Andrea Reiter, GK Deutsch 12/1 8.12.2003 Friedrich Schiller: Maria Stuart I ) Inhalt Erster Aufzug Exposition: Einführen der Personen, ihrer Beziehungen, des Konflikts und seiner Hintergründe -Maria Stuart, einst Königin von Schottland, wird im „Schloss zu Fotheringhay“ gefangen gehalten - Vorwurf: Sie habe Umsturz in England geplant um selbst Königin von England zu werden - Maria schickt Brief an Königin Elisabeth, worin sie „um eine Unterredung mit ihr selbst“ (Z. 169) bittet - Maria reflektiert mit ihrer treuen Amme Kennedy über ihr Leben: Nach Tod des ersten Mannes: Ansprüche auf englischen Thron, Ehe mit ihrem Vetter. Ermordung dieses Vetters. Sie war Mitwisserin in diesem Mordfall und heiratete anschließend sogar den Mörder. Missgunst des schottischen Adels -> Maria suchte Zuflucht in England - Mortimer, Abgesandter ihres Onkels bietet ihr Hilfe zur Flucht an - Burleigh überbringt Marias Todesurteil. Sie hält es für ungerechtfertigt, es ginge in Wahrheit nicht um Recht, sondern um Macht. Zweiter Aufzug Steigende Handlung: Verwicklungen, Konfliktverschärfungen, Spannungsaufbau - Elisabeth im Zwiespalt: Soll sie den französischen Königssohn heiraten, wie ihr Volk es von ihr verlangt? -Diskussion im Staatsrat über Marias Hinrichtung: Unterschiedliche politische Hintergründe, unterschiedliche Meinungen Elisabeth: möchte nicht für Tod Marias verantwortlich sein, ihren Tod möchte sie jedoch sehr wohl - Leicester und Mortimer: geben sich als Sympathisanten Marias zu erkennen Dritter Aufzug Peripetie: Wendepunkt, Höhepunkt - Elisabeth ist zur Unterredung mit Maria bereit - Höhepunkt des Dramas: Aufeinandertreffen der Königinnen Elisabeth reagiert triumphierend, Maria bestreitet Legitimität Elisabeths Herrschaft Abgang Elisabeths -Trotz dem sicheren Todesurteil, triumphiert Maria - Gescheitertes Attentat auf Elisabeth durch Gruppe um Mortimer Vierter Aufzug Fallende Handlung: Hinstreben zur Katastrophe, aufgehalten durch retardierende Momente - Leicester verrät seinen ehemaligen Verbündeten Mortimer -> Selbstmord Mortimers - Elisabeth ahnt, dass sie von ihrem ehemaligen Liebhaber Leicester hintergangen wurde - Volk drängt auf Hinrichtung Marias - Elisabeth unterschreibt das Todesurteil schließlich; jedoch nicht aus politischen sondern aus persönlichen Gründen, sie fühlt sich in ihrer Ehre gekränkt Fünfter Aufzug Katastrophe: Untergang des Helden - Anhänger Marias versammeln sich um Maria in ihrer Todesstunde beizustehen - Maria erscheint, stolz und gefasst, Beichte wird ermöglicht -> Gerade in dem Punkt wegen dem sie schließlich verurteilt wurde ist sie unschuldig: Sie war am Hochverrat Babingtons und Parrys nicht beteiligt - Hinrichtung Marias - Elisabeth erfährt: Zeugenaussagen werden widerrufen, Maria = unschuldig II) Bedeutende Abweichungen zum geschichtlichen Stoff - reine Erfindung: Königinnentreffen - Verjüngung der Kontrahentinnen: Glaubwürdigkeit der persönlichen Ebene des Konkurrenzkampfs - Wesentliche politische Kräfte, mächtige Adelsgruppierungen, das Volk… werden durch einzelne Nebenfiguren dargestellt, die in Wahrheit in der beschriebenen Form nie existierten III) Der Text in seiner Zeit Maria Stuart spiegelt typische Ideale der „Weimarer Klassik“ wider: Sie werden entweder verwirklicht oder nicht verwirklicht (als negatives Beispiel) dargestellt - Ideal der geistigen Freiheit, Absage an jede Form der Gegengewalt (Maria hat keinerlei Rachegefühle wegen Todesurteil, entschuldigt sich sogar bei Elisabeth: vgl. V. 3781-85) - Ideal der Bereitschaft des Menschen, Schuld zu sühnen (Maria will Sünde für Mord an ihrem zweiten Gatten sühnen) - Ideal der Treue (vgl. Diener der Maria) - Ideal der Wahrheit& Ehrlichkeit (negativ dargestellt: falschen Zeugenaussagen wird geglaubt) - Ideal der stetigen Verbesserung des Menschen (Maria: von der Mörderin zur „schönen Seele“) Schillers „Idealbild des humanen Seins“, Optimismus IV) Form des Dramas „Ideale Form des Dramas“ - Verssprache - pathetischer Stil - These- Antithese - Symmetrieprinzip - Weitgehende Wahrung der drei aristotelischen Einheiten: Einheit der Handlung: vorhandene Nebenhandlungen stehen im engsten Bezug zu der Haupthandlung, zielen alle auf die Rettung bzw. Vernichtung Marias ab. Einheit der Zeit: Zwar nicht hundertprozentig gewahrt, Grundregel wird jedoch recht gut eingehalten: Drama erfasst die letzten drei Tage Marias: 1. Tag: Akt I 2. Tag: Akt II- IV 3. Tag: Akt V Einheit des Ortes: Zwar nicht ein einziger Ort, jeder der Kontrahentinnen wird ein eigener Ort zugewiesen: Symbolischer Wert der Orte - Orientierung am traditionellen Musteraufbau 1. Akt: Exposition 2. Akt: steigende Handlung 3. Akt Peripetie, hier zweifacher Höhepunkt: Treffen der Königinnen, Attentat auf Elisabeth 4. Akt: Fallende Handlung 5. Akt: Katastrophe - Tektonische Form des Stücks: * symmetrische Aufteilung der Handlungsorte (vgl. Folie) * antithetisches Prinzip * Ausgewogenheit von Spiel und Gegenspiel * Nicht nur das Ganze, sondern auch ein bestimmter Ausschnitt ist in sich geschlossen und abgerundet (vgl. Treffen der Königinnen) Gegensatz zu z.B. „Götz von Berlichingen“ (Goethe) oder auch „Woyzeck“ (Büchner) -> offene Form - Maria Stuart als analytisches Drama * entscheidende Voraussetzungen der Handlung gehören der Vergangenheit an (vgl. Marias Vorleben, Elisabeths umstrittener Herrschaftsanspruch), werden erst im Verlauf den Zuschauern, und zum Teil auch den anderen Figuren, enthüllt * Gegenstück zum Zieldrama, z.B „Kabale und Liebe“ v. Schiller V) Sprachliche Gestaltung des Dramas - „genus grande“, hoher, pathetischer sprachlicher Stil - Blankvers: reimloser Vers mit festem Metrum. Reime an besonderen Stellen: Marias Beschwingtheit vor dem Zusammentreffen mit Elisabeth („traurige Gruft“ - „himmlische Luft“, V.2080/2081) - Bilderreichtum: Metaphern, Personifikationen, Allegorien z. B. Feuermetaphorik: Burleigh über Maria: „Die Ate dieses ew’gen Krieges, die mit/ Der Liebesfackel dieses Reich entzündet“ (V.1281 f.) oder auch Hell- Dunkel Metaphorik VI) Interpretationsansätze - weltpolitischer Hintergrund: Maria und Elisabeth als Repräsentantinnen politischer und konfessioneller Gegensätze - Maria und Elisabeth als Frauen: * Schönheit Marias: zentrale Rolle (Mortimers Rettungsversuche als Resultat seiner Zuneigung) * Das Frauenbild Schillers: Unfähigkeit der Frauen männliche, zumal politische, Aufgaben zu erfüllen -> Scheitern - Macht und Interessen stehen über Recht und Gerechtigkeit: * Gerichte im Dienste der Staatraison (vgl. Figur des Burleighs) * Recht wird zu persönlichen Motiven gebeugt: Elisabeth, frustriert, sehnt sich insgeheim danach ihre Leidenschaften so auszuleben, wie Maria das gemacht hat. Maria: „Helena“(V. 84), Elisabeth galt als hässlich - Diskrepanz zwischen Sein und Schein * Handlungen, die Marias Tod verhindern sollen, beschleunigen ihn (Königinnentreffen, Mortimers Bemühungen Maria zu retten u. a.) * Elisabeths Leben unter dem totalen Schein (Verdrängung des Weiblichen) Quellen: Friedrich Schiller „Maria Stuart“ (Reclam), „Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas“ (Diesterweg) , „Lektüre- Durchblick Maria Stuart“ Ausgabe 2001 und Ausgabe 2003 (Mentor), Hansjürgen Popp „Lektürehilfen- Maria Stuart“ (Klett), „Lektüreschlüssel Maria Stuart“ (Reclam),