Karikaturen 1969

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Karikaturen 1969 – 1978
1969: Völkerrechtliche Anerkennung der DDR?
West: "... und der mitgelieferte Damokles-Brieföffner"(Wolfgang Hicks)
Beschreibung: Ein mit dem Wort
„Anerkennung“ beschrifteter
Brieföffner prangt über diversen
westdeutschen Politikern (Ehmke,
Brandt, Scheel, Wehner), die allesamt
Verantwortung für die Ostpolitik
tragen.
Deutung: Brieföffner =
Damoklesschwert;
Verhandlungseinladung ist ergo für
die Politiker (innenpolitisch) eine
Gefahr
Histor. Hintergrund: 1969 legt die DDR (wiederholt) einen Vertragsentwurf vor, der
gleichberechtigte Beziehungen vorsieht.
Ost: Vertragsentwurf der DDR (Hermann Raum)
Beschreibung: Brandt kommt
zwecks Verhandlungen über einen
Vertragsentwurf in die DDR, dabei
passiert er den Berg von
Verhandlungsangeboten der DDR aus
den vorigen zwei Dekaden.
Deutung: Hermann Raum kritisiert
die Trägheit und den Unwillen
Westdeutschlands, mit der DDR in
Verhandlung zu treten.
Histor. Hintergrund: Am 18.12.
unterbreitet die DDR der
Bundesrepublik einen erneuten Verhandlungsvorschlag, im Zuge dessen Willy Brandt am
19.3.1970 zum ersten innerdeutschen Gipfeltreffen nach Erfurt reist.
1
1970: Deutsch-deutsche Verhandlungen
West: "Sommer 1970, aber der Eisblock will nicht schmelzen..."(Peter Leger)
Beschreibung: Willy Brandt (mit
Schild „BRD“) und Walter Ulbricht
sitzend am Verhandlungstisch,
innerhalb eines Eisblockes,
dargestellt; Ulbricht deutet auf das im
Raume stehende Wort
„Anerkennung“; um den Eisblock
herum Blumen
Deutung: Trotz verbesserter
Voraussetzungen bleibt das deutschdeutsche Verhandlungsklima
unterkühlt, da Ulbricht weiterhin auf
die völkerrechtliche Anerkennung der
DDR besteht, was Brandt jedoch
ablehnt.
Histor. Hintergrund: Die deutsch-deutschen Verhandlungen zwischen Willy Brandt und
Willi Stoph (19.3.1970) bleiben ergebnislos, weitere Verhandlungen kommen erst im
November zu Stande und werden darüber hinaus nicht auf höchster Ebene geführt.
Ost: "Ent-wicklung. 'Dem Kanzler geht es um das Gespräch - mit welchem Ziel auch
immer - um die Umgarnung des Gegners.' (Die Welt 16.3.1970)" (Harald Kretzschmar)
Beschreibung: Dargestellt wird der damalige
Bundeskanzler Brandt verschnürt in Garn von einer mit
„CDU CSU“ beschrifteten Rolle. Schlecht lesbar, da
handschriftlich, ist rechtsseitig hinzugefügt: "Ent-wicklung.
'Dem Kanzler geht es um das Gespräch - mit welchem Ziel
auch immer - um die Umgarnung des Gegners.' (Die Welt
16.3.1970)"
Deutung: Ein aus dem Kontext genommenes Zitat wird
gegen Brand eingesetzt und soll seine Bemühungen um den
innerdeutschen Dialog diffamieren
Histor. Hintergrund: Der zitierte Absatz aus der „Welt“
erschien am 16.3.1970, somit zwei Tage vor dem ersten
innerdeutschen Gipfeltreffen.
2
1971: Die Ostverträge
West: "Wir halten unbeirrt an unserer Ostpolitik fest...!"(Wolfgang Hicks)
Beschreibung: Hicks präsentiert in
seiner Karikatur Willy Brandt,
gehalten in der Hand und am langen
Arm Leonid Breshnews. Der Arm der
sowjetischen Parteiführung ragt dabei
über die im Vordergrund gezeigte
Mauer hinaus.
Deutung: Der Karikaturist möchte
zeigen, dass sich Willy Brandt durch seine Bemühungen um einen Ost-West-Dialog in eine
Abhängigkeitssituation vom Moskau gerät.
Histor. Hintergrund: In der Bundesrepublik Deutschland befürchtet man durch den Dialog
eine „Russifizierung“. Auch die ostdeutsche Karikatur aus diesem Jahr nimmt das Thema auf.
Ost: "Düsseldorfer Party-Snack: 'Das kennt man ja: Zuerst Ratifizierung der Verträge,
Truppenabzug aus Europa pipapo - und eines Tages wachen wir auf und haben die
Kosaken auf der Kö!'" (Peter Dittrich)
Beschreibung: Die Bildunterschrift zur Karikatur
sagt hierzu alles: „Düsseldorfer Party-Snack: 'Das
kennt man ja: Zuerst Ratifizierung der Verträge,
Truppenabzug aus Europa pipapo - und eines Tages
wachen wir auf und haben die Kosaken auf der
Kö!’“.
Deutung: Die o.g. Ängste bezüglich der
„Russifizierung“ der Bundesrepublik werden als
bedeutungsloses Gesprächsthemas für Partys
dargestellt. Des Weiteren tragen die Damen den so
genannten „Kosaken-Look“, sodass das
Gesprächsthema noch stärker als irrelevant
erscheint.
Histor. Hintergrund: Die Befürchtungen zur
„Russifizierung“ basierten auf einem
Gesprächsthema des politischen Dialoge über den
Eisernen Vorhang hinweg: Der Truppenabzug aus Europa. Man sah die Truppen jedoch als
einen Garanten dafür an, dass die UdSSR nicht Hegemonialmacht für Westeuropa werden
konnte.
3
1972: Der Grundlagenvertrag
West: "Kraft seiner starken Wurzeln wird er alle Mauern sprengen!" (Wolfgang Hicks)
Beschreibung: Willy Brandt und
Egon Bahr gießen eine Pflanze, die
unter der Mauer erwächst und mit
„Grundlagenvertrag“ beschriftet ist.
Brandt sagt: „Kraft seiner starken
Wurzeln wird er alle Mauern
sprengen“.
Deutung: Der Grundlagenvertrag
nährt die Hoffnungen, dass die Mauer
fallen und so die Teilung Deutschland beendet werden könnte.
Histor. Hintergrund: Am 21.12.1972 wird der Grundlagenvertrag zwischen der DeutschenDemokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland als Ergebnis langjähriger
Verhandlungen von der Regierung Brandt geschlossen.
Ost: "Eine Lieferung 'innerdeutsche Entspannungs'-Botschafter" (Hermann Raum)
Beschreibung: Man sieht ein Paket,
aus dem Bundesaußenminister Scheel
sowie diverse Schlangen herausragen
um deren Hälse
Verhandlungsangebote auf Schildern
gedruckt hängen. Bildunterschrift:
„Eine Lieferung innerdeutsche
Entspannungs-Botschafter“
Deutung: Der Karikaturist stellt die
Verhandlungsvorschläge der
Bundesrepublik als unehrlich dar.
Dieses wird durch die Schlangen
symbolisiert.
Histor. Hintergrund: Diese Karikatur entstand 1972 während der Verhandlungen, die
schließlich im Grundlagenvertrag zum Erfolg führten (s.o.)
4
1973: Aufnahme der DDR in die UNO
West: "Aufnahmegesuch in die UNO - zur Wahrung der Menschenrechte" (Wolfgang
Hicks)
Beschreibung: Im Zentrum der
Karikatur zeigt Hicks Walter
Ulbricht, der mit seiner rechten Hand
auf etwas zu schreiben scheint,
während er mit der linken Hand eine
militärische Ehrung an einen
Grenzsoldaten vergibt. Im
Hintergrund sieht man eine
augenscheinlich leblose Person in
einem Stacheldrahtverhau hängen.
Deutung: Hicks kritisiert in dieser
Karikatur das politische Doppelspiel
der DDR, die einerseits zwar der UNO beitritt (hier dargestellt durch Ulbrichts
Unterzeichnung des Aufnahmegesuchs) und damit sich der Einhaltung der Menschenrechte
verpflichtet, andererseits den Schießbefehl an der Grenze zu Westdeutschland weiterhin
aufrechterhält.
Histor. Hintergrund: Nach der gegenseitigen völkerrechtlichen Anerkennung der beiden
deutschen Staaten durch den Grundlagenvertrag (2.3.1973) kommt es zur Aufnahme beider
Staaten in die UNO am 18.9.1973.
Ost: "Am East-River: Verbesserte Aussicht auf die Weltpolitik" (Hermann Raum)
Beschreibung: Die Karikatur zeigt
einen formell gekleideten Herrn, der
durch eine Urkunde, betitelt mit
„UNO-Aufnahme der Deutschen
Demokratischen Republik“, nach
rechts oben aus dem Bild zu schauen
scheint. Im Hintergrund lässt sich ein
Teil der New Yorker
Hochhauslandschaft inklusive des
UNO-Gebäudes erahnen.
Deutung: Raum bringt mit seiner
Karikatur die verbesserten
Aussichten der DDR zum Ausdruck,
die diese nun in der globalen Politik genießen kann. Durch den Beitritt zur UNO ist ihr zum
einen die Anerkennung durch Westdeutschland, aber gleichsam auch durch die anderen
Staaten des Westens sicher.
Histor. Hintergrund: Am 18.9.1973 wird die DDR zusammen mit der Bundesrepublik
Deutschland in die Vereinten Nationen aufgenommen.
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1974: Wandel durch Annäherung
West: "Ach, können Sie mir nicht sagen, wo Ihre weiche Stelle sitzt?"(Wolfgang Hicks)
Anlass: Ostverträge
Beschreibung:
 Steinblock mit dem Gesicht Leonid Breschnews (Präsident der Sowjetunion)
 Vergleichsweise dünner, kleiner Mann mit Speer, in mittelalterlicher Kleidung
 Egon Bahr Bundesminister Für besondere Aufgaben
 Egon Bahr in Angriffsposition
Interpretation:
 Personale Individualkarikatur: Die Charaktere der Karikatur sind eindeutig einzuordnen
und spiegeln das Verhalten der gemeinten Personen wieder.
 Zustandskarikatur: Es gibt zwar einen aktuellen Anlass für die Karikatur (Ostverträge),
das Abblocken des Ostens ist jedoch ein Zustand.




Egon Bahr versucht die Pfeilspitze des Westens zu sein, um den Ostblock zu
durchdringen.
Es ist jedoch aussichtslos, den Steinblock (auch Anspielung auf die Berliner Mauer) mit
einem Speer zu durchdringen => falsch gewählte Waffe
Egon Bahr ist auch zu klein, um gegen den „massiven“ Leonid Breschnew anzukommen
Zweifel an der Wirksamkeit der Verträge
Ost: "Nicht so martialisch, Kamerad! Den Ehrendolch unserer Bewegung trägt man
jetzt auf dezentere Art." (Peter Dittrich)
Anlass: Prager Vertag
Beschreibung:
 Ein Wanderer mit abgenutzter Kleidung und
einem Wanderstock
 Hose ist mit einem Flicken benäht auf dem
„Münchener Abkommen“ steht
 An seiner Hose hängt ein Glas mit der
Aufschrift „Schneekoppe“
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
Er hat einen Dolch im Rücken, welcher von einer roten Faust mit der Aufschrift
„Ostverträge“ gekennzeichnet ist

Der zweite Mann hat eine Uniform der Egerländer Freikorps (Egerland = Gebiet im
Sudetenland)
Dick, wohlgenährt
Handgranate am Rucksack


Hintergrund:
Münchener Abkommen (1938): Machte das Sudetenland zu deutschem Reichsgebiet
Prager Vertrag (1873, ratifiziert 1974): Die Bundesrepublik und die CSSR erklären das
Münchener Abkommen für nichtig und einigen sich auf soziale und wissenschaftliche
Zusammenarbeit. Die diplomatischen Beziehungen werden Aufgenommen.
Interpretation:
Der Wanderer fühlt sich zum zweiten Mal aus seiner Heimat, in die er 1938 eingebunden
wurde, vertrieben: zum ersten Mal nach dem Krieg, zum zweiten Mal durch die Ostverträge.
Er fühlt sich durch seine eigene Heimat betrogen (Anspielung auf die Dolchstoßlegende aus
dem 1.WK). Der andere Mann hat sich zwar mit der Situation abgefunden und macht sich
über die in seinen Augen Überreaktion des Wanderers lustig (siehe Titel), ganz friedlich ist er
jedoch auch nicht, denn er trägt immer noch Waffen (Handgranate) bei sich.
Die beiden Männer repräsentieren verschiedene Gruppen von Sudetendeutschen und ihren
unterschiedlichen Umgang mit dem Verlauf der Geschichte. Daraus folgt dass es sich um eine
personale Typenkarikatur handelt. Die Karikatur ist auf Grund der aktuellen Geschehnisse
entstanden, deshalb ist es eine Ereigniskarikatur.
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1976: Reisefreiheit?
West "Weil sein Text gegen die Melodie verstößt..." (Wolfgang Hicks)
Anlass: Ausbürgerung Wolf Biermanns
Beschreibung:
 Schild auf dem steht „Deutsche Demokratische Republik“
 Musiker (Wolf Biermann) mit Ost-Ukulele in der Hand
 Sozialist, aber Texte üben Kritik an der DDR
 Ein mit deutschen Farben geschmückter Arm, der den Eintritt verwehrt
Interpretation:
 Personale Individualkarikatur: Die Person der Karikatur ist eindeutig einzuordnen und
zeigt das Genre in dem die Person tätig ist.
 Zustandskarikatur: Die Ausbürgerung des deutschen Musikers Wolf Biermann ist ein
Zustand.


Personen, die nicht in das Muster der DDR reinpassen, werden in den Westen
abgeschoben.
Auch überzeugt Sozialisten müssen befürchten durch einen Fehler die Heimat zu
verlieren.
Ost: " Im Interesse der Menschheit: Ab und zu etwas 'Unmenschlichkeit'!“ (Peter
Dittrich)
Anlass: Verbot zur Überschreitung
der inneren deutschen Grenze
Beschreibung:
 Eine ausgehungerte Frau (aus
dem Westen) mit einem T-shirt
mit der Aufschrift „Krise“ steht
mit ihrem Auto (Mercedes), dass
die Aufschrift „Mehr
Gemeinsamkeiten“ trägt vor der
Grenze.
 Ein erhobener Arm verwehrt ihr
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den Eintritt nach Ostdeutschland
 Die Frau hat einen Blumenstrauß in der Hand und hat eine Handtasche neben sich stehen
 Sie hat zerlumpte Kleidung am Körper
Interpretation:
Die Ost-Regierung verbietet das Betreten Ostdeutschlands für die Westdeutschen, da sie ihrer
Meinung nach den ostdeutschen Bürgern nur Probleme bringen. Der Westen versucht
demnach mit Lügen die ostdeutsche Bevölkerung zu beeinflussen und würde ihnen ein
schlechtes Leben bieten, während im Osten „alles perfekt“ ist. Die Karikatur ist auf Grund der
aktuellen Geschehnisse entstanden, deshalb ist es eine Ereigniskarikatur.
1977: Menschenrechte
West: Verhaltensregeln für DDR-Bürger (Peter Leger)
Anlass:
1. DDR-Bürgern wird der Zugang zur ständigen Vertretung der Bundesrepublik verwährt
2. Regimekritiker Rudolf Bahro wird verhaftet, nachdem er sein Buch „Die Alternative –
Kritik des real existierenden Sozialismus“ in der westdeutschen Presse vorgestellt hat
Beschreibung:
 Der (ost-)deutsche Michel wird von zwei sowjetischen Polizisten durch einen
Stacheldrahtkorridor geleitet.
 An den Zäunen sind Verhaltensregeln für die Bürger befestigt, z.B. „BRD-Vertretung
nicht besuchen!“, „West-Journalisten meiden!“
Interpretation:
Die Ostdeutsche Bevölkerung wird von dem ostdeutschen Regime eingeengt. Sie leben
ständig überwacht, unter gefängnisartigen Bedingungen. Der Westen, so wird den Bürgern
eingetrichtert, ist unbedingt zu meiden.
Der ostdeutsche Michel repräsentiert die Bevölkerung in der DDR, die Polizisten stehen für
das Regime, es handelt sich also um eine personale Typenkarikatur. Die Karikatur nimmt
zwar einen aktuellen Anlass als Aufhänger, kritisiert aber vor allem die anhaltenden
unmenschlichen Bedingungen der Bürger der DDR, es ist also eine Zustandskarikatur.
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Ost: "... unterschreib doch mal den Appell für Menschenrechte in den kommunistischen
Ländern" (Horst Schrade)
Beschreibung:
 Ein Labor, viele Flaschen als giftig
gekennzeichnet
 An den Wänden Poster über die
Wirksamkeit von
Massenvernichtungswaffen
 Zwei Laboranten, einer davon mit Papier
und Stift
 Über der Tür: Zwei amerikanische
Flaggen, sowie ein Schild mit der
Aufschrift „Fort Knox“
Interpretation:
Die Karikatur stellt das westliche Verhalten
als Heuchlerei dar: Während sie selbst
Massenvernichtungswaffen herstellen
kritisieren sie die Menschenrechtsverletzungen in der DDR. Es handelt sich um eine
personale Typenkarikatur, die Laboranten stehen für den Westen. Des weitern beschreibt die
Karikatur einen Zustand.
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