Indien ein Land zwischen Armut und Aufbruch! Ein Satz vorab, Indien ist in der heutigen Zeit die größte existierende Demokratie und hat nach China die zweithöchste Bevölkerungszahl aller Länder. Die frühesten Siedlungsspuren auf dem indischen Subkontinent reichen bis in die Altsteinzeit zurück. Dies war die Zeit, in der die ersten groben Steinwerkzeuge gefertigt wurden. In der Zeit um 1500 v. Chr. wanderten arische Stämme von Norden in bestehende Siedlungsgebiete ein und hatten maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der indischen Kultur. Reste von architektonischen Bauten aus diesen Gegenden weisen auf eine Zeit des 4.bis 1. Jh. vor Christus hin. Als der Portugiese Vasco de Gama im Jahr 1498 den Seeweg nach Indien entdeckte wurde der Handel zwischen Europa und dem Subkontinent möglich. Großbritannien gelang es jedoch europäische Großmächte auszuschalten um danach einen großen Teil von Indien zu besetzen und zu beherrschen. Die indische Gesellschaft wird bis heute durch ihr dominierendes Kasten Wesen geprägt. Dieses entwickelte sich bereits etwa 600 v.Chr. aus mythologischen Vorstellungen heraus. Ich habe versucht zu erkunden woran man die KastenZugehörigkeit oder die soziale Zugehörigkeit im Alltag genau erkennen kann , ich war nicht besonders erfolgreich. Bei meiner Suche befreit mich jedoch folgender Text: „das hierarchische Beziehungsgeflecht ist so kompliziert, dass man als Ausländer nur einen oberflächlichen Einblick bekommen kann. Es sei denn, man vertieft sich ernsthaft in die Materie und das möglichst jahrelang vor Ort.“ In Indien leben 1,2 Milliarden Menschen, die etwa 1.600 unterschiedliche Sprachen sprechen von denen 18 Sprachen in der Verfassung anerkannt sind. Die eigentliche indische Sprache gibt es nicht, Englisch wir als Verbindungsbrücke benutzt. Für die Elite ist Englisch selbstverständlich, denn im globalen Wettbewerb sind gute Englischkenntnisse unverzichtbar. Nach dem indischen Zensus von 2011 sind knapp 80% der Inder Hindus, etwa 14% Muslime, dies entspricht etwa 127 Millionen Personen. Frühere Datenerhebungen geben für die Christen 28 Millionen Gläubige an, dies entspricht etwa 2,3% der indischen Bevölkerung. Erwähnt werden noch die Sikhs, sowie einige andere kleinere Gruppierungen wie die Buddhisten und die Jains. Sicher haben sie schon alle von dem Indischen „Kastensystem“ gehört, welches auch sagt, dass ein Inder bis zu seinem Tod an seine Kaste gebunden ist. Die klassische Ordnung des Kastensystems gliedert sich in vier „Hauptkasten“, so genannte „ Varnas“ die jeweils mit einer Farbe verbunden ist. „Weiß“ ist die Farbe der obersten Klasse, dies sind die Brahmanen „Rot“ ist die Farbe der Kriegerkaste „Gelb“ gehört der Kaste der Bauern und Kaufleuten „Schwarz“ ist die unterste Kaste und dies sind die Diener, Knechte und Tagelöhner, also untere Dienstleister Alle Kasten sind in weitere Unterkasten gegliedert. Dann gibt es noch die „Dalits, die Unberührbaren“, sie sind auch eine gegliederte Kaste gehören aber nicht zu den Varnas. Das Wort Dalits bedeutet die Zerbrochenen. Etwa 160 Millionen von ihnen leben in Indien, dies sind etwa 16% der Bevölkerung Sie gelten als unrein da sie Berufen wie Wäscher, Friseure, Müllbeseitiger usw. nachgehen. Diese Bevölkerungsgruppe wird noch heute in der Regel gesellschaftlich geächtet. Sie leben meistens in eigenen Wohngebieten. Oftmals werden ihnen auch heute noch das Betreten von Tempeln und das Benutzen von öffentlichen Brunnen untersagt da sie diese sonst verunreinigen würden. Im Jahr 2001, gründete sich auf Initiative von „Brot-für-die-Welt“ die Plattform „Dalit Solidarität“ in Frankfurt. Das „Internationale Dalit Solidarität Netzwerk“ wurde somit erweitert. In Indien gibt es ebenfalls eine entsprechende Organisation. In diesem Fall bedeutet das Wort Solidarität, dass die Dalits erfahren was sie für Rechte besitzen und unterstützt werden um sich auch für ihre Rechte einsetzen zu können. Eine weitere jedoch kleinere Gruppe sind die Adivasi. Ihr Name bedeutet „die ersten im Lande“ was sie auch wohl waren. Die Adivasi machen etwa 7% der Gesamtbevölkerung aus. Ihr Lebensraum ist vor allem das zentralindische Wald- und Bergland. Es sind einfache Menschen, die seit Generationen hier ihr Auskommen haben, aber wie in vielen Ländern als Ureinwohner keine verbrieften Landrechte besitzen. Mit Hilfe von Partnerorganisationen unterstützt der Verein „Andheri-Hilfe Bonn, wie Brot für die Welt die Ureinwohner, damit sie Juristischen Beistand erhalten und auch eingehend über ihre Rechte informiert werden. Seit den 1930 Jahren gewähren öffentliche Einrichtungen eine bestimmte Anzahl an Mandaten, den Dalits. Nach einem Schlüssel stehen ihnen auch Plätze an den Universitäten zu, welches jedoch öfter zu Auseinandersetzungen mit Studenten aus überwiegen hohen Kasten zur Folge hat. Zu bemerken ist allerdings, das in der indischen Verfassung von 1950 geschrieben steht, dass kein Inder wegen seiner Kaste, also Herkunft diskriminiert werden darf. Die Gleichheit aller Inder war somit jetzt vor dem Gesetz festgeschrieben. Dies gab den Indern das Recht auf freie Berufswahl. Dadurch war es einigen Dalits möglich auch höhere Ämter einzunehmen. 1997 hatte K.R. Narayanan sogar für 5 Jahre die des Staatspräsidentschaft inne. 2009 wurde Meera Kumar Parlamentspräsidentin. Um die Jahrtausendwende wurde die indische Verfassung um einen Zusatz ergänzt, der für die Frauen eine wichtige Änderung festschrieb. Dieser Zusatz sagt, dass bei Kommunalwahlen eine 33% Quote für Frauen gilt. Dadurch konnten bereits eine Millionen wichtige Positionen in Stadt-und GemeindeVerwaltungen durch Frauen besetzt werden. Mädchen und Frauen aus gebildeten Kreisen haben die Möglichkeit auch eine höhere Bildung zu erreichen, zu studieren und auch sehr gute Positionen zu besetzen, was auch durch verschiedene neue Gesetze möglich ist. Im täglichen Leben gibt es jedoch weiterhin Diskriminierung. Diese hat in den Städten in den letzten Jahren etwas nachgelassen, das hängt mit den veränderten Einkommen zusammen. Das Denken in Kasten ist jedoch auch hier noch vorhanden, was sich besonders bei der Partnerwahl bemerkbar macht. Vor einigen Jahren stand in unserem Stadtzentrum ein Bus von „Brot für die Welt“ und eine indische Gruppe bot Tanzvorführungen dar. Es handelte sich um eine Tanzgruppe der Dalits. Die Gruppe erklärte uns den Sinn ihres darstellenden Tanzes, er sollte die Versuche und die gelungene Entrinnung aus der Erniedrigung zeigen. Ein wichtiges Datum in Indiens Geschichte ist das Jahr 1920. Denn Mahatma Gandhi beginnt als Führer der Kongresspartei seinen Kampf gegen die englische Kolonialherrschaft. Erst 1947gelang es Indien seinen Unabhängigkeitskampf zu gewinnen. Im gleichen Jahr erzwingt die Muslim Liga die Teilung des Landes in zwei selbständige Staaten, Pakistan für die Muslime und Indien für die Hindus, diese Forderung hat die Liga bereits seit 1935 immer wieder erhoben. Ihrer Meinung nach gehören diese zwei Gruppen historisch und kulturell völlig verschiedenen Nationen an. Es gab natürlich noch andere Gründe warum die Muslime die Trennung wollten. Wissenswert ist auch, dass die Briten während ihrer Zuständigkeitszeit diese zwei Staaten Lösung akzeptierten. Sie selber haben die neuen Grenzlinien festgelegt, aber erst einen Tag nach der offiziellen Unabhängigkeit Indien übergeben. So musste die neue indische Regierung den Grenzverlauf verkündigen, was damit wohl eine ihrer ersten Amtshandlung war. Juristisch hatten sich die Briten damit aus der Verantwortung gezogen, moralisch jedoch nicht. Es war ihnen wohl bewusst, dass die neuen Staatsgrenzen ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen vorgenommen wurden. Die Folgen waren verheerend und sind auch heute noch immer wieder Schuld an den unterschiedlichsten Spannungen und Kämpfen dieser beiden Staaten. Wie in vielen anderen Ländern wurden durch die willkürlich gezogenen Grenzen auch hier Orte, gewachsene Gemeinschaften und Familien zerrissen. Zwischen 1947 und 1950 sollen durch die Teilung mehr als 10 Millionen Menschen über diese Grenzen gewandert sein und 1 Million den Tod gefunden haben. Mahatma Gandhi konnte die weitere Entwicklung Indiens nicht mehr verfolgen, denn er wurde ein halbes Jahr nach der Unabhängigkeit von einem Hindu ermordet. 1947 gewinnt Nehru die Wahlen und setzt sich für die Auflösung des KastenSystems ein. Nachdem er 1964 verstarb übernahm Bahadur Shastri die Regierungsgeschäfte bis zu seinem Tode 1966. Danach wurde Nehrus Tochter, Indira Gandhi Ministerpräsidentin. Sie ist übrigens nicht mit Mahatma Gandhi verwandt. In den 11 Jahren ihrer Regierungszeit war sie Machtpolitikerin mit eiserner Hand. In dieser Zeit setzte sich stark für die Rechte der Frauen ein. 1978 wurde Indira Gandhi von ihrer Leibwache, 2 Sikhs, erschossen Die Stellung des weiblichen Geschlechts in Indien ist genau so vielschichtig wie das Land selber. Nach 2000 Jahren der Unterdrückung sind Frau und Mann heute vor dem Gesetz gleichgestellt. Leider ist die Wirklichkeit sehr oft ganz anders. Immer noch wird die Religion zur Unterdrückung der Frau genutzt! Nach dem hinduistischen Gesetzbuch „Manus“ ist die Frau dem Mann Untertan, zuerst dem Vater, dann den Brüdern, dem Ehemann und dem Sohn. Ein weiteres großes Übel ist, dass in der indischen Gesellschaft die Mädchen in der Regel keinen Wert haben und somit unerwünscht sind. Seitdem in Kliniken bei einem Ungeborenen das Geschlecht festgestellt werden kann, werden immer mehr weibliche Föten abgetrieben, da der männliche Nachwuchs den Familien wichtiger erscheint. Dies ist zwar zwischenzeitlich untersagt, da Abtreibungen als solches nicht verboten sind werden diese weiterhin vorgenommen und die weiblichen Föten werden „entsorgt“. – Dies hört sich etwas widersprüchlich an, aber ich habe es an zwei verschiedenen Textstellen gefunden. In der indischen Gesellschaft schlägt sich dieses Vorgehen bereits Negativ nieder, denn es gibt zwischenzeitlich mehr Männer als Frauen. Dies erinnert mich an Länder in Asien die plötzlich die gleichen Probleme hatten und dann die Familien versuchten in anderen Ländern Frauen für die überzähligen Männer zu finden. (China, bedingt durch ihre 1 Kind Politik) Noch heute werden in Indien etwa 95% aller Ehen von den Eltern arrangiert. Hier sind die Hauptkriterien die Kastenzugehörigkeit und das Horoskop, denn Indien ist ein sehr abergläubisches Land, dies zieht sich durch alle Bevölkerungs- und Bildungsschichten. Liebesheiraten sind sehr selten und können für das Paar sogar böse Folgen haben. Dies haben meine Tochter und ich in Kathmandu/Nepal erfahren. In einem Laden stellte ein junges Paar Teigwaren her. Meine Tochter unterhielt sich mit Ihnen und sie sagten ihr, dass sie Hindus sind und aus unterschiedlichen Kasten kommen. Sie kennen sich schon seit ihrer Kindheit und wollten gerne heiraten. Als sie jedoch ihren Wunsch äußerten wurden sie sehr bedroht und flüchteten hierher, heirateten und hoffen, dass in dieser entfernten großen Stadt sie niemand findet. Über die Hälfte aller Mädchen in Indien sind Analphabeten, denn es ist nicht lohnenswert einem Mädchen, welches nach der Heirat ja das Haus verlässt, eine Ausbildung zu ermöglichen, denn ihr Platz ist normaler Weise nach der Heirat in der Familie des Ehemannes. Dies bezieht sich aber in der Regel nicht auf die höheren Kasten. Die Missachtung aller Rechte der Frauen führt bei einem Teil der männlichen Bevölkerungsschicht dazu, dass sie sich die Frauen mit Gewalt nehmen. Ich nehme an, dass wohl jeder von Ihnen durch die Medien von den schlimmsten Vorfällen in der letzten Zeit gehört hat. Ganz offensichtlich ist ja ein Teil der Polizisten immer noch der Meinung dass er sich um eine Anzeige wegen Vergewaltigung nicht kümmern muss und lässt diese unbearbeitet liegen! Ich möchte nun noch aus den „WELT-SICHTEN“ einen Artikel von Katja Dorothea Buck einiges erwähnen. (Texte gekürzt) „Ein heiliges Buch sorgt für Unruhe“ In Indien sind die Hindu-Nationalisten auf dem Vormarsch Die katholischen Bischöfe in Indien protestieren gegen die Pläne der Regierung, den Unterricht an staatlichen Schulen zu hinduisieren. Sie fürchten, dass das die säkularen Prinzipien in Indien aushebelt. In einem nördlichen Bundesstaat gilt in allen staatlichen Schulen ab kommenden Schuljahr nur noch das heilige Buch der Hindus. Bibel- oder Korankunde wird es nicht mehr geben. Die katholischen Bischöfe protestieren dagegen da es die säkularen Prinzipien des Landes verletzt. Seit im Mai 2014 ist eine neue Regierung im Amt ist wird die Hinduisierung voran getrieben. Die Hinduisierung von Bildung und Kultur richtet sich weniger gegen die kleine christliche Minderheit als vielmehr gegen die Muslime im Land. Die Nationalisten fürchten, dass der Muslemische Bevölkerungsanteil zu stark wird. Für das Bildungssystem nicht ganz unerheblich sind allerdings die 35.000 christlichen Bildungseinrichtungen in Indien. Keine von ihnen sei jemals zu Beratungen über die nationale Bildungspolitik hinzugezogen worden beklagt der Vorsitzende der Bischofskonferenz Kardinal Baselios Mar Cleemis Bereits 2004 wurden zum T eil Geschichtsbücher für die Sekundarstufe umgeschrieben um das islamische Erbe des Landes in ein schlechtes Licht zu rücken. So heißt es darin, die islamischen Herrscher waren während der Mogulzeit barbarische Invasoren gewesen die das Erbe der Hindus ausmerzen wollten. Diese Art von Geschichtsklitterung macht nicht einmal vor dem „Tadsch Mahal“ halt, einem der bedeutendsten Baudenkmäler der islamischen Architektur in Indien. Radikale Hindu-Nationalisten reklamieren ihn als Teil der Hinduistischen Hochkultur auf dem Subkontinent. Marianne Bartels