LebenundWirken-JosephPanny-Zsfg.HeimoCerny

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Joseph Panny (1794 – 1838) – Paganinis Begleiter
Im Jahr 1787 wurde der aus Leutschach in der Südsteiermark stammende Jakob Panny
als erster staatlich angestellter Schulleiter und „Regenschori“ (Leiter des Kirchenchors)
nach Kollmitzberg zugewiesen. Der 32-jährige Junggeselle konnte im eben fertig
gestellten neuen Schulgebäude eine komfortable Dienstwohnung beziehen und ging
daran, einen Hausstand zu gründen: Im August 1793 heiratete er
die 19-jährige
Josepha Preinesberger, Tochter des Zeillerner Schullehrers und Organisten Joseph
Preinesberger. Dieser Ehe entsprossen im Verlauf der nächsten 25 Jahre insgesamt 12
Kinder.
Der am 23. Okt. 1794 erstgeborene Knabe wurde auf den Namen Joseph getauft. Ihm
ist ein außergewöhnliches musikalisches Talent in die Wiege gelegt worden, das den
Namen des Kollmitzberger Lehrersohns in ganz Europa zum Klingen bringen sollte!
Schon mit 6 Jahren wurde ihm eine Violine unters Kinn gedrückt und er musste unter
strenger Anleitung des Vaters täglich stundenlang üben. Nach drei Jahren war er bereits
imstande, bei häuslichen Streichquartettabenden im Freundeskreis zufriedenstellend
mitzuwirken. Zusätzlich konnte ihn der Ortspfarrer Franz Moritz Ortler für das Flötenspiel
begeistern. Als Elfjähriger wurde er von seinem Großvater mütterlicherseits, Joseph
Preinesberger, in das Orgel- und Generalbassspiel eingeweiht. Der begabte Junge sollte
nach Beendigung seiner Schulpflicht, dem väterlichen Beispiel folgend, den Lehrberuf
ergreifen. Doch die französische Invasion des Jahres 1809 machte diesen Plan
vorübergehend zunichte. Das neue Schulhaus wurde geplündert und die Familie verlor
ihre
ganze
Habe.
Der
angehende
Student
musste
längere
Zeit
mit
harter
Landmannsarbeit zum Lebensunterhalt der mittlerweile 7- köpfigen Familie beitragen.
Nachdem die geschlagenen Wunden allmählich verheilt waren, wurde Joseph - seiner
geplanten Bestimmung folgend – im Herbst 1810 nach Linz geschickt, um den
Vorbereitungskurs für das Lehramt zu absolvieren. Das pulsierende kulturelle Leben in
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der oberösterreichischen Landeshauptstadt erwies sich als Nährboden für seine
musikalischen Neigungen. Im Dom und in den zahlreichen anderen Gotteshäusern lernte
er das große Repertoire der
klassischen Kirchenmusik kennen. Hier fand er die
Vorbilder für die ersten Versuche eigenen Schaffens. Aus dieser Zeit stammen bereits
zwei Messen, deren erste er dem Abt von Melk, die zweite dem Abt von Seitenstetten
ehrfurchtsvoll gewidmet hat.
Nach Beendigung des Lehramtsstudiums fand der 19-Jährige auf Schloss Greinburg
Aufnahme als Hauslehrer. Hier herrschte im adeligen Kreise ebenfalls reges kulturelles
Leben. Der große Rittersaal war des Öfteren Schauplatz großer Konzertveranstaltungen.
Anlässlich eines Besuches von Kaiser Franz und seines Hofkapellmeisters Joseph
Eybler wurde dem musikalisch ambitionierten Hauslehrer sogar Gelegenheit geboten,
eine selbst komponierte Kantate aufführen zu lassen. Eybler erkannte das Talent des
jungen Musikers, ermutigte ihn in seiner Arbeit und bot sich als Mentor an, sollte er
nach Wien kommen. Damit waren die Weichen für Pannys musikalische Karriere
gestellt!
1815 übersiedelte er tatsächlich nach Wien, wo er die fördernde Zuneigung des
kaiserlichen Hofkapellmeisters genoss. Neben der Ausbildung in Kompositionslehre
nahm er auch Gesangs- und Klavierunterricht. Vor allem aber entwickelte er auf der
Violine virtuose Fähigkeiten. Über sein Privatleben in dieser Wiener Zeit ist kaum
Greifbares bekannt, doch dürfte ihm der Zugang zu höheren gesellschaftlichen Kreisen
nicht schwer gefallen sein. Dies verraten diverse Widmungen vieler damals entstandener
Kompositionen, z.B. an Baronin Angelika von Türckheim, Baronesse Poly de Turkheim,
Hofrat Edlen von Mosel, Mademoiselle Maria Stainer etc.
Bald wurden im renommierten Wiener Verlag Artaria auch seine ersten Werke gedruckt
und
ediert.
Die
Nachfrage
nach
gefälliger
und
anspruchsvoller
Hausmusik
(Streichquartette, Klaviertrios, Lieder) war im biedermeierlichen Wien damals ernorm. Im
gehobenen Bürgertum wurde Klavier gespielt, gegeigt, und gesungen. Vermutlich hat
Panny in wohlhabenden Häusern und Musikschulen auch Instrumentalunterricht erteilt,
um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. 1824 ist er erstmals in einem Konzert als
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Dirigent mit Eigenkompositionen öffentlich aufgetreten, welches einer Zeitungsnotiz
zufolge ermunternde Aufnahme fand.
1825 unternahm der angehende Tonkünstler eine Studienreise nach Italien, wo er in
Venedig mit dem berühmten Violinvirtuosen Niccolo Paganini nähere Bekanntschaft
machte. Nach Wien zurückgekehrt, hat er seine Konzerttätigkeit fortgesetzt und konnte
sich offenbar recht schnell einen Freundes- und Verehrerkreis erwerben. Mehrmals
mietete er als „Concertgeber“ den Saal der niederösterreichischen Landstände in der
Herrengasse, wo er mit namhaften Solisten des k.k. Hofburgtheaters große Chor- und
Orchesterwerke als Komponist und Dirigent zur Aufführung brachte.
Als 1828 der Teufelsgeiger Paganini auf seiner ersten Auslandsreise in Wien Station
machte, wurde die in Venedig geschlossene Freundschaft erneuert. Sie beschlossen, ab
nun gemeinsam auf Konzertreisen zu gehen und Panny sollte ihn als Dirigent und
Komponist begleiten. Sofort machte sich dieser ans Werk und binnen weniger Tage
entstand das virtuose Tongemälde „La Tempesta“ (Der Sturm), welches beim Wiener
Abschiedskonzert am 24. Juli 1828 enthusiastisch bejubelt wurde. Paganini honorierte
die erfolgreiche Komposition mit 200 Silbergulden!
Die harmonisch begonnene Kooperation der beiden Künstler fand bereits kurze Zeit
später in Prag ein jähes Ende. Vermutlich ertrug es der exzentrische Teufelsgeiger doch
nicht, sich seine Erfolge mit einem Konkurrenten teilen zu müssen. Ihre Wege trennten
sich daher und Panny setzte seine Kunstreise allein fort. Er hielt sich einige Monate in
München auf, konzertierte in Mannheim und bezog schließlich in Mainz
ein
Quartier für „reisende Virtuosen“. Hier hat er sich rasch einen Namen gemacht, wie
folgender Zeitungsnotiz zu entnehmen ist: „Seit einigen Wochen hält sich Herr Panny
aus Wien hier auf und bringt unsere musikalischen Dilettanten und Kunstfreunde durch
seine Kompositionen in angenehme lebendige Bewegung“. Seine Anregung, eine
„Mainzer Liedertafel“ (Männerchor) zu gründen, stieß auf breite Zustimmung und bald
entstand
eine
Chorgemeinschaft
Sangesfreudigkeit
Orchesterbegleitung
beflügelte
(Der
ihn
Rhein,
mit
zur
weit
über
Komposition
Fischerlied,
hundert
Stimmen.
gewaltiger
Kriegerlied,
Diese
Chorwerke
etc.).
Er
mit
knüpfte
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freundschaftliche Beziehungen zum renommierten Mainzer Musikverlag
Schott &
Söhne, wo künftig Pannys Werke verlegt und gedruckt wurden.
Obwohl er in Mainz mit großer Begeisterung aufgenommen und gefeiert wurde, hatte er
nicht die Absicht, sich hier auf Dauer niederzulassen. Nach nur einjährigem Aufenthalt
setzte er seine in Prag begonnene Kunstreise im Frühjahr 1830 fort und zog über
Düsseldorf und Hamburg, wo er überall erfolgreich auftrat, nach Berlin. Hier führte er in
großer Besetzung am königlichen Hof sein „Kriegerlied“ auf und konnte den
allerhöchsten Beifall des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. entgegennehmen.
Sein nächstes Ziel war Norwegen, wo er sich fast 2 Jahre lang dem Studium der
skandinavischen Literatur und Volksmusik widmete. In der Hauptstadt Kristiania (heute
Oslo) hatte man ihm die Stelle eines „Musikdirektors“ angeboten, die er im Winter
1831/32 innehatte. Sein populärstes Werk aus dieser Zeit ist eine Vertonung des 15.
Gesangs aus der „Frithjofs-Saga“ unter dem Titel „Wikingerbalk“ („Des Seemanns
Gesetze“).
Im Herbst 1832 kehrte er für kurze Zeit wieder nach Mainz zurück, doch schon gegen
Jahresende leitete er in Hamburg die dortigen „Casino-Konzerte“. 1834 wurde ihm in
der Landgemeinde Wasserburg in Elsaß die Stelle eines Musikpädagogen angeboten. Er
nahm an und gründete vorübergehend eine eigene Musikschule. Von hier aus
unternahm er 1835 eine Reise über Paris nach London, jedoch gibt es darüber keine
Berichte. Vermutlich konnte er dort nicht so leicht Fuß fassen und dürfte in finanzielle
Schwierigkeiten geraten sein. Er sah sich gezwungen, seine wertvolle Amati-Geige zu
verkaufen, wobei er zu allem Unglück an einen Betrüger geriet, der mit der kostbaren
Violine spurlos verschwand und die ausbedungene Summe niemals überwiesen hat.
Nach der Rückkehr aus London ließ er sich 1836 endgültig in Mainz nieder, wo er sich,
in der Erinnerung an die seinerzeitige freudige Aufnahme bei der Mainzer Liedertafel,
eine dauerhafte Anstellung als Kapellmeister erhoffte. Doch mittlerweile war diese Stelle
mit einem anderen begabten jungen Musiker besetzt worden, was Panny als kränkende
Zurücksetzung empfand und seinen Gemütszustand zunehmend verdüstert hat. Er
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wurde verbittert, hart und stolz und machte sich Feinde. Panny blieb trotzdem in Mainz
und gründete eine private Musikschule für Instrumental- und Vokalmusik. Aufgrund
seiner pädagogischen Fähigkeiten stieg die Schülerzahl rasch an. Unter ihnen befand
sich auch der 12-jährige Peter Cornelius, der später als Opernkomponist („Der Barbier
von Bagdad“) Karriere machte.
Er hat seinen Lehrer sehr verehrt und charakterisiert
ihn in seinen Tagebüchern als wohlwollende, freundliche, aber wenig Respekt
gebietende Persönlichkeit.
Im Oktober 1836 heiratete Joseph Panny seine aus ärmlichen Verhältnissen stammende
18-jährige Schülerin Anna Kiefer, die er zur Sängerin ausbilden wollte. Er richtete seine
Wohnung sehr kostspielig und luxuriös ein und lebte aufwendiger, als es seine
Einkünfte erlaubten. Schon zwei Monate nach der Hochzeit musste er Konkurs
anmelden, verfiel er in schwere Depressionen, und das Gerücht, er sein wahnsinnig
geworden, machte die Runde. Ein enger Freundeskreis, darunter auch der ihm treu
gebliebene Verleger Schott, gründete einen Unterstützungsverein, um den über ein Jahr
lang dauernden Sanatoriumsaufenthalt zu finanzieren. Während dieser Zeit musste auch
Pannys mittlerweile schwangere Gattin versorgt werden. Im März 1838 brachte sie
einen Knaben zur Welt, der auf den Namen Johann Joseph getauft wurde.
Als Panny im April 1838 aus der Psychotherapie geheilt entlassen wurde, begann er
sofort wieder rastlos zu arbeiten, zu unterrichten und zu komponieren. Doch schon drei
Monate später kam es zu einem schweren Rückfall und er erlag am 7 . Sept. 1838
seiner unheilbaren Erkrankung. Die Obduktion seines Leichnams ergab den Befund
„Rückenmarksdarre“.
Im Sterberegister der Stadt Mainz wurde am 8. Sept. 1838 sein Tod amtlich
dokumentiert: Sebastian Schuller und Johann Joseph Schott (Musikhändler) haben
erklärt, daß Joseph Panny, Direktor einer Musikbildungsanstalt, 43 Jahr 12 Monate alt,
geb. und bürgerlich säßhaft zu Kollmitzberg in Niederösterreich, zu Mainz sich
aufhaltend, Ehemann von Anna Kiefer, zu Mainz wohnhaft, Sohn des Schullehrers
Jakob Panny, im Leben wohnhaft zu Kollmitzberg und der daselbst wohnhaften Josepha
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Breinesrberger, gestern den 7. Sept. 1838 um 6 Uhr abends in dem Hause
Pfaffenstraße Nr. 22 gestorben ist.
Diesen Zeilen ist zu entnehmen, dass Panny zeitlebens in seinem Geburtsort bürgerlich
sesshaft (= gemeldet) war. Seine amtliche Wohnadresse war bis zu seinem Tod das
Kollmitzberger Elternhaus. Alle anderen vorübergehenden Aufenthaltsorte waren nur
Stationen seiner lebenslänglichen Kunst- und Konzertreise, die er 1828 mit Paganini
von Wien aus angetreten hat – und die genau 10 Jahre später in Mainz ein tragischen
Ende fand.
Am 15. Okt. veranstaltete die Mainzer Liedertafel ein Gedenkkonzert „zum Besten der
Hinterbliebenen des kurz vorher in Mainz verstorbenen Komponisten Panny, des
bekannten Begleiters Paganinis.“ Im Nekrolog der „Frankfurter Zeitung“ heißt es über
Panny:
„Das Leben war für ihn ein Jammerthal. Panny war arm geboren und war
verflucht, trotz tausendfacher Anstrengungen, trotz seines vorwaltenden Genies, arm zu
leben, arm zu sterben. Sein Talent ward anerkannt, aber nicht gefeiert. Seine
Kompositionen wurden bewundert, brachten ihm aber wenig oder nichts ein.“
Panny hat auf seinen Reisen seine Werke überall hinterlassen, wodurch sie heute über
ganz Europa verstreut sind und in einschlägigen Archiven und Bibliotheken (Berlin,
Bergen, Dresden, Frankfurt, Hamburg, Leipzig, Mannheim, München, Mainz, Oslo, Paris,
Prag, Wien) schlummern. Bislang sind ca. 80 Werktitel bekannt, doch inklusive
ungedruckter und noch nicht erfasster Werke dürfte die Gesamtzahl weit über 100
hinausgehen. 1924 hat ein Großneffe des Komponisten einen „Teilnachlass“ der
Musiksammlung
der
Österr.
Nationalbibliothek
übergeben.
Pannys
gesamter
künstlerischer Nachlass wurde nach seinem Tod vom befreundeten Verleger Johann
Schott in Mainz in Verwahrung genommen. Auf Nachfrage im Schott-Archiv Mainz war
zu erfahren, dass der Nachlass Pannys erst im Jahr 2014 der Bayerischen
Staatsbibliothek zur Erschließung übergeben worden ist.
Die direkte Nachkommenschaft Joseph Pannys lässt sich bis 1924 verfolgen:
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Sein Sohn Johann Joseph (1838-1899) hat sich in Hamburg als Kaufmann etabliert.
Aus seiner Ehe mit Maria Burmester gingen 4 Kinder hervor. Der älteste Sohn Ignaz
Alois (geb. 1881, protestantisch getauft, deutsche Staatsbürgerschaft) war Angestellter
der Deutschen Reichsbank. Er wanderte nach China aus, wo er 1914 in Hongkong
heiratete und 1916 und 1918 die Kinder Carola und Vinzenz geboren wurden. Rückkehr
nach Hamburg (Tochter Jutta, geb. 1922, Sohn Rolf, geb. 1924).
Quelle: Österr. Nationalbibliothek, Musiksammlung, Teilnachlass Joseph Panny
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