FR EU HSTÜCK IM KANZLERAMT EU-RATPRÄSIDENTSCHAFT : FRANKREICHS EUROPAKURS Vendredi 12 septembre 2008 – 10h00 Sehr geehrte Damen und Herren, Die Wille des französischen Präsidenten war, dass diese EUPräsidentschaft, die am 1. Juli begonnen hat, sich im Dienste des Allgemeinwohls Europas stellt, und dass sie zur Weiterentwicklung der Idee „Europas“ in der öffentlichen Meinung beiträgt. Durch das Ergebnis der irischen Volksabstimmung ist dieses Anliegen, das seit mehreren Monaten immer wieder hervorgehoben wird, besonders relevant geworden. Für Frankreich war dies einer der Hauptgründe dafür, Prioritäten auszuarbeiten, die sich auf die Besorgnisse der europäischen Bürger konzentrieren. I – Bevor ich zu dem Arbeitsprogramm unserer EU-Präsidentschaft komme, möchte ich zuerst ein paar Worte über den Hintergrund der frz. Präsidentschaft sagen. a) Auf internationaler Ebene ist die wirtschaftliche und finanzielle Lage aufgrund der Verschlechterung der Ernährungssituation und der Preiserhöhung immer noch instabil. Außerdem steht Europa vor anhaltenden Krisengebiete (Irak, Afghanistan), bzw. wieder aufflammenden Krisenherden (Libanon, China/Tibet). Hinzu kommen noch unvorhersehbare Krisen wie der aktuelle Konflikt in Georgien, der Hauptthema des informellen Treffens der Aussenminister (Gymnich) von Avignon war. b) Ausserdem fällt die französische EU-Präsidenschaft zeitlich mit einem etwas ausgefüllten europäischen Zeitplan zusammen: - das Ende der Legislaturperiode des EU-Parlaments (Wahlen im Juni 2009) ; - das Ende des Mandats der EU-Kommission (Oktober 2009) : dies wird sich auf den Umfang der Unterlagen, die bearbeitet werden, sicherlich auswirken ; -1- - Zukunftsfragen: Einführung der „Reflexionsgruppe“, die vom ehemaligen spanischen Premierminister Felipe Gonzalez geleitet wird. Er wird seine Vorschläge bis Ende 2009 vorlegen und die Schlussfolgerungen sollen im 2010 vorlegen. c) Ein neuer Kontext ist auch mit dem Ergebnis der irischen Volksabstimmung vom vergangenen 12. Juni geschaffen worden. Eine schwierige Lage ist dadurch entstanden. Jedoch handelt es sich keineswegs um eine „Krise“ oder gar um einen „Abbruch“, wie es manchmal überzogen in der Presse formuliert wurde. Allerdings stellt das irische „nein“ eine politische Realität dar, die wir respektieren und akzeptieren müssen. Nun ist es wünschenswert, den irischen Behörden zur Analyse der Situation Zeit zu geben. Auf Zuhören bedacht begab sich also am vergangenen 21. Juli der französische Präsident nach Dublin. Da die Analyse der Situation noch nicht abgeschlossen ist, ist es heute zu früh, die unterschiedlichen Optionen zur Debatte zu stellen. Beim Europäischen Rat im Oktober wird vom irischen Premierminister ein Vorschlag zu einem gemeinsamen Weg an seine Partner erwartet. Wir wissen alle, dass der Lissabon-Vertrag nicht wie vorgesehen am 1. Jänner 2009 in Kraft treten wird. Aber es gibt ihn: er wurde von 27 Mitgliedsstaaten unterschrieben. Nun ist es wichtig, dass er von allen 27 Mitgliedsstaaten ratifiziert wird. 24 EU-Staaten haben ihm bis dato zugestimmt, ein Mitgliedsstaat hat ihn abgelehnt, und zwei müssen noch darüber entscheiden. Jedenfalls sind die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19. und 20. Juni diesbezüglich klar: jedwegliche Neuverhandlung ist auszuschließen. Der Lissabon-Vertrag ist nicht tot. Deshalb müssen wir uns auf alle Möglichkeiten vorbereiten. II – Bevor ich über die wichtigsten Orientierungen der französischen EU-Präsidentschaft und über die nach zwei Monate erfolgte Zwischenbilanz spreche, möchte ich das Thema der Kontinuität hervorheben: das Arbeitsprogramm des französischen EU-Vorsitzes wurde auf Basis eines 18-monatigen Arbeitsprogramms, in Zusammenarbeit mit der Tschechischen Republik und Schweden, ausarbeitet. III – Nun komme ich zu den Orientierungen der französischen EUPräsidentschaft. In den beiden ersten Monaten sind die Arbeiten über die Hauptprioritäten eingeleitet worden. Davon gibt es vier: -2- a) Erste Priorität : das Energie-Klima Paket und die Europäische Energiepolitik. Mit dem informellen Rat der Energie- und Umweltminister, der in St Cloud vom 3. bis zum 5. Juli stattgefunden hat, wurde eine Überlegung über mögliche politische Kompromisse betreffend die Legislativvorschläge des Energie-Klima Paketes eingeleitet. Ein EUFahrplan wurde festgelegt, um die Leitlinien des politischen Kompromisses bei den Räten im Oktober zu bestimmen, und anschließend, auf dieser Basis, eine Diskussion mit dem Europäischen Parlament zu führen, um bis zum Jahresende ein Abkommen in erster Lesung zu erreichen. Die Verabschiedung des Energie/Klimapaketes stellt vor der Konferenz von Kopenhagen im Dezember 2009 eine besondere Herausforderung dar. Bei dieser Konferenz werden die Verhandlungen über den Bali-Fahrplan abgeschlossen und die Klimaweltordnungspolitik für die Zeit nach 2012 eingeführt. Die EU muss eine Schlüsselrolle bei diesen Klimaverhandlungen spielen. Und deswegen ist die Verabschiedung des Energie/Klimapaketes besonders wichtig. Darüber hinaus möchte Frankreich auch zur Verbesserung der europäischen Energiesicherheit beitragen, durch Maßnahmen zur besseren Kontrolle des Energieverbrauchs, sowie durch eine verstärkte europäische Außenpolitik im Energiebereich. b) Die zweite Priorität betrifft die Migrationen. Wie Sie wissen, hat Frankreich die Verabschiedung eines europäischen Pakts für Einwanderungs- und Asylfragen an seine Partner vorgeschlagen. Mit diesem Pakt werden zum ersten Mal die Mitgliedsstaaten und die europäischen Institutionen zu gemeinsamen Handlungsmassnahmen verpflichtet, um den Migrationsstrom in allen Belangen zügeln zu können: wirtschaftliche Immigration, Kampf gegen die illegale immigration, Kontrolle der Aussengrenzen Europas, bessere Konvergenz im Bereich der Asylspolitik, Erreichen eines gemeinsamen Konzepts über partnerschaftliche Entwicklung und Entwicklungshilfe. Beim informellen Rat für Inneres im Juli (in Cannes) stiess dieser Pakt auf eine breite Zustimmung. Mehrere Länder haben den Text in seiner ursprünglichen Form, zugestimmt (Deutschland, Spanien, Griechenland, Länder der Salzburg-Gruppe). Das Ziel ist eine formelle und endgültige Annahme des Pakts anlässlich des ER vom Oktober. Ein weiteres wichtiges Ereignis unsere Präsidentschaft wird außerdem die Organisierung der zweiten euro-afrikanischen Ministerkonferenz „Rabat II“ über Migration und Entwicklung (20. und 21. Oktober in Paris) sein. Eine ministerielle Konferenz über Integration wird auch am 3. und 4. November in Vichy stattfinden. -3- c) Die dritte wichtige Priorität betrifft die gemeinsame Agrarpolitik, und zwar das „Gesundheitschecks“ der GAP. Im Hinblick auf die Kompromissvorschläge, die kommenden Herbst von der französischen EU-Präsidentschaft vorgelegt werden, wurde beim Rat « Landwirtschaft » vom 15. Juli eine Fortsetzung der Orientierungsaussprache über die Legislativvorschläge des „Gesundheitschecks“ ermöglicht. Eine Zustimmung ist für den Rat im November ersucht. Außerdem wollen wir eine Überlegung über die zukünftigen Anliegen der europäischen Landwirtschaft und der GAP nach 2013 führen. Diese Überlegung sollte zur Debatte anlässlich des Informellen Treffens am 21. September in Annecy stehen. In diesem gegenwärtigen internationalen Kontext geht es darum, einige gemeinsame Grundsätze für die GAP der Zukunft herauszuarbeiten. Sie kennen die Herausforderungen : die Unabhängigkeit und die Lebensmittelsicherheit der europäischen Verbraucher garantieren, zum weltweiten Lebensmittelgleichgewicht beitragen, sich an der Bekämpfung des Klimawandels und an der Umweltverbesserung beteiligen, das Gleichgewicht unserer Territorien erhalten. d) Vierte Priorität : die europäische Sicherheit und Verteidigung. Europa ist eine industrielle, landwirtschaftliche, wirtschaftliche und finanzielle bedeutende Macht. Dennoch, trotz der 15 auf der ganzen Welt durchgeführten Einsätze, und trotz der konstanten Fortschritte der ESVP, ist es Europa nicht möglich, als global player im internationalen Rahmen mitzuwirken. Es bleibt deshalb unter den Erwartungen. Die europäische Sicherheitsstrategie, die im Jahr 2003 verabschiedet wurde, ging aus einer Zeit hervor, in der die EU aus 15 Mitgliedern bestand und war für die damalige Bedrohung geeignet. Entsprechend der Schlussfolgerungen des EU-Rates von Dezember 2007 wird sie daher während der französischen EU-Präsidentschaft reaktualisiert. Der Hohe Vertreter Solana hat seine ersten Vorschläge anlässlich des Gymnichs von Avignon vorgelegt (auch die Energiesicherheit, und die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken, wurden den Vorschlägen beigefügt). Aufgrund der Vervielfältigung der Krisen müssen außerdem sowohl die militärischen Kapazitäten, als auch die zivile ESVP-Fähigkeit verstärkt werden. Die dafür notwendigen Instrumente müssen daher geschaffen werden. Dies wird Frankreich dazu führen, eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und der NATO vorzuschlagen, -4- insbesondere dort wo beide Organisationen gemeinsam eingesetzt werden, wie zu Beispiel in Kosovo und in Afghanistan. IV – Selbstverständlich sind andere Ergebnisse erwartet. Eine Unterstützung der Partner für die wichtigen Ziele der französischen EUPräsidentschaft ist bereits verzeichnet worden. Ich will keine Kataloge machen. Einige davon möchte ich nennen: - Erstens : auf wirtschaftlicher Ebene: Wir zielen darauf, die Stabilität und die Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verstärken. In diesem Punkt wird die französische EU-Präsidentschaft eine Einigung über die Maßnahmen zugunsten der KMU, auf der Basis des von der Kommission vorgeschlagenen « Small Business Act », anstreben. Gleichzeitig wurden die Arbeiten, die sich mit der Preiserhöhung des Erdöls befassen, anlässlich des ECOFIN-Rates vom 3. Juli eingeleitet. Ein Fahrplan wurde festgelegt und dieser Punkt wird erneut an der Tagesordnung des EU-Rates im Oktober stehen ; - Zweitens : die Bedeutung der sozialen Dimension im europäischen Aufbau möchten wir auch durch konkrete Maßnahmen bekräftigen: mehrere Themen wollen wir in Angriff nehmen, darunter insbesondere die Rückkehr auf dem Arbeitsmarkt, die Bekämpfung der Armut, die Bekämpfung der Diskriminierung, die Einführung der gemeinsamen Prinzipien betreffend Flexicurity, oder auch die Verstärkung der Rechte der Angestellten im Rahmen der europäischen Betriebsräte. Arbeiten über die Überprüfung der Europäischen Sozialagenda wurde ausserdem anlässlich des am 10. und 11. Juli in Chantilly stattgefundenen Informellen Treffens der Minister zuständig für Arbeit und soziale Angelegenheiten eingeleitet ; - eine Unterstützung von unseren Partnern im Bereich der Verstärkung der operationellen Zusammenarbeit im Bereich Polizei und Zivilschutz ist beim Treffen vom 7. Juli in Cannes erreicht worden; - selbstverständlich ist die kulturelle Dimension auch sehr wichtig für Frankreich. Wir wollen die kulturelle und Sprachvielfalt, sowie ein europäisches Kulturerbe fördern, zum Beispiel mit der Einrichtung einer digitalen Bibliothek, mit der Einführung eines Gütezeichens für europäische Erbe, und mit der Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgut. Diese Themen wurden beim informellen Treffen vom 21. und 22. Juli in Versailles behandelt; - die Jugendmobilität europaweit : wichtig ist es, dass die Jugendlichen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und ihrer Ausbildung, eine sechs-monatige Ausbildung im Ausland in Anspruch nehmen können. Somit ist die Entwicklung einer neuen europäischen Generation gefördert; -5- - was die Erweiterung betrifft, die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und Türkei werden fortgesetzt : die zwischenstaatliche Konferenz, die am 25. Juli einberufen wurde, hat eine Aufnahme der Verhandlungen mit Kroatien über das Kapitel betreffend den freien Warenverkehr, sowie das vorübergehende Abschließen der Verhandlungen über die Industriepolitik zur Folge gehabt. Diese Konferenz ist als einen ersten wichtigen Schritt des franz. EU-Vorsitzes zu bezeichnen. Bei Erfüllung der Voraussetzungen, liegt unser Ziel darin, die quasi-Gesamtheit der Verhandlungenskapitel zu eröffnen, und bis Jahresende soviel davon abschließen zu können. - Die Nachbarschaftspolitik wird durch mehrere wichtige Initiativen gekennzeichnet: Die Befestigung der Annäherung zwischen der EU und dem Balkan wird natürlich fortgesetzt; diesbezüglich hat die am 22. Juli Verhaftung von Radovan Karadzic bewiesen, dass die neue serbische Regierung sich zum Weg nach Europa bekennt. Für dieses Land ist dadurch einen neuen Kontext hinsichtlich dessen europäischen Zukunftsaussichten geschaffen, was eine Beschleunigung von weiteren erreichten Etappen zur Folge haben kann, wenn selbstverständlich die Voraussetzungen dafür vorhanden sind; Ein wichtiger Punkt der Nachbarschaftspolitik ist die Mittelmeer Union (MMU). Zum Gipfel vom 13. Juli, der unter dem gemeinsamen Vorsitz des französischen Präsidenten und des ägyptischen Präsidenten Hosni Moubarak stattfand, haben sich 43 Partner zusammengefunden. Dieser Gipfel war in mehrerer Hinsicht ein großer Erfolg. Die Schaffung einer verstärkten Partnerschaft wurde durch diesen Gipfel und durch einen politischen Impuls auf höchster Ebene ermöglicht. Die Idee, die darin besteht, dass zur Beantwortung der gemeinsamen Herausforderungen konkrete regionale Projekte verwirklicht werden müssen, war bei diesem Gipfel Gegenstand eines Konsenses. Das Niveau der Teilnehmer war unübertroffen (dass der syrische Präsident und der israelische Premierminister am selben Tisch saßen, war schon einmalig). Jedoch bleiben mehrere wichtige Fragen offen, wie zum Beispiel das Auswahlverfahren der Projekte mit regionaler Ausrichtung, das Funktionieren des Sekretariats und die Auswahl des Sitzes. Für Letztere haben sich Tunis, Barcelona, Valletta und Marseille beworben. Der gute Start der MMU sollte beim Treffen der Außenminister in Marseille Anfang November bestätigt werden; die Ost-Dimension der Nachbarschaft, insbesondere mit der Ukraine : das von der französischen EU-Präsidenschaft vorgeschlagene Paket, das ein rasches Abschließen eines Assoziierungsabkommens im Jahr 2009 ermöglicht, wurde von den Ukrainer anlässlich des Gipfels in Paris vom 9. September -6- angenommen. Trotz der politischen Krise in Ukraine ist der Gipfel ein Erfolg. - mit den « Emerging Countries » versucht die franz. Präsidentschaft, neue Partnerschaften zu entwickeln. Ungefähr zehn EU-Gipfel mit den Drittstaaten sind auf die franz. Präsidentschaftstagesordnung gesetzt worden. Der Erste fand in Bordeaux am 25. Juli mit Südafrika statt. Ein Gipfel mit Indien ist für Ende September in Marseille vorgesehen und der Gipfel mit China wird am 1. Dezember in Peking stattfinden. V – Zum Schluss, möchte ich den Willen der franz. EUPräsidentschaft, eine « bürgernahe Präsidentschaft » zu sein, hervorheben. Dieser Wille beinhaltet auch die Organisation einer « Saison culturelle européenne », die in Frankreich und in den 26 EUMitgliedsstaaten stattfindet. Mit Österreich kommt dies durch ein sogenanntes « Tandem »-Projekt im Bereich zeitgenössischen Tanzes zum Ausdruck, das im Herbst jeweils in Wien und Lyon stattfinden wird. Das ist keine erschöpfende Übersicht. In den nächsten Wochen werden die Arbeiten mit intensivem Tempo weitergeführt, sowohl im Bereich der gemeinsamen Politiken als auch im Bereich der EU-Aussenbeziehungen: das nächste, entscheidende Treffen wird kommenden Montag und Dienstag mit dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten (RAA) stattfinden, bei dem der Konflikt in Georgien und die Beziehungen zwischen Russland und der EU die Hauptthemen der Tagesordnung sein werden. Natürlich auch der Europäische Rat vom Oktober und der EU-Russland Gipfel vom 14. November. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und ich stehe Ihnen gern zur Verfügung, wenn Sie Fragen oder Bemerkungen haben. -7-