Knut Mellenthin Der „Fürst der Finsternis“ denkt längst über Irak hinaus Richard Perle - mächtig auch ohne Regierungsamt Den Spitznamen "Prince of the Darkness", Fürst der Finsternis, haben ihm seine Bewunderer und Schmeichler gegeben. Er hat nicht einmal ein Regierungsamt, ist aber einer der mächtigsten Männer der USA: Richard Perle, Vorsitzender des Defense Policy Board, des einflussreichen Beratergremiums im US-Verteidigungsministerium, dessen rund 30 Mitglieder langjährige Spitzenpolitiker und hohe Militärs sind. Das Gremium kam im Sommer 2002 in die Schlagzeilen, nachdem bekannt wurde, dass auf einer Sitzung ein geladener Referent die Besetzung der saudi-arabischen Ölquellen, die Aufteilung des Landes und die Beschlagnahme der saudischen Vermögen in den USA (schätzungsweise 1000 Milliarden Dollar) vorgeschlagen hatte. Von etwa zwei Dutzend Anwesenden habe sich nur der ehemalige Außenminister Kissinger gegen diesen Plan ausgesprochen, wusste die "Washington Post" zu berichten. Richard Perle ist der Kopf eines Netzwerks von Organisationen und Einrichtungen, deren gemeinsamer Nenner das auch mit militärischen Mitteln durchzusetzende Projekt eines allgemeinen "Regime-Wechsels" im gesamten Nahen und Mittleren Osten ist. Im Gespräch mit der "Zeit" (5.12.2002) sagte Perle: "Überall in der Region treffen wir auf sogenannte failed states, auf korrupte Machthaber, auf einen Mangel an Demokratie und Wandel. (...) Die ganze Region wird sich vor den winds of change fürchten müssen. Der Sturz von Saddam und die Demokratisierung des Iraks werden enorme Auswirkungen haben, auch auf SaudiArabien." Neue Domino-Theorie macht die Runde Eine neue Domino-Theorie macht in amerikanischen Regierungskreisen die Runde: Der vom amerikanischen Militär erzwungene Sturz Saddam Husseins werde die Opposition im Iran beflügeln und den schnellen Zusammenbruch der Mullah-Diktatur herbeiführen. Das syrische Regime könnte sich dann, eingekeilt zwischen Israel und pro-amerikanischen Regierungen in Jordanien, Irak und Iran, ebenfalls nicht mehr lange halten. Als nächstes würde auch die Herrschaft der Saudis stürzen, zumal die Besetzung Iraks mit den zweitgrößten Ölvorkommen der Welt die wirtschaftliche Bedeutung des saudi-arabischen Öls verringern und den Ölpreis in den Keller sacken lassen würde. Das würde als Nebeneffekt auch die russische Wirtschaft, die weitgehend auf dem Öl-Export beruht, schwer treffen. Richard Perles politische Karriere begann als Mitarbeiter des einflussreichen Senators Henry Jackson in den Jahren 1969-1980. Der 1983 verstorbene Jackson, ein Rechtsaußen in der Demokratischen Partei, gilt seinen Bewunderern heute noch als "standhafter Gegner der Sowjetunion" (sowie der SALT-Abrüstungsabkommen und überhaupt der Entspannungspolitik) ebenso wie als "großer Freund Israels". Als der Republikaner Ronald Reagan 1981 mit einem aggressiven Programm zur Zerstörung des "sowjetischen Imperiums" Präsident wurde, trat Perle als Staatssekretär für Internationale Sicherheitspolitik im Pentagon in die Regierung ein. Er hatte dieses Amt bis 1987 inne. Aus dieser Zeit stammt Perles enge Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Douglas Feith, dem jetzigen Staatssekretär des Pentagon für Politik. Damals war Feith Sonderberater von Perle. Netzwerk für den Krieg Zu einem großen Teil sind es immer wieder dieselben Personen, die in den Spitzenpositionen der verwirrend vielen Komitees, Think Tanks und Stiftungen sitzen, die das "neokonservative" Netzwerk bilden. Perle als einer der zentralen Konstrukteure und Organisatoren dieses Netzwerks ist oder war in den Beiräten und Vorständen von mindestens einem Dutzend dieser Vereinigungen vertreten. Nur die wichtigsten sollen im Folgenden genannt werden. * Perle war einer der Vorsitzenden des Committee for Peace and Security in the Gulf, das 1990-91 mit lobbyistischen und publizistischen Mitteln für den ersten Irak-Krieg warb. Dem Komitee gehörten u.a. auch der jetzige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sein Stellvertreter Paul Wolfowitz und Staatssekretär Douglas Feith an. Ende der 90er Jahre wurde das Komitee wiederbelebt, um mit Anzeigen Druck auf Präsident Clinton zum militärischen Sturz Saddam Husseins zu machen. * 1999 gehörte Perle dem Exekutivkomitee des Balkan Action Committee an. Aufgabe der kurzlebigen Einrichtung: Propaganda für den wochenlangen Bombenkrieg gegen Jugoslawien und für den Einsatz amerikanischer Bodentruppen. Ebenfalls im Exekutivkomitee: Rumsfeld und Wolfowitz. * Perle gehört dem Führungskreis, dem sogenannten Golden Circle, des amerikanischen Committee for a Free Lebanon (USCFL) an. Das USCFL präsentiert sich auf seiner InternetHomepage mit einem Steckbrief der "meistgesuchten Förderer des Terrorismus". Neben den Staatschefs von Syrien, Libyen, Sudan, Iran und Nordkorea erscheint dort auch ein Bild von Fidel Castro. Dem "Golden Circle" gehörte bis zu seinem Regierungseintritt auch PentagonStaatssekretär Feith an. * Perle ist Mitglied des Beirats des vor einigen Wochen gegründeten Committee for the Liberation of Iraq. Neben Perle gehören dem Beirat u.a. zwei Militärs an, denen Kriegsverbrechen im Vietnam-Krieg und im ersten Irak-Krieg vorgeworfen werden, sowie zahlreiche bekannte Aktivisten des von Perle geführten Netzwerks, wie beispielsweise die frühere amerikanische UNO-Vertreterin Jeane Kirkpatrick und Clintons CIA-Chef James Woolsey. * Perle gehört den Beiräten des Washington Institute for Near East Policy (WINEP) und des Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA) an. Beide Einrichtungen sind dem Likud-nahen Flügel der amerikanischen "pro-Israel-Lobby" (die sich dort offiziell so nennt) zuzurechnen. Im JINSA-Beirat sind auch die eben erwähnten Woolsey und Kirkpatrick, langjährige Weggefährten Perles. Pentagon-Staatssekretär Feith war früher Vizevorsitzender des JINSA-Beirats. * Perle ist Mitglied des Direktoriums des Committee on NATO. Diese Einrichtung setzt sich dafür ein, die osteuropäischen Beitrittskandidaten möglichst schnell in die NATO aufzunehmen - ein Ziel, das inzwischen weitgehend erreicht ist. Das Komitee wird, laut Angabe auf seiner Homepage, gesponsert von lettischen Exilorganisationen. * Perle gehört dem Beratergremium (Board of Trustees) der amerikanischaserbaidschanischen Handelskammer an. Dieses Gremium ist erstaunlich hochkarätig besetzt, u.a. mit Henry Kissinger und (bis zu seinem Regierungseintritt) mit dem jetzigen Vizepräsidenten Dick Cheney. Die Bedeutung der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan in diesem Zusammenhang ergibt sich nicht nur aus ihren Erdölvorkommen, sondern auch als Zwischenstation für hochfliegende Pipeline-Projekte, die das Territorium Russlands umgehen sollen. * Perle ist Beiratsmitglied der Foundation for the Defense of Democracies, die sich nach eigener Aussage dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus widmet, tatsächlich aber auf ihrer Webseite vor allem Kriegsstimmung gegen die arabischen Staaten zu schüren bemüht ist. Eng mit der Stiftung verbunden ist das Saudi Institute, vermutlich Keimzelle eines zukünftigen "Komitees für die Befreiung Saudi-Arabiens". Neues Deutschland, 31. Dezember 2002