Querschnittsevaluierung Nachhaltige Kommunal- und Regionalentwicklung: Fallstudie Nigeria * Vorhaben: Zusammenarbeit mit Landtagen, speziell den Landtagen der Bundesstaaten von Plateau und Cross River sowie die Durchführung von sogenannten townhall meetings Inhalt Danksagung Abkürzungsverzeichnis 1. Executive Summary 2. Politische und soziale Dynamiken und entwicklungspolitischer Kontext der Arbeit der KAS 3. 2.1 Politische und soziale Entwicklungen 2.2 Entwicklungszusammenarbeit mit Nigeria 2.3 Die Perspektive der Nachhaltigkeit der Arbeit der KAS in Nigeria Darstellung der Schwerpunkte der Arbeit der Konrad Adenauer Stiftung: Oberziele, Ziele und Maßnahmen für Kommunal- und Regionalentwicklung 4. 5. 3.1 Die Oberziele und Ziele der KAS im Bezug auf die Arbeit in Nigeria 3.2 Vorhaben im Bereich Kommunal- und Regionalentwicklung Nachhaltigkeit der Vorhaben mit den Landtagen und der townhall meetings 4.1 Darstellung und allgemeine Bewertung des Vorhabens 4.2 Nachhaltigkeit auf der politischen Ebene 4.3 Nachhaltigkeit auf der Ebene der Partner 4.4 Nachhaltigkeit auf der Ebene der Zielgruppen Handlungsempfehlungen Anhänge: a. Literatur b. Programmablauf 1 Abkürzungsverzeichnis AU African Union BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung CIDA Canadian International Development Agency CSP Country Strategy Paper der EU DFID Department for Overseas Development, (Entwicklungsministerium Großbritanniens) DIE Deutsches Institut für Entwicklungspolitik ECOWAS Economic Community Of West African States EFCC Economic and Financial Crimes Commission EIDHR European Instrument for Democracy and Human Rights EU Europäische Union FES Friedrich Ebert Stiftung GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit HBS Heinrich Böll Stiftung ICPC Independent Corrupt Practices Commission KAS Konrad Adenauer Stiftung KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau MEND Movement for the Emancipation oft he Niger Delta Mio. Millionen MIP Multi Annual Indicative Programme der EU Mrd. Milliarden NRO Nicht-Regierungsorganisationen PDP People's Democratic Party RLS Rosa Luxemburg Stiftung UNDP United Nations Development Programme USAID United State Agency for International Development USA Vereinigte Staaten von Amerika USD US Dollar, Währung der USA 2 1. Executive Summary Die politischen Rahmenbedingungen für entwicklungspolitische Arbeit in Nigeria sind auch mehr als zehn Jahre nach Ablösung der Militärdiktatur (1999) schwierig. Innenpolitisch ist das bevölkerungsreichste Land durch häufige gewalttätige Konflikte gekennzeichnet, die immer wieder religiös und ethnisch interpretiert und instrumentalisiert werden. Die KAS hat sich in Nigeria in der aktuellen Förderperiode zum Ziel gesetzt, sowohl die Angebotsseite - Staatsparlamente der Schwerpunktstaaten Cross River, Kano und Plateau - als auch die Nachfrageseite der Politik - Wähler in ganz Nigeria und besonders in den Schwerpunktstaaten – zu stärken. Praktisch liegt der Schwerpunkt eher auf der Angebotsseite. Die KAS arbeitet in Nigeria nur durch Eigenmaßnahmen mit Partnern zusammen. Dies ist angesichts der Rahmenbedingungen und administrativen Kompetenzen der Partner eine sinnvolle Entscheidung. In den letzten Jahren konnte die Arbeit mit einigen wichtigen Partnern und Personen konsolidiert werden, mit anderen wurde die Zusammenarbeit nicht weiter verfolgt bzw. aus nachvollziehbaren Gründen beendet oder eingefroren. Die KAS arbeitet im Themenbereich Kommunal- und Regionalentwicklung in Nigeria vor allem mit den Landtagen der Bundesstaaten von Cross River und Plateau zusammen. In den letzten Jahren wurden mit Abgeordneten und Spitzenbeamten Klausurtagungen zu den Themen Haushaltsplanung und -kontrolle, Korruptionsbekämpfung, Wahlen, leadership und Wirtschaftspolitik durchgeführt. Es fanden auch anspruchsvolle Deutschlandreisen statt. Darüber hinaus fanden Dialogveranstaltungen zwischen Abgeordneten und Wählern, sogenannte townhall meetings – mit finanzieller Unterstützung der Stiftung statt, die von lokalen Organisationen durchgeführt werden. Radiosendungen ergänzen die Vermittlung politischer Bildungsinhalte seitens der Stiftung. Mit den „townhall meetings“ hat die Stiftung eine sinnvolle Fördermaßnahme begonnen, um die Rechenschaftspflicht der Abgeordneten gegenüber dem Wahlkreis zu stärken. Der Gutachter schlägt vor, Möglichkeiten zu prüfen, die Vor- und Nachbereitung der 3 townhall meetings weiter zu verbessern, u.a. durch Kontaktaufnahme mit zivilgesellschaftlichen Organisationen (ggf. über NGO Partner) und Nachbereitung (Protokoll, Archivierung, Wiedervorlage wichtiger Punkte). Allerdings ist dafür wohl zunächst eine weitere behutsame Vertiefung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Stiftung und den Abgeordneten nötig. Der Stiftung ist es gelungen, kompetente und engagierte Ressourcepersonen für die Klausurtagungen zu gewinnen, obwohl die Stiftung auch für lokale Verhältnisse nur eine bescheidene Entlohnung für diese Experten anbietet. Die Stiftung steht nach einer gewissen erfolgreichen Konsolidierung ihrer Arbeit mit den Landtagen von Cross River und Plateau State vor der Herausforderung, gemeinsam mit anderen Akteuren ergänzende Maßnahmen auf der Ebene der Wahlkreise und mit den Wähler zu identifizieren, z.B. durch Vor- oder Nachbereitung der townhall meetings. Die Stiftung könnte perspektivisch bei ihrer Arbeit auf der lokalen Ebene noch mehr als bisher auf Erfahrungen anderer Geber und Organisationen, speziell der Europäischen Union und ihrer Projektpartner, zurückgreifen. 2. Politische und soziale Dynamiken und entwicklungspolitischer Kontext der Arbeit der KAS 2.1 Politische und soziale Entwicklungen Nigeria, der bevölkerungsreichste Staat Afrikas, ist nach außen eine politisch wenig aggressive Regionalmacht, die zudem an zahlreichen Friedenseinsätzen beteiligt ist. Das Land versucht sich nach Jahren der Militärdiktatur seit gut zehn Jahren an einer demokratischen Entwicklung. Diktator Sani Abacha starb im Jahre 1998. Sein Nachfolger Abdulsalami Abubakar bereitete den Weg zu Wahlen. Die 1989 entworfene Verfassung konnte im Mai 1999 in Kraft treten. Nigeria verfügt über ein präsidiales Regierungssystem mit einem Senat (109 Abgeordnete) und einem Repräsentantenhaus (360 Abgeordnete). Es gibt ein Mehrparteiensystem und alle 4 Jahre finden Wahlen statt. Seit der Aufhebung des Parteienverbots unter Abacha hat sich eine große Vielfalt an Parteien entwickelt. Die 1998 gegründete konservativliberale People's Democratic Party (PDP) ist national die mit Abstand stärkste Partei, die über 263 von 360 Sitzen im Parlament verfügt. Goodluck Jonathan löste als 4 Vizepräsident im Mai 2010 gemäß der Verfassung den an Krankheit verstorbenen Musa Yar’Aduas ab, der 2007 unter Protesten der Wahlfälschung zum Präsidenten gewählt worden war. Nigeria ist seit 1967 in Bundesstaaten eingeteilt. Die Zahl der Bundesstaaten wurde in mehreren Reformen von zwölf auf heute 36 (seit 1996) erhöht. Nigeria ist die stärkste Macht in Westafrika und hat innerhalb der Afrikanischen Union (AU) und der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) eine wichtige Stellung, die es jedoch noch nicht ausreichend nutzen konnte, um in der internationalen Politik eine Rolle zu spielen, die seiner Bevölkerungszahl und seinen Ressourcen entspricht. Nigeria hat sich zu den Zielen der strategischen Partnerschaft zwischen Afrika und der EU bekannt, die im Dezember 2007 in Lissabon vereinbart wurden, sowie zu einem intensivierten Dialog mit der EU. Die Leistungsfähigkeit Nigerias wird durch die konfliktreiche Innenpolitik gehemmt. Innenpolitisch ist das Land durch häufige gewalttätige Konflikte gekennzeichnet, die immer wieder religiös und ethnisch interpretiert und instrumentalisiert werden, auch wenn zunächst meistens andere Ursachen, z.B. Landkonflikte und alltägliche Streitigkeiten, die rasch eskalierenden Streitigkeiten auslösen. Nach den gescheiterten Sezessionsbemühungen im Biafra-Krieg, bei dem 1967 eine Millionen Menschen ums Leben kamen, ist der Staat Nigeria allerdings heute kaum noch von der Spaltung bedroht. Klaus Pähler, der Repräsentant der Stiftung, sieht den Grund für den Fortbestand Nigerias darin, dass die Kosten der Trennung aus Sicht der entscheidenden Akteure die Kosten des Zusammenbleibens überwiegen. 1 Die Bevölkerung bekennt sich etwa zu gleichen Teilen zum Christentum und zum Islam. Die zahlenmäßige Stärke der Bevölkerungsgruppen ist dabei ein Politikum, das vor allem von den Haussa und Fulani im Norden auf die politische Agenda gesetzt wird. Statistiken weisen seit der letzten Volkszählung ein leichtes Übergewicht der muslimischen Bevölkerung aus. Der Ressourcenreichtum des Landes führt zu Verteilungskonflikten. Die Ölvorkommen im Niger Delta im Süden 1 Pähler, Klaus: Nigeria wird fünfzig. 50 Jahre Sackgasse?, in: Die Politische Meinung, Nr. 488/ 489, Juli /August 2010, S. 27-30, S.30. 5 des Landes machen ca. 90 Prozent der Staatseinnahmen aus. Nigeria gilt als eines der korruptesten und gefährlichsten Staaten der Welt. Die Rebellen des Movement for the Emancipation oft he Niger Delta (MEND) haben zahlreiche Angriffe auf Erdölförderanlagen verübt und entführten Mitarbeiter von Erdölfirmen. Im Niger Delta ist es in den letzten Jahren häufig zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Banden und Sicherheitskräften gekommen. In den zentral gelegenen Staaten und im Norden kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Die Mo Ibrahim Foundation stufte Nigeria in ihrem Afrika Governance Index auf den 40. Von 53 Plätzen in Afrika und auf den 13. Von 16. Plätzen in West Afrika. Der Index berücksichtigt Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, einschließlich Korruption; Partizipation und Menschenrechte; Bereitstellung nachhaltiger wirtschaftliche Chancen und Indikatoren des human development.2 Im Mai 2003 wurden die Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) und die Independent Corrupt Practices Commission (ICPC) eingerichtet. Nigeria gilt jedoch weiter als eines der korruptesten Länder der Erde. Auch Siemens war in eine große Korruptionsaffäre verstrickt, bei der angeblich 10 Millionen Euro an nigerianische Spitzenpolitiker flossen. Die im Wall Street Journal umfangreich behandelte Affäre führte im Dezember 2007 zum Ausschluss des Unternehmens von öffentlichen Aufträgen. Ulf Engel schreibt in seiner Analyse für das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) im Jahr 2007, dass in Nigeria seit 2005 verstärkte Fortschritte im Kampf gegen Korruption, Amtsmissbrauch und Misswirtschaft zu beobachten sein. Der Staat sei um die Durchsetzung seines Gewaltmonopols bemüht. Aus Sicht der wichtigsten Geber in Nigeria bestünde ein historisches window of opportunity. Bei entsprechend erhöhtem Einsatz der Geber könne es gelingen, Reformen auch in den Bundesstaaten zu verankern. Seitdem haben jedoch fortgesetzte und neu aufflammende politische Rivalitäten, Anschläge und Gewaltausbrüche diese Hoffnungen getrübt, zuletzt anlässlich der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag in Abuja. 2 Mo Ibrahim Foundation, http://www.moibrahimfoundation.org/en, , [6. Oktober 2010]. 6 Die Wahlen im Frühjahr 2011 werden mit Spannung erwartet. Nigeria steht vor der großen Herausforderung, die Konsolidierung der demokratischen Verhältnisse voranzutreiben und damit seine Stellung in der regionalen und internationalen Politik zu stärken. Das Wirtschaftswachstum ist relativ hoch. Das im afrikanischen Kontext hohe Bruttosozialprodukt von etwa 1500 US-Dollar pro Kopf ist sehr ungleich verteilt. Die Investitionen der Volksrepublik China haben Rekordniveau erreicht und belaufen sich auf 7 Billionen US Dollar.3 Die nigerianische Börse weist in den letzten Monaten große Steigerungen auf. 2.2 Entwicklungszusammenarbeit mit Nigeria Nigeria bekommt aufgrund seines statistisch hohen Bruttosozialprodukt und seiner hohen Einwohnerzahl pro Kopf relativ wenig Entwicklungshilfe. Das Volumen an Entwicklungszusammenarbeit erreicht nur etwa 5 Prozent der Auslandsüberweisungen der nigerianischen Diaspora.4 Die wichtigsten bilateralen Geber sind USAID, DFID, CIDA, die wichtigsten multilateralen Geber sind die Weltbank, die EU, UNDP und die Afrikanische Entwicklungsbank. Die einzelnen Geber „treten sich nicht auf die Füße“ und haben viele Gestaltungsspielräume. Geberkoordinierung ist, anders als in Nachbarstaaten, wie etwa Ghana, kein sehr präsentes Thema. UNDP und EU bemühen sich um Koordination. Einer der wichtigsten Geber in Nigeria ist die Europäische Union. Die EU finanziert umfangreiche Vorhaben, etwa Infrastrukturmaßnahmen auf der lokalen Ebene, die von der Bevölkerung kofinanziert werden. EU geförderte Projekte haben einen großen Erfahrungsschatz in der Zusammenarbeit mit Gouverneuren, Landtagen und zivilgesellschaftlichen Akteuren angesammelt, der in aktuelle Strategiediskussionen einfließt und auch für die Stiftung interessant wäre. Ein Beispiel ist z.B. ein EU gefördertes Programm der Inter-Parliamentary Union in der Größenordnung von knapp 6 Millionen Euro, das im Jahr 2006 abgeschlossen wurde. Ziel war es, die Kommunikation zwischen Mandatsträgern und Wählern zu verbessern. Für die Stiftung wären Kenntnisse des Country Strategy Papers und des National Indicative 3 Centre for Chinese Studies, Stellenbosch University, South Africa, Weekly China Briefing, 8. Oktober 2010. 4 Siehe: Europäische Union: Country Strategy Paper and National Ini´dicative Programme 2008-2013: http://www.delnga.ec.europa.eu/eu_and_country/EU_Country_Strategy_Paper_2008_2013.pdf, [15. August 2010]. 7 Programme (MIP)5 und der thematischen Instrumente European Instrument for Democracy and Human Rights (EIDHR) und Non-State Actors/Local Authorities (NSA-LA) perspektivisch interessant. Schwerpunkte und Richtlinien dieser Instrumente haben sich in den letzten Jahren fortentwickelt. Verändern. Die Stiftung in Nigeria hat derzeit wenig Kenntnis von früheren und aktuellen Vorhaben und thematischen Instrumenten der Europäischen Kommission in Nigeria und in der Region. Die Formulierung im Jahresbericht 2009 klingt etwas harsch. „Versuche zu einer Zusammenarbeit mit der EU-Vertretung wurden aufgegeben.“6 Die Stiftung hat aktuell eher wenig Kontakte zu EU Delegation; momentan ist man sich keiner Ausschreibungen bewusst. Grundsätzlich bestehen keine Einwände gegen Geberkoordinierung, aber der Geberaustausch wird nicht als besonders wichtig angesehen. Es wird auch befürchtet, dass andere Geber Ideen und Partner der Stiftung übernehmen könnten. Diese Sichtweise erscheint als nicht mehr besonders zeitgemäß. Die Stiftung berücksichtigt zu wenig, dass sich bei der EU Strategien, Regularien und Ausschreibungen fortwährend verändern und einmal gemachte Erfahrungen nicht unbedingt für lange Zeit Gültigkeit besitzen. Nigeria wurden in den letzten Jahren von Deutschland umfangreiche Schulden erlassen, Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Nigeria hat vor Ort aber erst im letzten Jahr wieder ein wenig Fahrt aufgenommen. Seit sechs Jahren fanden keine Regierungsverhandlungen oder Konsultationen mehr statt. Im BMZ ist erst im letzten Jahr ein neues Interesse an einer intensivierten Zusammenarbeit mit Nigeria erwacht. Ein KfW Kredit für ein Wasserkraftwerk steht kurz vor der Genehmigung. Die Technische Zusammenarbeit betreibt seit sieben Jahren Wirtschaftsförderung in drei Bundesstaaten, ab April 2011 soll der Schwerpunkt auf die Makroebene verlagert werden. Die GTZ setzte sich allerdings dafür ein, dass auch weiter Aktivitäten auf der Mesoebene durchgeführt werden können. Das Thema Mikrofinanz ist inzwischen in einer Krisensituation, nachdem 220 Banken die Lizenz entzogen wurde, weil beim Zertifizierungsprozess angeblich gegen den Rat der GTZ nicht 5 Ebenda. 6 Pähler, Klaus 2009: KAS Jahresbericht Nigria, Abuja, 2009, S.16. 8 sorgfältig genug vorgegangen wurde. Die GTZ stellte auch ein Menschenrechtsvorhaben in den Nordstaaten heraus, das zu Rechten von Frauen und Kindern arbeitet. Das Programm, das von einer jungen deutsch-Nigerianerin geleitet wird, würde sehr erfolgreich mit lokalen NGOs zusammenarbeiten, würde jedoch im BMZ noch zu wenig wertgeschätzt, u.a. weil es außerhalb der Schwerpunkte läge. Die GTZ ist in zwei ECOWAS Vorhaben aktiv, wo eine starke Geberkonkurrenz herrscht. Allein aus Deutschland sind KfW, GTZ, PTB, FES und InWent sowie ein Militärattaché für ECOWAS tätig. Die GTZ arbeitet auch wegen der guten Erfahrungen der Adenauer Stiftung nun in Plateau State; zudem ist der Staat eher schwach und arm. Der Staat hat nach der letzten Wahl laut GTZ ein seriöseres Parlament. Über die klassische bilaterale EZ hinaus gibt es zahlreiche PPP Maßnahmen und die GTZ arbeitet auch mit der Bill Gates Foundation zusammen. Konflikte oder zu viele Überschneidungen zwischen Stiftungen und der GTZ gäbe es nicht. Die GTZ würde mehr die Executive, die KAS mehr die Parlamentarier beraten, deren Kontrollfunktion wichtig sei. Die Stiftungen seien freier, politische Arbeit zu leisten. Dies würde wertgeschätzt. Die Stiftung hat einen guten Kontakt zur GTZ. Ein gemeinsames Vorhaben im Bundesstaat Nasawara kam aufgrund eines unzureichenden Engagements auf Seiten des dortigen Parlamentes allerdings nicht zu Stande. Im Bundesstaat Plateau weitete die GTZ aufgrund einer Empfehlung der Stiftung ihr Engagement aus. Die FES und die HBS haben Büros in Nigeria. Die RLS führt punktuell Maßnahmen durch, die aus Berlin gesteuert werden. Die Personalfluktuation war bei den anderen deutschen Stiftungen in den letzten Jahren hoch. Der letzte Vertreter der FES, die mit Gewerkschaften und zu Arbeitsrechte arbeitet, verließ das Land nach nur etwa zwei Jahren. Nun ist ein Nachfolger gefunden. Die letzte Vertreterin der HBS, die erst nach einer längeren Vakanz von ca. einem Jahr ihr Amt angetreten hatte, gab bereits nach wenigen Wochen auf. Inzwischen hat die HBS, die zum Thema Umwelt, Konflikte und Zivilgesellschaft arbeitet, eine neue Büroleiterin und erwägt einen Umzug von Lagos nach Abuja. Auch bei anderen Organisationen gibt es viel Personalwechsel. Es entstand der Eindruck, dass relativ viele Experten in Nigeria in einem fortgeschrittenem Alter sind. Ein Einsatz in Nigeria erfordert Erfahrung, politisches Feingefühl und eine hohe Frustrationstoleranz. 9 2.3 Die Perspektive der Nachhaltigkeit der Arbeit der KAS in Nigeria Die politischen Rahmenbedingungen für entwicklungspolitische Arbeit in Nigeria sind auch mehr als zehn Jahre nach Ablösung der Militärdiktatur (1999) volatil und schwierig. Der Repräsentant der Stiftung führte an, dass die Regierungen sich auf allen Ebenen auch zehn Jahre nach Abschaffung der Diktatur kaum an die Versprechungen und Vorhaben der gewählten Vorgängerregierungen gebunden fühlten. Der Stiftung ist es durch gute politische Beobachtung gelungen, Arbeitsbeziehungen mit relevanten Institutionen, speziell den Landtagen von Cross River im Süden des Landes und dem zentral gelegenen Plateau State, und engagierten und qualifizierten Personen aus Wissenschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Militär aufzubauen. In den beiden Landtagen wird zur Zeit nur mit Abgeordneten der Regierungspartei PDP (People’s Democratic Party, PDP) enger gearbeitet, die in Cross River sämtliche und in Plateau die große Mehrheit der Abgeordneten stellt. Die Arbeit des jetzigen Büroleiters knüpft dabei an die Arbeit des vorherigen Büroleiters an, der das Büro in Nigeria nach Ende der Militärdiktatur Abachas wieder eröffnete. In den letzten Jahren konnte die Arbeit mit einigen wichtigen Partnern und Personen konsolidiert werden, mit anderen wurde die Zusammenarbeit nicht weiter verfolgt bzw. beendet oder eingefroren, z.B. mit dem Parlament des muslimisch dominierten Bundesstaat Kano im Norden, das sein Versprechen einer finanziellen Beteiligung an einem Deutschlandbesuch trotz anderslautender Aussagen nicht einhielt. Die Existenz und die Arbeit der politischen Stiftungen werden in Nigeria seitens der Botschaft als sehr wertvoll erachtet. Der deutsche Botschafter Schmillen führte aus, dass Deutschland von anderen Staaten um das Instrument der entwicklungspolitischen Arbeit durch politische Stiftungen beneidet würde, z.B. vom Botschafter aus Großbritannien. Der Botschafter sagte wörtlich, dass man die Stiftungen erfinden müsse, wenn es diese nicht gäbe (4. Oktober 2010 in der Botschaft Abuja). Der Botschaft selbst seinen beim Ansprechen und Bearbeiten sensibler Themen diplomatische Grenzen gesetzt. 10 Leisteten die Stiftungen gute Arbeit in einem schwierigen Umfeld, dann würde dies auch Deutschland zu Gute gehalten. Bei Kritik an der Arbeit der Stiftung könne die Botschaft sich dagegen auf die Unabhängigkeit der Stiftungen beziehen, zumindest solange es keine schweren fauxpas seien. Dies sei aber in Nigeria noch nicht vorgekommen. Die Stiftungen hätten hier in Nigeria viele Vorteile. Wertvoll sei auch, dass die Standzeiten der Stiftungsrepräsentanten länger seien als diejenigen im diplomatischen Dienst. Gute und nachhaltige Arbeit sei aus der Ferne, d.h. von Berlin, nicht zu leisten. zivile-militärische Zusammenarbeit schärft Anerkennung des Militärs für politische Entscheidungsträger und verhindert Eigendynamik des Militärs. * „ es gibt zwei Regionalprogramme in Afrika, zu Rechtsstaatlichkeit von Nairobi geleitet; zu Medien von Johannesburg aus geleitet. * KAS ist nun nicht mehr in der Phase des Pflanzens und des Aussähens, sondern in der Phase desa Konsolidierens, eine gewisse Reife ist erreicht, mit Aussicht auf Dauerhaftigkeit. 3. Darstellung der Schwerpunkte der Arbeit der Konrad Adenauer Stiftung: Oberziele, Ziele und Maßnahmen für Kommunal- und Regionalentwicklung 3.1 Oberziele und Ziele der KAS im Bezug auf die Arbeit in Nigeria Die Stiftung präsentiert „Demokratie, Rule of Law“ und „Prosperity for All“ in Nigeria als ihre Vision. Diese Themen stehen auf der Titelseite einer aktuellen Broschüre. Früher gab es ein eigenständiges Länderprogramm mit spezifischen Zielen für Nigeria. Mit dem BMZ hat man sich, vor allem aus verwaltungstechnischen Gründen, inzwischen auf Regionalprogramme geeinigt. Der Vorteil ist eine erhöhte Flexibilität. Die Stiftung kann bei politischen Schwierigkeiten oder Blockaden die für ein Land vorgesehenen Mittel so leichter in ein anderes Land der Region umleiten. Der Nachteil, speziell aus Sicht eines Gutachters, sind allgemeine und recht vage 11 Zielformulierungen und Indikatoren. In Nigeria hat die Stiftung Programme geschaffen, die zumeist für die Erreichung mehrerer Ziele eingesetzt werden. Es gibt drei Interventionsfelder. Demokratieförderung, Soziale und ökologische Marktwirtschaft und Krisenprävention. Für diese Querschnittsevaluierung im Bereich Kommunal- und Regionalentwicklung relevanten Maßnahmen fallen vor allem in das Interventionsfeld Demokratieförderung. Die Stiftung strebt dabei in der laufenden Förderperiode an, sowohl die Angebotsseite (Staatsparlamente der Schwerpunktstaaten Cross River, Kano und Plateau) als auch die Nachfrageseite der Politik (Wähler in ganz Nigeria und besonders in den Schwerpunktstaaten) systematisch zu beeinflussen.7 Das Oberziel für dieses Interventionsfeld lautet: „Demokratische Strukturen, Prozesse und Akteure sind dynamisiert: Demo- kratische Wahlen finden statt, die Bevölkerung nimmt an Entscheidungsprozessen teil, Legislative (Parlamente), Exekutive (Regierung, Verwaltung), Judikative (Gerichte) und Medien sind unabhängig. Frauen beteiligen sich verstärkt an politischen Prozessen.“ Die beiden Ziele dafür lauten: In ausgewählten Parlamenten Nigerias nehmen Mandatsträger ihre gesetz- geberischen Aufgaben und Kontrollfunktionen kompetent wahr (Ziel 1). Die Wähler in den Schwerpunktstaaten kennen grundlegende Elemente der Demokratie und sind in der Lage, die Mandatsausübung der Abgeordneten kritisch zu beobachten und zu beurteilen (Ziel 2). Die Stiftung hat für die beiden Ziele Indikatoren entwickelt. Für das erste Ziel lautet der Indikator, dass die Mehrheit der Parlamentarier in den geförderten Parlamenten erfolgreich (Zertifikat) an den Trainingsmaßnahmen der KAS teilgenommen hat. Sie legen der Öffentlichkeit regelmäßig in geeigneter Form Rechenschaft über ihre Arbeit ab. Für das zweite Ziel lautet der Indikator, dass die Radioprogramme der KAS in den Sendegebieten regelmäßig von Millionen Hörern gehört werden. Wähler fordern von 7 Pähler, Klaus 2009: KAS Jahresbericht Nigeria, Abuja, 2009, S. 3. 12 ihren Abgeordneten zum Beispiel in „Town Hall Meetings“ Rechenschaft über ihre Mandatsausübung, besonders intensiv vor den Wahlen 2011. Dabei stellen sie kompetente Fragen und erwarten ebensolche Antworten. Eine signifikante Anzahl der zur Parlamentsarbeit qualifizierten Kandidaten wird gewählt. Die Formulierung der Indikatoren ist größtenteils gelungen. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass der Akzent noch mehr auf die Wirkung statt auf den Output (Zertifikate) gelegt wird. Kompetente Fragen und Antworten sind auch allein nicht hinreichend zielführend, um die Qualität der Mandatsausübung zu verbessern. Deshalb sollte daraufhin gearbeitet werden, dass die Fragen und Antworten protokolliert und nachgearbeitet werden. Eine entsprechende Formulierung könnte in die Benennung der Indikatoren einfließen. 3.2 Vorhaben im Bereich Kommunal- und Regionalentwicklung Im Rahmen der Querschnittsevaluierung wurden besonders die Zusammenarbeit, speziell die Klausurtagungen, mit den Parlamenten in Plateau State und Cross River und die townhall meetings herangezogen. Über die Radiosendungen wurde ergänzend gesprochen. Der Gutachter wurde im Rahmen einer Radiosendung interviewt. Die Stiftung arbeitet in Nigeria nur durch Eigenmaßnahmen. Kein Partner bekommt also Überweisungen aus Berlin. Das ist auch nicht so geplant. Die Entscheidung ist angesichts der schwierigen und volatilen Rahmenbedingungen sinnvoll. Die Zusammenarbeit mit den Landtagen, speziell die Klausurtagungen, sind in einen weiteren Kontext der politischen Arbeit eingebunden. Mit den Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Militär besteht auch über die Tagungen hinaus ein guter Austausch. Es fanden anspruchsvolle Deutschlandreisen statt, an denen vor allem Parlamentarier teilnahmen. Dafür wurden seitens der Partner auch eigene Mittel mobilisiert. Die Teilnehmer erhielten einen guten Einblick in politische Arbeit in Deutschland. 13 4. Nachhaltigkeit der Vorhaben mit den Landtagen und der townhall meetings 4.1 Darstellung und allgemeine Bewertung der Vorhaben Die Stiftung arbeitet mit Parlamentspräsidenten, derzeitigen und ehemaligen Abgeordneten sowie leitenden Verwaltungsbeamten (Direktoren und Abteilungsleiter im Landtag) zusammen. Darüber hinaus fanden Dialogveranstaltungen zwischen Abgeordneten und Wählern, sogenannte townhall meetings – mit finanzieller Unterstützung der Stiftung statt, die von lokalen Organisationen durchgeführt werden. Radiosendungen ergänzen die Vermittlung politischer Bildungsinhalte seitens der Stiftung. Die Zusammenarbeit mit den Landtagen soll deren Rolle als Gesetzgeber, Aufsichtsund Kontrollorgane gegenüber der machtvollen Exekutive in den Bundesstaaten stärken und die Rechenschaftspflicht der Abgeordneten gegenüber der Bevölkerung in ihren Wahlkreisen erhöhen. Seitens der demokratiepolitisch noch wenig gebildeten Bevölkerung in Nigeria steht allerdings vor allem die Verwendung von Finanzmitteln zur Verbesserung von Infrastruktur im Mittelpunkt des Interesses des Austausches mit den Abgeordneten. Der vom Volk gewählte Gouverneur und sein Stellvertreter besitzen große Machtbefugnisse und nutzen diese nicht selten zur persönlichen Bereicherung an Infrastrukturvorhaben. Der Gouverneur ernennt Commissioners, die den Exekutivorganen auf Landesebenen vorstehen. In den letzten Jahren wurden Klausurtagungen zu den Themen Haushaltsplanung und -kontrolle, Korruptionsbekämpfung, Wahlen, leadership und Wirtschaftspolitik durchgeführt. Der Landtag (State House of Assembly) des KAS-Schwerpunktstaates Plateau wurde im Mai 2009 komplett samt Spitzenbeamten zu einer intensiven Klausurtagung eingeladen. Das Parlament des Bundesstaates Cross River entsandte eine hochrangige Delegation unter Leitung des Vizepräsidenten zu diese Klausur mit dem Plateau State House of Assembly. Im Frühjahr 2010 fand eine weitere einwöchige erfolgreiche Klausurtagung statt, hauptsächlich mit den Abgeordneten von Cross River. 14 Mit den „townhall meetings“ hat die Stiftung eine sinnvolle Fördermaßnahme begonnen, um die Rechenschaftspflicht der Abgeordneten gegenüber dem Wahlkreis zu stärken. Die Teilnehmer werden über neue Gesetze und Vorhaben informiert und können Fragen stellen. Die Fragen beziehen sich besonders auf Projektruinen oder lange Verzögerungen bei der Realisierung von Infrastrukturvorhaben, z.B. Straßenbau, Wasserversorgung, Elektrizität, Schulen und Gesundheitsversorgung. Dabei kommen sowohl Männer als auch Frauen zu Wort. Lokale Würdenträger genießen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Ansehen und nehmen an den townhall meetings teil. Ihre Aussagen erhalten seitens der Bevölkerung viel Aufmerksamkeit. 4.2 Nachhaltigkeit auf der politischen Ebene Die politischen Rahmenbedingungen, speziell die politischen Hierarchien auf der Ebene der Bundesstaaten, beschränken die Macht der Abgeordneten. Die Zusammenarbeit mit den Abgeordneten soll gerade dazu beitragen, den Abgeordneten im Vergleich zur Exekutive über Kompetenzvermittlung schrittweise mehr Einfluss zu ermöglichen. Auch die Rolle der Abgeordneten ist jedoch nicht ganz einfach. Viele sind Sponsoren und Günstlingen verpflichtet, die sie im Wahlkampf unterstützt haben. Die Partei ist sehr mächtig. Wichtige Entscheidungsprozesse finden oft hinter verschlossenen Türen statt. Die Bevölkerung und teilweise auch die Abgeordneten haben nicht ausreichend Zugang zu Informationen, z.B. im Bereich der Finanzierung, Vergabe und Durchführung von Infrastrukturvorhaben, die sehr korruptionsanfällig sind. Das Thema „Right to Information“ ist zwar ein politischer Dauerbrenner in Nigeria seit der Wiedereinführung der Demokratie, aber konkrete Fortschritte konnten bisher nicht erzielt werden. Die Korruption gilt landläufig als größtes Entwicklungshemmnis. Sie erreicht in Nigeria auf allen Ebenen sehr große Ausmaße und wird vielseitig – dies wurde während der Evaluierung u.a. in einer von der KAS geförderten Radiosendung zu Entwicklungszusammenarbeit mit Hörerbeteiligung deutlich – als größtes Hemmnis für Entwicklungsfortschritte angesehen. Die Arbeit der Korruptionsbehörden, die vor allem auf Prävention fokussiert, machte zwar auf den Gutachter einen ersten guten 15 Eindruck, erreicht aber offensichtlich kaum eine kritische Masse von Personen, öffentlichen Institutionen und Firmen. Sie bewegt sich zudem in einem politischen Minenfeld. Die Nachhaltigkeit der Arbeit der Stiftung hängt in Nigeria von vielen Faktoren ab, die die Stiftung nicht bzw. kaum beeinflussen kann. Vorausplanungen in Nigeria schwierig. Die Stiftung kann sich meistens nur reaktiv auf politische Ereignisse und Entwicklungen, z.B. politische Rivalitäten, einstellen. Die politischen Konflikte und Dynamiken auf der Ebene der ausgewählten Bundesstaaten sind besonders in Wahlkampfzeiten – die nächsten Wahlen sind für April 2011 vorgesehen – hoch. Vor den Wahlen im Jahr 2007 ging die Zusammenarbeit mit den Parlamenten durch eine Talsohle, auch weil die Stiftung sich selbst kurz vor Ende der Legislaturperiode weniger für Fortbildungen für Abgeordneten, die möglicherweise das Parlament verlassen würden, engagieren wollte. Die Stiftung bemüht sich durchaus mit einigem Erfolg, trotz der wechselhaften und insgesamt schwierigen Rahmenbedingungen, eine gewisse Nachhaltigkeit bei der Zusammenarbeit mit den Parlamenten zu erzielen. Der Direktor des Landtages und seine Abteilungsleiter können z.B. ebenfalls an den Klausurtagungen und Fortbildungen teilnehmen. Sie stehen für eine gewisse Kontinuität bei der Zusammenarbeit mit den Landtagen. Der Landtag von Plateau State konnte die Flugkosten für die Deutschlandreise selbst mobilisieren, was für das Engagement des Parlaments für die Partnerschaft mit der Stiftung spricht. 4.3 Nachhaltigkeit auf der Ebene der Partner Die Abgeordneten übernehmen oft ohne gute politische Qualifikationen ihr Wahlamt. Die Arbeit der Stiftung wird deshalb vielseitig als notwendig und wertvoll bewertet. Manche Abgeordnete haben vor Antritt ihres Wahlamtes kaum Vorstellungen über die Mandatsausübung, die über das Statussymbol als Repräsentant des Volkes wesentlich hinausgehen. Vielen Volksvertretern wird in Nigeria Arroganz nachgesagt. Viele nutzen ihr Amt, um sich im Schutz der Immunität durch Günstlingswirtschaft bei der Vergabe von Aufträgen und durch Abzweigung von Projektgeldern zu bereichern. 16 Viele Abgeordnete sind nur für eine Legislaturperiode im Parlament. Im Parlament von Cross River verließen bei den Wahlen 2003 z.B. zehn von 25 Abgeordneten das Parlament, nach der letzten Wahl 2007 sogar 15 von 25 Abgeordneten. Der Grund liegt vor allem in dem sogenannten „zoning“, dass eine Rotation für einzelne Parlamentssitze zwischen Gebieten bzw. ethnischen Gruppen vorsieht. Die Stiftung und die Abgeordneten hoffen, mit der Zusammenarbeit in Form von Beratung, Klausurtagungen und townhall meetings die Bindung des Wahlkreises an kompetente Abgeordnete zu erhöhen und damit einen Beitrag zu leisten, dass eine Wiederwahl eher aufgrund von Leistung statt aufgrund von Herkunft erfolgt. Die Arbeitsethik und das Interesse an Fortbildungen differieren zwischen den Parlamenten. Dies schränkt die Auswahl der Partner und Personen ein, mit denen die Stiftung eine intensivere Zusammenarbeit durchführen sollte. In den Parlamenten gibt es auch manche interne Machtkämpfe und Querelen und viele Personalwechsel. Dies relativiert die nachhaltige Wirkung der Trainingsmaßnahmen. Der Parlamentssprecher von Jos, der im Frühjahr 2008 an einer Deutschlandreise teilnahm, wurde beispielsweise bald danach vom Parlament abgesetzt. Für die Stiftung ist es sehr schwer, Einschätzungen über die Integrität und die politische Unterstützung von Politikern zu treffen, mit denen sie zusammenarbeitet. Anschuldigungen können auch vorschnell erhoben werden. Die Abgeordneten äußerten sich ziemlich eindeutig zu Verbesserungsvorschlägen der Zusammenarbeit. Die Kommunikation und Terminplanung könne noch verbessert werden. Die KAS solle möglichst unmittelbar nach den Wahlen die Klausurtagungen anbieten, so dass die Abgeordneten von Beginn an ihr Mandat gut kennen und politische Fähigkeiten rasch verbessern können. Aus Sicht der KAS ist eine solche Terminabsprache prinzipiell sinnvoll, speziell wenn die Zusammenarbeit, wie im Fall der Parlamente von Cross River und Plateau State, bereits etabliert ist. Die Partnerschaften mit den Organisationen, die townhall meetings organisieren, Justice Development and Peace/Caritas (JDPC)in Plateau State und Noble Organisation for Social Advancement and Development (NOSAD) in Cross River, könnte perspektivisch noch mehr in Wert gesetzt werden. 17 Justice Development and Peace/Caritas (JDPC) verfügt über viele entwicklungspolitischen Erfahrungen und über gute Kontakte in den Wahlkreisen. Die Organisation arbeitet auch mit anderen Gebern zusammen. Die Stiftung organisiert regelmäßig Partnerseminare. Auch administrativ haben sich die Partner nach Aussagen der Stiftungsmitarbeiter schon verbessert. Allerdings wird noch viel Zeit für Hinweise Kontrolle verwendet. Weitere Verbesserungen sind aus Sicht der Stiftung nötig. Auch ein methodisches Projektmanagement wäre wünschenswert. 4.4 Nachhaltigkeit auf der Ebene der Zielgruppen Die Nachfrageseite der Politik - Wähler in ganz Nigeria und besonders in den Schwerpunktstaaten – spielt bei der Arbeit der Stiftung im Vergleich zur Angebotsseite noch eine untergeordnete Rolle. Die Stiftung wollte zunächst ein Vertrauensverhältnis mit den Abgeordneten aufbauen, bevor ihnen im Umgang mit den Zielgruppen, ihren Wählern, zu viel abverlangt wird. Townhall meetings sind eine gute Idee, um Abgeordnete mit Bürgerinnen und Bürgern zusammenzubringen. Die Treffen finden allerdings in angemieteten Sälen statt und nicht in townhalls, die es in Nigeria kaum gibt. An den Treffen nehmen zumeist über 100 Personen teil. Die Treffen laufen offensichtlich sehr lebendig und engagiert ab. Sie sind auch relativ kostengünstig in der Durchführung, ca. 1000 Euro bis 1500 Euro pro Veranstaltung. Die Bevölkerung spricht eine Vielzahl von Themen und Fragen an, speziell zum Fortschritt von Infrastrukturmaßnahmen. Teilweise herrscht bei der Bevölkerung Unklarheit über die Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme und Kompetenzen der Abgeordneten. Einige Bürgerinnen und Bürger treten aber auch vorbereitet bei den townhall meetings auf. Bei dem vom Gutachter beobachteten townhall meeting in Jos tat sich ein Frauennetzwerk mit Gesundheitsthemen besonders hervor. Die Nachhaltigkeit der townhall meetings könnte noch gesteigert werden, wenn diese besser noch besser vorbereitet und auch nachbereitet würden. Hier könnte die Stiftung auch die Partner in die Pflicht nehmen. 5. Handlungsempfehlungen Die Arbeit in Nigeria erfordert eine hohe politische Aufmerksamkeit und eine vielseitige pro-aktive Kommunikation mit Partnern und anderen 18 Gebern/Organisationen, um die Maßnahmen fortwährend an die sich häufig rasch verändernden politischen Dynamiken sowie an die hohen personellen Fluktuationen in den Landtagen anzupassen. Der Stiftung ist neben der guten Beobachtung der politischen Rahmenbedingungen und dem Austausch mit deutschen Amtsträgern und Experten auch ein verstärkter Austausch mit der Delegation der Europäischen Union zu empfehlen, die über viele und gut dokumentierte Erfahrungen im Bereich der Zusammenarbeit mit Landtagen und Amtsträgern verfügt. Einerseits sollte die Stiftung die Zusammenarbeit mit bewährten Partnern, aktuell die Landtage in Cross River und Plateau State, und Personen weiter pflegen, gut nacharbeiten und auch vertiefen. Die Kommunikation und Terminplanung könne noch verbessert werden. Die KAS solle möglichst unmittelbar nach den Wahlen die Klausurtagungen anbieten, so dass die Abgeordneten von Beginn an ihr Mandat gut kennen und politische Fähigkeiten rasch verbessern können. Andererseits sollte die Stiftung trotz Rückschlägen weiter offen für eine Zusammenarbeit mit Partnern im muslimischen Norden des Landes sein. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn die finanziellen und personellen Ressourcen der Stiftung sind begrenzt und die Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Dem Büro sollte ein gewisser Spielraum für Experimente mit neuen Partnern und Dialogformaten zugestanden werden. Gleichzeitig ist dem Büro zu empfehlen, aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, bestehende und frühere Partnerschaften (u.a. Alumni) durch Netzwerkarbeit und Kommunikation (website, ggf. newsletter) noch stärker in Wert zu setzen. Der Gutachter schlägt vor, Möglichkeiten zu prüfen, die Vor- und Nachbereitung der townhall meetings weiter zu verbessern, u.a. durch Kontaktaufnahme mit zivilgesellschaftlichen Organisationen (ggf. über NGO Partner) und Nachbereitung (Protokoll, Archivierung, Wiedervorlage wichtiger Punkte). Dies könnte durch eine engere Zusammenarbeit mit den Partnern, die die townhall meetings durchführen, erreicht werden. Die Fragen der teilnehmenden Bevölkerung und die Antworten der Abgeordneten könnten z.B. protokolliert und archiviert werden. Perspektivisch könnte sogar daran gedacht werden, Aussagen und Versprechungen ggf. mit Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen nachzuarbeiten. Allerdings ist dafür wohl zunächst eine weitere behutsame Vertiefung des Vertrauensverhältnisses zwischen 19 der Stiftung und den Abgeordneten nötig, damit solche Vorschläge bei den Abgeordneten auf Akzeptanz stoßen könnten. 20 Anhänge: a. Literatur Centre for Chinese Studies, Stellenbosch University, South Africa, Weekly China Briefing, 8. 10. 2010. Europäische Union: Country Strategy Paper and National Ini´dicative Programme 2008-2013: http://www.delnga.ec.europa.eu/eu_and_country/EU_Country_Strategy_Paper_2008_2013.pdf, [15. August 2010]. Mo Ibrahim Foundation, http://www.moibrahimfoundation.org/en, , [6. Oktober 2010]. Pähler, Klaus: Nigeria wird fünfzig. 50 Jahre Sackgasse?, in: Die Politische Meinung, Nr. 488/ 489, Juli/August 2010, S. 27-30, S.30. Pähler, Klaus 2009: KAS Jahresbericht Nigeria, Abuja, 2009 21 b. Programmablauf Sunday, 3rd of October, 2010 (German National Holiday) 16.40 Arrival, by LH562 to Abuja from Frankfurt 18.00 - 19.00 Transfer to the Hilton and Late Check-in 19.30 Dinner and Briefing by Dr. K.P. Monday, 4th of October, 2010 07.30 - 08.30 Breakfast (Hilton) 09.00 - 12.30 Tentative meeting with KAS office, German Embassy, GTZ Arrival of KAS partners 12.30 - 13.30 Lunch 02.00 - 17.00 Pre-workshop with resource persons and other relevant persons (KAS conference room) 19.30 Dinner with KAS partners (Jevnik) Tuesday, 5th of October, 2010 (Celebration, German National Holiday) 22 07.30 - 08.30 Breakfast (Hilton) Interviews with selected resource persons from the pre-workshop 09.00 - 09.30 Dr. Tajudeen Akanji (Resource Person) Centre for Peace and Conflict Studies University of Ibadan 09.30 - 10.00 Osaze Lanre Nosaze Former Executive Director Civil Liberties Organization 10.00 - 11.00 Right Honourable Francis Busam Adah The Speaker Cross River State House of Assembly Hon. Fabian Okpa Member of Cross River State House of Assembly Hon. Mark Obi Former Member of Cross River State House of Assembly Elder John Okon Clerk of the House 11.00 - 11.30 Ray Esebagbon (Resource Person) Principal Consultant 23 LAW-LINK Consults 11.30 - 12.00 Dr. Obadiah Mailafia (Resource Person) Chairman/CEO Centre for Policy and Economic Research (CEPER) 12.30 - 13.30 Lunch 14.00 - 14.30 Dr. Otive Igbuzor (Resource Person) Executive Director African Centre for Leadership, Strategy and Development (Centre LSD) 14.30 - 15.30 Two or three persons from Independent Corrupt Practices and other Related Offences Commission (ICPC) 15.30 - 16.00 Ibrahim Biu (Resource Person) Director of Voters’ Education Department Independent National Electoral Commission (INEC) 16.00 - 16.30 Gbenga Arulegba Managing Director African Independent Television 19.00 Possibility of German Unification Anniversary celebration at the Embassy (suggest to the Embassy to invite our guests from the preworkshop?) 24 Wednesday, 6th of October, 2010 07.30 - 08.30 Breakfast (Hilton) and check-out 09.00 - 12.00 Trip to Jos, Plateau 12.30 - 13.00 Check-in 13.30 - 14.30 Lunch 15.00 - 17.30 Meeting with the whole Parliament if possible 19.30 Dinner with the Parliament? Thursday, 7th of October, 2010 07.30 - 08.30 Breakfast 09.00 - 10.00 Transfer to venue for Town Hall Meeting 10.00 - 12.00 Town Hall Meeting 12.30 - 13.30 Lunch 14.00 - 15.30 Meeting with participants and moderator of Town Hall Meeting 25 16.00 - 17.00 Interviews with Right Honourable Istifanus Mwansat Speaker Plateau State House of Assembly Hon. Joseph Bukar Majority Leader, Plateau State House of Assembly Hon. John Clark Dabwan Minority Leader, Plateau State House of Assembly 19.30 Dinner with Plateau State House of Assembly? Friday, 8th of October, 2010 07.30 - 09.00 Breakfast followed by check-out Meeting with selected members of the parliament and others (Venue?) 10.00 - 11.00 Hon. Ibrahim B. Hassan Deputy Speaker, Plateau State House of Assembly Hon. Gyang Fulani Chief Whip, Plateau State House of Assembly 26 11.00 - 12.00 Hon. Isa Song Special Adviser to the Governor on Legislative Matters Hon. Amos Gombi Goyol Member, Plateau State House of Assembly 12.30 - 13.30 Lunch with Reverend Father Anthony Fom Coordinator, Justice Development and Peace/ Caritas Mujidang Sitdang Programme Officer, Justice Development and Peace/ Caritas 14.00 - 15.00 Hon. Emmanuel Go’ar Former Speaker, Plateau State House of Assembly Hon. Wokdung Abbas Member, Plateau State House of Assembly 15.00 - 16.00 Hon. Nanpon, Hon. Peter Azi and Hon. Joyce Ramnap Members, Plateau State House of Assembly 16.00 - 18.30 Return trip to Abuja 19.30 Dinner and Late check-in (Hilton) 27 Saturday, 9th of October, 2010 07.30 - 08.30 Breakfast 12.30 - 13.30 Lunch and final discussion with Dr. K.P. 14.00 - 16.00 City tour of Abuja (optional) 18.00 - 19.00 Dinner and Late check out 19.00 Trip to Airport 28