mitgliedsland hatte eine Stimme, die meisten Beschlüsse erforderten Einstimmigkeit. Der Völkerbundsrat. Dieser hatte ständige Mitglieder: Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Deutsches Reich (1926–1933), UdSSR (1933-1939) sowie zwölf nichtständige Mitglieder. Entscheidungen mussten einstimmig gefällt werden, beteiligte Konfliktparteien hatten in der entsprechenden Abstimmung kein Stimmrecht. Das ständige Generalsekretariat und einen Generalsekretär. Die Generalsekretäre des Völkerbundes waren: Sir James Eric Drummond, Großbritannien, 1919–1933 Joseph Avenol, Frankreich, 1933–1940 Seán Lester, Irland, 1940–1946 Mitglieder und Nichtmitglieder Gründungsmitglieder Die Gründungsmitglieder des Völkerbundes waren 32 alliierte Staaten, nämlich die Siegermächte des Ersten Weltkrieges, die den Versailler Vertrag unterzeichneten. Hierzu zählte neben den britischen Dominions sowie Indien auch die eigentlich erst nach dem Krieg gebildete Tschechoslowakei. Australien Belgien Bolivien Brasilien, 1926 ausgetreten Republik China Frankreich Griechenland Guatemala, 1936 ausgetreten Honduras, 1936 ausgetreten Indien Italien, 1937 ausgetreten Japan, 1933 ausgetreten Jugoslawien Kanada Kuba Liberia Neuseeland Nicaragua, 1936 ausgetreten Panama Peru, 1939 ausgetreten Polen Portugal Rumänien Südafrika Siam Tschechoslowakei Uruguay Vereinigtes Königreich Eingeladene Neutrale Schon 1920 wurden 13 im Krieg neutrale Staaten eingeladen, dem Völkerbund beizutreten. Albanien, 1939 italienisch besetzt Argentinien Chile, 1938 ausgetreten Dänemark Persien Kolumbien Niederlande Norwegen Paraguay, 1935 ausgetreten Schweden Spanien, 1939 ausgetreten Venezuela, 1938 ausgetreten Spätere Mitglieder Viele Staaten wurden erst später zugelassen oder traten erst später bei, die ersten schon Ende 1920. Abessinien, 1923, 1936 italienisch besetzt Afghanistan, 1934 Ägypten, 1937 Bulgarien, 1920 Costa Rica, 1920, 1924 ausgetreten Deutschland, 1926, 1933 ausgetreten Dominikanische Republik, 1924 Ecuador, 1934 El Salvador, 1924, 1937 ausgetreten Estland, 1921, 1940 von der Sowjetunion besetzt Finnland, 1920 Irak, 1932 (vorher britisches Völkerbundsmandat) Irland, 1923 Lettland, 1921, 1940 von der Sowjetunion besetzt Litauen, 1921, 1940 von der Sowjetunion besetzt Luxemburg, 1929 Mexiko, 1931 Österreich, 1920, 1938 an Deutschland angeschlossen Schweiz, 1920 Sowjetunion, 1934, 1939 ausgeschlossen Ungarn, 1922 Türkei, 1932 Nichtmitglieder Einige unabhängige Staaten blieben dem Völkerbund völlig fern. Andorra Hedschas Island (unabhängig ab 1944) Jemen Liechtenstein Monaco Mongolei Nadschd, ab 1932 Saudi-Arabien Nepal Neufundland San Marino Tannu-Tuwa Tibet USA Vatikanstadt ab 1929 (vorher Teil Italiens) Völkerbundsmandate Der Völkerbund war gemäß dem Versailler Vertrag (Art. 45 bis 50) für die Verwaltung des vom Deutschen Reich als Reparationsleistung abgetrennten Saargebietes zuständig. Dem Völkerbund wurden die bisher deutschen Kolonien und die von der Türkei abgetrennten arabischen Gebiete übertragen. Die 1911 von Frankreich an Deutschland abgetretenen Teile von Französisch-Äquatorialafrika wurden allerdings wieder an dieses angeschlossen. Der Völkerbund vergab diese Gebiete wiederum als Mandate an Mitgliedsstaaten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie als UN-Treuhandgebiete verwaltet. Im einzelnen waren dies: Freie Stadt Fiume Fiume (Rijeka), bis 1920 freie Stadt, 1921 Ausrufung der Republik Fiume, Besetzung durch Italien Ehemals osmanische Gebiete Syrien und Libanon (französisch) Libanon bis 1943 Syrien bis 1944 Palästina (britisch) Transjordanien bis 1946 Israel bis 1948 Mesopotamien (britisch) Irak bis 1932 Thrakien und Smyrna (griechisch) Smyrna (Izmir) bis 1923 Thrakien bis 1923 siehe: Vertrag von Sèvres (Osmanisches Reich) Ehemals deutsche Gebiete Bismarck-Archipel, australisch Die Freie Stadt Danzig, danziger neuer Staat; Sonderrechte (i. S. Post, Bahn und Hafen f. Polen wg. Ostseezugang) Kamerun, französisch, kleinerer Westteil britisch Nördliche Marianen, japanisch Karolinen und Marshallinseln, japanisch Nauru, britisch-australisch-neuseeländisch Palau, japanisch Papua, australisch Ruanda-Urundi, belgisch West-Samoa, neuseeländisch Südwestafrika, südafrikanisch