Länderinfos: Burundi Fläche: 27 834 qkm; bergiges Land (Berge bis zu 2 600 m, im Osten Hochplateau 1 600 m Bevölkerung: 8,4 Mio. Einwohner (280/km², Deutschland: 230/km²), starke Vermischung zwischen den Volksgruppen Tutsi (14 Prozent) und Hutu (85 Prozent), andere: 1 Prozent Religionen: Christentum: 85 Prozent: 70 Prozent Katholiken,15 Prozent Protestanten Traditionelle Religionen: 6,7 Prozent Islam: 3 Prozent Andere: 5,3 Prozent Klima: tropisch, in den Höhenlagen angenehm Sprachen: Landessprache: Kirundi, Amtssprache: Französisch, Handelssprache: zum Teil Kisuaheli LM-Missionsarbeit: seit Oktober 1992 Missionare: Alexander und Tabea Biskup mit Johanna Helge und Christiane Hartmann mit Myrianne, Tobit, Yannik, Aline und Lisanne Samuel und Sabine Anderson mit Noémi Stefan und Tanja Hoffmann mit Silas, Nils und Luis Arbeitsbereiche: Theologische Ausbildung, Evangelisation medizinische und sozial-missionarische Arbeit unter Familien in Not und Witwen Versöhnungsdienst zwischen den verfeindeten Volksgruppen Bürgerkrieg und Missionsarbeit Burundi ist ein fruchtbares kleines Land im Herzen Afrikas. Die interessante Hügellandschaft und die Höhenlage haben dazu beigetragen, dass man Burundi auch die “Schweiz Afrikas” nennt. Die Infrastruktur des Landes ist gut. Die Menschen haben alle die gleiche Sprache und Kultur. Das sind gute Voraussetzungen, um in Frieden miteinander zu leben. Burundi ist aber auch ein armes Land. Es gibt kaum Bodenschätze. Der Export besteht zu über 90 Prozent aus Kaffee und Tee. Die Bevölkerungsdichte ist eine der höchsten in Afrika. So sind Konflikte vorprogrammiert. Gefördert werden diese durch soziale Ungerechtigkeit: Viele Kinder können keine Schule besuchen, weil es zu wenige gibt. Die Familienclans der kleinen Oberschicht gehören meistens zur Volksgruppe der Tutsi. 90 Prozent der Bevölkerung sind Bauern, meistens Hutu. Manches in dem seit Jahren andauernden Bürgerkrieg erinnert an die Bauernkriege in Deutschland im 16. Jahrhundert. Warum Bürgerkrieg? Einer der Hauptgründe, die mir genannt wurden, sind die Massaker von 1972. Damals wurden die Hutu der Oberschicht umgebracht, die meisten Hutu an den Schulen und Universitäten wurden getötet. Gut 20 Jahre später waren die Kinder, die die Massaker überlebt hatten, erwachsen geworden und schlugen zurück. Ein weiterer Grund kam Anfang der neunziger Jahre von außen dazu: Burundi gehört zur Frankophonie (alle französischsprachigen Länder), und Frankreich stellte die klare Forderung, dass Mehrparteiensysteme und die Demokratie vorangebracht werden müssten. Sonst würde es keine finanzielle Unterstützung mehr geben – weder von der Weltbank noch von anderen europäischen Ländern. Also bereitete 1993 der burundische Präsident Pierre Buyoya mit seiner Einparteienregierung demokratische Wahlen vor. Allerdings war das wohl zu früh, wie man heute annimmt. Die Bevölkerung war noch nicht darauf vorbereitet. Der Wahlkampf entartete zu einer ethnischen Propagandakampagne, und die Parteiprogramme blieben nahezu unbekannt. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass über 70 Prozent der Burundier Analphabeten sind. Bei den Frauen liegt der Anteil sogar bei über 90 Prozent. Im Juni 1993 wurde Melchior Ndadaye zum Präsidenten gewählt, zum ersten Mal in der Geschichte Burundis gab es einen Hutu-Präsidenten. Am 21. Oktober im selben Jahr wurde er ermordet. Die Umstände wurden nie aufgeklärt, und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen. An den darauf folgenden Tagen gab es im ganzen Land Straßensperren und kleinere und größere Massaker. Es sah fast so aus, als wäre man auf die Auseinandersetzungen vorbereitet gewesen. Auch dieses Mal wurden die dafür Verantwortlichen nicht belangt. Schwere Hypothek Die Kampfhandlungen waren meistens nur regional und zeitlich begrenzt. Der Grund für die andauernden Auseinandersetzungen war eine Generalamnestie für das Militär und die Rebellengruppen, die den Waffenstillstandsvertrag unterschrieben haben. Das war einerseits nötig, damit überhaupt Friedensverhandlungen geführt werden konnten. Andererseits wird das Land jetzt mitunter von Menschen regiert, die eigentlich vor den internationalen Gerichtshof gestellt werden müssten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen Völkermordes. Straffreiheit wird von denen, die Angehörige verloren haben, als großes Unrecht gesehen. So hat die Regierung, bestehend aus Hutu und Tutsi, eine schwere Hypothek übernommen. 2006 war es so weit: Die letzte (Hutu)Rebellengruppe und die Regierung unterschrieben einen – zunächst provisorischen – Waffenstillstandsvertrag. Geistliche Arbeit ist trotzdem möglich Gerade durch das persönliche Bekenntnis und Zeugnis einzelner Christen sind Gemeinden und christliche Gruppen gewachsen. Es gab nicht wenige Christen, die ihr Leben riskierten, um Bedrohte zu warnen oder zu schützen. Deshalb werden sie von vielen mit großem Respekt behandelt. Zum Beispiel nutzte ein Tutsi-Christ seinen Einfluss an der Universität, um Hutu-Studenten vor Übergriffen zu schützen. Extreme Tutsi-Studenten schlugen ihn deshalb zusammen. Als dies bekannt wurde, entschuldigte sich der Leiter der Studentenvereinigung persönlich für den Übergriff. Das Zeugnis und die Tatkraft der Christen war an der Universität so stark, dass viele Hutu überlebten und sich in Sicherheit bringen konnten. An der Universität ist die Gruppe der Christen während der Krise stark gewachsen. Auch das Handeln von Christen in den verschiedenen Gemeinden sprach für sich. Einzelne wurden gewarnt, geschützt und versteckt. Es gab und gibt immer wieder bewegende Erzählungen, wie Einzelnen geholfen wurde und sie dadurch zum Glauben fanden. Während der ganzen Bürgerkriegszeit ist weiterhin im Land evangelisiert worden. Die Evangelisten und Pastoren mussten sich allerdings informieren, ob die Straßen sicher sind, um zu den einladenden Gemeinden zu gelangen. Die Gemeinden, die während der Krise ohne Ansehen der Person zusammengehalten haben, sind gewachsen. Leider gab es einige wenige Übergriffe, dort ist dann der Gottesdienstbesuch stark zurückgegangen. Im Großen und Ganzen sind die burundischen Gemeinden während des Bürgerkrieges ein gutes Zeugnis gewesen. Selbst Gebiete, in denen es große Massaker gab, können von Kirchenmitgliedern der anderen Gruppe besucht werden. Wenn zum Beispiel ein Tutsi-Bischof zur Konfirmation in entlegene Hutu-Gebiete geht, ist dies für die Bevölkerung ein gutes Zeugnis und ein Zeichen, dass Versöhnung möglich ist und dass es in der Kirche noch andere Maßstäbe gibt als die der Familien- oder Clanzugehörigkeit. Natürlich konnten während direkter Kampfhandlungen keine Gottesdienste stattfinden, und manchmal mussten die Leute während des Gottesdienstes fliehen. Aber oft fand schon am nächsten Sonntag wieder ein Gottesdienst statt. Die missionarische Arbeit mit unserer Partnerkirche, der Episkopalkirche, konnte weitergeführt werden. Trotz der Krise und des Embargos der Nachbarstaaten war es möglich, die Shombo-Klinik zu bauen und einzuweihen und die TEE-Schulungsarbeit (außerschulische theologische Ausbildung) voranzubringen und die dafür benötigten Bücher zu drucken. Oft ging es nur langsam vorwärts, weil es keinen Zement oder kein Papier gab. Neue Projekte konnten verwirklicht werden: eine Bibelschule in Muramvya bauen, den Witwen und Straßenkindern helfen und eine Arbeit beginnen unter denen, die traumatische Erlebnisse zu verarbeiten haben. Auch in anderen Bereichen sind die Aufgaben unserer Partnerkirche während der Krise gewachsen: Es werden immer mehr Alphabetisierungskurse durchgeführt. Eine christliche Universität ist in Zusammenarbeit mit anderen protestantischen Kirchen gebaut und eröffnet worden. Durch Gelder der amerikanischen Episkopalkirche ist ein Zentrum für Frieden und Versöhnung entstanden, das unter anderem auf die traumatischen Zustände der burundischen Bevölkerung Antwort geben und Aidskranke angemessen begleiten will (die Krise hat die Aidsrate in Burundi sehr erhöht). Welche Zukunft und Hoffnung hat Burundi? Die politische Zukunft lässt alle Befürchtungen und Hoffnungen offen. Aber das vorbildliche Leben einiger Christen und Kirchen macht Hoffnung auf Versöhnung – untereinander und mit Gott. Die Projekte, die wir in Zusammenarbeit mit unserer Partnerkirche angehen, haben eine große Bedeutung für die Zukunft: In der Shombo-Klinik werden Wunden behandelt und Krankheiten geheilt. Die Alphabetisierungskurse ziehen immer weitere Kreise. TEE-Kurse und -Bücher helfen, das Leben mit Jesus neu zu gestalten. In der Bibelschule sollen Friedensstifter im Namen Jesu ausgebildet werden. Witwen und Straßenkindern wird eine neue Perspektive fürs Leben eröffnet. Christen werden geschult, auf traumatisierte Menschen liebevoll und helfend einzugehen. Aidskranken wird Hilfe und Begleitung angeboten. Und vor allem das Beten der Christen vermittelt Hoffnung, weil wir einen Vater im Himmel haben, der im Regiment sitzt und dessen Arm nicht zu kurz ist, um zu helfen! Auch Ihr Gebet ist gefragt, vor allem um friedliche Wahlen und ein Leben der Versöhnung zwischen Hutu und Tutsi in diesem schönen Land. Helge Hartmann, seit 1996 Missionar in Burundi