VO 070083: Österreichische Geschichte II (ca. 1815 bis zur Gegenwart): Politik, Wirtschaft, Gesellschaft (Peter Eigner) 1. schriftlicher Prüfungstermin: Do., 23.1. 2014, 15.00h – 16.30h; Hs. 7 2. schriftlicher Prüfungstermin: Mi., 05.03.2014, 11.30h – 13:00h; HS 41 Pflichtlektüre für Prüfung: im Internet abrufbar Demokratiezentrum Wien www.demokratiezentrum.org Unter link Wissen auf link Wissensstationen gehen Wissensstation Am runden Tisch; unter Menü rechts Artikel: Emmerich Talos/Bernhard Kittel, Sozialpartnerschaft Wissensstation Heim.at; unter Artikel: Ernst Bruckmüller, Die Entwicklung des Österreichbewusstseins Wissensstation Opfermythos; unter Artikel: Heidemarie Uhl, Das „erste“ Opfer. Der österreichische Opfermythos und seine Transformationen in der Zweiten Republik Hans Peter Hye, 1848/49 – Revolution in der Habsburgermonarchie, in: Scheutz/Strohmayer (Hg.), Von Lier nach Brüssel Schlüsseljahre österreichischer Geschichte (1496-1995). Innsbruck u.a. 2010, 189-215. Empfohlene Literatur zur Vertiefung (in Auswahl): Gesamtdarstellungen: Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs. Wien 2001, 2. Auflage. Felix Butschek, Österreichische Wirtschaftsgeschichte. Von der Antike bis zur Gegenwart. Wien-Köln-Weimar 2011 Peter Eigner/Andrea Helige (Hg.), Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Wien 1999. David F. Good, Der wirtschaftliche Aufstieg des Habsburgerreiches 1750 – 1914. Wien u.a. 1986. Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Wien 1994, insb. S. 23-181. Hannes Leidinger/Verena Moritz: Die Republik Österreich 1918/2008. Überblick, Zwischenbilanz, Neubewertung. Wien 2008. Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatszerfall in der Habsburgermonarchie. Wien 1997. Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Wien 1995. Roman Sandgruber, Das 20. Jahrhundert. Geschichte Österreichs. Wien 2003. Martin Scheutz/Arno Strohmeyer (Hg.), Von Lier nach Brüssel: Schlüsseljahre österreichischer Geschichte (1496-1995). Innsbruck u.a. 2010 Karl Vocelka, Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik. München 2002 Nützliche Reihenwerke, Handbücher: Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918. Wien 1973ff (9 Bände, u. a. zur wirtschaftlichen Entwicklung und in 2 Teilbänden zu sozialen Strukturen) Reinhard Sieder u.a., Österreihc 1945-1995. Gesellschaft – Politik – Kultur. Wien 1995. Emmerich Tálos u.a. (Hg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs. Bd. 1: Erste Republik 1919-1933, Wien 1995; Bd. 2: Die Zweite Republik. Wien 1997. Emmerich Tálos u.a. (Hg.), Austrofaschismus. Politik, Ökonomie, Kultur 1933 – 1938. Wien u.a. 2012. Emmerich Tálos u.a. (Hg.), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch. Wien 2000. Vorlesungsunterlagen Unterschiedlicher territorialer Bezugsrahmen (Habsburgermonarchie/ab 1867 ÖsterreichUngarn gegen Republik Österreich) macht zeitliche Zweiteilung plausibel, zugleich Geschichte und Entwicklung Österreichs nach 1918 nicht ohne Vorgeschichte zu verstehen 1815 – 1918 Geschichte der Habsburgermonarchie im 19. Jahrhundert wird zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich interpretiert > lange Zeit Scheitern der Habsburgermonarchie im Vordergrund, aus Zusammenbruch 1918 resultierend Anstoß zu Neubewertung der Monarchie kam von US-amerik. Geschichtswissenschaft: Robert A. Kann sieht in Habsburgermonarchie zwar gescheiterten, aber positiv zu bewertenden Versuch zur Lösung des Problems einer supranationalen Staats- und Gesellschaftsordnung Als Anfangspunkt 1815 Wiener Kongress, aber auch hier Vorgeschichte nötig: Wiener Kongress Abschluss der Napoleonischen Zeit 1792 – 1814/15 (Napoleon in wechselnden Funktionen, übernahm durch Staatsstreich 1799 die Macht, 1804 Kaiser von Frankreich) Napoleonische Zeit 1792 – 1815 Von Kriegserklärung Frankreichs an Österreich und Preußen und erstem Koalitionskrieg 1792-97 bis zum Wiener Kongress 1814/15 bzw. zum endgültigen Sieg über Napoleon (Waterloo im Juni 1815) – im Kontext dieser Kriege löst sich das Hl. Römische Reich auf – fortschreitende Territorialisierung ist erster Schritt zur Bildung moderner Flächenstaaten Zweiter Faktor Französische Revolution: oft ist von langem 19. Jh. die Rede, man lässt es 1789 beginnen, erstaunlich geringe Auswirkungen der Frz. Revolution auf Habsburgerreich 1790-92 Regierungszeit Leopolds II vor Hintergrund antiösterreichischer Oppositionsbewegungen in Ungarn, Galizien, den südlichen Niederlanden und v. a. in Ungarn Revolution > 1791 Ausgleich 1792 Franz I einstimmig zum röm.-dt. Kaiser gewählt, besteigt Thron 24-jährig, bis 1835 lebte Untertanen Ideal des bürgerlichen Lebens vor, strukturkonservativ 1804 proklamiert sich Napoleon zum „Kaiser der Franzosen“ und nimmt Franz II die Würde eines Kaisers von Österreich an (von 1804 bis 06 trug Franz II/I zwei Kaiserkronen, stirbt 1835, auf ihn folgt Kaiser Ferdinand „der Gütige“) 1805 neuerlich Krieg Sieg Napoleons in Schlacht von Austerlitz Pressburger Friede 26. Dez. 1805: Österreich musste Venetien, Istrien, Dalmatien an KR Italien abtreten und Napoleon als König von Italien anerkennen, Tirol sowie Vorarlberg fielen an Bayern - dazu hohe Kriegsentschädigung 40 Mio. Francs 1806 auf Druck Napoleons Niederlegung der Krone und Ende des Hl. Röm. Reiches Deutscher Nation (begründet 962 von Otto I) > Österreich trennte sich damit politisch von Deutschland 1809 Erhebung Österreichs gegen Frankreich – Volksaufstand in Tirol erst Sieg Österreichs in Aspern, letztlich Frieden von Schönbrunn Österreich verlor Salzburg, Tirol und Vorarlberg, Krain, Istrien, Kroatien, Teile Galiziens dazu 85 Mio. Francs Kriegsentschädigung – Österreich auf Stellung einer Mittelmacht reduziert zweimalige Besetzung Wiens 1805 und 1809 1813-14 Befreiungskriege gegen Napoleon 1813 Völkerschlacht von Leipzig November 1814 bis Juni 1815 Wiener Kongress: territoriale Neuordnung Europas und Lösung der dt. Verfassungsfrage Überschneidung mit Ära Metternich ab 1809 Clemens Wenzel Graf v. Metternich-Winneburg Außenminister, 1813 gefürstet, 1821 zum Haus-, Hof- und Staatskanzler ernannt Staatsausgaben steigen kriegsbedingt Staatsbankrott 20. Februar 1811 Bancozettelumtausch (Wert auf ein Fünftel herabgesetzt) gegen neue Einlösungsscheine, ab 1813 neue Wiener Währung WW verfehlte Zweck total: Ausmaß der Entwertung zu niedrig, Transaktion war vorher bekannt geworden > Kurssturz der Staatspapiere > Kredit des Staates so gut wie vernichtet, dazu ab 1813 neuerlicher Gelddruck Zusammenhang mit neuerlicher Kriegserklärung 1813 1814/16 Bestellung Graf Stadions zum Finanzminister Sanierung der Währung Gründung der Österreichischen Nationalbank Einlösung Papiergeld in Banknoten der neuen Conventionswährung C.M. Unterstützung durch Rothschilds (1817 Nobilitierung) in Form einer Anleihe > Österreich hatte gefestigte Währung, aber erfolglos in Fragen der Ausgabenkontrolle (Militär), der Steuerverwaltung und der Steuergerechtigkeit Zentrales Ergebnis des Kongresses Frankreich bereits 1814 auf Grenzen von 1792 zurückgedrängt Dt. Bund unter Führung der Habsburger Zurückführung von Tirol, Vorarlberg und Salzburg Zusammenlegung von Istrien, Triest, Görz, Krain und Kärnten zu Königreich Illyrien Rückzug aus Belgien (Öst. Niederlande) und Deutschland, dafür große Teile Oberitaliens Schaffung eines europäischen Machtgleichgewichts, Verzicht auf Demütigung Frankreichs Schaffung von begrenzten und zusammenhängenden, heißt einheitlichen Territorien 1815 – 1848 Vormärz: Politische Reaktion und wirtschaftlicher Aufschwung Bis 1835 Kaiser Franz, dann 1835-1848 Kaiser Ferdinand „der Gütige“ Sowohl 1815 (s. o.) als auch 1848 zwei wichtige Prozesse erkennbar: Erzeugung einheitlicher Territorien und rechtsförmig geregelte Beziehung zwischen Souverän und Bevölkerung Erwachen der Völker Aufstrebende bürgerliche Gesellschaft schuf sich in Nationalkulturen je eigene, den modernen gesellschaftlichen Bedürfnissen angemessene Ideologie, nationale Selbstbestimmung implizierte nationale Abgrenzung Konflikt nationale Bewegungen und zentralisierte Herrschaft Helmut Rumpler sieht in multinationalem Staat der Habsburgermonarchie und seiner von Metternich vorangetriebenen europ. Politik eine „Chance für Mitteleuropa“, die vergeben wurde, und lobt die multinationale Konstruktion Er steht damit in Gegensatz zu Interpretationen, die in multiethnischer Struktur v. a. Ausgangspunkt des späteren Niedergangs sehen Vormärz große Bedeutung für Industrialisierung Komlos sieht ab 1825 nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung, Beginn der Industriellen Revolution fand sicher im Vormärz statt (Rudolph) Erst um Jahrhundertmitte verlor Ö den Anschluss an westeuropäische Entwicklung Mechanisierung in Textilindustrie in NÖ Wandel zum mechanisierten Großbetrieb v. a. in Baumwollindustrie (Pottendorfer Spinnerei) Verbreitung der Industrie im Wiener Becken, Seidenindustrie in Wien konzentriert, starke Textilindustrie auch in Böhmen Ambivalenz: Fortschritt durch Mechanisierung bedeutet zugleich Vernichtung von tausenden Arbeitsplätzen, Vernichtung der ländlichen Spinnerei und Weberei, später in Leinwandindustrie, wo Verlust von Arbeitsplätzen in den böhmischen Ländern so groß war, dass Krise in der Leinenindustrie zentraler Punkt der sozialen und politischen Revolution wurde Erfolge in Eisenindustrie, aber meist in alter Technologie: Holzkohle statt Koksfeuerung (hängt mit reichen Holzressourcen, Kosten etc. zusammen) langsame Durchsetzung des Puddelverfahrens Bauernkrise, Urbanisierung und soziale Frage Krise vieler Bauern (diverse Aufstände, z. B. in Mähren, im Waldviertel, 1846 in Galizien) Bauern keine Leibeigenschaft, persönlich frei, durften ihre Scholle verlassen und anderen Beruf ergreifen, Besitz und Erbe durch Gesetz gesichert, aber keine Eigentümer, gerichtlich unterstanden sie Grundobrigkeit, dazu Vielzahl an Abgaben und unentgeltlichen Dienstleistungen (Robot im Durchschnitt 12 Tage pro Jahr) Zugleich (siehe oben) Vernichtung zahlreicher gewerblicher Nebenbeschäftigungen > Abwanderung Zuwanderung bewirkt starkes Städtewachstum > enorme Wohnungsnot > Pauperismus, Soziale Frage Mehrfache Ambivalenz des Biedermeier/Vormärz Bestimmte Vorstellungen von Anstand und Benehmen, Ethos von Pünktlichkeit und Sparsamkeit, Ideal von Familie und Häuslichkeit (gleichzeitig Ehe ökon. Verbindung für gemeinsame Wirtschaft und Erziehung der Kinder, Liebesheirat propagiert, aber Illusion) Bedürfnis nach Kulturteilnahme gleichzeitig Entstehen einer Arbeiterschaft, eines städt. Proletariats Starke Betonung eines geschlechterspezifischen Rollenverhaltens Polizeistaat, teils Flucht vor Zensur und Unterdrückung Sealsfield, Nikolaus Lenau, gespaltene wie Adalbert Stifter Kritik bzw. versteckte Anspielungen bei Raimund, schärfer bei Nestroy 1848 Revolution länderübergreifendes Phänomen, unmittelbarer Auslöser Krise(n) am Finanzmarkt (Irland u. Großbritannien, mit Auswirkungen auf Österreich, Staatsschulden auf 81 Millionen Gulden beziffert > Sturm auf Banken und Sparkassen) Erstmals zeigt sich Konstituierung von Gruppen deutlich: Bürger, Studenten, Arbeiterschaft, Bauern, Frauen, Nationen Forderungen nach Pressefreiheit, Verfassung und Wahlrecht, nach sozialen wie nationalen Rechten konstitutioneller Prozess im Frühjahr 1848 Verabschiedung zweier Verfassungen 2 Aspekte zentral: 1. Nationalisierung - Zugehörigkeit nach Sprache, Religion, historisch politischer Einheit spielt zunehmend Rolle; 2. zunehmender Ausschluss von Frauen und unterbürgerlichen Schichten Wesentliche Entwicklungsmomente > Temporäre Koalition verschiedenartiger revolutionärer Kräfte im März 1848 doch bereits bei Erstürmung des Landhauses Marsch von Arbeitern in Innenstadt, doch Tore bleiben geschlossen – Revolutionäre fanden weder räumlich noch ideologisch zusammen Rasches Erreichen von Pressefreiheit Kaiser sagt Aufhebung der Zensur und Einleitung eines Verfassungsprozesses zu und legitimierte Nationalgarden > Konstitutionalisierung Widerstand gegen Pillersdorfsche oktroyierte Verfassung, Zugehörigkeit nach Sprache, Religion, etc. spielt zunehmende Rolle – es zeigt sich zunehmender Ausschluss von Frauen und unterbürgerlichen Schichten > Spaltung der revolutionären Kräfte Bürgertum gegen Arbeiter, bürgerlich dominierte Nationalgarden gehen in Praterschlacht gegen die gegen Lohnkürzungen protestierenden Arbeiter vor Bauern verweigern in letzten Oktobertagen 1848 Revolutionären Unterstützung und organisieren keinen Landsturm zur Rettung Wiens > Militarisierung des Konflikts in Ungarn Niederschlagung mit russischer Hilfe, danach 20jährige Militärbesatzung milit. Widerstand der Kroaten vom Wiener Hof unterstützt Jelacic Prager Pfingstaufstand niedergeschlagen, Krieg in Oberitalien Radetzky, militärische Besetzung Wiens durch Windischgrätz Zeittafel 1848/49 1848 im Jänner Zigarrenrummel in Mailand > Raucherstreik gegen staatliche Tabakregie im März Revolution in Wien, 13. März Flucht Metternichs gefolgt von Aufständen in Venedig und Mailand April Pillersdorfsche Verfassung Mai 2. Aufstand in Wien Sturmpetition 3. Aufstand August 4. Aufstand Praterschlacht Juni – Oktober erst Unruhen in Prag, dann in Umgarn > Reichstag aufgelöst Belagerungszustand Beginn der Oktoberrevolution‚ Flucht des Kaisers Verlegung des Reichstags nach Kremsier Ende Oktober Belagerung und Eroberung Wiens durch kaiserliche Armee Schwarzenberg MP; Ferdinand dankt zugunsten Franz Josephs ab Hintergrund Krieg mit Sardinien-Piemont, im Juli Sieg Radetzkys 1849 März 1849 Wiederaufnahme (Sardinien erneuert Krieg) neuerlicher Sieg Radetzkys, im August 1849 zudem Kapitulation der Ungarn Kremsierer Reichstag (Kremsierer Verfassung) im März 1849 gewaltsam aufgelöst; Schwarzenberg reagiert mit eigener Verfassung > neues Gemeindegesetz Bachsche Verwaltungsreform schafft politische und Gerichtsbezirke Auswirkungen: 1849 kam deutsche Einheit nicht zustande, Preußens König Friedrich Wilhelm IV lehnt Wahl zum Reichsoberhaupt eines kleindeutschen Erbkaisertums ab (demokratische Kaiserwürde) > 1851 Deutscher Bund in seiner ursprünglichen Gestalt von 1815 wiederhergestellt kleindeutsche Lösung: Ausschluss Österreichs, übriges Deutschland unter Führung Preußens oder Eintritt Österreichs mit deutschsprachigen Provinzen ins Dt. Reich; übrige Länder als selbständige Staaten abzutrennen und nur mehr durch Personalunion mit deutschsprachigen Teilen verbunden > großdeutsche Lösung Schwarzenberg/Bruck wollten Deutschen Bund modifizieren: Österreich sollte als Gesamtstaat dem Deutschen Bund beitreten 70-Mio.-reich in Mitteleuropa großösterreichische Lösung Letztlich aber Scheitern der Bruckschen Wirtschaftspolitik 1862 preußischer Freihandelsvertrag mit Frankreich und England zwang deutsche Staaten zur Verlängerung des preußischen Zollvereins und verdrängte Österreich wirtschaftspolitisch aus Deutschland Mit Silvesterpatent Ende Dez. 1851 Wiedereinführung des Absolutismus, zw. 1851 und 1860 keine Verfassung > Neoabsolutismus > als demokratiepolitischer Fehler interpretiert, wieder Ambivalenz zwischen reaktionärer Politik und einer Reihe wirtschaftsliberaler Reformen > Revolution von oben 1852 überraschender Tod Schwarzenbergs – Nachfolger Bach wirtschaftlicher Aufschwung durch Wiedergewinnung der oberitalienischen Länder, zollpolitische Öffnung nach Deutschland (1852/53) und durch Einbeziehung Ungarns in gesamtösterreichischen Wirtschaftsraum (Abschaffung der Zwischenzolllinie) > aber Engpass der Staatsfinanzen Währungskrise Schulreform in Volksschulen Unterrichtssprache in der Regel nach Mehrzahl der Schüler später 1869 Reichsvolksschulgesetz 8- statt 6-jährige Schulpflicht - überkonfessionelle Volksschule - Betonung der Realfächer Konkordat: kath. Kirche erhält umfassenden Einfluss auf Schulwesen, Eherecht und Ehegerichtsbarkeit der Kirche übertragen wie Zensur über Buchwesen Reihe sog. liberaler Reformen während des Neoabsolutismus Grundentlastung Hans Kudlich stellt im Reichstag Antrag auf Aufhebung des Untertänigkeitsverhältnisses Grundherr erhält zwei Drittel des errechneten Feudalkapitals (20fache Summe der jährlichen Feudalrente), ein Drittel entrichtet Bauer, ein Drittel jew. Kronland, den Bauern wurden 20 Jahre zur Begleichung der Schuld gewährt) > Haus Schwarzenberg erhält 1,9 Mio. Gulden (besaß ein Drittel der Fläche Böhmens), Haus Liechtenstein 1,5 Mio, Stift Admont 0,7 Mio es bleibt zunächst bei Unteilbarkeit (Anerbenrecht), sodass sich bäuerliche Besitzstruktur nicht änderte Beseitigung der Zwischenzolllinie mit Ungarn Privatisierung der Eisenbahnen > österreichische Wirtschaft für französisches Kapital geöffnet Gründung von Aktienbanken Creditanstalt (CA) 1855 als erste von mehreren Industrie- und späteren Universalbanken Gründer: Rothschild, andere Privatbankiers und Großhändler sowie adelige Großgrundbesitzer Liberale Gewerbeordnung von 1859 Liberale Außenhandelspolitik 1859 Krieg mit Italien Schlacht bei Solferino > Lombardei geht verloren Finanznot Hebel für Konstitutionalisierung hohe Kriegskosten zwingen zu Zugeständnissen an Liberale > Oktoberdiplom 1860 und Februarpatent 1861 2 Kammern: Herrenhaus (Mitglieder vom Kaiser ernannt) und Abgeordnetenhaus Abgeordnete von 4 Kurien (Standesvertretungen Großgrundbesitz, Handels- und Gewerbekammern, Städte und Märkte, Landgemeinden) der 17 Landtage entsandt > Deutschsprachige bevorzugt zur Sicherung der deutschen Vorherrschaft; Regelung von Ungarn abgelehnt Liberale Ära bis 1879: innenpolitisch wichtig Aufhebung des Konkordats bereits durch Maigesetze 1868 erheblich eingeschränkt standesamtliche Trauung wieder ermöglicht, Kurzer Kulturkampf 1870 Papst verkündet Unfehlbarkeitsdogma, erweitert damit als einer der beiden Vertragspartner des Konkordats seine Kompetenz erheblich > Aufhebung des Konkordats 1867 Ausgleich mit Ungarn nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen (Schlacht bei Königgrätz 1866, Verlust des Veneto, Österreich endgültig aus Deutschland hinausgedrängt) und Dezemberverfassung (für cisleithanische Länder) Ausgleich: Österreich-Ungarn mit gemeinsamen Staatsoberhaupt in Außenpolitik, Militär Realunion, gemeinsamer Außen-, Kriegs- und Finanzminister, aber Länder der ung. Krone von Österreich innenpolitisch unabhängig Verrechtlichung des Verhältnisses von Staat und Herrschaft im Rahmen einer Verfassung, die zugleich Freiheitsrechte der Bürger garantierte Wiederherstellung des ung. Reichstages von 1848, Juni 1867 Krönung Franz Josephs in Budapest Ausgleich bot keine Lösung des Nationalitätenproblems, verhinderte Föderalisierung des Vielvölkerstaates Ausgleich nicht zuletzt Folge der militärischen Niederlage 1866 offenkundige Beschränkung der inneren Autonomie in ungarischen Ländern konnte wegen passiven Widerstands der führenden magyarischen Schichten gegen Einheitsstaat nicht aufrechterhalten werden Probleme mit Tschechen Forderung nach eig. Staatsrecht für Böhmen, Mähren, Schlesien > Ausgleichsverhandlungen 1868 und 1871 Scheitern, hingegen 1868 polnischer Ausgleich für Galizien polnische Nation einseitig auf Kosten der ruthenischen Bevölkerung begünstigt Ausgleich alternativlos? Beispiel 1905 Mähren, 1910 Bukowina: durch Einführung nationaler Kurien im Landtag konnte keine Volksgruppe von anderer majorisiert werden Dezemberverfassung bzw. Dezembergesetze Erstmals vom Reichsrat beschlossen und nicht vom Kaiser erlassen Gewaltentrennung Staatsgrundgesetze Ernennung verantwortlicher Minister Von politischen Parteien mitgetragene Regierungen Dezembergesetze sicherten Konstitutionalismus in Österreich auf Dauer, Ausgangspunkt für Organisation bürgerlicher Öffentlichkeit, Kaiser aber nach wie vor geheiligt, unverletzlich und unverantwortlich, heißt Kaiser ist dem Volk nicht verantwortlich Eigentliche Gründerzeit 1867-73 Börsenkrach von 1873 als wichtige wirtschaftspolitische Wende, vor allem im Bereich der Wirtschaftsmentalität Risikofeindschaft, verschärfter Antisemitismus Wahlrechtsentwicklung: Erst ab 1873 Direktwahl von drei der vier Kurien ins Parlament durch Zensuswahlrecht 6-12% der männlichen Bevölkerung über 24 wahlberechtigt Wahlmodus und rigoroser Wahlzensus sicherten Deutschliberalen die Mehrheit Politische Entwicklung: Aufstieg der Massenparteien Auf liberale Ära folgt feudal-konservative Ära 1879-1893 Wahlreform 1882 mit Herabsetzung des Wahlzensus auf 5 Gulden führte zu Mehrheit der Feudal-Konservativen und Slawen beziehen 1883 neues Parlament von Hansen Wahlreform 1896 allgemeines Wahlrecht mit Einführung einer 5. Kurie ohne Mindeststeuerleistung für alle über 24-jährigen Staatsbürger (1/6 der Mandate) 1907 allg. gleiches Wahlrecht für Männer ab 24 > Herrschaft der Massenparteien beginnt Deutschnationale 1873 erstmals im Reichsrat, kommen aus radikalen Gruppen der Liberalen, fordern Deutsch als einheitliche Staatssprache, vertreten aber auch soziale, wirtschaftl. und demokrat. Anliegen Schönerer propagiert Alldeutschtum, 1882 Linzer Programm gegen Vereinigte Linke Ernst Pleners (Deutschliberale) 1885 Spaltung der Liberalen in Deutsch-österreichischen Klub und schönerianischen Deutschen Klub > Deutschnationale Partei 1885 wurde Linzer Programm als 12. Punkt Arierparagraph hinzugefügt Christlichsoziale: auch liberale Wurzeln 1887 Christlichsozialer Verein, 1888 Vereinigte Christen, versch. Fraktionen 1893 von Lueger zur Christlichsozialen Partei (CSP), vereint Klientel christlich gewerblicher Mittelstand (Handwerker, Gewerbetreibende), kleine Beamte, Bauern, aber auch Katholisch Konservative des Hochadels Repräsentanten: Vogelsang bzw. Lueger Lueger 3mal als Wiener Bürgermeister vom Kaiser abgelehnt, 1897 Bürgermeister > Populismus, ob jetzt selbst Antisemit oder nur Nützlichkeit des Antisemitismus als politische Waffe erkennend > Juden einigendes Feindbild in einer höchst heterogenen Zuwanderungsgesellschaft, Kapitalismus = jüdisch; Kampf um „deutsche Stadt“ Wien 1907 CSP stimmenstärkste Partei Sozialdemokraten: 1867 Vereinsgesetz 1868 erster allgemeiner Arbeitertag erste Gewerkschaft 1870 Koalitionsrecht 1874 Gründungskongress im ungarischen Neudörfl, jedoch danach behördliche Unterdrückung und Spaltungen 1888/89 im nö. Hainfeld erster Parteitag Einigung der versch. Fraktionen und Parteiprogramm von Viktor Adler Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) Adler 17x gerichtlich verurteilt, 18 Monate im Gefängnis, 1889 Arbeiterzeitung, 1890 erstmals 1. Mai 1896 erstmals im Reichsrat, 1907 zweitstärkste, 1911 stärkste Fraktion grundsätzliches Bekenntnis zum Internationalismus aber letztlich Scheitern Arbeiterbewegung blieb in unterschiedliche nationale Parteien gespalten (Partei unterstützte bei Kriegsausbruch Politik der Regierung) 1897 Deutsche nur mehr 47% der Mandate Deutsche Linke (= Liberale) 77 Mandate, Deutschnationale zusammen 55 M.; Jungtschechen eigentliche Wahlgewinner mit 45 M. hatten Alttschechen entmachtet, fordern, dass Böhmen tschechischer Staat mit tschechischer Staatssprache im Rahmen einer föderalisierten Monarchie wird Hintergrund in 1890ern: latente Staatskrise lähmende parlamentarische Obstruktionspolitik Badenische Sprachverordnungen scheitern führen zunächst zu wilden Ausschreitungen und werden 1899 gänzlich aufgehoben Obstruktion der Deutschen im Parlament, Schließung des Parlaments Regierung mit Hilfe des Notverordnungsrechts Industrialisierung – Wirtschaftlicher Wandel Weltgeschichtlicher Prozess – „Epoche der Industriellen Revolution“ ? oder langfristiger sozioökonomischer Modernisierungsprozess, der in Wellen verlief Neue Ansätze bezweifeln revolutionären Charakter, neue Schätzungen legen längere Dauer des Industrialisierungsprozesses nahe Neue Ansätze bezweifeln auch Modellhaftigkeit (Rostow, Gerschenkron) > es gibt höchst unterschiedliche Wege in die Industrialisierung, daher zumindest von Industriellen Revolutionen (in der Mehrzahl) die Rede Kein eigentlicher Take-off auszumachen, weder 1820er, 30er Jahre noch Gründerzeit 1867-73 (noch am ehesten fehlgeschlagener Take-off; Gründerzeit endet mit Börsenkrach Schwarzen Freitag am 9. Mai 1873, gleichzeitig abgehaltene Weltausstellung wird Misserfolg wegen Choleraepidemie – statt erwarteter 20 Mio. nur 7,2 Mio. Besucher, Defizit 15 Mio. Gulden) aber mehrere Aufschwungs- bzw. Beschleunigungsphasen > insgesamt wellenartiger Verlauf Entstehungsbedingungen bzw. Voraussetzungen Bestimmtes Maß an wirtschaftlicher Integration durch ausreichende (Verkehrs)Infrastruktur Bestimmtes Maß an Effizienz in Landwirtschaft Ausreichend Arbeitskräfte - best. unternehmerische Mentalitäten Rohstoffe Märkte zum Absatz Außenhandel Fortgeschrittene technische Entwicklung Ausreichende Kapitalbildung bzw. ausreichend zur Verfügung gestelltes Kapital für Industrie Hauptaugenmerk liegt meist auf industriell-gewerblichem Sektor, jedoch stärkste Veränderungen im Landwirtschaftssektor Prozess der Agrarisierung > Intensivierung von Landarbeit, Verlust von (Neben)Erwerbsmöglichkeiten Erhöhte Nachfrage nach Lebensmitteln erzwang Konzentration auf Ackerbau und Viehzucht > Zunahme von Dienstboten Verbesserte Agrartechniken erlauben es, nur von landwirtschaftlicher Produktion zu leben, andererseits verdrängt Industrie vielfältige Erwerbsformen in der ländlichen Wirtschaft (Holz, Verkehr, Köhlerei, Textilproduktion) Zwischen 1876 und 1910 emigrierten 5 Millionen Menschen, 3,5 Mio. nach Amerika Grundentlastung in ihren strukturellen Auswirkungen überschätzt, aber viele Bauern können sich Ablösezahlung nicht leisten und werden zu freien Arbeitskräften (industrielle Reservearmee – zw. 1869 und 1910 Rückgang von in Ldw. Tätigen von 59% auf 46% (bezogen auf heutiges Bundesgebiet – Landflucht erfasst als erstes Dienstboten, dann mitarbeitende Familienangehörige), zunehmende Kapitalbildung einiger Großgrundbesitzer In liberaler Ära fielen alle Beschränkungen: seit 1868 waren Bauerngüter frei teilbar (Realteilung) und durch Hypotheken belastbar > zunehmende Besitzzersplitterung und wachsende Verschuldung, zw. 1870 und 1892 in Österreich (heutige Republik) 70-80.000 Zwangsversteigerungen Feudal-konservative Regierung reagiert mit Kommassierungsgesetz (Zusammenlegung und Tausch landwirtschaftlicher Grundstücke) und ab 1889 Rückkehr zum Anerbenrecht Wesentliche Merkmale der Industrialisierung: zunehmender Maschineneinsatz Mechanisierung des Spinnens in Baumwollindustrie Rückgang innerhalb eines Jahrzehnts von 100.000 Spinnerinnen auf 10.000; 8-9 Spinnerinnen versorgten eine(n) Weber(in), nach Mechanisierung 1:1 Bedeutung des Technologieimports; von Maschinen aber auch von Personen > Pottendorfer Spinnerei von Engländer John Thornton mit neuen mitgebrachten Maschinenkünstlern aufgebaut Mechanisierung von Arbeitsvorgängen, von Arbeitsteilung in Manufakturen zu Fabrik – Massenproduktion und Normierung wichtiges Resultat industrieller Produktionsweise Große Bedeutung von Innovationen: Einführung bzw. Verbreitung des Thomas-GilchristVerfahrens ab 1879 (ermöglicht Verwendung der phosphorhaltigen Erze Böhmens > große Standortverlagerung; Patentinhaber Wittgenstein) gleichbedeutend mit Ende des alpininnerösterreichischen Montanwesens Von Holz und Wasser zu Kohle und Dampf > neues Energieregime Bedeutungszunahme von Kohle und Eisen > nicht unwesentliche Frage, wie weit liegen Vorkommen auseinander, wie sind sie miteinander verbunden Steigende Mobilität von Gütern, Menschen und Waren, insb. durch Dampfschifffahrt und Eisenbahn (Jahrhundert einer Transportrevolution, dann auch durch Automobil – Rolle des Fahrrads bis zum zunächst ausschließlich militärisch genutzten Flugzeug) Eisenbahn forciert bestimmte Industrien, verlangte Entwicklung der Stahlindustrie, erlaubte Transport von Rohstoffen und Waren in die urbanen Zentren, stellte die Verbindung zwischen industriellen. Zentren her und steigerte natürlich Migration Typisch: Wechsel zw. Verstaatlichung und Privatisierung (aus Budgetnöten) Im Allgemeinen Charakterisierung der österreichischen Industrialisierung als verzögerte, verlangsamte Entwicklung Frage, wann sich Österreich Rückstand eingehandelt hat: umstrittene Wirkungen der Großen Depression nach 1873, realwirtschaftlich relativ bald wieder Anzeichen von Erholung, aber wirtschaftspsychologische Wende Worauf ist Rückstand zurückzuführen? Schlechter Zustand der Staatsfinanzen; hohe Verschuldung Konservativismus Angst vor Veränderung verspätete Modernisierung der staatlichen Verwaltung, Mentalitäten Risikofeindlichkeit „sicheres“ Einkommen, Geringschätzung der Unternehmertätigkeit, Posten in Bürokratie und Armee weit prestigeträchtiger hohes politisches Gewicht von Landbesitzern, daher stärkere Berücksichtigung agrarischer Interessen, eher Industriefeindlichkeit Selbst fortschrittliche Sozialgesetze in 1880ern begünstigen (Inhaber von) Gewerbebetriebe(n), Benachteiligung der Industriellen Geringe Außenhandelsverflechtung – Autarkiedenken, eher Abschottung vom Markt, Arbeitsteilung eher ungünstig Geografisch: Schwierige Verkehrswege (Wasserwege in falsche Richtung) bzw. Verkehrssituation etwa in Alpenregionen, große räumliche Distanz von Eisen und Kohle Rückstand vor allem aber auf regional sehr ungleiche Entwicklung zurückzuführen. sog. Fortschrittsregionen wie Wiener Becken oder Großteil Böhmens stehen Nachzügler wie Dalmatien, Galizien oder Bukowina gegenüber Pro Kopf Einkommen im Durchschnitt 1913 569 Kronen pro Kopf, Niederösterreich 850 K, Böhmen 761, Dalmatien 264, Galizien 316 Bukowina 310 K pro Kopf Debatte, ob regionale Ungleichgewichte weiter gefördert wurden (Arbeitsteilung mit ung. Reichshälfte, ungleicher Tausch, weil hohe Zölle auf Industrieprodukte) oder ob sich Aufholprozess beobachten lässt (Good: Angleichung von Zinssätzen, Preisen) Nach Rumpler unterentwickelte Regionen und unterdrückte nationale Minderheiten Gewinner, Kapital, das in Wien und NÖ erwirtschaftet wurde, floss nach Ungarn, Böhmen, Galizien, Bosnien-Herzegowina An manchen Regionen herrschte eher politisch-militärisches Interesse als wirtschaftliches Interesse (Galizien, Bukowina, Küstenland) Bosnien-Herzegowina wie Kolonie verwaltet, aber auch Modernisierung, für Öst.-Ung. finanziell Passivposten Weitere Entwicklungen im 19. Jahrhundert Freisetzung aus traditionellen Bindungen > differenziertere Gesellschaftsordnung Ständische Ordnung in Frage gestellt, nicht Geburt und Herkunft sollen Standeszugehörigkeit festlegen, sondern Leistung – (Aus)Bildung bekommt stärkeres Gewicht Klasse statt Stand Dynamisierung der Gesellschaft: Bürgertum (Wirtschaftsbürgertum bestehend aus Industriellen, Bankiers, Großkaufleuten und Bildungsbürgertum aus Beamten, Freien Berufen)etc.) und Arbeiterklasse Sozialformen des Bürgertums erhalten als Distinktionsformen der aufsteigenden Klasse Vorbildcharakter Trennung von Erwerbs- und Familienleben durch Durchsetzung von Lohnarbeit, Hauswirtschaft verliert an ökonomischer Bedeutung Lebenswelten Frauen Männer zunehmend getrennt > bürg. Familienideal Trennung von öffentlich (Ort des Erwerbs und der Verhandlung des Gemeinwohls) und privat (Rückzugsort der Männer, den Frauen verwalten) Streng hierarchisches Geschlechterverhältnis heißt geschlechtsspezifische Rechtsungleichheiten > Ausschluss von Frauen von politischer Partizipation und Wahlrecht Der Mann ist das Haupt der Familie ABGB 1811, partnerschaftliche Ehe erst Mitte der 1970er Jahre gesetzlich festgeschrieben Hierarchisierung von Öffentlichkeit und Privatheit: Ausländer, Frauen und Minderjährige dürfen nicht als Mitglieder in Vereine aufgenommen werden, manche Frauen durchbrechen gesellschaftliches Tabu und holen Öffentlichkeit ins Haus > Salons Kampf um Öffentlichkeit: zwei zentrale Orte Pressewesen und Vereine (Schaffung partieller Öffentlichkeit mit unterschiedlichen Zielen) Arbeiterlöhne decken kaum Existenzminimum, katastrophale Wohnbedingungen, enorm lange Arbeitstage, noch schlechter bezahlt Kinder- und Frauenarbeit Pauperisierung und soziale Frage – Sozialgesetzgebung Sozialpolitische Maßnahmen vor Hintergrund politischer Attentate und Erstarken sozialistischer Bewegungen Wirtschaftspolitischer Konservativismus und industriefeindliche, aber insgesamt doch fortschrittliche Sozialgesetzgebung (von Arbeiterschutzgesetzen ausgenommen kleine Gewerbebetriebe unter 20 Beschäftigte), neue Gewerbeordnung mit Einführung des Befähigungsnachweises Gewerbeinspektoren, Kinderarbeit bis zum 12./14. Lebensjahr verboten, Nachtarbeitsverbot für Frauen und Jugendliche Fabrikbetriebe: 11 Stunden Maximalarbeitstag bei 6 Arbeitstagen 1888/89 obligat. Unfall- und Krankenversicherung Urbanisierung am stärksten in Wien (zwischen 1800 und 1900 steigt Bevölkerung von rund 250.000 auf über 2 Millionen) und Budapest, auf heutigem österreichischen Bundesgebiet sonst nur Graz über 100.000 Einwohner (156.000), Linz etwa 1910 nur 70.000; weitere Großstädte über 100.000: Lemberg, Prag, Triest 1830 84% der Bevölkerung in Orten unter 2000 Einwohnern, 1880 68%, 1910 54% Wien um 1900 Weltstadt bzw. Hochburg der intellektuellen und künstlerischen Avantgarde in Malerei, Musik, Architektur: 1897 Gründung der Secession; Freud 1899/1900 Traumdeutung; Protagonisten wie Mahler, Schönberg, Schnitzler, Schiele, Klimt, Kokoschka, Wagner, Loos, Boltzmann – oft vertretene These einer jüdisch geprägten Kultur der Jahrhundertwende nicht unumstritten, gefährliche Nähe zum antisemitischen Klischee These Schorske (Fin de siècle Vienna): liberaler Mittelstand als politische Kraft ins Abseits gedrängt, Rückzug und Schutz in Salons und Kaffeehäuser > Frustration über Ausschluss von der Macht durch schöpferische Ausnahmeleistungen kompensiert Entwicklungstendenzen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Spezifika Politisierung der Kultur über Nation: überall entstehen Nationaltheater etc. z. B. in Prag 18681881 nationales Symbol, Grundsteine werden feierlich von böhmischen Burgen gebracht, Eröffnung 1881/83 jeweils mit Smetanas Oper Libussa mythologisch weibliche Gründungsfigur der tschechischen. Nation Pol. und kulturelle Agenden treffen sich im Kontext nat. Identifikation Sich entwickelnde bürg. Kultur konstituiert sich als nationale Kultur, ihr Programm wird Erzeugung nationaler Identität > Nationaltheater, Geschichtsschreibung, Bildung Diese Entwicklung hatte letztlich unbewältigbare Folgen für Habsburgermonarchie bzw. Österreich-Ungarn Kampf um bürgerliche Freiheitsrechte bleibt allgemein abstrakt. Wenn er als nationaler Kampf formuliert wird, wird er erfolgreich > zentral für Geschichte des 19. Jahrhunderts Dort wo Binnenwanderung aus ökon. Gründen über nationale Grenzen hinweg stattfand Triest, Fiume, Ostrau, Lemberg, Czernowitz, Prag, Graz, Wien große national-politische Konflikte > Gegensatz zw. ökonomisch expansiven Zuwanderern und sozial gefährdeten Alteingesessenen Industrialisierung erfolgte in anderem staatlichen Zusammenhang – Prozesse der Industrialisierung und der nationalen Desintegration fielen zusammen Relativ langsames Wirtschaftswachstum ergab sich insbesondere aus regional höchst heterogenen Industrialisierungsverläufen Trends und Entwicklungen Neue Energieträger Petroleum, Stadtgas, Elektrizität – wir befinden uns in einem Zeitalter der techn. Revolution Zeitalter der Beschleunigung Eisenbahn und Dampfschiff bis Fahrrad, Auto und Flugzeug Elektro-, Fahrzeug- und chem. Industrie werden neue Leitsektoren Industriewachstum setzt Prozess der Tertiärisierung in Gang Büros und Beamte: Neuer Stand zwischen Mittelstand und Arbeiterschaft Angestellte im öff. Dienst, in den Interessenvertretungen, in Industrie, Handel, Banken, in den freien Berufen Entstehung einer Informationsgesellschaft (Zeitungen), Verdichtung der Kommunikationsnetze (Post, Telegrafie, Telefon) insgesamt zögerliche Umgestaltung der österreichischen Wirtschaft Starke Beharrungskraft des Gewerbes unterstützt durch Mittelstandspolitik, z. B. patriarchalisch motivierte Sozialgesetzgebung mit gleichzeitiger Betonung kleingewerblicher Interessen und des bäuerlichen Mittelstandes, Großbetriebe gegenüber mittelständischer Wirtschaft diskriminiert Antikapitalismus und Antisemitismus bzw. Fremdenfeindlichkeit als Reaktion auf neues Gesellschafts- und Wirtschaftssystem führt uns zu zweitem wesentlichen Charakteristikum Abkehr vom Liberalismus – Hinwendung zum Interventionismus: die Wurzeln der österreichischen Politik bis in die Gegenwart Österreichische Entwicklung charakterisiert durch - Entstehung der Massenparteien - Entstehung des Verbändewesens (Industrieverbände, stärkere Bedeutung der Handelskammern, ldw. Genossenschaften, Gewerkschaften, Konsumgenossenschaften) durch Durchsetzung der Koalitionsfreiheit - Kartellbildungen zur Marktregulierung – verstärkter Konzentrationsprozess in der Industrie (1881 Alpine Montan) - Direkte Einflussnahme des Staates durch Schutzzölle, Subventionen – Umdenkprozess zeigt sich in Kommunalisierung - Steigender Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, u. a.: Ausbau der Infrastruktur (Bahn, Post, Telegraphen, Telephon) - Ansätze einer Sozialgesetzgebung (Unfall- und Kranken-versicherung) – Alter und Arbeitslosigkeit noch nicht abgesichert Gründe: Militärs schlagen Alarm (zu viele Untaugliche), betriebswirtschaftliche Überlegungen zu Produktivitäts-gewinnen (Verkürzung überlanger Arbeitszeiten), volkswirtschaftlich Massenkaufkraft Nachwirkungen > Ansätze zum Korporatismus der Sozialpartnerschaft > Hang zum Interventionismus und zur Reglementierung, zur Abschottung gegenüber der Konkurrenz Monarchie scheiterte nicht an wirtschaftlichen Defiziten, sondern am ungelösten Nationalitätenkonflikt abweichende Interpretation von Rumpler (Sandgruber schließt sich an): Habsburgermonarchie nicht am Nationalitätenproblem gescheitert, sondern sie hat dieses Problem nicht gelöst, weil sie sich durch den Entschluss zum Weltkrieg um die Chance brachte, vorhandene Ansätze zu möglichen Lösungen zu Ende zu führen Wenn irgendwo und irgendwann die so komplexe Aufgabe des Ausgleichs der Interessen einer national, kulturell und ökonomisch so heterogenen und pluralistischen Großregion in die Nähe einer Lösung gebracht wurde, dann in der Habsburgermonarchie > erscheint mir zu beschönigend Kontextualisierung Erster Weltkrieg Zuspitzung der außenpolitischen Situation einzige außenpolitische Konstante Bündnis mit Deutschland, Italien zunehmend feindlich Ab 1903 (Tod von König Alexander Obrenovic) zunehmende Spannung mit Serbien (großserbische Politik, die südslawischen Staat schaffen wollte – Panslawismus) Konflikt um Großmachtstellung auf Balkan mit Russland Balkankriege 1912/13 zur Aufteilung der europäischen Teile des Osmanischen Reichs Neutralität Österreichs aber Außenminister Berchtold protegierte Bulgarien (gegen Serbien) und initiierte Gründung eines eig. albanischen Staates (1913 gegr.) Der erste industrielle Krieg – Der 1. Weltkrieg 1914-1918 George F. Kennan spricht vom 1. Weltkrieg als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, von welthistorischem Desaster, das in seinen unmittelbaren Auswirkungen auf Gesellschaft und Politik bereits den Keim des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs in sich getragen habe Gleichzeitig damit gewisse – bereits zeitgenössische – Verklärung der Zeit vor 1914 Vielfach Interpretation der beiden Kriege als 30jährige Kriegsphase mit einem Waffenstillstand dazwischen Erster totaler Krieg, Krieg, der alle Lebensbereiche erfasst Totale Mobilisierung, totale Kontrolle durch Gleichschaltung und Propaganda, totale Kriegsziele totale militärische Unterwerfung der Gegner, totale politische Entmachtung der Gegner Erster industrieller Krieg: Produktion von Waffen bedarf der Umleitung der gesamten Wirtschaft - Materialschlacht im Krieg einzige Möglichkeit für Überwindung der sozialen und nationalen Schwierigkeiten der Habsburgermonarchie gesehen schwerer Einbruch in der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs Kollektivpsychose (literarisch verarbeitet von Karl Kraus in Die letzten Tage der Menschheit) Krieg nahm mehr als ein Viertel des Sozialprodukts und großen Teil der Arbeitskräfte in Anspruch Österreich letztlich weder militärisch, wirtschaftlich noch logistisch auf Krieg dieser Länge eingestellt Ab 1915 „Kriegskonjunktur“ mit beträchtlichen Produktionssteigerungen (Steyr, Wr. Neustadt: bis zu 120.000 Beschäftigte, mehr als heute in Industrie in NÖ), doch bereits ab 1916 Erschöpfungszustand insb. der kriegswichtigen Industriebereiche große Schwierigkeiten in Produktion - Knappheit der Rohstoffe - schwere Ausfälle bei Arbeitskräften Dringendste Aufgabe Versorgung der Armeen mit Kriegsmaterial Marktwirtschaftliches System entwickelt sich in Richtung zentral geplanter Kriegswirtschaft: Rohstoffzentralen für Bewirtschaftung der Rohstoffe und Nahrungsmittel (Getreide, Zucker, Metalle, Öl und Fette, z. B. Österreichische Zentral-Einkaufsgesellschaft für Lebensmittel) ab 1915 Lebensmittelkarten – Preisvorschriften – Ernährungsproblem konnte nie gelöst werden (Wegs 1979) Rückgestaute Inflation: Kriegsfinanzierung weniger durch Steuererhöhungen als durch Kriegsanleihen (3/5) und Inanspruchnahme der Notenpresse (2/5) – Preisregelnde Maßnahmen ungenügend > Verbraucherpreisindex steigt vom Juli 1914 bis November 1918 auf ungefähr das Fünfzehnfache Militarisierung vieler gesellschaftlicher Bereiche, Fabriken vielfach in „Kasernen“ umgewandelt, Verlängerung der Arbeitszeit, Schutzbestimmungen für Frauen und Jugendliche aufgehoben > ständiger Austauschprozess (Ausmusterung volltauglicher Arbeiter, andererseits Verletzte und Invalide der Industrie zugewiesen) Verschobene Altersschichtung, mehr unter 18- bzw. über 50-jährige Steigende Bedeutung der Frauenarbeit Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln > rasch Mangel spürbar, ab 1915 Engpässe und kontinuierliche Verschlechterung der Situation Zunahme von Streiks und Demonstrationen zunächst Forderungen nach Verbesserung der Versorgungslage und nach Lohnerhöhungen, dann nach Friedensverhandlungen, schließlich nach Veränderung des gesamten gesellschaftlichen Systems. Auf große Streikbewegung im Sommer 1917 wird einerseits mit weiterer Militarisierung der Arbeitsprozesse reagiert, andererseits wird 1916 eingeführtes System von Vertrauensleuten ausgebaut, Einrichtung von Beschwerdekommissionen, Mieterschutzverordnung Jänner 1917, Bestimmungen über Lohnfortzahlungen bei Betriebseinschränkungen, mit 1. Juni 1917 Ministerium für soziale Fürsorge Jänner-Streik 1918 von Wr. Neustadt ausgehend (Kürzung der Mehlquote) fast eine Million Arbeiter und Angestellte im Ausstand, Streik zeigt neue Dimension des Klassenbewusstseins der Arbeiterschaft, neben Friedensforderungen Tendenz zur radikalen Veränderung der Gesellschaft, zu Vertrauensleuten treten Arbeiterräte, die großteils in die sozialdemokratische Bewegung eingebunden werden Im Juni 1918 weitere Streiks und Hungerdemonstrationen: im Mittelpunkt Ernährungskrise und Achtstundentag 12. November 1918 Ausrufung der Republik Art. I des Gesetzes über Staats- und Regierungsform: Deutsch-Österreich ist eine demokratische Republik; Art. II: Deutsch-Österreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik 10. Sept. 1919 Friedensvertrag von St. Germain gab dem neuen Staat den Namen Republik Österreich und beinhaltete Anschlussverbot Gründe des Scheiterns der Monarchie Innere nationale Gegensätze > durch immer stärkere militärische Abhängigkeit von Deutschland Bereitschaft der verschiedenen Nationen für Monarchie zu kämpfen geschwächt, ab Sommer 1918 Bildung eigener Verwaltungsorgane der Nationen > Nationalräte Mangelnde wirtschaftliche Leistung (Gratz-Schüller 1930) > Wirtschaftsinfarkt Unvermögen der Heerführer Verschärfung der nationalen und sozialen Gegensätze und Verfall der militärischen und wirtschaftlichen Kraft standen in Wechselspiel Gesellschaftliche Veränderungen: alte Eliten (Aristokratie, Militär) entmachtet Inflation mit unterschiedlichen Auswirkungen Industrielle und kommerzielle Unternehmer profitieren wie Bauern (durch Entschuldung, zugleich Erträge/Gewinne erheblich reduziert) Ungünstige Entwicklung für Angestellte und Staatsbeamte, für Hausbesitzer und Rentenbzw. Sparkapitalbesitzer, für Kriegsanleihezeichner Zu materiellen Verlusten Verluste von Menschenleben: von 8 Mio. Soldaten starben mehr als eine Million, zwei Mio. wurden verwundet, 1,7 Mio. in Kriegsgefangenschaft, davon starben 480.000 Dazu erhöhte Zivilsterblichkeit > Tuberkulose „Wiener Krankheit“ Krieg als traumatisches Erlebnis „prägendes Alltagserlebnis einer ganzen Generation“ (Sandgruber) Geschichte Österreichs seit 1918: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft Besondere Auffälligkeit: Österreich heute eines der reichsten Länder der Welt, im Gegensatz dazu steht die auffallend schlechte wirtschaftliche Performance in der Zwischenkriegszeit, die in die politische Katastrophe des Nationalsozialismus mündet Auf Polarisierung der politischen Lager in Zwischenkriegszeit folgt nach 1945 Phase der Versöhnungspolitik, Symbol dafür Große Koalition Verwobenheit der Aspekte Politik, Wirtschaft, Gesellschaft deutlich zu machen am Aufkommen des Nationalsozialismus in Österreich in den 1930er Jahren: Weltwirtschaftskrise für Machtverfall der Demokratie mitverantwortlich, marktwirtschaftliche Ideologie verlor mit Großer Depression ihre Glaubwürdigkeit > Verunsicherung von Mittelstand und Kleinbürgertum, Antisemitismus als Sündenbocktheorie Bruch 1918 Demokratie als neue Staatsform steht auf schwachen Beinen v. a. Kleinstaatlichkeit als Sprung in die Bedeutungslosigkeit große Zweifel an der wirtschaftlichen und nationalstaatlichen Lebensfähigkeit – Parteienhader in der Zwischenkriegszeit, steige3nde Unzufriedenheit mit Parlamentarismus > NS-Machtergreifung Symbol für größere Bedeutung Radikalisierung und Unversöhnbarkeit der demokratischen politischen Lager verhindern Widerstand - Ständestaat als österreichische Spielart eines autoritären Regimes Ständestaat tritt an mit dem Ziel, Arbeitslosigkeit zu beiseitigen, und scheitert letztlich daran, euphorischer Jubel um „Anschluss“ Hoffnung auf rasche Beseitigung der Arbeitslosigkeit wie in Deutschland, ohne Hintergründe des „Arbeitsplatzwunders“ zu bedenken Österreichische Geschichte im 20. Jh. charakterisiert durch viele Brüche und Diskontinuitäten Zäsuren (politisch, wirtschaftlich, sozial): 1918 – 1929 – 1931 – 1933/34 - 1938 - 1945 – 1955 – 1968ff: die 1970er – 1973 – 1989/90 – Einiges spezifisch österreichisch (1933/34; 1938; 1955) bzw. stärker ausgeprägt als anderswo, anderes zeitverzögert bzw. abgeschwächt (etwa 1968ff) Sind die dreizehn Jahre der Kreisky-Alleinregierung eigenständige Periode, oder ergeben Alleinregierungen 1966 bis 1983 zusammenhängende Phase, oder ist grundlegende Änderung der weltwirtschaftlichen Stimmungslage 1973 (sog. „Energieschock“) der wichtigere Bruch? Seit 1986 Erosion der klassischen Parteienlandschaft, deutlich sichtbar am Bedeutungsverlust der beiden Großparteien – Aufstieg von Parteien wie FPÖ bzw. Grünen Situation 1918/19 Nachkriegselend und Revolutionsangst bzw. -hoffnung Zeit des Umbruchs und des Chaos – katastrophale Gesundheitsverhältnisse bei Kindern und Jugendlichen von 1,2 Mio. öst. Kindern und Jugendlichen unter 15 900.000 unterernährt – öst. Nahrungsmittelproduktion kann 1918/19 nur ein Viertel bis ein Drittel des Bedarfs decken – neue Formen der Selbstversorgung (Schrebergartenexplosion) Ausländische Hilfsaktionen aus Angst vor dem Kommunismus durch Reliefkredite (Lebensmittellieferungen) Überwindung der Hungersnot Ähnlich bedrohlich wie Ernährungskrise Energiekrise Zusammenbruch des Reichs im Herbst 1918 raubt Hof, Adel, Hochbürokratie, Offizierkorps Stellung, Ansehen und gesellschaftliche Macht überkommenes Wertesystem und revolutionäre Grundstimmung Bedeutungsgewinn der Räte ab Spätsommer 1918 Räte bis März 1919 unter sozialdemokratischer Kontrolle, im Februar 1919 SDAP stärkste Partei bei Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung SDAP gegen sozialistische Revolution im Frühjahr 1919 wegen Gefahr der Spaltung Österreichs und der völligen Isolierung der Arbeiterschaft Beschränkung auf einige Sozialisierungsmaßnahmen gemeinwirtschaftlicher Betriebe (staatl. Kriegsindustrie) Nach Scheitern der ungarischen Räterepublik im Sommer 1919 und kommunistischer Putschversuche im Frühjahr bzw. Juni 1919 geht Bedeutung der Räte zurück, durch Betriebsrätegesetz geht Interessenvertretung der Arbeiter in Betrieben an diese über Zwischenkriegszeit – Anpassungsschwierigkeiten auf dem Weg in die Kleinstaatlichkeit Ausgangssituation der Ersten Republik: Zwischenkriegszeit von Frage überschattet: Sind die Österreicher Österreicher oder Deutsche? In Monarchie Doppelidentität: deutsche Identität vermittelt durch Herkunft, Sprache, und österreichische, die sich auf Donaumonarchie bezog Am 12. Nov. 1918 beschließt provisorische Nationalversammlung Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutsch-Österreich. Artikel 2 lautet. Deutsch-Österreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik Im Friedensvertrag von St. Germain jedoch Anschlussverbot Wirtschaftlich charakterisiert durch Periode der wirtschaftlichen Stagnation (BIP, Industrieproduktion, Außenhandelsvolumen, wirtschaftssektorale Verteilung der Berufstätigen) Phase der langsamen Adaptierung – erschwert durch Inflation, später durch Weltwirtschaftskrise Verfehlte Wirtschaftspolitik – mangelnde Lösungskonzepte, Schreckgespenst Inflation, Druck von außen mangelnde internationale Unterstützung, Hilfeleistung und Kooperation Unterschiede zwischen Anleihepolitik der Zwischenkriegszeit und Marshall-Plan nach 1945 – unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten Die wirtschaftliche Ausgangssituation 1918 – Das Erbe der Habsburgermonarchie Ausgangssituation der jungen Republik drückte der weiteren Geschichte ihren Stempel auf These von der wirtschaftlichen Nichtlebensfähigkeit Österreichs bestimmend für unmittelbare Nachkriegszeit (Reststaat, Der Staat, den keiner wollte) hängt zusammen mit 1. wirtschaftlichem Erbe 2. feindlicher Umwelt 3. zunächst Unklarheit wegen Friedensverträgen ad 1. - einige Industriezweige über- (Lokomotiv-, Waggon-, Automobilerzeugung), andere unterrepräsentiert (Kohle, Zucker) - Aufbrechen der Arbeitsteilung (in Textilerzeugung hauptsächlich Druck- und. Veredelungsindustrie, in Böhmen hohe Webereikapazitäten) - überdimensionierter Staatssektor und Beamtenapparat, Hauptproblem Wien („Wasserkopf“) - Landwirtschaft unterentwickelt - aus Binnenhandel Außenhandel positives Erbe: Eisenindustrie, Edelstahlindustrie, Eisen- und Metallverarbeitung, Maschinenindustrie, Elektroindustrie, Papier-, Leder-, Gummiindustrie während des Krieges durchgeführte Kapazitätserweiterungen problematisch (öst. Spezifikum Wegbrechen des Absatzmarktes, erschwerte Außenhandelsbeziehungen) mehrere Alternativen erwogen: Anschluss (gewünscht von Sozialdemokratie, Deutschliberalen bzw. -nationalen) bzw. Donauföderation (gewünscht von Teilen der Wirtschaft) gemessen am Volkseinkommen günstige Startposition bei 22,3% der Bevölkerung 29,7% des Volkseinkommens (nur Tschechoslowakei günstiger 34,3% der Bev., 44,7% des Volkseinkommens) ad 2. provinzieller Neomerkantilismus (Bundesländer verweigern Wien Hilfestellung) zugleich seitens der Nachfolgestaaten neomerkantilistische Wirtschaftspolitik zumindest zu Beginn – langer Wunsch nach Selbstständigkeit erfüllt schützen sich mit Hochschutzzollpolitik – wirtschaftliche Verflechtung Österreichs mit Nachfolgestaaten (CSR, Ungarn Polen, Jugoslawien, Rumänien) bleibt aber stark: 1937 noch immer 35% der Exporte ad 3. Bestimmungen des Friedensvertrages hart aber nicht bewusst demütigend zentrale Punkte Reparationen, Schuldenregelung und handelspolitische Neuordnung Reparationen letztendlich nichts bezahlt Ursprünglich Konfiskation sämtlicher Vermögenswerte im Ausland vorgesehen, letztlich entschärft – Schuldenregelung durch Inflation belanglos Einige Bestimmungen entmutigender Effekt auf öffentliche Meinung: handelspolitische Begünstigungen für Siegerstaaten, Generalpfandrecht (für Reparationsansprüche) Betonung der eigenen wirtschaftl. Schwäche quasi Staatsdoktrin, Bestandteil pol. Strategien Friedensvertrag bringt territoriale Verluste, z. T. Anschlussbestrebungen, Zu Beginn der jungen Republik Sozialpolitische Reformphase 1919/20 a) Sozialisierung Überführung von Schlüsselsektoren der österreichischen Wirtschaft in öffentliches Eigentum, letztlich nur für einige ehemalige Heeresbetriebe 3 Sozialisierungsgesetze (u.a. Betriebsräte Mai 1919) b) rd. 80 Arbeits- und Sozialgesetze Arbeitslosenunterstützung/vers. 8-stündiger Arbeitstag bezahlter Urlaub für Arbeiter (mind. 1 Jahr Beschäftigung) Sonntagsruhe, Ladenschluss Durch Einrichtung der Einigungsämter u. Verknüpfung mit Kollektivertragsbestimmungen breitere Geltung der Kollektivverträge Mieterschutz/Mietengesetz Ausdehnung der Sozialversicherung Neuregelung der Krankenversicherung bei Staatsbediensteten, Landarbeiter 1921 in Unfall- und Krankenversicherung einbezogen Später unter bürgerlichen Regierungen „Kampf gegen soziale Lasten“ im Vordergrund Änderung der politischen Kräfteverhältnisse, ab 1920 Wahlsieg der Christlichsozialen (CS) und Ende der Großen Koalition > bis 1933/38 nur bürgerliche Regierungsmehrheiten aus CS, Landbund, Großdeutscher Volkspartei und Heimwehren, zw. 1918 und 1933 22 Regierungen mit 11 verschiedenen Regierungschefs SDAP 1929 650.000 Mitglieder, höchste Mitgliederdichte Europas, 400.000 Parteimitglieder in Wien; Sozialdemokratie stützt sich auf drei Säulen Partei, Gewerkschaft und Genossenschaften – Otto Bauer Wichtigster Kontrahent Ignaz Seipel (CS) 1876-1932, führte fünf Regierungen 1922-24 192629, 1924 durch Attentat schwer verletzt CS einerseits Partei des Kleinbürgertums, zugleich aber von Teilen des Wirtschaftsbürgertums, dazu starke Verankerung in Bauernschaft Für Offiziere, Beamte, Pensionisten, Hausbesitzer, Rentiers war die Republik das Symbol ihres gesellschaftlichen Positionsverlustes, für Unternehmer bedeutete Republik hohe soziale Lasten, für Bauern war Republik jenes System, das Landarbeiter aus dem Dienstbotenstatus befreite und damit Gewerkschaften und Klassenkampfparolen auf dem Land die Ausbreitung gestattete Daher keine Identifikation der bürgerlichen Schichten mit der bürgerlichen Republik, einmal an die Macht gelangt, ging es darum, den revolutionären Schutt zu entfernen, Arbeiterschaft bzw. Sozialdemokratie waren eigentlicher Träger der Revolution gewesen, für Arbeiter bedeutete die Republik Achtstundentag, Arbeiterurlaub, Betriebsrätegesetz und Arbeitslosenversicherung d.h. Aufbruchstimmung auf der einen Seite gegen Untergangsstimmung auf der anderen generell Übergang zur Demokratie in vielen Staaten mit Funktionserweiterung des Staates verbunden, der nun nicht nur sozialpolitische, sondern auch konjunkturlenkende, wirtschaftskontrollierende und einkommensumverteilende Aufgaben wahrnimmt – Verlagerung zu Massensteuern Inflation und Stabilisierung Schreckgespenst Inflation wirtschaftspolitische Nachwirkungen bis in 1930er Jahre, Ende 1. Weltkrieg riesiger Geldüberhang, hohe Teuerungsraten Gründe: „Entgüterung“ (daher kein Gleichgewicht zwischen Geld- und Gütermenge), Mangel an Rohstoff und Arbeitskräften Importabhängigkeit > steter Anpassungsdruck auf Krone > treibt Inlandspreisniveau in die Höhe Explosion des Budgetdefizits bis zu 50% der Einnahmen > Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung, umfangreiche Lebensmittelsubventionen Juli 1919 bis Juni 1920 25%, Juli 1920 bis Juni 1921 bereits 58% der Staatsausgaben), zunächst beträchtliche Zahlungen für Tilgung der Kriegsanleihen dafür zunehmend Notenpresse herangezogen > ab 1921/22 neues Stadium Hyperinflation (zw. 1914 und 1921 jährliche Preisverdoppelung, ab Herbst 1921 monatliche Preissteigerungen um 50% - Lebenshaltungskosten bis Sommer 1922 das 14.000fache der Vorkriegszeit) > Österreich geriet in eine Finanzkrise, die einem Staatsbankrott gleichkam Flucht aus und Spekulation gegen die Krone drückt Kronenkurs auf Devisenmärkten, der zu Kriegsende noch deutlich über Kaufkraftparität der Krone gelegen war, 1919 und 1920 weit unter die Kaufkraft, was zu „Exportprämie“ führte und Österreich zu „Preisparadies“ machte „Ausverkauf“ von Österreichs Wirtschaft (Alpine Montan, DDSG) Positive Wirkungen der Inflation, aber auch zerstörerische Wirkungen Rasche Ankurbelung der Produktion, BIP steigt 1921 und 22 stark an kurze Hochkonjunktur (nahezu Vollbeschäftigung) und Ausverkauf Fehlveranlagung wirtschaftlicher Ressourcen Hyperinflation führt zu Nivellierung der Arbeitnehmereinkommen > sichtbarster Ausdruck der Auflösung des Wertesystems der alten Gesellschaft Verschiebung im gesellschaftlichen Gefüge Gewinner Ldw. (durch Entschuldung der Bauern) – brutale Umverteilung zu Lasten der Sparer, Geldvermögensbesitzer und Rentenbezieher sowie der Hausbesitzer und „Fixbesoldeten“, also des Bürgertums (Gefühl materieller Enteignung verband sich mit dem politischer Machtlosigkeit) Wirkung der Inflation erzeugt nachhaltig Ressentiments (insbesondere im (Klein)Bürgertum, gegen Inflationsgewinner, sog. „Schieber“ – C. Castiglioni, S. Bosel) – fördert Aufkommen antidemokratischer Tendenzen Inflationsopfer suchen Schuld bei Juden, Sozialisten, Demokraten, Ausländern - Neureiche und Kriegsgewinner prägen auch die Fremdenverkehrsorte (Preisparadies) und schüren Ausländerfeindlichkeit letztlich Eingreifen des Völkerbundes > Genfer Sanierung (drei Genfer Protokolle 1922) besiegelt endgültig Weg der kapitalistischen Marktwirtschaft Kombination konsequenter Sparpolitik und gezielten Einsatzes von Anleihegeld 650 Mio. Goldkronen zum Ausgleich des Bundesbudgets sowie zur Beendigung der Defizitfinanzierung durch ÖNB Abbau von 100.000 österreichischen Staatsangestellten (von insgesamt 270.000) damit verbunden Einschränkung der staatlichen Souveränität Österreichs umstritten, ob wichtiger und richtiger Schritt zur wirtschaftlichen Normalisierung oder innenpolitisch motivierte Unterwerfung unter Diktat der internationalen Hochfinanz rasche Sanierung weniger durch Ausgabenreduzierung als durch günstige Entwicklung von Staatseinnahmen – Einführung der Warenumsatzsteuer 1923 (1923 9% der Bundeseinnahmen) Stabilisierung der Kronenwährung, Übergang zum Schilling Ende 1924 – Währungsstabilisierung gelingt (1S = 10.000K), Gesundung der Volkswirtschaft nicht 1924-26 Zeit der Bankenskandale und Korruptionsexzesse > verspätete Sanierungskrise (Depositenbank, PSK) Banken trachten ihre Industrieimperien aufrechtzuerhalten Alternativen: Konzentration auf öst. Wirtschaft bzw. Beibehalten der trad. Einflusssphären „business as usual“ – durch Nostrifizierung geschwächt, Durchdringung durch internationales Kapital, von 10,4% Auslandsanteil 1913 auf 30,5% 1923 – 1925 ausgewiesenes Eigenkapital (AK + offene Reserven) der Großbanken nur noch rund 20% des Wertes von 1913 Krise aber nicht nur wegen Auslandskreditierung, sondern aus verschiedenen Gründen, einer davon „borrowing short, lending long“ „Einfrieren“ der kurzfristigen Kredite wesentliche Ursache für Bankenzusammenbrüche; Gründe: Anschein von Prosperität, um Verluste vor Öffentlichkeit zu verbergen, Rücksichtnahme auf jahrzehntelange Geschäftsbeziehungen strukturelles Leistungsbilanzdefizit – durch Zerfall der Habsburgermonarchie verringerter Außenhandel Handelsbeziehungen müssen warenmäßig und regional umgestellt werden > Erschließung neuer Märkte, Anpassung der Produktionsstruktur an geänderte Absatzmöglichkeiten > führt zu Primitivierung der Exportstruktur (1921 Anteil Fertigwaren an Gesamtausfuhr 91%, 1932 70%) insgesamt Außenhandelsvolumen deutlich zurückgegangen Maßnahmen der 1920er: Förderung der Landwirtschaft > steigender Anteil der Ldw. am BNP (1913 11,2%, 1934 15%, 1950 18%) – klein- und mittelbäuerlicher Charakter – günstige Entw. der Ldw. endet 1928 – in 30er Jahren verstärkte staatl. Interventionstätigkeit Ausbau der Energiekapazitäten durch Wasserkraftwerke (insb. 1919-24) Elektrifizierung z. B. der Eisenbahn (bis 1927/28, ab 1934/35) – West-Ost-Verbindung als neue Hauptverkehrsachse muss ausgebaut werden Aufschwung der industriellen Produktion (jedoch langsamer als in übrigen europ. Staaten) – Wachstumsbranchen Holzverarbeitung, Papier und chem. Industrie Zeit der Rationalisierungen in der Industrie (Steyr-Werke 1926 Fließbandfertigung) Zugleich unausgelastete Kapazitäten 1925 Auslastungsgrad der Industrie 50-60%, 1928 (am Gipfel der Konjunktur) 80% hohe Zinssätze als Hypothek der Inflation Hauptgrund der mangelnden Investitions- und Wettbewerbsfähigkeit – Grund für Hochhaltung des Zinsniveaus: Banken wollen ihre Verluste möglichst rasch wieder wettmachen Jahre der allmählichen Erholung, von 1924 bis 1929 stieg reales BNP um durchschnittlich 3,5% im Jahr 1929 Konjunkturhöhepunkt dennoch Pro-Kopf-Einkommen übersteigt kaum jenes von 1913, BIP liegt geringfügig über jenem von 1913, Industrieproduktion überhaupt nie über Niveau von 1913 (1929 98%) allmähliche Motorisierung, Beginn der Zivilluftfahrt 1922/23 ab Mitte 20er viele Investitionen in Fremdenverkehr: Salzburger Festspiele (Max Reinhardt, Hugo v. Hofmannsthal), Wintersport beginnt populär zu werden – Änderung ab 1930, ab 1933 1000 Mark-Sperre Wirkung insb. im Westen einschneidend) > Wechsel der Herkunftsländer Filmwirtschaft, 1928 erster Tonfilm; neues Massenmedium Radio 1924 nimmt RAVAG ihren Betrieb auf – politische Bedeutung wird bald klar, bei Putschversuchen 1934 und 1938 RAVAG wichtiges Ziel Blüte der Literatur Joseph Roth, Arthur Schnitzler (1921 Reigenskandal), Robert Musil, Stefan Zweig, Hermann Broch, Karl Kraus, der Architektur (Adolf Loos, Josef Frank), in der Musik Schönberg, Berg, Webern, silbernes Zeitalter der Operette (Lehar, Kalman), Kabarettblüte (Farkas, Fritz Grünbaum), in Kellertheatern Jura Soyfer, in Bildhauerei/Malerei Wotruba, Kokoschka, Kubin, Böckl Dazu Freud, Psychologe Bühler, Nobelpreisträger Wagner-Jauregg, Karl Landsteiner, Physiker Schrödinger Blütezeit des Roten Wien: Finanzreferent Hugo Breitner, Schulreformer Otto Glöckel, Kommunaler Wohnbau - Aufbau einer von der Wiege bis zur Bahre geschlossenen Organisationskette, Modell einer Gegenkultur gegen dominierende bürgerliche (u. katholische) Alltags- und Feierkultur Gemeindebauten und Sozialpolitik finden internationale Beachtung Politische Polarisierung verstärkt durch Ereignisse 1927 (Schattendorf 30. Jänner bei Zwischenfällen zw. Frontkämpfern und Schutzbund 2 Tote > Schützen werden von Geschworenengericht am 14. Juli freigesprochen 15. Juli Justizpalastbrand) und 1934, von 1927 bzw. 1929 an kann man von latentem Bürgerkrieg sprechen Heimwehren zunehmend politisches Gewicht, 1930 Korneuburger Eid Verwerfung des Parlamentarismus und des Parteienstaates, radikaler Ton auch in SD, etwa im Linzer Parteiprogramm 1926 Politik jedoch eher defensiv Bei letzten Nationalratswahlen 1930 enttäuschendes Ergebnis für Nationalsozialisten, erste große Erfolge bei Landtagswahlen 1932 Krisenhafte Erscheinungen der 1930er: Weltwirtschaftskrise, CA-Crash, Ständestaat Zur Bankkrise kommt Industriekrise, dazu ab 1931 internationale Finanzkrise Im Mai 1931 muss CA Verlust von 140 Mio. S bekannt geben - ÖNB verliert in der Folge (von Ende April bis Mitte Oktober) 750 von 850 Mio. S Gold, Devisen und Valuten > Panik unter Gläubigern in Deutschland, überträgt sich auf England (September 1931 Suspendierung der Goldeinlösepflicht der Bank of England) Währungskrise nicht, weil ausländische Gläubiger ihre Gelder zurückwollten, sondern wegen inländ. Kapitalflucht CA-Crash zieht Lausanner Anleihe 1932 nach sich Creditanstalt muss wegen ihrer beherrschenden Stellung im österreichischen Wirtschaftsleben gerettet werden Konzentrationsprozess im österreichischen Bankensektor 1926 - 1934 Bodencreditanstalt 1926 Creditanstalt Übernahme der Wr. Filiale der Anglobank 1927 Fusion mit Union- und Verkehrsbank 1929 unter Druck der Regierung Übernahme der Bodencreditanstalt 1931 CA-Crash – Sanierung durch Staat und ÖNB 1934 Fusion mit Wr. Bankverein zur Österreichische Creditanstalt-Wiener Bankverein chronische Krise des öst. Bankwesens: Folge des Zerfalls der Donaumonarchie, der in der unmittelbaren Nachkriegszeit und in der Inflation erlittenen Substanzverluste, der Industriekrise in den 20er Jahren, der Verfolgung einer aggressiven Geschäftspolitik, die versucht frühere Größe zu retten nicht zuletzt gravierender Fehlentscheidungen des Managements langsam einsetzendes Krisenmanagement, erst ab 1932 vorsichtige Industriepolitik 1934 z. B. Steyr-Daimler-Puch Fusion (Automobilerzeugung aus NÖ abgezogen, auf Steyr konzentriert) vorher zu große Nachsicht bei Krediten, dann zu große Zurückhaltung wegen überragender Bedeutung der CA als Kreditgeber und nunmehriger Kreditrestriktionspolitik Abwärtsbewegung der Konjunktur beschleunigt im Gefolge der CA-Krise im Juni 1931 Rücktritt der Regierung, Angebot an Sozialdemokraten, in Regierungskoalition einzutreten, wird von diesen abgelehnt > für Budgetsanierung und Währungsstabilisierung Lausanner Anleihe (308 Mio S – ausschließlich für finanzielle Transaktionen verwendet) Budgetausgleich nur durch massive Ausgabenkürzungen, geringe Ausgaben für Investitionen kommen einem völligen Verzicht einer aktiven Wirtschaftspolitik gleich Projekt einer Zollunion mit Deutschland scheitert am französischen Einspruch, Lausanner Anleihe 1932, hinter der Franzosen und Engländer standen, ruft akute Krise des österreichischen Parlamentarismus hervor, verordnet strikten Sparkurs Zur CA-Krise kommen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise Industrielle Produktion fiel von 1929 bis zum Tiefpunkt 1933 um 38% BNP um 20%, österreichische Warenexporte um 65% Marktliberale Ideologie verliert an Glaubwürdigkeit – zunehmend finden Gegner der Marktwirtschaft aus radikal demokratiefeindlichem Lager Gehör Sanierungslasten 1931/32 stärken antidemokratische Bewegungen > Stimmengewinne der Nationalsozialisten 1932 In Regierung Dollfuß I zwei Heimwehrminister - Arbeitslosigkeit nimmt katastrophale Ausmaße an Massenarbeitslosigkeit 1933 27% aller Arbeitnehmer (an die 600.000 Menschen – nur 5060% erhalten Arbeitslosenunterstützung – danach Notstandsunterstützung, dann „Aussteuerung“, besonders stark in der Industrie), 1937 21,7% Branchenweise: insb. Bauwirtschaft und Eisen- und Metallindustrie Zentren der Arbeitslosigkeit: Marienthal, Ternitz, Hirtenberg, Enzesfeld, Wr. Neustadt, Obersteiermark, Steyr, Hüttenberg in Kärnten Von Schuschnigg propagierte „Arbeitsschlacht“ erfolglos Auswirkungen des in der WWK um sich greifenden Protektionismus und des Zusammenbruchs des internationalen Handels besonders gravierend Andererseits ab 1933/4 Phase allmählicher Erholung: Vervierfachung der Roheisenerzeugung, Verdreifachung der Stahlproduktion zw. 1933 u. 37 In der Periode von 1913 bis 1937 Schrumpfung der Volkswirtschaft real um 0,4%, von 1929 bis 1937 um 1,8% Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes 1913-1937 (Index 1913 =100) 1913 1920 1925 1929 1933 1937 100 66,4 94,5 105,1 81,5 90,9 Insgesamt in Zwischenkriegszeit Bedeutungsrückgang Europas, Krise des internationalen Währungssystems, bislang schwerste Depression deflationärer wirtschaftspolitischer Kurs in 1930ern Credo: Stabilhalten der Währung bei ausgeglichenem Staatsbudget, an Spitze der ÖNB seit 1932 Viktor Kienböck keine liberale Wirtschaftspolitik – Hochzollschutzpolitik Bevorzugung der Landwirtschaft, die zunehmend protektionistischen und interventionistischen Rahmen erhält Preisfestsetzungen und Mengenregelungen setzen Marktkräfte weitgehend außer Kraft > 1937 4/5 des Nahrungsmittelbedarfs aus eig. Produktion gedeckt; dazu radikale Importsenkung durch Einfuhrverbote > starker Rückgang des Außenhandels, zweite wirtschaftliche Desintegration (nach politisch-wirtschaftlicher Desintegration 1918) durch fehlende Gewerkschaften Möglichkeit zu Lohnkürzungen für Beschäftigungslage fatale Hartwährungspolitik 1937 ausgeglichene österr. Leistungsbilanz (doch nicht Ausdruck einer Gesundung – Rothschild spricht von retrogressiver Anpasssung, wenige neue zukunftsträchtige Branchen aufgebaut, sondern veraltete leistungsschwache sterben ab) BIP erst rund 90% jenes von 1913 Der wirtschaftspolitische Kurs in den 1930er Jahren - Kürzung der Sachausgaben und Investitionen - Kürzung der Arbeitslosenunterstützung - Kürzung der Bezüge der Bundesangestellten - Erhöhung der Zölle - Erhöhung der Tabakpreise - Neueinführung bzw. Erhöhung von Steuern Intensivierung autoritärer Strömungen in der Politik; ab 1932 Reihe von Notverordnungen, Hauptverband der Industrie fordert „Regime aufgrund erweiterter Vollmachten“, Wegräumen des „revolutionären Schutts“ Sandgruber verwendet Terminus Wirtschaftsdiktatur und charakterisiert Wirtschaftspolitik des Ständestaates als Mischung aus Technikfeindlichkeit und Antikapitalismus Austrofaschismus es fehlt jugendliche Basis (>NS), keine völlige Gleichschaltung des öffentlichen Lebens, nationalistische Komponente seit 1933 weitgehend von NS besetzt, schmale Zustimmung zum Ständestaat, fehlende Massenbasis trotz parteiübergreifender Sammelbewegung, der sog. Vaterländischen Front, starke Verbundenheit mit dem Katholizismus, neue Verfassung 1. Mai 1934 Nach (Selbst)Ausschaltung des Parlaments wird aufgrund von Notverordnungen regiert, auf Basis des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917, 1934 Bürgerkrieg im Februar, im Juli 1934 NS-Putschversuch mit Ermordung Dollfuß’, auf den Schuschnigg folgt Juli-Abkommen 1936 erste entscheidende Kapitulation vor Hitler, Verpflichtung der Regierung Schuschnigg, Politik zu machen, die dem deutschen Charakter Österreichs entsprach Hoffnungen vieler Österreicherinnen und Österreicher wandten sich dem Nachbarn Deutschland zu, dessen Wirtschaft enorme Erfolge erzielte, Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung auch unter Bauern, Agrarsubventionspolitik des Ständestaates begünstigte große spezialisierte Landwirtschaftsbetriebe beim Einmarsch der deutschen Truppen im März 1938 großteils Jubelstimmung Enthusiasmus gegenüber dem Anschluss aus Versagen des Ständestaates auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik erklärbar Frage nach wirtschaftspolitischem Handlungsspielraum bleibt strittig: Felix Butschek schätzt ihn gering ein, Fritz Weber eher höher und verweist auf Umdenkprozess der Regierung, z.B. auf Arbeitsbeschaffungsprogramm vom Februar 1938, das nicht mehr realisiert wurde 3 Grundprobleme der Zwischenkriegszeit Definition des nationalen Charakters des neuen Staates Österreich Anhängsel Deutschlands oder unabhängiger seiner Eigenpersönlichkeit bewusster Staat > nationaler Grundkonsens fehlt Problem, Österreich gesellschaftliche Ordnung zu geben und staatl. Rahmen zu verleihen, die Zustimmung bei überwiegender Mehrheit der Bevölkerung gefunden hätten Demokratischer Grundkonsens fehlt, SD wollen klassenlose Gesellschaft, CS wollen ständische Gesellschaft auf Basis christlicher Ordnungsvorstellungen, Deutschnationale wollen ständisch organisierten Volksstaat der gesamten dt. Nation Legende von der Nichtlebensfähigkeit Österreichs zu widerlegen Wesentliche Etappen auf dem Weg zum Ständestaat bzw. in den Nationalsozialismus 1927 Schattendorf – Brand des Justizpalastes 1929 Fall der BCA, Putschgefahr Diskussion um Verfassung 1930 Stärkung der Heimwehr (Korneuburger Eid), Heimwehrvertreter in Regierung 1931 Zusammenbruch der CA 1932 Landtagswahlen bringen große Erfolge der NS 4. März 1933 Ausschaltung des Parlaments, es folgt Reihe von Verordnungen aufgrund kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes 12.-15. Februar 1934 Bürgerkrieg 1. Mai 1934 Verfassung des Autoritären Ständestaates verkündet Juli 1934 Putschversuch mit Ermordung Dollfuß’ Nachfolger Schuschnigg Juli-Abkommen 1936 Österreich in der Zeit des Nationalsozialismus Zeittafel 1938 11. März 1938 Regierung Schuschnigg tritt zurück, Absage der für 13. März vorgesehenen Volksabstimmung 12. März Deutsche Truppen überschreiten österreichische Grenzen 13. März Hitler verkündet in Linz Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich 15. März Hitler auf Heldenplatz in Wien 10. April 1938 Volksabstimmung über Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich, trotz Ausschlusses von Juden etc. Ergebnis überwältigendes und keineswegs erzwungenes Vertrauensurteil für Hitler Systemwechsel ermöglicht durch Gleichschaltung und Loyalität der österreichischen Beamtenschaft, der Polizei und des Bundesheeres Zunächst ab 1939 Bezeichnung Ostmark, 1940/42 Umbenennung in Alpen- und DonauReichsgaue Zum Aufstieg der NS-Bewegung Anfangs teils sozial-progressive und revolutionäre NS-Zielvorstellungen NS-Bewegung keine Kluft zw. radikaler Phrase und radikaler Tat, besonders fasziniert davon Studenten und Akademiker, Freiberufler, Staatsbedienstete, Angestellte, Selbständige (v. a. aus Handel) – großer Zustrom bei Jugend und bei gebildeten Schichten Frauen und Arbeiter eher unterrepräsentiert Verelendung durch Weltwirtschaftskrise verstärkt Zustrom zu NS, auf institutioneller Ebene zahlreiche nationale Vereine, etwa deutsche Turnvereine, Schulvereine Erfolg der NS etwa bei Landtagswahlen 1932 Ausschöpfung des Reservoirs der großdeutsch orientierten Beamten und Angestellten und der landbündlerischen Bauern, dazu Vertreter mittelständischer Wirtschaftsinteressen und Teil des katholisch-konservativen Kleinbürgertums Hohe Fluktuation der NS-Mitglieder, Etikettierung als kleinbürgerliche Protestbewegung zu eng These Bruckmüller: nicht traditionelle Lagerbindung, sondern ihre Auflösung bot Ansatz für Aufstieg des NS, Ersatz: Eintritt in die deutsche Volksgemeinschaft Es gelang Nazis großen Teil des zwischen 1934 und 1938 erweiterten Frustrationspotenzials für sich zu mobilisieren Führerkult zeigt religiöse Qualität des NS, NS befriedigt Erlösungssehnsüchte Charakteristisch für NS-Politik: Kreation von Feinbildern; Antisemitismus (z. B. Lueger, Schönerer) Feindfiguren: Juden, internationales Kapital, marxistischer Bolschewismus 15. März 1938 alle jüdischen Beamten ihres Amtes enthoben, von allen freien Berufen ausgeschaltet, April Entlassung aller jüdischen Schüler aus öffentlichen Schulen, 10. November 1938 Novemberpogrom („Reichskristallnacht“): In Wien 4.000 Juden verhaftet, 49 Synagogen niedergebrannt insg. rund ein Drittel der öst. Juden umgebracht, zwei Drittel in Emigration Sozialer Wandel Nach Anschluss wurde aus Bewegung Machtapparat mit umfassender Kontrollfunktion Stark verästelte Organisation, ständige Aufrufe, Sammlungen, Appelle, massiver Druck zur Mitgliedschaft, bereits Kinder Indoktrinierung ausgesetzt (HJ, BdM) Ab 1934 Zerschlagung der sozial-demokratischen Organisationen, ab 1938 der des Ständestaates und der katholischen Kirche Sinkende Zustimmung zum NS-Regime, regional am frühesten in Wien, Wiener NSParteigenossen wird Gauleiter Bürckel (Bierleiter Gauckel) aus Altreich vor die Nase gesetzt Arbeiterschaft versucht man zunächst durch Wiederaufnahme der Arbeitslosenunterstützung bzw. demonstrative Wiedereinstellung 1934 entlassener Gemeindebediensteter zu gewinnen, jedoch Zustimmung flaut schon im Winter 38/39 ab Rolle der Kirche gespalten ab Oktober 38 (Innitzer-Rede: es gäbe nur einen Führer, Jesus, am nächsten Tag Erstürmung des Erzbischöflichen Palais) Bruch, starke Kirchenaustrittswelle bis 1940, ab 1944 Wiedereintritte Einführung Kirchensteuer 1939 sollte Kirche treffen Krieg wird nicht gewollt, wenngleich nach ersten Siegen (Polen, Frankreich) Zustimmung ansteigt, durch Ausweitung des Krieges 1941 und spätestens nach Stalingrad im Jänner/Februar 1943 Verschlechterung der Stimmung Seit Herbst 1944 schwere Bombardements von Innsbruck, Salzburg, Linz, Wien, Graz, Wr. Neustadt Kriegsverlauf stärkt antideutsche Ressentiments: 1945 stellt kaum jemand staatliche Trennung von Deutschland in Frage, starke eigenständige und kleinstaatliche Identität jedoch noch nicht herausgebildet Für viele markanter materieller Aufstieg, dies blieb im kollektiven Gedächtnis haften Sozialer Modernisierungsschub bedeutete auch Zurückdrängen traditioneller Sozialformen und kirchlich- katholischer Vorstellungen, ob wirklich Säkularisierung stattfand, bleibt fraglich Hebung des Selbstbewusstseins, verstärkt durch Uniform; man wird Teil eines Furcht erregenden, faszinierenden und lange erfolgreichen Machtapparates, trotz früher unbedeutender Funktionen nunmehr Auftreten als Herr Österreichs Wirtschaft im Nationalsozialismus – Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaftsstruktur Parallelen zu deutscher Wiedervereinigung: - Einbau einer rückständigen von stagnativen Tendenzen geprägten Volkswirtschaft in eine funktionierende Groß-Ökonomie - Frage des richtigen Wechselkurses - Ausgleich von Preis- und Lohnunterschieden Österreich wieder in größeren Wirtschaftsraum eingegliedert > bedeutet beträchtliche Umorientierung (nur 15% Exportanteil Deutschlands) – ursprünglich vorgesehene Reorientierung auf Donauraum und Balkan blieb unrealisiert Starke Exportsteigerungen nach Deutschland 1938, jedoch auf deutschem Markt fiel österreichischen Unternehmen die Rolle eines Grenzproduzenten zu, der auf Grund überhöhter Produktionskosten nur durch überhitzte Konjunktur Aufträge erhielt Zunächst Nachfrageboom aus Deutschland (nach Konsumgütern) – dann Konsumboom in Österreich (stark steigender Umsatz von Verbrauchsgütern, enormes Weihnachtsgeschäft 1938) durch Wiedereingliederung von (130.000 ausgesteuerten) Arbeitslosen in Unterstützungsformen, Beschäftigungszunahme, Einführung von Familienbeihilfe und Ehestandsdarlehen Auch psychologisch bedingt, 1939 noch starkes Ansteigen der Heirats- bzw. Geburtenrate – Kriegsgefahr dürfte unterschätzt worden sein Investitionsboom in eine dem Kalkül der Aufrüstung unterworfene Richtung (Straßenbau, Kraftwerksbauten, …) Hoher Stellenwert ökonomischer Motive für Anschluss: Bedarf an Arbeitskräften, unausgenutzten Industriekapazitäten (die Österreich dazu prädestinierten, als verlängerte Werkbank des Dt. Reiches zu fungieren) und Bodenschätzen (Erzen, Magnesit, Erdölreserven, ausbaufähige Wasserkräfte), Holzreichtum, Devisen- und Goldreserven, strategisch Position Österreichs auf dem Weg nach Südosteuropa Banken insb. CA-BV > paradoxerweise bestand Attraktivität der österreichischen Wirtschaft nicht zuletzt in ihrer Schwäche und geringen Auslastung Kurzfristige Motive jedoch sicherlich politischer Natur und nicht durch kritische Zuspitzung der Wirtschaftslage im Deutschen Reich motiviert, einzig aus angespannter Devisenlage ergibt sich Handlungsbedarf Eingliederungsprozess warf Reihe komplizierter Probleme auf - etwa Festlegung der Währungsrelation (entschied über Preis- und Lohnniveau – über Gläubiger-Schuldner Beziehungen und über Konkurrenzfähigkeit österr. Produkte auf dt. Markt - Relation von 2 RM zu 3 S entsprach einer Aufwertung des Schillings gegenüber offizieller Notierung – propagandistische Maßnahme für Volksabstimmung, um Österreichern mehr Kaufkraft zu geben > österr. Waren wurden für deutsche Käufer teurer und ihre Konkurrenzfähigkeit dadurch verringert Aufrechterhaltung des Zollschutzes für Österreich bis Oktober 1938 Arbeitsbeschaffung Österr. Arbeitslosenrate sinkt von 22% 1937 auf 12,7% 1938 und dann auf 3,7% 1939 Reduktion auf Budgetdefiziten aufbauend Teil der Arbeitskräfte ging ins Altreich; Ausweitung der Bürokratie; Armee und Arbeitsdienst (im Oktober 38 Reichsarbeitsdienst eingeführt); aus Arbeitsprozess Verdrängte (z. B. Juden) Wiederum enorme propagandistische Aufbereitung (in erster Linie für Volksabstimmung) – Verkündung div. Aufbauprogramme, Aufnahme von Arbeitern in Donawitz und Steyr Es profitiert in erster Linie Baubranche Viele Musterprojekte (Autobahnbau, Kraftwerksbauten) blieben in Ansätzen stecken, rapide Zunahme von Arbeitskräften war aber in erster Linie eine Nebenerscheinung von Aufrüstungsprojekten (Wr. Neustädter Flugzeugwerke, Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring Linz, Wehrmachtsbauten) gewissermaßen zivile inländische Komponente: sprunghaft ansteigende private Konsumnachfrage stark anwachsendes BNP 1938 (+12,8%), 1939 (+13,3%) aber von Anfang an rüstungsorientierte Wirtschaftspolitik in NS-Österreich – Ausbau der öst. Wirtschaft erfolgte nach wehrwirtschaftlichen Bedürfnissen, zeigt sich etwa im wachsenden Anteil der Investitionsgüter und im sinkenden Anteil von Konsumgütern; Position der Wiener Luxusindustrie (Schuhe, Möbel, Hüte, Mode) durch Anschluss zerstört größte Welle von Eigentumsübertragungen und Vermögensverschiebungen, die Österreich je erlebt hat Germanisierung (übernommen wurden oft Großbetriebe, oft staatliche bzw. unter Staatseinfluss stehende Unternehmen, dazu gehört auch CA-Industriekonzern) und „Arisierung“ (zumeist Enteignung bzw. Liquidation kleiner jüdischer Betriebe, die auf Strukturbereinigung in Kleingewerbe und Handel abzielt) > „Arisierung“ trug wesentlich dazu bei, negative ökonomische Auswirkungen der Rüstungskonjunktur von breiten Schichten der Bevölkerung fernzuhalten – ähnlich Abwälzung der Kosten der Großmachtund Kriegspolitik auf die besiegten und unterworfenen Völker Von 33.000 als jüdisch definierten Betrieben 5.000 „arisiert“ Man bereicherte sich an Kunstschätzen, Autos, Schmuck, Wohnungen und Einrichtungsgegenständen Wilde Arisierungen gehen sogar NS-Führung zu weit, „Entjudung“ soll sich kontrolliert von Partei und Staat vollziehen Erfolg der Enteignungspolitik in der Ostmark führte zu deren Übernahme durch das „Altreich“ Ab April 1938 Vermögensanmeldung bei Vermögen über 5.000 RM, im Mai 38 Einrichtung der Vermögensverkehrsstelle Österreichischer Staatsbesitz wird Reichsbesitz so wie Bahnen, Post und Straßennetz, Bundesforste, Monopole auf Salz und Tabak Nur geringer Teil der Eigentumsverschiebungen auf Neugründungen zurückführbar z. B. CA über Umwege an Deutsche Bank, muss 21 österr. Unternehmensbeteiligungen abgeben, teils an Hermann Göring Reichswerke AG (Steyr-Daimler-Puch, Simmeringer Waggonfabrik, Steirische Gussstahlwerke, DDSG), teils an private Konzerne (Krupp Berndorf, Elin AG) Interesse an Banken wegen deren traditioneller Verflechtungen und Geschäftsbeziehungen mit dem südosteuropäischen Raum Konzentrationsprozess in fast allen Wirtschaftsbereichen Versicherungen Gemeinde Wien Städt. Vers. wurde mit Wechselseitiger Brandschaden und Janus zusammengeschlossen, LB und MB werden zur Länderbank Wien AG, chem., der CA nahe stehende Betriebe werden von IG Farben zur Donau Chemie AG, etliche Stromproduzenten zur Alpen Elektrowerke AG (später Verbund) zusammengefasst Raum Wr. Neustadt neuerlich zu Rüstungszentrum ausgebaut steigender Anteil von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen an Beschäftigten 1939 1%, 1942 10%, 1944 36% (provokante These Industrialisierung durch Zwangsarbeit von Perz/Freund) beträchtliche Investitionstätigkeit der Industrie (wachsende Maschinenausstattung, jedoch Konzentration auf Beseitigung von Engpässen in deutscher Rüstungsproduktion) Ausbau von Industrienanlagen entlang der Donau (Nibelungenwerk St. Valentin, Mauthausen, Krems, Raffinerie und Leichtmetallwerk in Moosbierbaum, Raffinerie Lobau, Flugzeugwerke in Schwechat und Fischamend, Industriezone um Hainburg Verdoppelung der Stromerzeugung in Österreich – starker Anstieg bei Erdölproduktion Versorgung zwar besser organisiert als im WK I, dennoch Verbreitung von Surrogaten aller Art Ab 1943/44 zunehmend Verlagerung von kriegswichtigen Betrieben nach Österreich, nach ersten Luftangriffen Verlagerung unter die Erde Bilanz des Krieges Opferbilanz: 1,2 Mio. Soldaten in dt. Wehrmacht Bilanz rd. 247.000 Militärtote; 170.000 mit dauernder Invalidität, fast 500.000 in Kriegsgefangenschaft 120.000 Österreicher/innen in Haft, KZ, Euthanasieprogrammen umgekommen; 25 – 30.000 Ziviltote Von ung. 190.000 öst. Juden 66.000 umgebracht, mehr als die Hälfte der rd. 11.000 Roma und Sinti Abwanderung von Wissenschaftlern - Brain drain: Nobelpreisträger Loewi (Pharmakologe) oder Hess (Physik), Lise Meitner (Physik), Freud, das Ehepaar Bühler (Kinder- und Jugendpsychologie), Djerassi (Erfinder der Pille) > kaum Bemühungen um Rückholung Von der Ausgangssituation 1945 als einer Stunde Null zu sprechen, schlicht falsch – nichts zeigt dies deutlicher als ein Blick auf die österr. Wirtschaftsentwicklung nach 1945, wo die NS-Wirtschaftspolitik tiefe Spuren hinterlassen hat Das wirtschaftliche Erbe des Nationalsozialismus Relativer Rückgang der Konsumgüterproduktion Zunahme der Großbetriebe (insb. OÖ, St) Regionale Verschiebungen des Produktions- und Arbeitskräftepotenzials (OÖ, S, K, St, T) Verschiebung in NS-Zeit verstärkt durch Kriegszerstörungen (Osten weit mehr in Mitleidenschaft gezogen als Westen, allein Anteil Niederösterreichs an gesamtösterr. Zerstörungen an Industriebauten 70%) und durch Zuteilungen aus Marshallplangeldern (in östliches Bundesgebiet fließen wegen russischer Besatzung kaum Gelder) Ob die kapazitätserweiternden Investitionen zw. 1938 und 1945 größer waren als die Zerstörungen durch Kriegseinwirkungen (inkl. Demontagen) und die Abnützung des Kapitalbestandes konnte nie eruiert werden Nach Butschek hielten sich Nettoinvestitionen und Kriegsschäden ungefähr die Waage, nach Schausberger nach Beseitigung der Kriegsschäden bessere Bedingungen als 1937 Modernisierung durch NS-Regime? Frage nach Modernisierung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen nur bei Trennung der Parameter der ökonomischen und sozialen Modernisierung von normativ-ethischen und politischen Grundwerten Elemente einer sozialen Modernisierung: Einführung eines neuen Scheidungsrechts, seit 1939 alle Arbeiter altersversichert, Ehestandsdarlehen, Kinderbeihilfen, > einige Historiker sprechen von Modernisierungsschub der Länder, von einer „Entprovinzialisierung der Provinz“ Kluft zw. Blut und Boden-Propaganda und faktischer Industrialisierung, v. a. im bäuerlichen Bereich bitter empfunden Zerstörung der gewachsenen dörflichen Strukturen, durch Mobilisierung der Arbeitskräfte und der Wehrmacht, ersetzt durch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, durch Arbeitsdienst verpflichtete Frauen, dazu Kinder bzw. später ganze Familien aus Bomben gefährdeten Städten NS brachte keine auf die Bedürfnisse eines unabhängigen Österreich zugeschnittene Modernisierung, Österreich stellte wichtigen Ergänzungsraum dar, dessen Kapazitäten dort am stärksten in Anspruch genommen wurden, wo die Engpässe im ‚Altreich’ am gravierendsten waren. Weber spricht von einer „erzwungenen Modernisierung von semi-kolonialen Zuschnitt“ Seltsame Vermischung von Fortschritt und Rückwärtsgewandtheit, etwa in der Landwirtschaft: einerseits Modernisierung, Mechanisierung und Produktionssteigerung, andererseits durch Reichserbhofgesetz Diskriminierung der Frauen Österreichs Wirtschaft und Gesellschaft 1945-1960 Trümmerjahre, Wiederaufbau – Das österreichische Wirtschaftswunder 27. April 1945 Unabhängigkeitserklärung und Bildung einer Provisorischen Staatsregierung unter Renner, erste Wahlen im November 1945: 64% der Wahlberechtigten Frauen, absolute Mehrheit der ÖVP (Figl), aber Koalition nahezu Zweiparteiensystem über lange Zeit: ÖVP stellt bis 1970 Bundeskanzler, davon 4 Jahre in Alleinregierung, SPÖ dann bis 1999, davon 13 Jahre allein Herausbildung bzw. Entwicklung einer Konkordanz- bzw. Proporzdemokratie (= große Bedeutung von Verbänden, Parteien, Personengruppen – Verhandlungen und Kompromisse, möglichst große Übereinstimmung, Entscheidungen durch Konsens herbeigeführt) Proporz (Posten z. B. im öffentlichen Dienst oder in der verstaatlichten Industrie werden entsprechend der politischen Stärke an Parteigänger vergeben) > verhilft SPÖ zu Verankerung im Beamtenapparat, Proporz bis späte 50er Jahre wichtige Stabilisierungsfunktion, dann auf reine Wohnungs- oder Postenvergabe reduziert Ursprüngliche wechselseitige Kontrollfunktion wich in 1950ern und 60ern einer totalen Machtaufteilung Beispiel für rigiden Proporz im Medienbereich, ÖVP schwarzer Rundfunk, SPÖ rotes Fernsehen, Rundfunkvolksbegehren von 1964 erster Versuch, Öffentlichkeit gegen totale Machtaufteilung zu mobilisieren Mythos der Lagerstraße: wenige der nach 1945 maßgeblichen Politiker hatten längere Zeit in Konzentrationslagern verbracht (weder Renner, Raab, Schärf); wichtigere verbindende Funktion wahrscheinlich Antikommunismus oft ist von der Stunde Null die Rede: jedoch in vieler Hinsicht Kontinuität und nicht Bruch (dt. Vorschriften bleiben bestehen im Steuer- und Handelsrecht, im Kreditwesen – wirtschaftsstrukturell an dt. Investitionen anknüpfend) Brüche und Kontinuitäten, teils Anknüpfen an Ständestaat, etwa in Universitäten oder Kultur, radikale kulturpolitische Abgrenzung vom „Preußentum“ in der Kirche zeichnet sich Bruch ab: Kardinal Innitzer sagt 1945, es wird keine politisierende Kirche mehr geben. Einzig große Krise bzw. schwere Belastung des Verhältnisses Staat-Kirche in weiterer Geschichte Aufnahme der Fristenlösung (Straffreiheit für Schwangerschaftsabbruch bis zum dritten Schwangerschaftsmonat) in das neue Strafrecht 1975 Großer Unterschied zur Nachkriegszeit nach 1918: Optimismus des Wiederaufbaus und Glaube an das neue Österreich - dazu Abgrenzung vom Kommunismus der Nachbarstaaten wesentliches Element für Österreich, Glauben an die Kleinstaatlichkeit zu stärken Scheinbar identitätsstärkendes Moment sog. Opfermythos (anknüpfend an Moskauer Deklaration, in der Österreich als erstes Opfer des Hitler-Regimes bezeichnet wurde, aber auch an seine Verantwortung für Kriegsverbrechen erinnert wurde) Regierungserklärung 21.12.1945: „Unser Heimatland, das erste Opfer des faschistischen Imperialismus in der Welt, ist wieder frei und selbständig geworden.“ Betonung des Widerstandes „der geboren war aus der elementaren Ablehnung eines Systems, das zutiefst dem Wesen Österreichs widerspricht, und in das Österreich nach jahrelangem harten und opferreichen Widerstand nur durch unerhörten Terror gepreßt wurde“ > damit Mitverantwortung der Österreicher für NS-Verbrechen negiert Riesige Wanderungs- und Fluchtwelle: 1,2 Mio. deutsche Soldaten, die in Österreich kapituliert hatten, mehr als 1 Mio. Besatzungssoldaten, eine halbe Mio. von Fremdarmeen (Ungarn, Kroatien), 400.000 Volksdeutsche (320.000 Volks- und Sudetendeutsche siedeln sich hier an); 200.000 Reichsdeutsche zusammen mit 590.000 fremdsprachigen Displaced Persons (Zwangsdeportierte, KZ-Häftlinge, ausländische Juden) Entnazifizierung funktionierte nur beschränkt (in Nachkriegszeit befanden noch 30 bis 50% der Österreicher, dass der Nationalsozialismus eine gute Idee war, die nur schlecht durchgeführt worden war), am wenigsten im Bereich der Wirtschaft (Sandgruber), insgesamt 537.000 nach NSDAP-Verbotsgesetz registrierte Personen, davon 42.000 als belastet, Rest als minderbelastet, im April 1948 durch Minderbelasteten-Amnestie alle Berufsverbote für ehem. Nationalsozialisten weggefallen - 1949 VdU (Verband der Unabhängigen – Vorläufer der FPÖ) gegründet, zunächst nicht einmal Hälfte der Wähler ehemalige Nationalsozialisten; 1954 im Ausseer Programm deutschnationaler Jargon vorherrschend: „Österreich ist ein deutscher Staat. Seine Politik muß dem gesamten deutschen Volk dienen und darf nie gegen einen anderen deutschen Staat gerichtet sein.“ „Insgesamt wurde der Personenkreis der Täter, Mitläufer und Mitschuldigen deutlich besser behandelt als deren Opfer“ (Sandgruber) Nach Befreiung stand nicht eigene Verantwortung und Mitwirkung an Holocaust und Krieg im Zentrum gesellschaftlicher Debatten, sondern Situation als Opfer, als Kriegsgefangene, Bombenopfer und Verfolgte von NS-Repressionen Opferthese nützliche Staatsdoktrin, die Reparationsforderungen abwenden und jüdische Restitutions- und Wiedergutmachungsforderungen finanziell gering halten und verzögern sollte Österreichische Wirtschaftspolitik bestätigt indirekt die Arisierungspolitik des NS-Regimes in ihren strukturellen Auswirkungen: Bestreben der Justiz, Entschädigungen anstelle einer Restitution, es dauert lange, bis es zu einer Restitutionsgesetzgebung kommt Auch Zeit des Ständestaates wird verdrängt (Zeichen dafür: Frühere Christlichsoziale Partei wird zu Österreichischer Volkspartei) Wirtschaftliche Entwicklung Trümmerwirtschaft beträchtliche Ausweitung der Produktionskapazitäten durch kriegsbedingte Investitionen zu Kriegsende (Zerstörungen) bzw. nach Demontagen wieder verloren gegangen dabei branchenmäßige Unterschiede: Energiegrundlagen und Grundstofferzeugung (Roheisen, Aluminium) beispielsweise stark ausgebaut, aber schwer beschädigte Infrastruktur, auch niedrige Wertschöpfung der Landwirtschaft (1946 nur 61% von 1937) Plündern und Stehlen, Organisieren, Sammeln und Tauschen als kurzfristiges Wiederaufleben archaischer Formen wirtschaftlicher Beziehungen Schwarzmarktpreise für Lebensmittel im Sommer 1945 um das 260fache über den amtlichen, Ende 1946 40fach, Ende 1947 20fach, Ende 1948 4fach dazu strenges Bewirtschaftungssystem CARE und UNRRA-Hilfsmaßnahmen bewahren Österreich vor noch größerem Hunger Verbrauch nur zu rund 40% aus heimischer Landwirtschaft gedeckt, im Herbst 1947 Erhöhung des Tageskaloriensatzes für Normalverbraucher von 1.800 auf 2.100 Kalorien, ab 1948 Abbau der Lebensmittelbewirtschaftung, erst 1954 überschritt ldw. Produktion Österreichs Niveau von 1937 In den ersten Monaten „Außenhandel“ zwischen den Besatzungszonen Maßnahmen, Wirkungsfaktoren für raschen Wiederaufbau der österreichischen Wirtschaft Währungsreform Ausgangssituation 1945: einer erheblich geschrumpften Gütermenge steht eine rund sechsfache Geldmenge gegenüber – rigoroser Preisstopp Durch Notenbanküberleitungsgesetz im Juli 1945 Notenbank wieder in ihre Funktionen eingesetzt, gleichzeitig Schaltergesetz (60% der vorhandenen Guthaben gesperrt) und Schaffung einer Kreditlenkungskommission (Priorität auf Nahrungsmittelbeschaffung, dann Transportwesen und Wohnungswiederaufbau) Im November 1945 Schillinggesetz (pro Person nur 150 S im Verhältnis 1:1 getauscht, Rest auf ein Konto gutgeschrieben, Betrag zu 60% gesperrt) Erstes währungspolitisches Ziel - Herstellung der Währungssouveränität - erreicht Verstaatlichung Im Juni 1946 deutsches Eigentum in sowjetischer Besatzungszone (300 Industriebetriebe, fast ganze Erdölindustrie, DDSG – rund 55.000 Beschäftigte, rund 5% des öst. BNP) zu sowjetisch verwaltetem Konzern zusammengefasst (USIA), der Gewinne ins Ausland transferierte Absicht, „Deutsches Eigentum“ (Betriebe im Eigentum des Deutschen Reichs bzw. dt. Staatsbürger) dem Zugriff der Besatzungsmächte zu entziehen, einte Großparteien > groß angelegte Verstaatlichung Im Juli 1946 1. Verstaatlichungsgesetz (Grundindustrien – rund 70 Betriebe – und Banken), 1947 2. Verstaatlichungsgesetz betrifft Elektrizitätsversorgungsunternehmen, nur Eigentumsrechte an Staat übertragen, privatwirtschaftliche Organisation blieb aufrecht Ende der 50er rd. 130.000 Beschäftigte – Verstaatlichte liefert rund 30% der Exporte Debatte um Rück- oder Ausbau des Grundstoffsektors (VOEST) zugunsten Ausbaus entschieden Verstaatlichte übernahm Funktion eines Motors des Wiederaufbaus, indem sie Rohstoffe und Halbfertigwaren unter dem Weltmarktpreis abgab und so exportorientierte öst. Privatindustrie subventionierte Wesentlich Gelder durch European Recovery Program (ERP, besser bekannt als MarshallPlan): fast 50% der ERP-Mittel 1948-1953 gingen an verstaatlichte Industrie und EWirtschaft; rd. 45% der Investitionen der Verstaatlichten 1945-1953 wurden aus ERP-Fonds finanziert Wichtig insbesondere für Wasserkraftausbau und für großzügige Modernisierung der Stahlindustrie (LD-Verfahren) dadurch in der NS-Zeit einsetzende Orientierung auf Investitionsgütersektor fortgeschrieben regional weiter Osten benachteiligt, Wien, Niederösterreich und Burgenland erhalten nur 20% der vergebenen ERP-Mittel im Außenhandel eindeutige Westorientierung: BRD steigt zum bei weitem wichtigsten Handelspartner Österreichs auf Stabile internationale Rahmenbedingungen: Neue Weltwirtschaftsordnung Bretton Woods System (=System fixer Wechselkurse bei freier Konvertabilität); Gründung von Internationalem Währungsfonds und von Weltbank 1946, 1947 GATT mit Hauptpunkten Nichtdiskriminierung und Beseitigung von Handelshemmnissen Ebenfalls 1947 OEEC (Organisation for European Economic Cooperation, später OECD) Auslandshilfe In ersten zehn Nachkriegsjahren Auslandshilfe in der Höhe von 1,585 bis 1,9 Mrd. Dollar, 87% davon aus USA – im Vergleich zur Genfer Anleihe sechsfache Summe noch dazu überwiegend als Geschenk – Kriegsschäden werden auf 1,250 Mrd Dollar geschätzt Marshallplan (offiziell European Recovery Program ERP genannt):besonderer Erfolg durch Konstruktion, Käufer von Gütern aus dem Dollarraum zahlen Preis in Landeswährung in sog. Counterpart-Funds der ÖNB, jene stellt diese Mittel als niedrig verzinste langfristige Kredite Investoren zur Verfügung > stark ansteigende Investitionsquote (1929 9,6%; 1937 9,4; 1948 13,7; 1952 20,9%) Mittel fließen besonders in Elektroenergie, Eisen- und Stahl- bzw. Papierindustrie, jedoch auch in Fremdenverkehrs-Infrastruktur Dazu erhält Österreich zweithöchste ProKopf-Quote nach Norwegen, Größenordnung von ungefähr 10% des öst. BNPs Ostösterreich (=Sowjetzone) durch Benachteiligung vom Nachkriegsboom ausgeschlossen Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung – Vorläufer der Sozialpartnerschaft Preis-Lohn-Abkommen (PLA): trotz Preisregelung kam Preis-Lohnspirale in Gang Interessenvertretungen ergreifen Initiative; Abkommen der Tarifpartner auf gesamtstaatlicher Ebene Wichtigste Kosten der Lebenshaltung fixiert (70% eines Arbeiterhaushalts), Rest unter strenger Preiskontrolle – auf Gewerkschaftsseite entsprach dem die Zurückstellung von Lohnforderungen Erstes P-L-A im August 1947 bald begleitet von Währungsschutzgesetz (Nov. 1947) pro Kopf 150 S 1:1, darüber hinausgehende Beträge 3:1; sämtliche Sperrkonten ersatzlos gestrichen Insgesamt 5 Preis-Lohn-Abkommen, 4. bot äußeren Anlass für Generalstreik vom Oktober 1950 (vielfach als Putschversuch interpretiert, jedoch Mythos) Wichtiger Schritt zur Integration der Interessenvertreter und zur Ausbildung der Sozialpartnerschaft Geradezu explosives Wirtschaftswachstum 1947 +10,3%, 1948 um 26,9, 1949 um 18,9 und 1950 um 12,4%; 1949 bereits Niveau von 1937 überschritten Expansion gerade von Industrie (1946 Wertschöpfung rund Hälfte von 1937, 1948 93,3%, 1952 um 65,1% höher) und Bauwirtschaft Österreich vollzog in dieser Zeit eine dramatische Wende zum Industriestaat 1937 37,5% der Wertschöpfung entfielen auf industriell/gewerblichen Sektor 40,7% auf Dienstleistungen 1952 47,1% ind./gewerbl. 36,6% DL Handelsumorientierung 1937 27,7% der Ausfuhr nach Osteuropa (ohne Jugoslawien); 52% auf spätere OEEC Staaten; 1952 11,6% zu 64,4% Österreichs rascher Wiederaufbau nach 1945 erklärt sich durch Bündel von Maßnahmen: - Psychologisch: Glaube an das neue Österreich rascher Nationsbildungsprozess nach 1945 - Neutralität 1955 später konstitutives Element der Nationswerdung - restriktive Geldwertstabilitätspolitik (Währungsreform) gegen Inflation Lohn- und Preispolitik zu Lasten der LohnempfängerInnen > Österreichs rasche Rekonstruktion basiert teils auf erzwungenem Konsumverzicht - Auslandshilfe, insb. Marshallplan-Gelder - Verstaatlichung, v. a. Grundstoffindustrie profitiert von europaweitem Konjunkturaufschwung, insbesondere vom Boom der Stahlindustrie Strukturelle Veränderungen (Ausbau der Grundstoffindustrie und Erschließung von Energiereserven) erwiesen sich in Nachkriegszeit als vorteilhaft, es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Westorientierung und die Einbindung in das westeuropäische Wirtschaftswunder, die günstige Energieversorgung, das politische Klima, die Mithilfe der Alliierten und nicht zuletzt die Marshallplanhilfe Voraussetzungen für die Erfolgsgeschichte der 2. Republik bzw. Österreichs Wirtschaftswunder nach 1945 waren Das österreichische Wirtschaftswunder 1953-1962 Oft gleichgesetzt mit Raab-Kamitz-Kurs Weg zur Marktwirtschaft unter Raab (Bundeskanzler 1953) und Finanzminister Kamitz: zwar liberal-konservativer Kurs, doch starker staatlicher Input in Finanz- und Wirtschaftspolitik Divergierende Vorstellungen hinsichtlich öffentlicher Haushaltspolitik: Budgetsanierung (ÖVP) gegen Sicherung der Vollbeschäftigung (SPÖ) Kamitz zielt vorrangig auf steuerliche Entlastung der unternehmerischen Initiative durch Investitionsbegünstigungen (Konzept der vorzeitigen Abschreibung ursprünglich für Exportwirtschaft, dann ausgeweitet) und Steuersenkungen > Steuerreform in drei Etappen zw. 1953 und 1958, politisches Ziel: Zurückdrängung des Staates Strikte Ausgabenreduzierung, einige Verbrauchssteuererhöhungen Um Vertrauen in Währung wiederherzustellen konsequente Politik des knappen Geldes, Diskontsatz hinaufgesetzt, Kreditrestriktionen eingeführt > Preis weiteres Ansteigen der Arbeitslosen, wirtschaftliches Nullwachstum von 1952 auf 53 > klassische Stabilisierungskrise Jänner 1953 280.000 Arbeitslose und 8,7% Arbeitslosenrate Abwertung des Schillings um 18 Prozent ermöglicht Einordnung der österreichischen Wirtschaft in das internationale Handels- und Wettbewerbssystem Schaffung und Förderung eines Investitions- und Sparklimas (Weltspartag, Sparefroh) Wiederherstellung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes: Kapitalmarktgesetze, z. B. Bankenrekonstruktionsgesetz, Notenbank-Überleitungsgesetz, damit wird Notenbank zu einem Element der Sozialpartnerschaft Erste Anleihen, vorwiegend von öff. Hand und von Energiewirtschaft Liberalisierung des Warenverkehrs (was Einfuhren betrifft) und des Zahlungsverkehrs (1959 Schilling für Ausländer für konvertibel erklärt), Integration Österreichs in rasch wachsende westeuropäische Wirtschaft Raab-Kamitz-Kurs marktwirtschaftliche Öffnung der Wirtschaftsstruktur bei staatlicher Steuerung Großes Investitionsprogramm für Wasserkraft, Telefonnetz, Straßenbau und Eisenbahn Ende der 1950er Ausweitung der Staatsverschuldung insgesamt Anfang der 1950er bis zum ersten Erdölschock 1973 Zeit des stärksten Wirtschaftswachstums > Golden Age In späten 50er Jahren durchschnittliche Wachstumsraten von 7 bis 8 %; Österreich 1953-62 hinter BRD an Spitze des Wirtschaftswachstums der westlichen Welt Wachstumsperiode über zwei volle Konjunkturzyklen 1953-58 und 1958-62, fast jeder Konjunkturaufschwung in Österreich kommt über Export in Gang Die 1950er: Entwicklungstendenzen, Charakteristika Einführung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ASVG 1955: Schaffung eines Regelsystems für Kranken- und Unfallversicherung, Pensionen und Ausgleichszulagen, Pension bzw. Rente richtet sich nach Dauer und Höhe der Pensions- und Kassenbeiträge der Arbeitnehmer, gleichzeitig Mindestpension Kulturell Mief der 50er Jahre, Heimatfilmidylle (Heimatkultur trug zur österreichischen Identitätsbildung und zur Ablösung vom Deutschnationalismus bei) Gegenbewegung: Halbstarke, 1956 erscheint erstes Bravo, Helden der Zeit sind Elvis, James Dean und Marlon Brando Eintritt ins Konsumzeitalter Beginn des Konsumierens – Amerikanisierung des Konsums verkörpert durch Nylonstrümpfe und -blusen, Kaugummi und Coca Cola Einführung von Coca Cola wird mit wahren Untergangsszenarios für die österreichische Getränkeindustrie verknüpft Große Bedeutung von Radio und Kino: Brennpunkt des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens Konsumwellen: von Esswelle über Bekleidungswelle zu Einrichtungswelle Ausweitung langlebiger Konsumgüter: Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Auto (1954 Bauarbeiten an Westautobahn - 1957 Autofahrer unterwegs) Von Kühlschrank, Waschmaschine, Staubsauger zu Fernsehapparat (1955 erste Sendung, 1957 regelmäßige Sendungen, 1961 zwei Programme, 1965 Versuch in Farbe) und Automobil In 50ern inländische Urlaubsziele, in 60ern Eroberung von Adria (Italien, Jugoslawien), in 70ern Winterurlaub, ab 80er Fernreisen, mehrere Urlaubsreisen Man sprach von der Eins-Zwei-Drei-Vier-Familie (eine Frau, zwei Kinder, drei Zimmer, vier Räder) Allmähliche Verdrängung des Mopeds und Motorrads durch Auto, Anzahl der in Österreich zugelassenen Krafträder stieg zw. 1950 und 1956 von 123.000 auf 327.000, jene der PKW von 1954 bis 1960 von 75.000 auf 404.000 - 1960 ging man von einer Marktsättigung bei ungefähr 1 Mio. Autos aus, 1994 3,3 Mio. Autos Maßnahmen für autogerechte Stadt > Opernkreuzung: Fußgängerverkehr wird unterirdisch (zahlreiche Ringstraßenpassagen folgen), Neuerung Rolltreppen Weiterentwicklung der Konsum- zur Freizeit- und Erlebnisgesellschaft im Handel halten Selbstbedienung und Supermarkt Einzug aus städtischen Ödlandschaften werden öde Stadtlandschaften > schmucklose Emmentalerbauten der 50er Jahre 15. Mai 1955 Unterzeichnung des Staatsvertrages, 26. Oktober „immerwährende Neutralität“ im Dezember wird Österreich in die Vereinten Nationen aufgenommen Zudem oft zehn Jahre bis 1955 nur als Besatzungszeit wahrgenommen (insbesondere im von der Sowjetunion kontrollierten Teil Österreichs, Debatte um Befreiung Österreichs 1945 ? oder 1955 ? Österreich als Sonderfall wegen der geographischen Nähe zwischen den Blocksystemen im Kalten Krieg – Neigung zur Überschätzung der internationalen Bedeutung Österreichs Durch Neutralität erhielt österreichische Selbstbezogenheit permanenten und besonderen Status (Brücke zwischen Ost und West) Sportliche Erfolge stärkten Nationalbewusstsein, Fußball-WM 1954 bzw. 3-facher Olympiasieger Toni Sailer 1956 1955 Oper und Burgtheater als Symbole des Wiederaufbaus eröffnet, steigern nationales Selbstwertgefühl, Vorstellung vom Kulturland Österreich basiert auf traditionalistischem Hochkulturbetrieb Ökonomischer und sozialer Fortschritt in 60er und 70er Jahren wird mit Neutralität in Zusammenhang gebracht, Neutralität als konstitutives Element der Nationswerdung Weltweite Anerkennung und Reputation stärkten in Kreisky Ära Identität des Kleinstaats, damit jedoch kein Ende von Provinzialismus und permanenter Selbstüberschätzung Ende des Kalten Krieges und EU-Integration brachten abruptes Ende der Sonderrolle Österreichs, so scheiterte etwa Antiatompolitik Solipsismus oder permanente Ichbezogenheit für Rathkolb Konstante, die sich aus der Monarchie herleitet, als deutschsprachige Minderheit andere nationale Mehrheiten dominierte 1955 Ablösung der Ansprüche der Sowjets (7,35 Mrd S) keine allzu große Belastung für österreichische Volkswirtschaft: USIA-Betriebe mussten in Verstaatliche eingegliedert werden, größerer Teil wurde privatisiert Kaprun 1955 herausragendes Beispiel der Wiederaufbauleistung (auf Anteil der Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen wurde dabei vergessen), dazu Ausbau der Donaukraftwerke, Ybbs-Persenbeug 1959 Linz-Donawitz-Verfahren (LD) 1952 in Linz in Betrieb genommen Senkt Kosten der Stahlerzeugung, Anteil des LD-Stahl steigt von 0,5% 1952 auf knapp 50% 1960 und 84% 1980; weltweit 1960 4%, 1980 55% (Die Anfänge der) Sozialpartnerschaft in Österreich Weiterentwicklung der Sozialpartnerschaft > zentral dabei informeller Interessen- und Konfliktausgleich 1945 Gründung des straff und zentralistisch organisierten überparteilichen Gewerkschaftsbundes (zunächst Richtungsgewerkschaften, dann Einheitsgewerkschaft im Ständestaat, Deutsche Arbeitsfront) Institutionalisierung eines außerparlamentarischen Wirtschaftsdirektoriums (Präsident ÖGB, Vereinigung Österreichischer Industrieller, Arbeiterkammer, Bundeswirtschaftskammer) Streikwelle 1956 führt 1957 zur Einrichtung der Paritätischen Kommission für Lohn- und Preisfragen (Regierungsvertreter, ÖGB, Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer, Arbeiterkammer) 1961 Raab-Olah-Abkommen zur Stabilisierung der Löhne und Preise Festlegung auf Geldwertstabilität und Wirtschaftswachstum 1963 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen Auf ÖGB-Präsident Olah folgt 1963 Benya, auf Raab Sallinger, beide 23 Jahre lang wesentliche Akteure in der Entscheidungsfindung 1959 Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 45 Stunden Proporz- bzw. Konkordanzdemokratie Spezifíkum eines Verbandseinflusses auf Marktwirtschaft erfuhr in Österreich besondere Ausprägung durch mehrfache Personalunion von zentralen Akteuren der Sozialpartnerschaft in Regierung, Parlament und Interessenvertretung Auf der Überholspur: Österreichs Modernisierung 1960-1980/3 1961-67 Verlangsamung des Wirtschaftswachstums bei gleichzeitiger Zunahme der Inflationsraten Rezession ab 1962, Finanzminister Koren der ÖVP-Alleinregierung (ab 1966) versucht dem entgegenzuwirken durch Konsolidierung des Staatshaushalts durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen > davon profitiert Regierung Kreisky 1968 setzt neuer Konjunkturaufschwung ein, längste Hochkonjunktur (1968-1973/4) seit Bestehen der Republik, überspringt sogar die internationale Rezession der Jahre 1971/72 – Österreich auf der Überholspur Beitritt zur EWG von Sowjets als Bruch des Staatsvertrags (wegen Anschlussverbots) interpretiert, weil EWG von Deutschland dominiert 1960 als Provisorium EFTA Gründung bzw. Beitritt Österreichs, erst Rahmenvertrag EWGEFTA 1972 wirklicher Brückenschlag Boom bei Dienstleistungen, Fremdenverkehr wird zur Wachstumsindustrie, dazu tief greifender sozioökonomischer Wandel: aus Dörfern werden Fremdenverkehrszentren Befürchtung: Österreich werde zum Land der Schilehrer und Kellner Strukturschwäche der österreichischen Industrie wird deutlich: weiterhin Orientierung auf traditionelle Konsumgüter (Nahrungsmittel, Bekleidung), forschungsintensive Finalindustrien deutlich unterrepräsentiert, mangelnde Anpassung des Produktionsapparates an die neuen Bedürfnisse, Umorientierung der Handelsströme durch EFTA-Beitritt, Mangel an industrieller Dynamik Ein Allheilmittel wird in Großbetrieben und im industriellen Konzentrationsprozess gesehen (Stahl- bzw. Edelstahlfusion, …); zweites Allheilmittel Heranziehung von Experten (ÖVP Aktion 20; SPÖ Ökonomische Versammlung 1400 Experten) mit dem Ziel einer Verwissenschaftlichung über Gastarbeiterbeschäftigung gesteuerte Expansion des Arbeitskräfteangebotes; örtliche und zeitliche Beschränkung der Beschäftigungsbewilligungen als zentrales Steuerungselement der Ausländerbeschäftigung – deutliche Reduktion in 2. Hälfte der 70er Jahre als Reaktion auf Krisenerscheinungen 1961 1970 1973 1984 1989 1990 1995 16.200 ausl. Beschäftigte 111.715 226.800 146.670 177.945 235.960 325.190 insgesamt ging Mitte der 70er in Westeuropa Phase außergewöhnlichen Wachstums zu Ende Catching Up Prozess (Einkommenssituation der europäischen Länder glich sich an) „Staat der Wohlfahrt für alle“: Die Kreisky-Ära – Austrokeynesianismus 1970-1983 70er Jahre weltwirtschaftliche Zäsur – „schleichende“ Inflation der 60er gewinnt seit 1969 an Tempo – neuerliches Schreckgespenst Inflation in Österreich: Vollbeschäftigung (bis 1981 nie über 2,1%), anhaltendes Wirtschaftswachstum, Hartwährungspolitik, relativ niedrige Inflation und entsprechend geringe Steigerungen der Lohnkosten zusammen mit als einzigartig gerühmtem sozialpartnerschaftlichen Frieden, geringer Streikintensität und hohem Ausmaß öffentlicher Sicherheit machten Österreich zu Musterland und Sonderfall in den 1970ern > Österreich erhält 1973 den Wirtschafts-Oscar wirtschaftspol. Kurswechsel erst mit Ölschock 1973/5 erkennbar, nicht mit Regierungswechsel 1970 > Folge der beiden Ölschocks Verteuerung der Primärenergie Ende der goldenen Nachkriegszeit durch Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems, des Systems fixer Wechselkurse (im August 1971 Ende der Goldeinlösepflicht) > flexibles Wechselkursregime > Austrokeynesianismus Begriff von WIFO-Leiter Hans Seidel expansive Budget- u. Fiskalpolitik, Vorrang der Vollbeschäftigung und Hartwährungspolitik Wirtschaftspolitik des Austrokeynesianismus als policy mix zu bezeichnen: Erhöhung der staatlichen Nachfrage, Förderung von Exporten und Privatinvestitionen, Hartwährungspolitik mit fester Anbindung des Schilling an die deutsche Mark (mit dämpfenden Effekten auf Preisentwicklung), zurückhaltende Lohnpolitik durch Kombination von Nachfragemanagement, Einkommenspolitik und Hartwährungspolitik sollte Angebotsschock der Erdölpreiserhöhungen entgegengewirkt werden > policy-mix, der auch Austromonetarismus hätte genannt werden können Deficit Spending wirtschaftspolitische Reaktion auf ersten Erdölpreisschock 1973: in 60ern Wachstumsraten von 5%, ab 1973 2,6% jährlich Zunahme der Staatsverschuldung, zugleich Senkung des Budgetdefizits von 4,6% 1976 auf rund 2,6% 1981, dann Anstieg 1983 bereits 5,5% Anstieg der Abgabenquote (Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) von 30,2% 1954 über 33,8% 1964 über 35,2% 1967 auf 38,7% 1974, 42,4% 1981 und 43,2% 1993 Ausgaben für soziale Sicherheit steigen von 7,9 Mrd. S 1970 auf 32,5 Mrd. S 1983 „Mir sind ein paar Millionen Schilling Schulden lieber als ein paar hunderttausend Arbeitslose“ (Kreisky) Arbeitslosigkeit im Vergleich 1973 1979 1983 Österreich 1,2 2,0 4,4 (4,5) OECD-Europa 3,5 6,2 10,4 österreichische Berechnung: vorgemerkte Arbeitslose in % des unselbständigen Arbeitskräftepotenzials (Unselbständig Beschäftigte + vorgemerkte Arbeitslose) Ausbildung einer Konsumgesellschaft Ausgaben für Nahrungsmittel, Getränke, Tabak bzw. Kleidung und Schuhe gehen zurück, Wohnungsnutzung, Verkehr u. Nachrichten, Konsum im Ausland, aber auch Gesundheit steigen stark an In 70er Jahren allerdings wegen Erdölkrise deutliche Zunahme bei Heizkosten Fernseher zwischen 1971 und 1981 von knapp 62 auf 81%, PKW-Zulassungen von 52 auf 84%, Waschmaschinen von 37 auf 72%, Kühlschränke von 67 auf 98% Hintergrund: Fordismus in Westeuropa 1950er bis 1970er Produktivitätsgewinne wurden in Lohnsteigerungen umgesetzt, die wiederum erhöhte Konsumausgaben ermöglichten und auch nach sich zogen. Die lange Zeit der Entbehrungen wich dem Wohlstand, die Warenwelt fächerte sich auf und wurde leistbar, wenn auch zunächst oft nur auf Kredit. Mit dem Aufkommen und der Verbreitung langlebiger Haushaltsgegenstände, bald des Autos entwickelte sich auch hierzulande eine Konsumgesellschaft, deren Maxime ganz im Sinne des Fordismus „Arbeite, um zu konsumieren“ hieß. Arbeitszeitverkürzungen verlängerten die Zeit, die man zum Konsumieren, etwa im Bereich des Sports, des Unterhaltungs- und Gaststättengewerbes oder des Tourismus, zur Verfügung hatte. 1959 wurde 45-Stunden-Woche eingeführt, 1965 dritte Urlaubswoche, 1975 40-Stunden-Woche, die arbeitsfreien Samstag mit sich brachte > geändertes Konsum- und Einkaufsverhalten (Einkaufszentren wie Donauzentrum und SCS). Gesellschaftliche Modernisierung Wegmarken der Modernisierung: 1970 Arbeitszeitverkürzung von 45 auf 40 Stunden (in mehreren Etappen bis 1975) beschlossen, 1977 vier Wochen Urlaub; Pflegeurlaub, Arbeitslosenunterstützung und Pensionsbezüge werden erhöht, Sondernotstand eingeführt, Geburtenzuschuss, Familienbeihilfe Die Regierung Kreisky begann ein umfassendes, vor allem soziales Reformprogramm durchzuziehen: Justizreform > Familienrechts- bzw. Strafrechtsreform Familienrecht teils basierend auf ABGB 1811: Mann ist Oberhaupt der Familie, dem Kinder und Frau zu folgen haben, Mann bestimmt Wohnsitz für Familie allein, ist allein berechtigt Kinder zu erziehen und zu züchtigen, hat das Recht, Vermögen der Frau zu verwalten, Frau konnte nur mit Zustimmung des Mannes Vormundschaft übernehmen, ansonsten hatte sie Mitvormund aufzunehmen, alleinerziehende Mütter dementsprechend höchst selten, Ehemann konnte Frau ohne weiteres (im Testament) vom Erbrecht ausschließen Im Familienrecht Scheidungsreform besonders umstritten: neu Gleichstellung von Mann und Frau in der Ehe, gemeinsame Erziehung der Kinder, gemeinsame Verfügung über Vermögen, gesetzliches Erbrecht der Ehefrau, unkomplizierte Scheidung falls beide Ehepartner zustimmen, Recht auf Scheidung, wenn Haushalte seit drei Jahren getrennt waren, neues Namensrecht, Gleichstellung unehelicher Kinder mit ehelichen, Neuregelung der Rechtsstellung des ehelichen Kindes (elterliche Rechte und Pflichten statt elterlicher Gewalt) Strafrecht teilweise zurückgehend auf 1804 kleine Strafrechtsreform 1971 Aufhebung der Strafdrohung gegen die homosexuelle Betätigung unter Erwachsenen, Entkriminalisierung der „Ehestörung“, Geldstrafen statt Freiheitsstrafen bei leichten Verkehrsdelikten Beschlussfassung des Strafgesetzes (inkl. Fristenlösung) im Nov. 1973 Furcht Kreiskys vor Wahlverlusten bewahrheitet sich nicht, aber Volksbegehren der Aktion Leben mit 900.000 Stimmen, massive Opposition seitens der Kirche, wenn auch Kardinal König massiven Kulturkampf unterbindet Bildungsreform im Schul- und Hochschulbereich 1960er (quantitativ) u. 70er (qualitativ) Zeit der Bildungsoffensive: Schlagwort Chancengleichheit: Schul- und Universitätsreform - freier Zutritt zu Universitäten 1972, UOG 1975 mit Einführung der Drittelparität, d.h. Mitsprache der Studierenden und des Mittelbaus bei Erstellung der Studienpläne, bei Berufung von Professoren, in der Verwaltung, Schulunterrichtsgesetz 1974, Gratisschulbuchaktion, Schülerfreifahrt Schlagwort: Chancengleichheit Gesellschaftliche Emanzipation: Reform des Familienrechts, gesteigerte Erwerbstätigkeit der Frauen von 37% 1970 auf 40% 1983, Fristenregelung 1973, erstmals Kinderbetreuungsmonate in Pensionsberechnung einbezogen, deutliche Erhöhung des Karenzgeldes, gleichzeitig erhöhter Satz für alleinstehende Mütter Mutter-Kind-Pass 1974 bei Nachweis der Untersuchungen erhöhte Geburtenbeihilfe Heeresreform (6 Monate sind genug), Einführung des Zivildienstes, die Liberalisierung der Gewerbeordnung, der Erlass eines Arbeitsverfassungsgesetzes seien hier nur als einige weitere wesentliche Etappen des Modernisierungsprozesses angeführt. Generell Ausbau im Unterrichts-, Hochschul- und Gesundheitswesen, im Geld- und Kreditwesen (Entwicklung der Kundengruppenbanken zu Universalbanken, 1977 Filialgründung freigegeben > Filialboom mit entsprechenden Beschäftigungskonsequenzen) Berufstätige nach Wirtschaftssektoren, Österreich 1951 – 1981 Land-/Forstwirtsch. Industrie/Gewerbe Dienstleistungen 1951 1,092.600 32,6 1,256.900 37,6 997.700 29,8 1961 776.400 23,0 1,394.100 41,4 1,199.300 35,6 1971 436.500 13,9 1,352.200 43,2 1,344.400 42,9 1981 290.500 8,5 1,398.500 41,0 1,722.500 50,5 Quelle: Butschek, Der österreichische Arbeitsmarkt, Wien-Stuttgart 1992 Trend zur Dienstleistungsgesellschaft > Tertiärisierung Beschäftigungsentwicklung der Wirtschaftssektoren driftet auseinander: Zahl der unselbständig Beschäftigten wuchs zwischen 1973 und 1979 um 131.000, im sekundären Sektor Verringerung um 38.900, im tertiären Sektor Zunahme um 178.500 1960er bis 80er starker Rückgang traditioneller Formen der Arbeit (Selbständige, mithelfende Arbeit, landwirtschaftliche Arbeiter, Hausfrauen ohne eigenes Einkommen), starker Zuwachs bei Arbeitern und Angestellten (unter Ausschluss ldw. Arbeiter) Generell Rückgang der Selbständigenpositionen in Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen, Gewerbe schrumpft im Produktionsbereich weit mehr als in Dienstleistungen Abnahme der Produktionsgewerbe, ab Mitte der 50er Verschwinden des traditionellen Handwerks (Schneider, Schuster, Sattler) > Entwicklung zu Reparatur- und Handelsgewerben, wachsende Branchen in erster Linie Dienstleistungsbetriebe Entwicklung der Landwirtschaft Verringerung der Berufstätigen von ung. 1,093.000 1951 auf 436.500 1971 (Ehefrauen von Landwirten, die sich als Hausfrauen bezeichnet haben, werden nicht mehr als Berufstätige gezählt), Dienstleistungen im selben Zeitraum von 998.000 auf 1,344.000 Gleichzeitig enorme Steigerung der Produktion und der Arbeitsproduktivität Rückgang der Selbständigen in der Landwirtschaft relativ kontinuierlich Zahl der Selbständig Erwerbstätigen halbiert sich: 765.000 1951 > 365.900 1971, Entwicklung verstärkt sich in 70er Jahren Industrialisierung bzw. Modernisierung der Landwirtschaft gekennzeichnet durch - Vollmechanisierung und Motorisierung (Traktorenzahl steigt von 31.000 1951 auf 264.000 1971 - 283.000 Pferde 1951, 47.000 1971) - Einsatz von mineralischen Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden), - Verwendung von leistungsfähigerem Saatgut, Zucht leistungsstarker Viehbestände, - Verwendung von Futtermittelzusätzen Zeitlich eine Modernisierungswelle in ersten Jahren der NS-Herrschaft, zweite Phase Ende der 1950er, Beginn der 1960er Spezialisierung: Trennung in Hörndl- (Vieh-) und Körndl- (Getreide) Bauern Verschärft Unterschied zwischen Gunst und Ungunstlagen, zw. reichen und armen Bauern 70er Jahre Zeit des Umbruchs auf unterschiedlichen Ebenen > große Teile Westeuropas wählen sozialdemokratisch Deutschland Willy Brandt, Schweden Olaf Palme SPÖ weiterhin Arbeiterpartei, aber Konzept der offenen Partei: Zuwächse bei gehobener Mittelschicht bzw. obersten Bildungsschichten, bei Frauen, Angestellten und Jungwählern 1968ff Eine Bewegung und ihre Folgen Jugendkultur drückt das aus, antizipiert, was bald die Gesellschaft durchdringen sollte > Schlurfs bzw. Halbstarke griffen mit körperbetonten Formen des Tanzes und der Kleidung jene Lustfeindlichkeit auf, die sowohl ein Element des sozialdemokratischen Asketismus als auch des klerikal-faschistischen und des nationalsozialistischen Persönlichkeitstypus gewesen ist Auch 68er thematisierten, was in Österreich in der Trümmerzeit und im Wiederaufbau nicht hatte gesagt werden dürfen Es war die Kunst, in der der Geist der Revolution am deutlichsten wurde. Ein Teil des Protestes der 68er Bewegung muss als Bruch mit den Verhaltensregeln der 1950er Jahre interpretiert werden, deren Schlüsselwörter Anstand und gutes Benehmen hießen und die in Österreich bis in die 60er Jahre hochgehalten wurden, und richtete sich gegen die Doppelmoral eines rückwärtsgewandten Katholizismus wie gegen den (Nicht)Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Dagegen setzte man schrille Provokation, diese kam nicht allein in Kunstaktionen und Happenings, sondern im äußeren Erscheinungsbild der Nach68er zum Ausdruck, etwa den langen Haaren männlicher Jugendlicher, wallenden Blumenkleidern oder Miniröcken von Frauen (68er oft noch weißes Hemd und Krawatte). Fakt ist, dass die Studentenrevolte auch in Österreich nicht nur eine grundlegende Veränderung der Hochschulen einleitete, sondern auch eine Belebung und Modernisierung des öffentlichen Lebens, eine kulturelle Alltagsrevolution und neue Lebensstile und vorstellungen nach sich zog. 68er formulierten aber auch jene neuen politischen Themen, die die Wahlkämpfe der Sozialdemokraten ab 1970 und die folgende Reformperiode mitbestimmen sollten: Abrüstung, Friedenspolitik, Bundesheerreform, Hochschul- und Bildungsreform, Frauenemanzipation, Demokratisierung auf allen Ebenen > Marsch durch die Institutionen (Ministerbüros, Parteizentralen, Hochschulen, Arbeiterkammern) Gesellschafts- und kulturpolitischer Wandel: Etappen 1967 Ö3, 1968 steirischer herbst als unkonventionellstes und progressivstes Festival Österreichs. Auch in Wien zeigten sich Ansätze gesellschaftlicher Modernisierung. Um nur drei Beispiele aus dem Jahr 1970 herzunehmen: Erstmals fand im Rahmen der Wiener Festwochen ein Avantgardeprogramm statt (Arena 70), mit dem Wochenmagazin „profil“ erhielt Österreich ein kritisches Printmedium, und ebenfalls 1970 durften erstmals Frauen Straßenbahnen – gegen den heftigen Widerstand vieler männlicher Kollegen – lenken. Erbe der 68er: Neue Linke, Alternativ-, Ökologie- bzw. Grünbewegung, Frauenbewegung – 1976 Arena (Besetzung des Schlachthofs oft als verspätetes 1968 interpretiert), später Amerlinghaus und WUK, 1978 Aus für Zwentendorf Strukturprobleme stabilisiert, aber nicht beseitigt, zweites Durchtauchen gelingt nach 1979 (zweiter Ölpreiserhöhung) nicht > internationale Wirtschaftskrise Aufdeckung von Korruptionsfällen (AKH Skandal > Rücktritt Androschs) Verstaatlichte Industrie, insb. Grundstoffindustrie, von internationaler Krise besonders stark betroffen (Stahl) Kreisky und Finanzminister Salcher verkünden 1982 Steuerpaket mit Ziel Budgetsanierung (Mallorca-Paket mit Quellensteuer, Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehalts) > 1983 Verlust der absoluten Mehrheit, SPÖ bleibt aber stärkste Partei Fazit der Kreisky-Ära: Relativ erfolgreiche Bewältigung der Erdölkrise durch zielgerichtete wirtschaftspolitische Maßnahmen und vor Hintergrund des Institutionengeflechts der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft (österr. governance structure) erklärbar Schleichende Inflation wandelte sich zur Stagflation mit steigenden Arbeitslosenraten, in Österreich aber abgeschwächt Seit Ende der 70er Jahre übertraf das österreichische BIP zu Marktpreisen und Kaufkraftparitäten je Einwohner den EU-Durchschnitt, Österreich zählte von nun an zu den reichsten Staaten Europas > Anschluss an das Wirtschafts- und Wohlstandsniveau Europas SPÖ-Wahlslogan 1970 „Österreich europareif machen“ verwirklicht Modernisierung Österreich offener und liberaler, mit mehr demokratischen Mitsprachemöglichkeiten und mehr Chancen zur individuellen Lebensgestaltung (E.G. Eder) gleichzeitig Aufkommen bzw. Erstarken neuer Formen der Partizipation (neue Formen direkter Bürgermitsprache) und der Politikstile Spürbare Veränderung des gesellschaftlichen Klimas in Österreich, neues Selbstbewusstsein Aufbruch in der Kultur Austropop Mendt, Ambros, Danzer In Literatur Begründer des Forums Stadtpark in Graz Wolfgang Bauer, Peter Handke, Barbara Frischmuth, Thomas Bernhard, Peter Turrini, Ingeborg Bachmann Im Fernsehen Ein echter Wiener geht nicht unter (im Gegensatz zur früheren Fernsehfamilie Leitner 1958-67) und Kottan Österreich bzw. Wien waren internationaler geworden, waren stärker in den internationalen Blickpunkt gerückt: 1975 erfolgte nach langen Diskussionen ein Regierungsbeschluss, der Wien durch die Errichtung eines UNO-Gebäudes nach New York und Genf zur dritten UNOStadt machte. Wien war in die großen internationalen Entwicklungen und Trends eingebunden, im Guten wie im Schlechten. Von der Hochblüte des Terrorismus blieb auch Österreich/Wien nicht verschont. Deutliches Zeichen dafür war der Terroranschlag auf den Sitz der OPEC in Wien, der im Dezember 1975 drei Todesopfer kostete, zwei Jahre darauf wurde „Strumpfkönig“ Michael Palmers von österreichischen RAF-Sympathisanten entführt, bald darauf gegen Lösegeld wieder frei gelassen. 1981 kam es zum Mord an Stadtrat Nittel und zum Überfall auf die Synagoge. Zugleich baute Wien seine vor allem durch Kreisky wieder gewonnene internationale Stellung weiter aus. 1979 wurde nicht nur die UNO-City eröffnet und Wien zur dritten UNO-Metropole, sondern Jimmy Carter und Leonid Breschnjew unterzeichneten das SALT II-Abkommen zur Beschränkung der strategischen Rüstung und Yassir Arafat kam zu Nahostgesprächen mit Willy Brandt und Bruno Kreisky nach Wien. Bruchlinien und Kritik Zahlreiche Transferleistungen (Schulfreifahrten, kostenlose Schulbücher, kostenlose MutterKind-Untersuchungen, Heiratsbeihilfe) eingeführt, um niedrige Einkommen zu entlasten, aber nicht sozial gestaffelt, daher Einkommensunterschiede in Österreich relativ groß Bildungsexpansion gelingt, jedoch Ziel, Zahl der Absolventen im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich zu erhöhen, verfehlt Traditionelles Geschlechterverhältnis wird zunehmend problematisch, immer mehr erwerbstätige Frauen kehren, nachdem sie Mütter geworden sind, wieder an ihre Arbeitsplätze zurück, zählt man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen, arbeiteten Frauen zu Beginn der 70er Jahre pro Woche um 26 Stunden mehr als die nur berufstätigen Männer, zwar offensive SPÖ Politik gegen Diskriminierung von Frauen, doch praktische Erfolge begrenzt, Einkommensunterschiede blieben gleich Deficit spending-Politik führt zu höheren Schulden Einige problematische „Personalentscheidungen“ (NS-Mitgleider in Regierung Kreisky, Minderheitsregierung gestützt von Fr. Peter, Konflikt mit Wiesenthal Die 1980er und 90er Jahre eine Periode des wirtschaftlichen Paradigmenwechsels Ende der Vollbeschäftigung – Herausforderung Globalisierung – Die Ostöffnung – Österreichs EU-Beitritt – Krise des Sozialstaats – Die Änderung der Parteienlandschaft Wirtschaftspolitische Wende: Änderung der Prioritätenskala in Richtung Budgetkonsolidierung – neoliberale und neoklassische Konzepte (Reaganomics, Thatcher) werden populär Der Ruf nach weniger Staat wird laut, neue Modewörter: Privatisierung, Deregulierung und Flexibilität, Forderung nach Um- bzw. Abbau des Wohlfahrtsstaates Monetarismus statt Keynesianismus Leitbild Neue Weichenstellungen durch Ostöffnung (Erfolge bei Internationalisierung) bzw. durch EU-Beitritt 1995 Die 1980er Jahre 1983 Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ, Rücktritt Kreisky, Nachfolger Sinowatz Kleine Koalition SPÖ-FPÖ Dezember 1984 Beginn der Besetzung der Hainburger Au 1985 Höhepunkt des Weinskandals > heftige Einbußen der Weinexportwirtschaft, andererseits der Weinskandal hätte erfunden werden müssen, wäre er nicht passiert > Veränderung der Konsumgewohnheiten: Doppler verschwindet, Qualität statt Quantität Höhepunkt der Krise der Verstaatlichten 1986 Reaktorunfall Tschernobyl 1986 insgesamt Wendejahr: Waldheim (unglückliches Statement „ich habe nur meine Pflicht getan“ - erstmals nach 1945 nichtsozialistischer Kandidat zum Bundespräsidenten gewählt – wahrscheinlich auch weil viele Österreicher ihre eigene Rolle während der NS-Zeit in Frage gestellt sahen), Neuformierung der politischen Landschaft 1986 Steger > Haider bei Wahlen FPÖ Verdoppelung von 4,98 auf 9,73%, Grüne mit 4,8% erstmals im Parlament Beginn der Parteien- und Politik(er)verdrossenheit Sinken der Wahlbeteiligung SPÖ und ÖVP von 90,9% 1983 auf 62,6% 1994, von Groß- (über 40% Stimmenanteil) zu Mittelparteien 1986 wird Peymann Burgtheaterdirektor – in Kirche beginnt Zeit Krenns und Groers 1988 Uraufführung von Thomas Bernhards Heldenplatz Juni 1989 Außenminister Mock und Horn durchtrennen Stacheldrahtzaun zw. Österreich und Ungarn, Ende des Jahres folgt Tschechoslowakei Wirtschaftlicher Aufstieg Österreichs auch durch Aufschieben wichtiger Probleme charakterisiert: steigendes Budgetdefizit, Verstaatlichte Industrie, Internationalisierungs- und Forschungsdefizit Krisen allerorten, im Budget, in der Verstaatlichten (weltweite Krise des Grundstoffsektors, „Stahlkrise“ VOEST Debakel) im Sozialversicherungssystem, in der politischen Moral (Korruption, AKH-Skandal Kosten statt 4,5 Mrd S 36 Mrd., Bauring, Rinter-Zelt, diverse Wohnbauskandale, Proksch-Affäre um Untergang der Lucona 1977 mit einer als wertvolle Uranerzaufbereitungsanlage versicherten, in Wirklichkeit aber fast wertlosen Ladung Schrott, Proksch schillernder Liebling der Wiener Society, insbesondere einer sozialdemokratischen Schickeria (in der Konditorei Demel angesiedelter Club 45) Skandal nicht zuletzt wegen Verwicklung mehrerer Spitzenpolitiker, Proksch 1992 zu lebenslanger Haft verurteilt (stirbt 2001 im Gefängnis), neutralitätswidriges Waffengeschäft mit VOEST Tochter NoricumKanonen Belieferung von Irak und Iran) Orientierungslosigkeit der Energiepolitik Beginn der Restrukturierung der Verstaatlichten und erste Privatisierungsschritte bereits in Kleiner Koalition SPÖ – FPÖ (Sinowatz), durch fehlgeschlagene Spekulationsgeschäfte (1985/6 Ölgeschäfte der Intertrading) unter Vranitzky Revision der Politik gegenüber der Verstaatlichten > Privatisierung Verstaatlichte übertraf anfangs das Wachstum der privaten Industrie deutlich, wurde zur Speerspitze des Exports und subventionierte die Privatindustrie durch unter dem Weltmarktniveau liegende Preise ihrer Produkte im Inland Insb. Eisenindustrie (Hälfte des Produktionspotenzials), Aluminium- und Stickstoffindustrie Träger der Expansion Rasche Abschwächung der Nachfrage nach Rohstoffen und Vorprodukten Anfang der 60er und Umschlagen der Märkte hin zu Fertigwaren bewirken Änderung 60er Jahre in Verstaatlichter zw. 100 und 112.000 (17 und 18% aller) Industriebeschäftigten 1990 nicht ganz 64.000 Beschäftigte und 12% Verstaatlichte erwirtschaftete bis zu 25% des Umsatzes der Industrie, 1990 17,4% Gemeinwirtschaftliche Aufgabe: Hauptaugenmerk auf Beschäftigung und angemessenem Einkommen bei Reorganisationsmaßnahmen oft Koalition aus Betriebsräten und Landesregierungen dazu kamen nach Auslaufen der ERP-Hilfe Finanzierungsschwierigkeiten auch Konzentrationen innerhalb Konzerns eher Belastung – führen nicht zu Rationalisierungen (ähnliche Fehlentwicklung wie bei Banken in 1. Rep.) Große Stahlfusion von VOEST und Alpine Montan Gesellschaft, Böhler und Schoeller-Bleckmann, Buntmetallfusion von Ranshofener und Berndorf , Zusammenführung von ÖMV und Linzer Stickstoffwerken Trotz Milliardensubventionen an Verstaatlichte rechtzeitige Modernisierung und Strukturverbesserung verabsäumt Rückschläge beim Export Managementfehler: zu langes Festhalten an traditionellen Produktionsprogrammen und Produktpaletten, überhastete Internationalisierung AMAG Ranshofen machte als einziger verstaatlichter Betrieb Gewinne, die das Unternehmen ab 1987 zu verhängnisvoller internationaler Einkaufstour veranlassten, im halbstaatlichen Bereich der Steyr-Daimler-PuchAG ebenfalls Auslandsengagements, die sich als Verlustgeschäfte erweisen, Eumig und Klimatechnik- Katastrophen hätten verstaatlichte Länderbank fast ins Verderben gerissen zunächst Phase der Umstrukturierung (ÖIAG > Austrian Industries AI), dann ab 1993 Welle von Privatisierungen – Kernbereiche der industriellen Wertschöpfung sollen in mehrheitlich österreichischem Besitz bleiben Anfang der 80er Austrokeynesianismus an Grenzen angelangt schwere Rezession der Weltwirtschaft und explodierende Staatsverschuldung erzwingen 1981-85 Übergang zu restriktiver Geldpolitik mit rasch steigenden Zinssätzen Firmenzusammenbrüche, Anstieg des Budgetdefizits und der Arbeitslosigkeit, nach Babyboom der 60er Geburtenrate in 70ern Tiefststand > Staatsverschuldung und langfristige Krise der Pensionssicherung durch Überalterung bewirken Anspannung des sog. Generationenvertrags Österreichisches Arbeitsmarktwunder bzw. Ära der Vollbeschäftigung zu Ende, ab 1982 steigende Arbeitslosigkeit Arbeitslosenquote in Österreich 1951 - 2007 1951-60: 1961-70: 1971-80: 1981: 1983: 1985: 1987: 1989: 1991: 1993: 1995: 1997: 1998: 1999: 2000: 2001: 2002: 2003: 2004: 2005: 2006: 2007: Österr. Berechnung* 5,8 2,5 1,7 2,4 4,5 4,8 5,6 5,0 5,8 6,8 6,6 7,1 7,2 6,7 5,8 6,1 6,9 7,0 7,1 7,3 6,8 6,2 Intern. B.** 3,9 4,2 4,2 3,7 3,5 3,6 4,0 4,3 4,9 5,2 4,7 4,4 * vorgemerkte Arbeitslose in % des unselbstständigen Arbeitskräftepotenzials (= usB + vorgemerkte Arbeitslose) ** in % der Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Arbeitslose) – internationale Berechnung ILO Reaktion: Neuerlich Verringerung der ausl. Arbeitskräfte, verstärkte Arbeitsmarktförderung (Schulungen) – Anstieg der Erwerbsunfähigkeitspensionen, vor allem aber der vorzeitigen Alterspensionen – dazu Sonderunterstützungsgesetz von Bergbau auf div. Industriezweige ausgedehnt, Gründung von Arbeitsstiftungen, Aktion 8000 (Subventionierung von Arbeitsplätzen) Arbeitslosigkeitsrisiko höchst ungleich auf Bevölkerungsgruppen verteilt: Frauen, ältere Menschen, Jugendliche vor Arbeitseinstieg, Arbeiter/innen, Ausländer/innen, schon lange aus dem Arbeitsprozess Ausgegliederte, Arbeitslose, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe haben, Sozialhilfeempfänger, Obdachlose, Mindestrentner Enger Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Verarmung Wir stehen vor der absurden Situation, dass die Produktionskapazitäten enorm angewachsen sind und bei einer gerechten Verteilung dadurch jeder Person ein menschenwürdiges Leben garantiert werden könnte, das zur gleichen Zeit für immer weniger Menschen gewährleistet wird (Alfred Dallinger 1985, Sozialminister) Neue Armut Armutsgefährdungsschwelle 60% des Medianeinkommens von rund 800 Euro bzw. soziale Ausgrenzung in Form verminderter Konsumchancen, Trennlinien zw. Arm und Reich entlang der Wohnungsgröße bzw. -ausstattung, der Art und Zahl der sozialen Kontakte der Objekte der Freizeitgestaltung und der Konsummöglichkeiten (Auto oder kein Auto, Urlaub oder kein Urlaub) Besonders armutsgefährdet Familien mit mehreren Kindern, Alleinerzieher/innen, Sozialhilfeempfänger Zweidrittelgesellschaft ist weiblich: geringere Einkommen und Pensionen, viele Frauen ohne eigenen Pensionsanspruch, auf Witwenpension bzw. Ausgleichszulage angewiesen Hohe Verschuldungsrate, gleichzeitig Generation der Erben Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaat an die Grenzen der Finanzierbarkeit gestoßen dazu Einschränkung des nationalen Handlungsspielraums, Schreckgespenst Globalisierung (Standortverlagerungen und Arbeitsplatzverluste, Zunahme der internationalen Kapitalströme, abnehmende Bedeutung nationaler Volkswirtschaften) Maastricht-Konvergenzkriterien (3% des BIP Defizitquote; 60% Verschuldungsquote) als Richtlinie Sozialstaat Österreich Bedeutungszuwachs der Sozialpolitik > goldenes Zeitalter des Sozialstaates Sozialquote (Summe der Sozialausgaben im Verhältnis zum BIP) 1955 16% des BIP, 1970 21%, 1980 26,7% Höchstwert 1995 29,2% seither leicht rückläufig, 2001 29,1% - bei Sozialausgaben liegt Österreich mit rund 28, 29% im EU Durchschnitt (umfassen Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung, Fürsorge von Bund und Ländern, Familien und Geburtenbeihilfe sowie Pensionen öffentlich Bediensteter rund drei Viertel der Sozialausgaben entfallen auf öffentl. Pensions- und Gesundheitsausgaben fast marginal Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik und Arbeitslosenentgelt, die aber trotzdem Ziel aller Debatten über den Missbrauch des Sozialstaats sind – EU-weit Österreich bei Pensionen und Hinterbliebenenrenten weit über EU Durchschnitt, auch bei den Ausgaben für Familien Österreich im Spitzenfeld Finanzierung der Sozialleistungen zu 38% durch Sozialbeiträge der öffentlichen und privaten Arbeitgeber, zu 27% durch Sozialbeiträge der Versicherten, zu 33% aus Steuermitteln - ohne Sozialleistungen hätten 43% der Bevölkerung ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle Österreichischer Sozialstaat = Sozialstaat konservativ-korporatistischer Prägung Zugang zum Leistungssystem sozialer Sicherheit über Erwerbsarbeit und Ehe Teil der Bevölkerung von eigenständiger sozialer Sicherung ausgeschlossen: Frauen mit familiärer Arbeit, Kinder als Mitversicherte bzw. Hinterbliebene in Sozialversicherung integriert Probleme: Sozialversicherung reproduziert Einkommensungleichheiten und unterschiedliche Dauer der Arbeitsbiografien, damit insbesondere geschlechtsspezifische ökonomische und soziale Ungleichheit ArbeitgeberInnenbeitrag basiert auf Lohnsumme, daraus resultieren hohe Belastungen für personalintensive, niedrige für hoch rationalisierte Unternehmen > strukturelle Finanzierungsproblematik in Österreich Normalarbeitsverhältnis bildet Basis für Sicherung der materiellen Teilhabechancen und stellt dominanten Bezugspunkt dar > heute Erosion dieser Arbeitsplätze, Verbreitung davon abweichender sog. atypischer Beschäftigungsverhältnisse, Zunahme geringfügig Beschäftigter, Teilzeitbeschäftigte (fast Verdoppelung von 144.700 1974 auf 277.300 1993) Staatlich geregelte soziale Sicherung Konstituierung der Sozialversicherung in 1880er Jahren Kranken- und Unfallversicherung 1887/88 für ArbeiterInnen und Betriebsbeamte > Grundstein einer an bezahlte Arbeit bzw. Erwerbstätigkeit gebundene Sozialversicherung, gleichzeitig in ersten Ansätzen Grundlegung der staatlichen Regelung der Arbeitsbedingungen (11-Stunden-Tag) 1906 Alters(Pensions)versicherung für Privatangestellte, erst mit der Reichsversicherungsordnung 1939 auch für Arbeiter gesetzliche Alters- und Invalidenversicherung; 1958 gewannen die Selbständigen ihr Pensionsrecht Arbeitslosenversicherung 1920 eingeführt im Rahmen der sozialpolitischen Offensive nach 1918 (8-Stunden-Tag, Arbeiterurlaub, Regelung der Kollektivverträge, betriebliche Mitbestimmung) Bereich der sozialen Sicherung > 1955 Allg, Sozialversicherungsgesetz (ASVG) nach 1945 Ausweitung des Versichertenkreises der Sozialversicherung Gewerbetreibende 1958, Bauern 1970 einbezogen 1890 6,8% der Bevölkerung krankenversichert, 1930 60%, 1948 63,5%, 1960 77,5%, 1979 99,3% Normalarbeitsverhältnis vollzeitiges, kontinuierliches, arbeits- und sozialrechtlich erfasstes Beschäftigungsverhältnis Referenzpunkt für sozialstaatliche Sicherung (45 Beitragsjahre) Rückzug des Sozialstaates: partielle Erweiterungen stehen gegen Restriktionen und strukturelle Veränderungen Restriktive Ausländerbeschäftigungspolitik, Leistungskürzungen bei familienpolitischen Maßnahmen, Gesundheitsreform mit neuen Kostenbelastungen für Patienten und Beitragszahlende, partieller Rückzug bei staatlich geregelter Pensionsversicherung mit Entsprechung im Ausbau der betrieblichen und privaten Altersvorsorge Gründe dieser Entwicklung: Verändertes wirtschaftliches Umfeld BIP-Wachstum in 1960ern durchschnittlich 4,7%, in 70ern 3,7%, in 80ern 2,3%, in 90ern 2,1%; internationale Vernetzung beträchtlich gewachsen, Standortwettbewerb damit gestiegen Noch zentraler demografischer Wandel Alterungsprozess wegen gestiegener Lebenserwartung und wegen sinkender Geburtenhäufigkeit Finanzierungsprobleme in Pensionsversicherung Gesamtzahl der Pensionen beträchtlich stärker gestiegen als Zahl der Beitragszahlenden – deutlich steigende Pensionsquote Durchschnittliches Pensionsantrittsalter gesunken, gleichzeitig Erhöhung des durchschnittlichen Pensionsabgangsalters (d. h. des durchschnittlichen Sterbealters), Leistungsniveau bei Pensionsneuzugängen beträchtlich höher als bei Abgängen Ausgrenzung aus Sozialstaat: Bei Nichterfüllung der gesetzlich definierten Anspruchsvoraussetzungen einer bestimmten Dauer von Erwerbsarbeit, kein Arbeitslosengeld bzw. Notstand, 400.000 Frauen über 60 Jahre haben keinen eigenständigen Pensionsanspruch geringfügig Beschäftigte nicht kranken- und pensionsversichert, wie freie Dienstnehmer und sog. neue Selbständige aus Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen Transferarmut: Sozialleistungen bieten oft keine ausreichende materielle Absicherung gegen Verarmungsgefahr, niedrige und diskontinuierliche Einkommen schlagen in niedrigen Leistungen zu Buche Annähernd jede zweite Alterspension von Frauen unter Ausgleichszulagenrichtsatz, doch selbst Bezug einer Ausgleichszulage verhindert Armut nicht Entwicklung der Wirtschaftssektoren, allgemeine Strukturmerkmale (siehe Tabelle Berufstätige nach Wirtschaftssektoren, Österreich 1951 – 1981) Tabelle zeigt deutlich Rückgang von Landwirtschaft; zunächst Ansteigen von Industrie/Gewerbe (anteilsmäßig bis 1971); eindeutiger Gewinner Dienstleistungen > Dienstleistungsgesellschaft, Angestelltengesellschaft, politisch Großparteien entwickeln sich Richtung Mittelstand Ldw.: Stagnation in der Zwischenkriegszeit, sogar mit leichter Reagrarisierung, Primärsektor noch immer am stärksten, ab 1939 vor allem bis 1971 dramatische Rückgänge Zusammenbruch der Gesindeverfassung ab den 50er Jahren wirkt sich vor allem im Rückgang der familienfremden Arbeitskräfte aus Industrie/Gewerbe: In Nazizeit bzw. nach 1945 einerseits verspätete Industrialisierung bis in 50er Aufholprozess nach Stagnation der ZKZ; bis 1981 (bei Absolutzahlen 60er negative Entwicklung, 70er wieder Aufschwung, bei Anteilen bis 70er Jahre Zunahme, danach Abnahme) Fortschreiten des Prozesses der Tertiärisierung: Im Tertiär- bzw.- Dienstleistungssektor 1964 48,2% der unselbständig Beschäftigten, 1980 57,4%, 1990 63,6%, 1994 68,2% Sinkende Industriebeschäftigung von 671.000 1973 auf 480.000 1993 Entwicklung der Landwirtschaft Industrialisierung bzw. Modernisierung der Ldw.: Teilung in industriellen Vorleistungssektor (Maschinenbau, Chemie, internationales Agrobusiness mit Saatgut und Samen) und einen Nachleistungssektor (Lebensmittelind., Großhandel) Vollmechanisierung und Motorisierung (Traktorenzahl steigt von 264.000 1971 auf 344.000 1993 - Verringerung der Erwerbstätigen von 971.000 1951 - 30,3% - auf 424.000 1971 und 192.000 1993 - 5,2%) Von der Unter- zur Überversorgung: seit Mitte der 80er Jahre mussten ein Viertel der Milcherzeugung, ein Drittel der Rinderproduktion und mehr als ein Viertel der Getreideproduktion exportiert werden Eingriffe in Landschaft: Geländekorrekturen und Flurbereinigungen ökologische Folgen katastrophal Eigentliche Agrarevolution nicht auf Produktionsseite, sondern als gesellschaftlicher Modernisierungsprozess in Form der Entagrarisierung von Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Abnahme der Agrarbevölkerung um mehr als eine Million Menschen durch zügige Mechanisierung Jedoch Zahl der aufgegebenen Betriebe relativ bescheiden, konkret Verlagerung aus Vollerwerbsbetrieben in Richtung Nebenerwerbsbetriebe, Österreich Land der Nebenerwerbslandwirtschaft par excellence 2 Spezifika 1. partieller Einkommenstransfer aus nichtlandwirtschaftlicher Berufstätigkeit in technologische Aufrüstung der Betriebe, 2. Arbeit in Nebenerwerbsbetrieben vielfach von Frauen betrieben Grenzen zw. den Sektoren verschwimmen, Zuordnungen nicht immer eindeutig, 1996 arbeiteten rund 158.000 Personen direkt in der Land- und Forstwirtschaft, 650.000 (20% aller Erwerbstätigen) wurden jedoch dem österreichischen Agrarkomplex insgesamt zugerechnet, einerseits dem Agrarbereich vorgelagerte Tätigkeiten, v. a. aber nachgelagerte 475.000 in Bereichen Vermarktung bzw. Verarbeitung Landwirtschaft in der Nachkriegszeit charakterisiert durch im Vergleich zu den Weltmärkten hohe Agrarpreise, ferner ein restriktives Importregime, administrative Angebotskontrollen und Exportsubventionen abgesichert > durch EU-Beitritt österreichischer Weg der Agrarpolitik zu Ende Industrieentwicklung Österreichs bedeutende Industriebranchen 1956 - 2004 Industriebereich Basisindustrien 1956 2004 % des Produktionswertes 28,7 16,7 (davon Eisen- und Stahlproduktion 1956 2004 % der Beschäftigten 23,5 10,7 8 5,5 7,3 Trad. Konsumgüter 30,5 13,1 (davon Textil Nahrungs-/Genussmittel 12 13,6 2,2 8,7 Techn. Verarbeitungsprodukte 21,7 47,5 24,8 48,3 (davon Maschinenind. Fahrzeugind. Elektroind. Eisen-/Metallwarenerz. 6,2 13,6 9,2 15,7 4,5 6,7 10,5 9,7 8,2 7,3 13,1 11,8) 13 3,5) 3,6 ) Stärke der öst. Industrie liegt in mit Grundstoffindustrie verbundener Verarbeitungsstufe (Maschinen-, Fahrzeug/bestandteile, Eisen- und Metallwaren, Elektrogeräte – ihr Produktionsanteil steigt zw. 1956 und 2004 von 21,7 auf 43,6%) bei gleichzeitigem Fehlen eines starken Schwerpunkts im modernen High Tech Bereich, große Spezialisierung auf Branchen mit mittlerem und niedrigem Technologieniveau Industrie stark grundstofflastig, obwohl Produktionsanteil von 28,7 auf 16,7% zw. 1956 und 2004 zurückging, davon Basisindustrien (Bergbau, Erdölproduktion, -verarbeitung, Eisenund Stahlproduktion) von 8 auf 5,5% in klassischen Konsumgüterbereichen ebenfalls stark vertreten, in Nahrungsmittelind. z. T. durch Verknüpfung mit Agrarsektor der freien Preisbildung entzogen > EU-Beitritt bringt Überlebenskampf, auch in Textil- und Bekleidungsindustrie (es überleben Firmen mit kreativen Design, mit teueren Produkten) Dynamisch wachsend: Chemische Industrie (2004 mehr als ein Zehntel von Produktionswert und Beschäftigung vielfach eher low tech-Produkte z.B. Reifen Semperit, Zellulose Lenzing, auch hier Umstrukturierungsprozess) und Bauzulieferbranchen Bauwirtschaft trotz stattlicher Größe zu klein, um bei international ausgeschriebenen Großprojekten mitbieten zu können, Sparkurs des Staates trifft Baubranche mit Kürzung der Infrastrukturmaßnahmen, neues Potenzial etwa umweltrechtliche Auflagen auf staatl. Investitionen beim Abwasserbau Fallbeispiele österreichischer Unternehmen: Schoeller größter österr. Privatkonzern, Erfolgsgeschichten Karl bzw. Emil Alexander Kahane Montana AG, Jungbunzlauer, Bankhaus Gutmann, Terranova; Herbert Turnauer in 30ern kleine Lackfabrik, nach 1945 Industrieimperium 1969 Constantia Industrieholding, 1986 Constantia Privatbank, Erfolgsstory Red Bull Von der Krise in den Erfolg: Swarowski; Berndorf 1988 Management Buy-out leitet Erfolg ein; wechselhafte Geschichte von KTM Vom raschen Erfolg zum raschen Misserfolg Geschichte der österr. Schiindustrie, Arnsteiner (Blizzard), Rohrmoser (Atomic) Weiterhin enge Beziehung zw. Banken und Industrie Pleiten von Klimatechnik und Eumig bringen Länderbank ins Trudeln Viele Unternehme/r/n ergriffen Chance auf globale Expansion in gut gewählten Marktnischen Doppelmayr Gruppe Seilbahnen, Plasser & Theurer Gleisbaumaschinen in Industrie Konzentration auf High Tech-Branchen Jahrzehntelanges Defizit in Forschung und Entwicklung neue Versuche: Stichwort Cluster in automotiver Industrie > v.a. Steiermark versucht sich als High-Tech Standort zu etablieren Automobil Cluster Styria (Eurostar Werk, SteyrFahrzeugtechnik, Magna, Motorenschmiede AVL List), oberöst. Automobilcluster (um BMW-Motoren, Steyr Nutzfahrzeuge und VA Stahl) Städte in zunehmender Standortkonkurrenz Konzentration auf Standortvorteile, Wien z.B. Creative Industries Industriestruktur in 1. und 2. Republik erstaunlich hohe Kontinuität trotz Verschiebungen Bedeutung nach Fachverbänden nach Produktionswert 1999 Elektro- u. Elektronikind. Maschinen/Stahlbauind. chem. Ind. Nahrungs- und Genussmittel Fahrzeugind. Eisen-/Metallwarenind. Beschäftigung 1999 Maschinen/Stahlbauind. Elektro- u. Elektronikind. Eisen-/Metallwarenind. chem. Ind. Nahrungs-/Genussmittel Bauind. holzverarb. Ind. Fahrzeugind. Wirtschaftsstandort Österreich: Österreich hat seine Rolle als Standort für Massenproduktion ausgespielt, chancenreicher Konzentration auf technisch anspruchsvolle high-tech-intensive Produkte, für klassische Massenproduktion Österreich keine Standort, dies zeigen Beispiele der Textil- bzw. Bekleidungsindustrie, Textilindustrie innerhalb von 50 Jahren auf 20% der Beschäftigung Dienstleistungen Nachtrag: oft wird bereits von quartärem Sektor gesprochen > Regierungs-, Forschungs-, Informations- bzw. Finanzsektor (ganz eindeutig auf Wien konzentriert) Es wachsen insbesondere industrie- oder produktionsnahe Dienstleistungen, z. B. Bewachung der Produktionsanlagen, techn. Planung, Werbung, Datenverarbeitung, Unternehmens-Steuerund Rechtsberatung Banken ab 80ern Abverkauf von Firmenbeteiligungen, zugleich Erschließen neuer Dienstleistungen Wertpapierhandel, Waren- und Finanztermingeschäfte, Versicherungs- und Immobilienmarkt Im Handel traditionelle kleinbetriebliche Struktur des Einzelhandels beseitigt, erstaunliche Konzentration von Rewe (Billa), Spar, Hofer (insb. nach Auflösung des Konsums, der über 800.000 Mitglieder hatte, fast 20.000 Beschäftigte, Umsatz 1988 war nur um 4 Mrd. S niedriger als VOEST Alpine bzw. um 3 Mrd. S mehr als ÖBB) Sieg des Filialsystems, der Supermärkte und Selbstbedienung, nicht nur Greißlersterben, sondern schwere Einbußen im kommerzialisierten Gewerbe (Hutmacher, Schirmerzeuger, Taschner) > Gewerbeentwicklung verweist darauf, dass wir es im sekundären Sektor nicht nur mit De-Industrialisierung, sondern auch mit Entgewerblichung zu tun haben Weiterhin Tendenz zur Konzentration, in Medienlandschaft, im Einzelhandel, auch in Bankenlandschaft Aufstieg der Zentralsparkasse zur Bank Austria Creditanstalt (zunächst Länderbank, dann Creditanstalt werden übernommen führt 1997 zu schwerer Verstimmung in Koalition, später an Hypo Vereinsbank und letztlich an Uni Credit), in Bauwirtschaft Porr AG und Bau Holding beschäftigen rund ein Drittel der 130.000 Beschäftigten und erbringen rund ein Drittel der Bauleistung gleichzeitig „Ausverkauf“ vieler heimischer Firmen: BILLA, BankAustria, Ankerbrot, Thonet, BAWAG, Perlmooser, Semperit, Schiproduzenten Atomic und Kästle vergleichsweise hoher Anteil ausländischer Eigentümer (insb. aus Deutschland, dann Schweiz und Niederlande) – besonders hoch im Handel und im Versicherungs- und Kreditwesen; Österreich starke Rolle in Zentral- und Osteuropa (besonders in Ungarn, Slowenien und der Slowakei) Internationalisierungsprozess hat sich seit Ostöffnung bzw. durch gesteigerte Globalisierung massiv verstärkt sowohl in Bezug auf ausländische Investitionen in Österreich (passive Direktinvestitionen) wie auch in Bezug auf österreichische Investitionen im Ausland (aktive Direktinvestitionen) – passive meist deutlich höher als aktive (1999 Bestand 320 Mrd. S passiv gegenüber 240 Mrd. S aktiv) Aber Aufholprozess Stand öst. Direktinvestitionen im Ausland 1982 733 Mio. Euro (0,9% des BIP), 2003 47 Mrd. Euro (21% des BIP – Anteil Mittel- und Osteuropas 47%) etwa gleicher Stand wie ausl. Direktinvestitionen in Österreich, davon zwei Drittel aus EU 15, 20% aus Nordamerika – 2003 Auslandsinvestitionen von 3,2 Mrd. Euro (2,8% des BIP) Insgesamt weiterhin stark mittel- bis kleinbetriebliche Struktur, Österreich kaum Konzernoder Markennamen von globaler Bedeutung (Ausnahmen Red Bull bzw. Swarovski), Nachteil bei gegenwärtiger Globalisierung bzw. zunehmender Internationalisierung, zugleich aber verstärkte Internationalisierung auch österreichischer Unternehmen seit 1990ern Außenhandel (in Mrd S 1999) Export betrug 829,3 Mrd. S, Import 898,8 Mrd. S Handelspartner 1999 in % Export Deutschland 34,9 Italien 8,4 Schweiz 6,0 Ungarn 4,9 USA 4,6 Frankreich 4,4 Großbritannien 4,4 Import 41,9 7,6 3,4 3,3 5,3 5,0 3,1 EU Osteuropa 62,8 15,9 68,8 11,3 Export Deutschland 20er, 30er um 15% - stark wachsend nach 1951 (um die 25%), späte 70er, 80er 30-35% Anfang 90er Höhepunkt mit 39% in letzten Jahren Rückgang 2004 32% Export Oststaaten 20er 30er um die 30 und mehr %, 50er 60er 10-16%, fallende Tendenz ab Mitte 70er bis Beginn 90er von 15 auf 9%, seither relativ stark ansteigend Ungarn Polen Anteil der Exporte in neue Mitgliedsstaaten der EU von 5% 1992 auf 12% 2001 erhöht Import Deutschland 20er, 30er um 15-20% - stark wachsend nach 1951 (um die 35%), späte 70er, 80er um die 40% Anfang Mitte 80er 90er Höhepunkt mit 43% in letzten Jahren leichter Rückgang Import Oststaaten 20er 30er um die 35 bis 45%, um die 10% von 50ern bis Mitte 80er, fallende Tendenz bis Beginn 90er auf 6%, seither relativ stark ansteigend EFTA-Beitritt 1960 führt zu tiefgreifender Veränderung der Regionalstruktur des öst. Außenhandels Ab Erdölkrisen Erdöl exportierende Länder OPEC von größerer Bedeutung, auch öst. Exporte angestiegen 2007 EU 27 Osteurop. Länder MOEL 74,6% Einfuhr 72,5% Ausfuhr 14,3 21,7 12,1 18,7 Warenstruktur: klarer Trend Österreich wurde von Rohstofflieferanten zu Exporteur von Fertigwaren, Exportanteil von Rohstoffen von Fertigprodukten 1955 28% 44% 1974 9 61 1993 4 73 Herausforderung Ökologie Energiemäßig relativ günstiger Anteil erneuerbarer Energieträger, 2001 Wasserkraft und erneuerbare Energie 71% der öst. Energieproduktion, diese deckte aber nur noch 32% des inländ. Bruttoverbrauchs, damit steigende Importabhängigkeit von Erdöl bzw. -gas große Bedeutung der Wasserkraft, Umbau von Kohleversorgung nach 1918 Zunächst nach 1945 Österreich Stromexportland, 1958 Wende durch Verbilligung ausländ. Energie, durch Abnahme eigener Lagerstätten v. a. aber durch massiven Verbrauchsanstieg nahm Importabhängigkeit zu Energieverbrauch Zunächst Kohle und Brennholz, dann Verlagerung auf Erdöl und Gas durch niedrige Öl- und Gaspreise - Konzentration auf kalorischen Kraftwerksbau, Ölpreisschock 1973/75 erzwang Verlagerung auf Wasserkraft, 1978 Absage an Atomkraft Öst. Stromverbrauch stieg zw. 1947 und 1995 um das 15-fache, Inlandsstromverbrauch pro Einwohner um das 13fache Niedrige Energiepreise tragen zunächst zu Fortschritt und dessen Verbreiterung bei, bergen jedoch Gefahrenpotenzial > Wegwerf- und Überflussgesellschaft Auf einigen Gebieten Österreich Vorreiterrolle wie bei Seenreinhaltung, nicht ganz so erfolgreich bei zentralen Luftindikatoren in Großstädten u. Transitvertrag, Zurückbleiben bei Umweltverträglichkeitsprüfung und Abfallentsorgung Eigene Umweltschutzindustrie – Umweltschutzmaßnahmen beanspruchen rund drei Prozent des BIPs – Schwerpunkte: Gewässerschutz (insb. Abwasserbeseitigung), Luftreinhaltung und Abfallbeseitigung Bevölkerungsstruktur Einschnitte: Gefallene des 1. Weltkriegs bzw. Geburtenausfall, deutlich zu erkennen Geburtenausfall der 1930er Babyboom 3.Reich von markantem Einschnitt des Geburtenrückgangs am Ende des 2. Weltkriegs gefolgt, dramatischer Einbruch im Altersaufbau durch Geburtenrückgang seit 70er Jahren Geburtenziffer folgte bis 1950 politisch-ökonomischen Krisen, drei Tiefpunkte 1. WK, Jahre der Weltwirtschaftskrise, Ende des NS-Regimes, ab 2. Hälfte 20. Jh. setzt sich rationale Lebensplanung , d. h. auch Familienplanung, zunehmend durch > deutlich abnehmende Geburtenraten (Gründe: steigende Frauenerwerbstätigkeit, erweiterte Möglichkeiten der Empfängnisverhütung, Fristenlösung) insb. seit 70ern > steigendes Durchschnittsalter, machen Einwanderung unerlässlich > Pensionsproblem: Anzahl der Pensionsbezieher von 339 1960 auf 487 Pensionen 1970 je 1000 Beitragszahlende/Versicherte über 522 1980 auf 624 2003 angestiegen (dahinter u. a. stetiges Sinken des Pensionsantrittsalters 1970 60,4 Frauen, 61,9 Jahre Männer, 2001 57,3 Jahre Frauen, 58,7 Männer – für Altersvorsorge u. Gesundheitssystem drastische Verschärfung ab etwa 2020, wenn Baby-Boom-Generation in Pension geht > betriebliche und private Altersvorsorge werden staatliches Pensionssystem ergänzen müssen Wandel der Familienstrukturen: durchschnittliche Haushaltsgröße sank von 4,7 Personen 1910 auf 2,5 P. 1991, Ausformung der modernen Kernfamilie, bis Mitte der 70er goldenes Zeitalter der Eheschließungen und des Lebens in der Kleinfamilie; starke Zunahme von Singlehaushalten (1951 17,5% aller Haushalte, 1990 27,9%; 2007 35% - einerseits bewusste Entscheidung, aber auch viele ungewollte Einzelhaushalte – sinkende Zahl von Eheschließungen gegenüber drastisch ansteigender Zahl von Scheidungen Gesamtscheidungsrate 13,8% 1961 26,5% 1981 43,1% 2000) zwischen 1961 und 2001 ist die Bevölkerung Österreichs um 13% gewachsen, die Zahl der Haushalte hingegen um 40%, die der Wohnungen um 60% Hohe Zahl unehelicher Geburten Begünstigung durch staatliche Unterstützungen – Fortsetzung traditioneller Illegitimitätsmuster Beteiligung an stiller demographischer Revolution drastischer Rückgang der Fertilität unter Reproduktionsniveau, Anstieg der Lebenserwartung, Alterung der Bevölkerung, man spricht von troisième age = aus Erwerbsleben ausgeschiedene Bevölkerung, Bevölkerung über 75 als quatrième age bezeichnet = wachsende Pflegebedürftigkeit postindustrieller Lebensstil mit Zunahme der Scheidungshäufigkeit und Zunahme von Single-Haushalten, Bedeutungsverlust der Kernfamilie, Verkleinerung der Haushalte Regionale Verlagerung der Bevölkerung: Ostösterreich von 57,2% 1910 auf 47,5% 1951 und auf 42,1% 1991 gesunken, danach wieder leichter Zuwachs auf 42,6% 2006- Wien 1910 allein 31,4%, 1991 19,7%; Bevölkerungsanteil von OÖ, Salzburg, Tirol und Vorarlberg hingegen von nicht ganz einem Viertel 22,8% 1910 auf mehr als ein Drittel (36,1 % 2006) angewachsen zunächst insb. bis 1955 Ost-West-Wanderung, heute auf massiver einsetzende Geburtenbeschränkung zurückzuführen Ähnliche leicht abgeschwächte Entwicklung bei Anteilen am Bruttoinlandsprodukt (Ostösterreich 1965 Hälfte des BIPs, 1990 nur mehr 46,7%) bzw. Fremdenverkehr (insbes. herausragendes Wachstum Tirols – mehr als ein Drittel am öst. Fremdenverkehr, trotz in letzter Zeit rückläufiger Tendenz auch Kärnten, große Verluste Nieder- bzw. Oberösterreich Stadtwanderung > Stadtflucht und Suburbanisierung, Counterurbanization = chaotische Urbanisierung des ländlichen Raums zum Teil parallel mit Aufspaltung der Wohnfunktion = Ausbildung von Zweitwohnungsregionen dadurch entsteht Bevölkerung auf Zeit Anteil der in Eigentum befindlichen Wohnungen hat von ungefähr einem Drittel 1951 (35,6%) auf die Hälfte 1993 zugenommen Wohnungen heute nahezu Komplettausstattung mit Bad, Nutzfläche stieg von 58 auf 96m² Verkehr: techn. Schwierigkeiten und hohe Kosten, Mangel an durchgehenden Bahn- und Straßenverbindungen zw. W und O, überwiegend zerstreute Siedlungen und kleinbetriebliche Strukturen begünstigen Individualverkehr Problematik Personennahverkehr hohe Umweltbelastung durch Transitverkehr Alpentransversalen Brenner bzw. Tauern, Trasse durchs Alpenvorland PKW Zahl von 22000 1931 auf 404000 1960 und auf 3,368 Mio. 1993 Österreichisches Struktur-Performance Paradoxon Österreichische Produktionsstrukturen zeigen Übergewicht traditioneller, bestenfalls im mittleren Technologiesegment tätiger Firmen, relativ niedrige Forschungs- und Entwicklungsquote (dafür hoher Bildungsaufwand), geringe Patentaktivität, geringer Umfang von Venture-Capital Markt > österreichische „Technologielücke“ Oft ist von Österreich als Weltmeister auf schrumpfenden Märkten die Rede Pessimistisches Bild widerlegt durch günstige oder durchschnittliche Entwicklung von Einkommensniveau, Beschäftigung und Wachstum in den letzten drei Jahrzehnten, z. B. BIP pro Kopf zu Kaufkraftparitäten 1999 um 10% höher als EU-Wert 1970-2000 reales BIP pro Kopf um durchschnittlich 2,7% pro Jahr gewachsen, stärker als in der EU 2,4% bzw. in Deutschland 2,2% ; Beschäftigung 0,4 per anno wie EU, besser als Deutschland 0,3% Österreich erheblicher Wachstumsvorsprung gegenüber EU in den 70ern, in 80ern und 90ern entsprach Wachstum lediglich EU-Durchschnitt (trotz deutscher Wiedervereinigung und Ostöffnung) Reales BIP entwickelte sich v. a. in Phasen der Rezession günstiger als in den EU-Ländern trotz intensiver Außenhandelsverflechtungen und Exponiertheit gegenüber int. Entwicklungen – Täler der Abschwungphasen (1975, 1981, 1993) weniger tief als in D oder EU Wesentlicher Grund über das Sozial- und Steuersystem wirksame automatische Stabilisatoren (z. B. Abfederung von Einkommenseinbußen durch Arbeitslosenversicherung und Schwankung der direkten Steuerleistungen) Strukturdefizite: Wertschöpfungsanteil besonders technologieorientierter Branchen unterdurchschnittlich (deutlich geringer) > Strukturdefizite in Form geringer Spezialisierung auf dynamische technologieorientierte Branchen belasten langfristige Wachstumschancen eines Landes Österreichs hohe positive Wachstumsdifferenz gegenüber der EU ist einer durchschnittlichen Leistung gewichen – zusätzliche Wachstumseffekte durch catching up bereits ausgeschöpft, gesamtwirtschaftliche Belastung durch anhaltende Strukturdefizite zunehmend spürbar Wachstumsperformance einer Volkswirtschaft von vielen, sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren bestimmt Auf Österreich positiv ausgewirkt haben sich 1)Wirtschaftsgeographie – Standort 2) Makropolitik 3) Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen 4) eine als „adaptive Spezialisierung“ umschriebene Form unternehmerischer Kompetenz ad 1) Doppel-Integration durch EU-Beitritt und gleichzeitig enge Handelsverflechtungen mit ostmitteleurop. Ländern – attraktiver Standort profitiert von hoher Wirtschaftskraft in Süddeutschland und Norditalien wie von durch Ostöffnung freigesetzter Dynamik Wechselkursbindung an DM, EU-Beitritt und Währungsunion bedeutende integrationspolitische Weichenstellungen – nächster Integrationsschub Osterweiterung (dazu Erschließung von Verkehrs- und Kommunikationswegen) ad 2) Österreichs überdurchschnittliche Wachstumsperformance aus kohärentem System der makroökonomischen Steuerung erklärbar (antizyklische Fiskalpolitik, Inflationskontrolle durch Hartwährungspolitik – Vollbeschäftigung und Wachstum oberste politische Priorität) _ Grundlagen eines eigenständigen Modells schrittweise abhanden gekommen > Österreich nicht mehr in Aufholphase – nationale Handlungsspielräume in Geld- und Fiskalpolitik zunehmend beschränkt – makropolitische Steuerung Aufgabe der europäischen Politik mit neuem Abstimmungs- und Koordinationsbedarf ad 3) Sozialpartnerschaft Vorteil hohe gesamtwirtschaftliche Reallohnflexibilität mit Rücksicht auf makroökonomische Ziele wie Beschäftigung und Inflationsentwicklung – Institution geriet zunehmend unter Druck – Konsensprinzip schwerfällig Sozialpartnerschaft trug erfolgreich zu Stabilität und Kontinuität der makroökonomischen Entwicklung bei – wird aber für das Fehlen von Strukturreformen verantwortlich gemacht ad 4) adaptive Spezialisierung > gute Einbettung der österreichischen Sachgüterproduktion in europäische Produktionsstrukturen – Fehlen technologieorientierter Branchen z. T. durch Qualitätsverbesserungen innerhalb bestehender Strukturen kompensiert, überdurchschnittliche Innovationsaktivität von Kleinbetrieben Vergleich des Wirtschaftswachstums Österreich, BRD, europ. OECD-Staaten 1913 – 1979 (durchschn. jährl. reales Wachstum des BNP) Zeitraum 1913-1938 1953-1962 1962-1967 1967-1974 1974-1979 Österreich -0,4 6,3 4,3 5,2 2,7 BRD europ. OECD-Staaten 6,8 3,6 4,4 2,8 1,2 4,8 4,4 4,6 2,5 EU-15 1961-1973 1974-1985 1986-1990 4,9 2,3 3,2 4,3 1,7 3,4 4,8 2,0 3,2 1991-1995 1996-2001 1,9 2,4 2,0 1,9 1,5 2,6 Entwicklung des BIP: real, also preisbereinigt ist das BIP im Durchschnitt der Jahre 1950 bis 1993 um 3,8% jährlich gewachsen – höchstes Wirtschaftswachstum 6,5% real in 50ern, 4,7% in 60ern, 3,7% in 70ern, 2,3% zw. 1983 und 1993, danach um die 2% Weitere Paradoxa Enorm rasche Identitätsbildung einer kleinstaatlich organisierten Gesellschaft Kleinstaat bedeutet soziale, ökonomische sowie politische Sicherheit, heute angesichts EU bedroht, v. a. durch Ostkonkurrenz Eben errichtete nationale Identität befindet sich heute in Konkurrenz zu drei massiven Änderungen der sozioökonomischen Rahmenbedingungen: je stärker Globalisierung, europäische Integration und europäische Erweiterung Lebenswelten der Menschen erreichen > desto intensiver Rückzug auf nationale Identitätscluster, stärker werdende Identifikation mit Heimatorten und Regionen, Rückgriff auf enge und traditionelle nationale Wertsysteme Derzeitiges Manko: stärkere emotionale Bindung an europäische Institutionen Diskussion um Staatsnation als politische Willensgemeinschaft betont politische Gemeinsamkeit aller auf dem Territorium des Staates lebenden Bürger im Gegensatz zur Kulturnation, österreichische Gesellschaft, (groß)teils auch Parteien forcieren deutlich kulturnationale Elemente Österreich betrachtete sich (bereits in der ZKZ) nicht mehr als Einwanderungsland, sondern als neutrales Asylland: Flüchtlinge sollten nicht primär in Österreich integriert werden, sondern möglichst rasch weitergereicht werden, das Image sah anders aus, 1956 Ungarn, 1968 oder 1981 (Kriegsrechtsverhängung in Polen), jedoch auch da eher Transitland Mit Ende des Kalten Krieges heftige Flüchtlingsdebatte, Szenario einer Bedrohung aus dem Osten Relativ hoher Ausländeranteil, jedoch hohes rassistisches Potenzial, Angst und Ablehnung besonders dort stark, wo kaum Ausländer leben Vergangenheitsbewältigung Gründungsmythos der 2. Republik Opfermythos (basierend auf Moskauer Deklaration 1943) – breite Opfermehrheit von überlebenden Soldaten und der Homefront Generation begräbt Gräben der Konflikte der Zwischenkriegszeit, Österreich auch aus Kriegsschulddiskussion herausgenommen große Bedeutung für Identitätsstiftung ähnlich Heimatkultur der 50er Jahre: völlig verkitschte Reproduktion einer artifiziellen Volkskultur wichtig für Identitätsbildung, v. a. für Abgrenzung von Deutschland 1965 Borodajkewycz-Affäre 1970 in Kreisky Regierung 4 Minister mit NS-Vergangenheit 1975 Kreisky-Peter-Wiesenthal 1986 Waldheim-Affäre 1988 Thomas Bernhards Heldenplatz, Mock und Haider für Aufführungsverbot, Vizekanzler für Publikumsboykott, Haider erklärt öst. Nation zur „ideologischen Missgeburt“ 1991 Lob Haiders für ordentliche Beschäftigungspolitik des NS; Erklärung Bundeskanzler Vranitzkys vor öst. NR: Viele Österreicher waren an den Unterdrückungsmaßnahmen und Verfolgungen des Dritten Reiches beteiligt, zum Teil an prominenter Stelle Mit erhöhter Arbeitslosigkeit (und Zuwanderung) Zunahme der Fremdenfeindlichkeit 1993 FPÖ-Volksbegehren zur Ausländerpolitik mit Titel Österreich zuerst (417.000 Stimmen) Reaktion Gründung des LIF, Lichtermeer, Ende 1993 (-1997) Beginn der Briefbombenserie – Beginn der Schmarotzerdiskussion bzw. Diskussion um Grundeinkommen/Basislohn Zorn bzw. Ohnmacht insb. der Modernisierungsverlierer Vergleich der wirtschaftlichen Performance zwischen der 1. bzw. 2. Republik Größte Erfolgsstory Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft nach 1945 Schätzung Seidel 1952 nach Schillingstabilisierung: Geldvermögen privater Haushalte auf 5% des BIP geschätzt, 2004 130 Prozent Nachkriegsboom nach 1945 als Resultat eines sehr tiefgehenden Bruchs mit vorangegangenen Bedingungen: die von Notwendigkeiten des Wiederaufbaus, der gemeinsamen Erfahrung des Nationalsozialismus und der Auslandshilfe geprägte Konsensbereitschaft und Pragmatik der Wirtschaftspolitik nach 1945 habe zusammen mit einschneidenden Änderungen der Wirtschaftsordnung, der Wirtschaftsstruktur und der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen das außerordentliche Wachstum begünstigt 1918 und 1945 Desintegration, aber mit unterschiedlichen Auswirkungen beide Male Inflation – nach 1945 schneller beseitigt > aber rascher Wiederaufbau auf Konsumverzicht (Währungsreform) basierend beide Male Auslandshilfe – Marshall-Plan weit wirkungsvoller – indirekt ähnlicher Zwang > Westorientierung unterschiedliche psychologische Ausgangssituation Diskussion über wirtschaftliche Nichtlebensfähigkeit, dahinter pessimistische Einschätzung des Kleinstaates insgesamt – Österreichbewusstsein muss erst entwickelt werden nach 1945 „Überwindung des Lagerdenkens“ – dazu „verhilft“ auch Opfermythos Konsensbereitschaft findet auch in Sozialpartnerschaft Ausdruck unterschiedlicher Wirkungsgrad der internationalen Institutionen bessere Koordination der ökon. Beziehungen über eine Reihe supranationaler Institutionen GATT, IMF, Weltbank internat. Währungssystem – Marshall-Plan Grundlage eines neuen World Systems unter US-amerikanischer Herrschaft unterschiedliche wirtschaftspolitische Konzepte Grundlage stabile pluralistische Demokratien Hauptfaktoren der österreichischen Politik-, Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung Enges Verhältnis Banken, Industrie und Staat – Verstaatlichung – Sozialpartnerschaft – Konsensdemokratie Enge finanzielle und personelle Verflechtung zwischen Banken und Industrie bzw. auch Wirtschaftsinstitutionen ist ein Charakteristikum der österreichischen Wirtschaftsentwicklung (ähnlich Deutschland) mit Nachwirkungen bis heute: gering entwickelter Kapitalmarkt, gering entwickeltes Privatkapital (zeigte sich 1945 bei Verstaatlichung, zeigt sicher aber auch bei Privatisierungen) heute Politik der Veräußerung von Industriebeteiligungen Verstaatlichungskonsens einer der Grundlagen für das korporatistische Wirtschaftsmodell Umfasste rund ein Fünftel der öst. Industrie (mehr noch bezüglich Exportanteil), besonders hohe Anteile in Grundstoffindustrie (Kohle, Eisen, Stahl, Kupfer, Aluminium, Blei, Zink – Maschinenindustrie) Verstaatlichte Industrie zählt 1946 rd. 56.000 Beschäftigte, 1950 83.100, 1955 123.300 (rund 40% der verstaatlichten Unternehmen mit 28.000 Beschäftigten in Sowjetzone), 1960 130.900, bis Anfang 70er Abfall auf 110.760 1970, danach wieder leichter Anstieg auf 116.600 1980, 1985 102.160, 1990 83.100, 1993 64.900, 1995 18.900, 1999 1.200 (mit Mehrheitsbeteiligung der ÖIAG - unter Berücksichtigung von Minderheitsbeteiligungen 65.200) Funktion der Subventionierung der Privatindustrie (Eisen und Stahl) wird zunehmend Hindernis für Weiterentwicklung (etwa auch der Produktpalette) – lange Zeit de facto Unkündbarkeit – Kreisky-Politik teuer, beispielsweise trotz Produktionsrückgängen in den 70ern kein Beschäftigtenrückgang, erst zu Beginn der 80er Lösung der Probleme wird zunächst in Konzentration gesehen 1973 VOEST Alpine (Böhler, Schoeller-Bleckmann) insgesamt 67.000 Beschäftigte; 1974/75 Gründung der Vereinigte Edelstahlwerke VEW 1974 stürzt europäische Nachfrage nach Stahl(produkten) ab, zugleich bleibt zwischen 1973 und 1980 Beschäftigtenzahl des VOEST-Konzerns konstant bis 1978 ausgeglichene Bilanzen – dann generell negative Ergebnisse, aber bis 1985 nicht katastrophal 1995 Verkauf bzw. Teilprivatisierung der VOEST Alpine Stahl AG (Staat behält 43,3 % der Aktien) Sozialpartnerschaft große Zeit 1960-1975 Nach 1945 (Weiter)Entwicklung der Sozialpartnerschaft > zentral dabei informeller Interessen- und Konfliktausgleich 1945 Gründung einer straff und zentralistisch organisierten Gewerkschaftsbewegung SPÖ dominiert, 1946 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hier ÖVP über Öst. Wirtschaftsbund entscheidende Positionen, mit Arbeiterkammern und Landwirtschaftskammern Netzwerk der Sozialpartnerschaft 5 Preis-Lohnabkommen 1947-51 erste Schritte in Richtung der österreichischen Sozialpartnerschaft Institutionalisierung eines außerparlamentarischen Wirtschaftsdirektoriums (Präsident ÖGB, Vereinigung Österreichischer Industrieller, Arbeiterkammer, Bundeswirtschaftskammer) kritisiert als formale Desavouierung des parlamentarischen Systems Streikwelle 1956 führt 1957 zur Einrichtung der Paritätischen Kommission für Lohn- und Preisfragen (Regierungsvertreter, ÖGB, Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer und Österreichischer Arbeitkammertag) Prinzip der Einstimmigkeit, daher Zwang zum Kompromiss sowohl beabsichtigte Preiserhöhungen wie geplante Lohnforderungen müssen an Paritätische Kommission herangetragen werden 1962 Raab-Olah-Abkommen zur Stabilisierung der Löhne und Preise - Festlegung auf Geldwertstabilität und Wirtschaftswachstum 1963 dritter Unterausschuss der Paritätischen Kommission Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen Auf Olah folgt 1963 Benya, auf Raab Sallinger, beide 23 Jahre lang wesentliche Akteure in der Entscheidungsfindung 1959 Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 45 Stunden Auswirkungen: bestimmte gesellschaftl. Positionen in der Bürokratie, der Sozialversicherung, der verstaatlichten und halbverstaatlichten Wirtschaft, den Banken über die jeweiligen Regierungsparteien zugewiesen > Patronagesystem Gesellschaftliche Funktion: Verhandlungseinigung über Lohnfragen, über Probleme des Arbeits- und Sozialrechtes Grundlage: Pflichtmitgliedschaft in den Kammern – durch EU-Beitritt Einbuße an Regelungskompetenzen Sozialpartnerschaft gehörte zu den international erfolgreichsten wirtschaftspolitischen Steuerungssystemen, sowohl hinsichtlich der Stabilisierungseffekte (Kombination niedriger Arbeitslosenquoten und Inflationsraten) aber auch unter längerfristigen Wachstumsaspekten > institutioneller Standortvorteil – Stabilisierung langfristiger unternehmerischer Erwartungen Spezifíkum eines Verbandseinflusses auf Marktwirtschaft erfuhr in Österreich besondere Ausprägung durch mehrfache Personalunion von zentralen Akteuren der Sozialpartnerschaft in Regierung, Parlament und Interessenvertretung, In 1980ern, 90ern erste Krisensymptome der Sozialpartnerschaft 1978 Zwentendorf, 1984 Hainburg, bei Reorganisation der Verstaatlichten 1990er, in Frage der EU-Osterweiterung seit 1997/98, Scheitern der Sozialpartnerschaft an Pensionsreform 1997, zunächst Distanz SPÖ – Gewerkschaftsbewegung, durch Koalition ÖVP-FPÖ Achse ÖVP-Bundeswirtschaftskammer brüchiger Positive Auswirkung: politischer Friede, geringe Streikintensität Negativ: verlangsamter Strukturwandel, Behinderung von Importen zulasten der Verbraucher, wenig Preiswettbewerb bei Konsumgütern Österreich ist Konsens- bzw. Konkordanzdemokratie mit strengem Proporz, wobei ursprüngliche Kontrollfunktion einer totalen Machtaufteilung wich, engmaschiges Beziehungsgeflecht zw. Interessenverbänden, Parteien und Staatsapparat > Ämterkumulierung 1949-1963 strittige Materien waren Koalitionsausschuss vorzulegen, von diesem ausgehandelte Regierungsvorlagen mussten von SPÖ- und ÖVP-NR einstimmig verabschiedet werden, zugleich Proporz für Verwaltungsposten in Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt Herrschaft der Großen Koalitionen (GK) 1947 beenden Kommunisten ihre Regierungsbeteiligung, 1947-1966 GK, dann Alleinregierungen bzw. Kl. Koalition, 19872000 GK; nach Wahlerfolg der FPÖ 1999 (zweitstärkste Partei) 2000 Kleine Koalition ÖVPFPÖ unter Schüssel > internationale Sanktionen; vielleicht in Zusammenhang damit 2000 Zwangsarbeiterentschädigung, 2001 Rückerstattung geraubten jüdischen Vermögens 2. Republik am 27. April 1945 durch polit. Parteien gegründet, deren Funktionen weit über Kernfunktionen von Parteien in Demokratien hinausgingen > in Gerichtsbarkeit Verfassungsgerichtshof von ÖVP und SPÖ im Gleichgewicht besetzt > in Medien, bis 1967 Radio schwarz, Fernsehen rot, auch fast alle Zeitungen so etikettiert > in Wirtschaft detto, insb. durch Verstaatlichung der politische Minderheiten ausschließende Aspekt der Konkurrenz- oder Mehrheitsdemokratie wurde ersetzt durch den Mehrheit und Minderheit aufhebenden Aspekt der Konkordanz- und Konsensdemokratie, nach Ende der Zeit der Großen Koalitionen 1966 erhielt Sozialpartnerschaft besondere Bedeutung > auffallende Konzentration des Parteiensystems bis 70er Jahre 90% entfielen auf Großparteien SPÖ bzw. ÖVP; Wahlreform 1971 diente strategischer Option zugunsten einer Kleinen Koalition auffallende Mitgliederstärke und Organisationsdichte der Parteien > jede Partei verfügte über Jugend- und Seniorenorganisationen, Kultur- und Sportverbände SPÖ 1949 614.366 1959 710.378, 1979 721.262, 1990 über 620.000, 1994 512.800, 2005 350.000 ÖVP steigt von 485.000 1949 auf 720.000 (1970 und 1979) 1994 579.000, 2005 630.000 Parteien der Zweiten Republik in auffallender Kontinuität zu Parteien der Ersten Republik in ÖVP Leopold Figl, Leopold Kunschak, Julius Raab, Kurt Schuschnigg allerdings gebeten, nicht nach Österreich zurückzukehren - in Parteiname Distanzierung von Tradition des Politischen Katholizismus > bündische Struktur dominant - in SPÖ Karl Renner, Adolf Schärf, gerade Kreisky stand für Teil, der aus Österreich vertrieben worden war Politisch nach 1945 Konflikt zw. rotem Wien und schwarzer Provinz abgeschwächt, 1945 Kärnten fällt an SPÖ, 1964 das Burgenland > SPÖ wurde zu gesamtösterreichischer Volkspartei, auf anderer Seite Urbanisierung der ÖVP 1975 Parteiengesetz öffnet direkter staatlicher Parteienfinanzierung Tür und Tor, damit aber auch andere Parteien verstärkt wettbewerbsfähig VdU bzw. FPÖ können wegen Ausschlusses der Minderbelasteten bis 1949, der Schwerbelasteten bis 1955 nicht an Größe des alten deutschnationalen Lagers anschließen FPÖ hat Mühe, die von den beiden Großparteien gemachte Erfolgsgeschichte mitzuvertreten, zu sehr fühlten sie sich von Anfängen und Eckpfeilern dieser Erfolgsgeschichte ausgeschlossen, erst als die Parteien immer weniger Zugang zu Posten und Karrieren, Wohnungen und Sozialleistungen kontrollieren konnten, ab ung. 1986, sichert Kritik am Proporzsystem auf einmal Erfolg Funktionen und Strukturen des öst. Parteienstaates gleichen sich jedoch immer mehr anderen liberalen Demokratien an Österreich ist ein Parteien- und Verbändestaat par excellence mit bis zur Trendwende weitgehend verstaatlichtem Bankenwesen und verstaatlichter Großindustrie, ein Zuteilungsstaat mit den Regulativen der Sozialpartnerschaft und umfangreichen geschützten Sektoren des Wohnungs- und Arbeitsmarktes, welche einen regionalen Disparitätenausgleich bewirkt und Segregationsprozesse hintangehalten haben. straff zentralistisch organisierter Gewerkschaftsbund als unsichtbarer Teilhaber in der Regierung, große Bedeutung der Selbstverwaltungskörper mit Zwangsmitgliedschaft, Arbeiter-, Wirtschaftskammer Sozialpartnerschaft eines der erfolgreichsten Beispiele eines korporatistischen Systems, lange wesentlich für Einkommenspolitik und für Koordination konjunkturpolitischer Maßnahmen Politische Landkarte ist föderalistisch differenziert: Länder für Gestaltung der Kulturlandschaft und soz. Infrastruktur, Landesgesetze regeln Raumordnung und Raumplanung, Flächenwidmung, Spitäler und Volksschulwesen Hohe Parteimitgliedschaft, viele Vorfeldorganisationen wie Sport- und Autoclubs Parteibuch nützlich, um im öffentl. Dienst unterzukommen, um zu Wohnung oder Anstellung zu gelangen Proporz im öffentlichen Sektor, bei Beamten und Lehrern, beim Management in Verstaatlichter, bei Gebietskörperschaften, bei Sozialversicherung, beim ORF und neuerdings bei EU-Bürokratie Erfolg der Politik: hohes Beschäftigungsniveau, geht zu Lasten der Einkommensverteilung, insbesondere Frauen schlechter bezahlt Duale Ökonomie bzw. Arbeitsmarkt, großer geschützter Sektor 1988 waren über 40% dem geschützten Arbeitsmarktsegment zuzurechnen (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung, Interessenvertretungen und religiöse Einrichtungen, Gemeinwirtschaft) weiteres Kennzeichen geringe Mobilität ÖVP 1945-70 Bundeskanzler, vier Jahre in Alleinregierung, 20 Jahre in Großer Koalition; SPÖ von 1970 bis 1999, 13 Jahre in Alleinregierung, dreizehn Jahre in Großer Koalition, vier Jahre in Kleiner Koalition mit FPÖ Mitte der 60er steigt Anteil der Wechselwähler stark an; Bruchlinie 1970er Erosion der politischen Lager(mentalität), verstärkt ab Mitte der 1980er Jahre mit starker Umweltbewegung und einem erfolgreichen Rechtspopulismus um Jörg Haider und die FPÖ Entwicklung einer Gegenöffentlichkeit oft regierungs- und oppositionsabhängig: Opposition gegen Zwentendorf und Kraftwerk in Hainburger Au, zwei Konfrontationen, in denen Sozialpartnerschaft große politische Niederlage erfuhr Große Rolle dabei spielen Zeitungen, auffällig ist enorm hohe Medienkonzentration Österreich ist hoch entwickelter sozialer Wohlfahrtsstaat mit flächig ausgebreitetem und ausgeprägtem sozialen Zuteilungssystem, mit hohem Konsumstandard der Bevölkerung und teilweise noch trad. Rahmenbedingungen der Arbeitsorganisation sowie mit hohem ökologischen Bewusstsein der Bevölkerung Wirtschaftswachstum und hohe Produktivität sichern Masseneinkommen, die entsprechenden Lebensstandard und nahezu sorgloses Konsumieren ermöglichen, Wachstumsgesellschaft denkt nicht an Grenzen: Überspannung der Staatsfinanzen, Verschuldung und Leben auf Kosten nachfolgender Generationen > Wegwerfgesellschaft, die die ökologischen Gefahren missachtet, sind Resultate der Wachstumsgesellschaft Umweltfrage wird Bewährungsprobe der modernen Industriegesellschaft 1971 System fixer Wechselkurse auf System flexibler Wechselkurse umgestellt, 1973/79 Ölpreisschocks mit anschließender Stagflation Österreich federt Schock relativ gut ab, jedoch steigende Bundesschuld von 27 auf 46% des BIPs zw. 1981 und 1987 80er 90er Bruchlinie Ende des Keynesianismus, Rückbau des sozialen Wohlfahrtsstaates neue Herausforderungen und Rahmenbedingungen auf etlichen Ebenen Entindustrialisierung im Zeichen des Postfordismus, durch EU-Beitritt geht Investitionsförderung zurück, Kampf einzelner Regionen um EU-Fördermittel, gravierende Änderungen in Wettbewerbspolitik, in Landwirtschaft bewirkte Beitritt weitgehenden Bruch vom Förderungssystem, zwei österreichische Lösungen Ökologisierung der Produktion bzw. Stabilisierung, Erweiterung und Professionalisierung des Urlaubs auf dem Bauernhof Redimensionierung im tertiären Sektor, von Tourismus, Geldwesen und Einzelhandel, gleichzeitig durch neue Herausforderungen Anwachsen des Pflegesektors erwartet Schwächung Gewerkschaft, Zunahme der Ausländerbeschäftigung, Abnahme Frauen in bestimmten Wirtschaftsbereichen Rasant steigende Arbeitslosenzahlen belegen Ende eines österreichischen Sonderwegs der Wirtschaftspolitik, besondere Risikogruppen unter Arbeitslosen, 40% der Arbeitslosen stammen aus Saisonbranchen (Bau, Beherbergungswesen, Land- und Forstwirtschaft), räumlich periphere Regionen mit hohem Anteil an Saisonarbeitsplätzen, alte Industriegebiete, die Strukturwandel nicht bewältigt haben, und Städte Wenn Massenarbeitslosigkeit bedrohlicher wird und das System der sozialen Sicherheit und des Sozialstaats immer mehr in die Krise gerät, besteht Gefahr, dass soziale Spannungen stärker werden