Proseminar Medienlehre Presse Dozent: Michael Harnischmacher Referenten: Susanne Faschingbauer, Juliane Kaelberlah, Tanja Kössler, Christine Zech Eichstätt, 22.11.2005 Die Geschichte der Presse bis 1945: Die Ritualisierung des Nachrichtenflusses und die Entstehung verschiedener Pressegattungen I. Vorgeschichte: Buchdruck bis Ende 18. Jahrhundert - ca. 1440: Erfindung des Buchdruck durch Johannes von Gutenberg → erste Flugschriften: „Neue Zeitungen“ - ab 1450: kommerzielle Verwendung: Ablassbriefe, Bibel, Kalenderblätter - ca. 1489: Ordinari Zeitungen - 1566 – 1600: erste Wirtschaftszeitungen („Fugger-Zeitungen“, Messrelationen) - 1597: „Rohrschacher Monatsschrift“ - 1605: erste Wochenzeitung: „Strassburger Relation“ - 1650: erste Tageszeitung: Einkommende Zeitungen“ Leipzig - ab ca. 1650: Entstehung der Zeitschriften; Instrument der Aufklärung ► Pressefreiheit gab es nicht. Erst 1787 wurde die Zensur aufgehoben II. Das 19. Jahrhundert – Revolution, Kaiserreich und Beginn der Massenpresse 1. Kampf um Pressefreiheit Vormärz→ Aufklärung und Revolution wecken Wunsch nach deutscher Einheit im Nationalstaat (Konflikt: Liberale/Konservative) Presse wird Meinungsmacher: kurze liberale Phase nach Befreiung von franz. Besatzung Wiener Kongress 1815: Pressefreiheit soll einheitlich geregelt werden Karlsbader Beschlüsse 1819: Disziplinierungsmaßnahme (Kontrolle durch Bund, Vorzensur) Die Revolution 1848/49→ 28.3.1849 Pressefreiheit als Grundrecht Uneinigkeit der Revolutionäre führt zur Radikalisierung der Presse („Der Demokrat“) Flut von Neuerscheinungen (Herausbildung der Parteipresse) Reaktion nach Scheitern der Revolution: „Zustand der zensurfreien Presseunfreiheit“ Indirekter Druck auf Länderebene über das Bundespressegesetz von 1854 Presse im Kaiserreich 1874: Reichspressegesetz unter Bismarck (Gewährleistung der Pressefreiheit, Vereinheitlichung des Medienrechts, RPG hat aber keinen Verfassungsschutz) 1878: Sozialistengesetz (einfache Reichstagsmehrheit setzte RPG außer Kraft. Beginn des ersten Weltkriegs: Strafgesetze verschärfen sich ► Zensur durch das Militär 2. Presse als Geschäft Inhaltlicher Wandel Selektionsdruck und Informationsbedürfnis steigt durch Industrialisierung, technische Erfindungen und erweitertes Nachrichtenwesen Folgen: Ressortbildung ► Politik (nimmt ab), Wirtschaft und Kultur (holen auf), Lokales und Gesellschaftsthemen (ersetzen interpersonale Kommunikation in den Städten), Sport (entwickelt sich erst kurz vor der Jahrhundertwende). Ein neuer Weg – die Penny Press Ursprung in den USA, Frankreich und England der 1830er („The Sun“) Merkmale: lokaler Schwerpunkt, politisch neutral, mehr Unterhaltung und Ilustrationen → durch niedrigen Kaufpreis Hinwendung zu einem breiten Publikum „Illustrierte Zeitung“ von Johann Jakob Weber (Leipzig 1943): erster Erfolg in Deutschland 3. Strukturen der Presse Titel:1885 - 1910 Steigerung um 40% auf rund 4000 Erscheinungen (Auflage: 25 Millionen) Periodizität und Publizität: je größer desto häufiger: Frankfurter Zeitung 19x wöchentlich Zeitschriften: bis 1904 rund 6000 Zeitschriftentitel → Dominanz der Familienzeitschrift III. Presse in der Weimarer Republik (1918 – 1933) - 1919: Militärzensur endet, politischer Machtkampf zwischen einzelnen Zeitungen → Artikel 118 „Meinungsfreiheit“ aber kein besonderer Schutz der Pressefreiheit - 1925: 35 % aller Zeitungen in Deutschland, 40 % aller Provinzzeitungen mit Hugenbergs Druckvorlagen beliefert. - Anfang 30er: Verbote für über 280 Zeitungen als Reaktion auf die zunehmende Radikalisierung der Presse - 1932: etwa 4700 Zeitungen, Gesamtauflage: 25 Millionen →fast 50% aller Zeitungen waren Parteiblätter oder standen einer Partei nahe. IV. Presse im NS-Staat: 1933 – 1945 1. Ziele der Pressepolitik: Ausschaltung aller politischer Gegner Gleichschaltung unterschiedlicher Positionen Massenbeeinflussung/Instrument zur Meinungsführung 2. Ablauf und Organisation: 4. Februar 1933: Notverordnung zum „Schutz des deutschen Volkes“ 28.Februar 1933: Reichstagsbrandverordnung ► Aufhebung der Pressefreiheit 22.September 1933: Reichskulturkammergesetz → Konzeption der Reichskulturkammer: - sieben Kammern - eine davon: Reichspressekammer - Präsident: Max Amann - Aufnahme von Journalistenverbänden - Beitrittspflicht für jeden Journalisten 4. Oktober 1933: Schriftleitergesetz → regelt Unabhängigkeit vom Verleger und Bindung an staatlich verfügte Pressepolitik ökonomische Gleichschaltung 3. Inhaltliche Lenkung: 12. März 1933: Gründungserlass für das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Minister: Joseph Goebbels) ► steuert den Informationsfluss und regelt die Inhalte Fragen zur Diskussion: Hat es bis 1945 jemals richtige Pressefreiheit gegeben? An was orientiert sich Pressefreiheit? Welchen Einfluss hat die Technik auf die Pressenentwicklung? Literatur: Bialowons, Günter: Geschichte der deutschen Presse von den Anfängen bis 1789. Leipzig 1969. Bollinger, Ernst: Pressegeschichte I. 1500 – 1800. Das Zeitalter der allmächtigen Zensur. Freiburg 1995. Dussel, Konrad: Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert. Münster 2004. Lückenmeier, Kai: Information als Verblendung. Die Geschichte der Presse und der öffentlichen Meinung im 19. Jahrhundert. Stuttgart 2001. Noelle-Neumann, Elisabeth/Schulz, Winfried/Wilke, Jürgen: Fischer Lexikon. Publizistik Massenkommunikation. Frankfurt am Main 2004. Stöber, Rudolf: Deutsche Pressegeschichte: Einführung, Systematik, Glossar. Konstanz 2000. Wilke, Jürgen: Gewalt gegen die Presse. Episoden und Eskalationen in der deutschen Geschichte. In: Jürgen Wilke (Hrsg.): Unter Druck gesetzt: vier Kapitel deutscher Pressegeschichte. Köln 2002. Wilke, Jürgen: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte: von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Köln 2002. http://www.bpb.de/info-franzis/info_261/body_i_261_3.html