Datum: 22.11.2007 Nummer der LV: 210310 Name der LV: Einführung in die Methoden der Sozialwissenschaften Vortragender: Regina Köpl Inhalt der VO: Grundprobleme sozialwissenschaftlicher Methodologie Analyse von Wirkungszusammenhängen oder Die Frage nach dem „Warum“ Wahlen und Wähler. Soziologie des Wahlverhaltens. Referenzliteratur Wie lassen sich Wirkungszusammenhänge analysieren Projektleiter: Paul F(elix) Lazarsfeld (1901-1976) • • • • • Sozialpsychologe, Mathematiker ab 1927 Mitarbeiter des Psychologischen Instituts der Universität Wien Leiter der Wirschaftspsychologischen Forschungsstelle Lebt und arbeitet ab 1933 in den USA Direktor des Institute for Social Radio Research in Princeton (später: Bureau of Applied Social Research an der Columbia University) • Professor an der Columbia University of New York • 1963 Mitbegründer des Instituts für Höhere Studien in Wien Sozio-historischer Hintergrund der Studie • Aufkommen moderner Massenkommunikation - Radio - Presse - Massenzeitungen - Werbung - politische Propaganda Kriegspropaganda 1. WK Massenkommunikationsmittel und politische Propaganda liegt sehr nahe beieinander Sozio-historischer Hintergrund • Annahme einer starken, unmittelbaren Beeinflussung der Rezipienten durch die Medien (Stimulus - Response Modell) - Studien zu den Auswirkungen von Kinofilmen - 1938 Massenpanik nach Orson Welles Hörspiel „Der Krieg der Welten“ - Monopolisierung moderner Massenmedien zur „Gleichschaltung“ Gesellschaft im Nazi-Deutschland Genese der Studie: Frühe Erfahrungen Lazarsfelds mit: – Umfrageforschung (Marketingstudien) – Medienwirkungsforschung der Datum: 22.11.2007 Nummer der LV: 210310 Name der LV: Einführung in die Methoden der Sozialwissenschaften Vortragender: Regina Köpl Inhalt der VO: Grundprobleme sozialwissenschaftlicher Methodologie • RAVAG-Studie 1932 (Welche Schichten hören welche Radioprogramme) • Leiter des Office of Radio Research • Wirkung von Propagandafilmen auf US Soldaten, die auf den Einsatz vorbereitet werden - „The Battle of Britain“ (Film soll als Motivation für die Soldaten dienen) Geschichte der Wahlforschung • Bis dahin nur ex-post Erhebungen von Datensätzen • Prognosen Litterary Digest • Keine Untersuchungen über das Zustandekommen politischer Meinungen Forschungsleitende Fragestellung „Wir interessieren uns hier für alle jene Bedingungen, die das politische Verhalten bestimmen; wir wollen herausbekommen, wie und warum die betreffenden Personen sich für diese oder jene Partei entschieden.“ Unter-Fragestellung: Einfluss von Rundfunk und Presse auf politische Meinungsbildung und Wahlverhalten Forschungsansatz: o Mikro-soziologisch: Soziale Phänomene sind Folge des individuellen Handelns von Akteuren Die soziale Umgebung des Einzelnen beeinflusst sein Verhalten „People who work or live or play together are likely to vote for the same candidates“ Forschungsdesign: • Längsschnitt-Untersuchung während einer Wahlkampagne • dynamische Forschung durch: Panelmethode: Mehrfachinterviews mit denselben Personen (diese Methode hat den Vorteil, dass man erkennt ob jemand seine Meinung ändert) • Untersuchungszeitraum: 7 Monate vor der Wahl (USA) • Ort der Durchführung: Erie-County, Ohio (klassisch, amerikanisch – Mittelschicht) Forschungsdesign • Geschichtete Stichprobe von insgesamt 3000 Befragten, davon Warum Stichprobe – weil es zu teuer und aufwendig ist, um alle zu befragen. Die geschichtete Stichprobe repräsentiert genau (in kleinem Umfang) die Menge an z.B. Frauen/Männern, auch der Altersgehörigkeit – 600 im Hauptpanel (monatliche Befragung) – Rest in 3 Kontrollgruppen (nur zwei Interviews – am Anfang und am Ende der Periode) Fokus auf den „Meinungswechslern“ an deren Beispiel kann der Prozess der Meinungsbildung besonders gut nachvollzogen werden (sind jene, welche ihre Meinung in der Zeit gewechselt haben) Methodisches Vorgehen: Datum: 22.11.2007 Nummer der LV: 210310 Name der LV: Einführung in die Methoden der Sozialwissenschaften Vortragender: Regina Köpl Inhalt der VO: Grundprobleme sozialwissenschaftlicher Methodologie • Interviews mit speziellen Erhebungsteil für Meinungswechsler • Ermittlung der Meinungsführer (opinion leader) über Selbsteinschätzungsfragen • Analyse von Zeitungen und Rundfunksendungen zur Wahlkampfberichterstattung • Bevölkerungsstatistiken und amtliche Daten Ergebnisse: • Politische Meinung ist relativ stabil (blieben meist bei ihrer Partei) • WählerInnen haben Prädispositionen/Sympathien • Prädispositionen sind durch Gruppenzugehörigkeit vorbestimmt Ergebnisse: (nach diesen Faktoren bildet sich die politische Meinung) • Index der politischen Prädisposition ist eine Kombination der Sozialfaktoren: – Sozioökonomischer Status (Bildung, Verdienst, Aussehen d. Hauses, was sich Menschen selbst zuschreiben) – Religion – Wohngegend „A person thinks, politically, as he is, socially. Social characteristics determine political preference“ Ergebnisse: • Wichtigste Ursache für den Meinungswechsel sind persönliche Kontakte • Typen von Meinungswechslern: – Kristallisierer: 28% von „ich weiß nicht“ zur Partei – Schwankende: 15% haben eine Partei und schwanken jedoch diese beiden schwanken – wählten aber doch meist die Partei, welche sie vorher gewählt hätten – Parteiwechsler: 8% Persönlichkeitsmerkmale der Meinungswechsler • Beschränkte Kontakte – kommunizieren wenig • Weniger ausgeprägte Interessen • an politischer Information weniger interessiert • Es werden keine neuen Meinungen gebildet, sondern an latente Prädispositionen angeschlossen Entwicklung neuer Konzepte: • Konzept der Meinungsführerschaft • Two-Step Flow of Communication • Verstärkerhypothese Konzept der Opinion Leader • Selbsteinschätzungsverfahren • 21% der Befragten sind OP Datum: 22.11.2007 Nummer der LV: 210310 Name der LV: Einführung in die Methoden der Sozialwissenschaften Vortragender: Regina Köpl Inhalt der VO: Grundprobleme sozialwissenschaftlicher Methodologie • Jede soziale Gruppe hat ihre OP • OP haben höheres Interesse am Thema • Intensivere Mediennutzung • Intensivere personale Kommunikation Sebsteinschätzungsverfahren • „Haben Sie neulich versucht, irgend jemanden von Ihren politischen Ideen zu überzeugen?“ • „Hat neulich irgend jemand Sie um Rat über ein Politisches Problem gebeten?“ Zweistufenflussmodell der politischen Kommunikation : „Ideas often flow from radio and print to the opinion leaders and from them to the less active section of the population“ Zweistufenflussmodell • Medien wirken nicht direkt auf die Masse der Rezipienten (Stimulus-Response Modell) • Meinungsführer und deren selektive Zuwendung zu Medieninhalten dämpfen die unmittelbare Wirkung Lazarus: Massenmedien können keinen großen Einfluss haben Stimulus-Response Modell Two-Step Flow Modell Verstärkerhypothese • Medien sind nicht in der Lage Meinungen und Einstellungen zu verändern • Medien können aber bestehende Einstellungen und Überzeugungen verstärken • Grund: selektive Wahrnehmung der Rezipienten Selektive Wahrnehmung Je nach Vorerfahrungen, Einstellungen und Interessen werden nur bestimmte Aspekte der Umwelt wahrgenommen und andere ausgeblendet Rezeption: • Ausgangspunkt der modernen politischen Kommunikations- und Wahlforschung • These der „wirkungsschwachen Medien“ bleibt bis in die 1980er Jahre das zentrale Paradigma der Medienwirkungsforschung Aktuelle Probleme der Wahlforschung • Aufbrechen tradierter sozialer Milieus und Bindungen (soziale Lager = Kinder wählen das selbe wie die Eltern es taten) • Anwachsen der sozialen und regionalen Mobilität • Individualisierung Kritik • Meinungsführerkonzept ist zu starr Datum: 22.11.2007 Nummer der LV: 210310 Name der LV: Einführung in die Methoden der Sozialwissenschaften Vortragender: Regina Köpl Inhalt der VO: Grundprobleme sozialwissenschaftlicher Methodologie • Meinungsführer sind selbst beeinflusst durch andere Meinungsführer • Meinungsführer sind sowohl Distributoren als auch Rezipienten von Einfluss • Meinungsführerschaft ist themenabhängig Kritik Neuere Forschungen gehen wieder von einem größeren Einfluss der Massenmedien auf Rezipienten aus – Ubiquität/Allgegenwart der Massenmedien heute (wir entkommen ihnen nicht mehr) – Neue Leitmedien: TV und Internet Bedeutung der Studie: • Beitrag zur Medienwirkungsforschung (2-Stufenflussmodell) • Beitrag zur Wahlforschung, z.B. • • Konzept der Meinungsführerschaft Zielgruppenbestimmung (Micro-targeting - Stanley Greenberg) • Beitrag zur Methodenentwicklung