Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Robert, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Botschafter, sehr geehrte Damen und Herren! Heute wird ein großer Sozialdemokrat und ein großer Europäer mit dem Wilhelm-Bock-Preis ausgezeichnet. Robert Fico hat als Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei SMER und als Ministerpräsident der Slowakei von 2006 bis 2010 und wieder seit 2012 sein Land konsequent modernisiert und sozial gestaltet. Er hat die Slowakei in Europa fest integriert und bei der Lösung der EuroKrise eine sehr verantwortungsbewusste Haltung eingenommen. ... -2- Und ich darf persönlich hinzufügen: Ich kenne Robert Fico schon lange - über die Jahre ist eine Freundschaft entstanden. Wir haben als Parteivorsitzende eng zusammengearbeitet. In vielen politischen Fragen waren und sind wir einer Meinung, zum Beispiel bei der Ablehnung des Irak-Krieges. Wir treffen uns regelmäßig und ich kann sagen, dass seine Analysen der politischen Lage in Europa und der Welt immer sehr scharfsinnig sind und er auch jemand ist, der dabei das klare Wort liebt. Man kann aus einem solchen Gespräch viele neue Ideen und Gedanken mitnehmen. ... -3Auf sein Wort ist Verlass. Ich schätze ihn sehr. Meine Damen und Herren, heute haben wir in Leipzig das 150jährige Jubiläum der deutschen Sozialdemokratie gefeiert. Robert Fico und ich haben daran teilnehmen können. Die SPD ist eine große und erfolgreiche Partei, die für ihre Grundwerte – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – auch in den dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte eingetreten ist. Wir haben die soziale Demokratie vom Kaiserreich bis heute durchgesetzt und verteidigt. Und es war die SPD, die den deutschen Sozialstaat modernisiert hat. ... -4Wir taten das mit dem Ziel, die sozialen Errungenschaften, für die unsere Vorväter gekämpft hatten, zu sichern und bezahlbar zu halten. Die Sozialdemokraten in den osteuropäischen Staaten stehen vor vergleichbaren Herausforderungen. Und auch sie können, zwar nicht in einer Tradition von Parteien, aber in einer Tradition der Idee, auf eine stolze Geschichte zurückblicken. Nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes kehrte in den osteuropäischen Ländern die Demokratie zurück. In einigen Staaten konnte angeknüpft werden an eine demokratische Zwischenkriegszeit. ... -5Das gilt vor allem für die damalige Tschechoslowakei, eine kleine und tapfere Demokratie, die vielen deutschen Sozialdemokraten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine sichere Heimat bot. Bis 1938, als Hitlerdeutschland diese Demokratie zerstörte, das Land okkupierte und aufspaltete. Während dieser Jahre mussten Tschechen und Slowaken viel Leid erfahren, ebenso wie die vertriebenen Deutschen. Nach der großen Zeitenwende von 1989 gab es für Sozialdemokraten in Osteuropa keine Parteienorganisationen mehr, an die anzuknüpfen gewesen wäre. Aber es gab die große Idee der sozialen Demokratie, die sich entfaltete. ... -6Und einer, der davon beeinflusst wurde, war Robert Fico. Er hat 1999 eine Partei gegründet, die SMER, die sich den sozialdemokratischen Grundwerten verpflichtet fühlt. Und er hat sie innerhalb eines Jahrzehntes zur einer der erfolgreichsten Parteien in Europa geführt. Robert Fico ist es gelungen, die zersplitterten linken Gruppierungen in der Slowakei in einer Partei zu sammeln. Er hat damit eine Grundlage für die stabile Entwicklung der Sozialdemokratie und deren Regierungsfähigkeit in der Slowakei geschaffen. ... -7Beim ersten Antreten bei einer Parlamentswahl im Jahr 2002 wurde sie auf Anhieb drittstärkste Partei, im Jahr 2006 dann stärkste Partei. Und diese Stellung konnte sie bei den darauffolgenden Wahlen immer weiter ausbauen. Bei der Neuwahl 2012 erreichte sie mehr als 44 Prozent. Das liegt auch an einer besonderen Fähigkeit von Robert Fico: er ist ein begnadeter Wahlkämpfer. Wahlkämpfe sind besondere Phasen der direkten Kommunikation mit den Wählern. Robert Fico ist dabei einer, der eine klare und verständliche Sprache beherrscht. Manche haben ihm vorgeworfen, er sei „populistisch“. Das trifft aber nicht zu. ... -8Robert Fico hat zu Recht auf folgendes hingewiesen – ich zitiere ihn: „Eine klare, verständliche Sprache und Themen, die das Leben der Menschen wirklich berühren, das ist die Basis des Erfolges.“ Das gilt übrigens nicht nur für die Slowakei, das gilt auch für die Politik in Deutschland. Sie erreicht mit ihrer Sprache immer weniger Menschen. Robert Fico verkörpert in besonderer Weise einen sehr eigenen Stil als Führungspersönlichkeit seiner Partei und seines Landes. Er sieht sich dabei seit vielen Jahren massiven Pressekampagnen gegen ihn als Person und gegen seinen Politikstil ausgesetzt. ... -9Und trotzdem bleibt er sich und seinen Überzeugungen treu. Lieber Robert, das zeichnet einen großen Politiker aus. Meine Damen und Herren, im Jahr 2006 wurde Robert Fico zum Ministerpräsidenten der Slowakischen Republik gewählt. Dieses Land mit seinen 5 Millionen Einwohnern hat – auch wenn es ein vergleichsweise kleines Land ist - eine große Bedeutung für Europa, aber vor allem für uns Deutsche. Uns verbindet eine gemeinsame Geschichte, und diese Geschichte hängt mit dem großen Leid zusammen, das im Zweiten Weltkrieg von Hitlerdeutschland über das Land gebracht wurde. ... - 10 Die blutige Niederschlagung des slowakischen Nationalaufstandes durch deutsche Truppen im Jahr 1944 war Teil dieses grausamen Kapitels. Und dennoch ist es gelungen, die Schrecken des Nationalsozialismus zu überwinden und eine gemeinsame europäische Perspektive zu gestalten. Willy Brandt hat in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dafür den Grundstein gelegt. Seine Politik der „guten Nachbarschaft“ wurde 1992 mit dem Nachbarschaftsvertrag zwischen Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik weiterentwickelt. ... - 11 Bei seiner Unterzeichnung sagte Helmut Kohl: „Alle in Europa vertrauen, ja hoffen darauf, dass Deutsche, Tschechen und Slowaken am Ende dieses Jahrhunderts, das soviel Elend, Not und Leid gesehen hat, ein Beispiel für gute Nachbarschaft und freundschaftliches Miteinander im neuen Europa geben.“ Und das ist, kann man heute sagen, gelungen. Die Slowakei ist Mitglied der Europäischen Union. Ich kann mich noch gut an die Beitrittsverhandlungen erinnern, die ich damals mitgeführt habe und die nach langen Nächten und auch durch große Zugeständnisse Deutschlands zu einem erfolgreichen Ende geführt werden konnten. ... - 12 Am 1. Mai 2004 konnten die osteuropäischen Staaten, darunter die Slowakei, der Europäischen Union beitreten. Das war eine historische Entscheidung, Endlich konnte die Spaltung Europas überwunden werden. Endlich konnten Staaten, die ja immer Teil Europas waren, auch Mitglied des vereinten Europas werden. Wir freuen uns, dass ein kulturell so reiches Land wie die Slowakei mit ihrer wunderschönen Hauptstadt Bratislava Teil der Europäischen Union ist. Robert Fico hat in seiner ersten Amtszeit von 2006 bis 2010 die Integration der Slowakei in die Europäische Union maßgeblich vorangetrieben. ... - 13 Er hat gegen Widerstände eine dezidiert proeuropäische Politik gemacht und sich große Verdienste um die Integration der Slowakischen Republik als verlässlicher Partner in der Europäischen Union erworben. Die Slowakei trat dem Schengener Abkommen bei, dem gemeinsamen Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts der Europäischen Union. Die Bürger können das seither am besten wahrnehmen durch den Wegfall der Grenzkontrollen. Und im Jahr 2009 führte die Slowakei als erster osteuropäischer Staat den Euro ein. Robert Fico hat die Slowakei zu einem guten Nachbarn, und das gilt gerade für das schwierige slowakisch-ungarische Verhältnis, und zu einem guten europäischen Mitgliedsstaat gemacht. ... - 14 - Wir können das vor allem an seinem persönlichen Verhalten während der Krise der europäischen Währung sehen. Obwohl damals in der Opposition, haben Robert Fico und seine Partei mit ihrer Zustimmung im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass der Euro-Hilfsfonds in Kraft treten konnte. Das war hoch verantwortungsbewusst und wurde von den slowakischen Wählern bei der Neuwahl 2012 auch eindrucksvoll honoriert. Die Slowakei ist bei der Stabilisierung des Euros ein wichtiger Partner für Deutschland. Robert Fico drängt darauf, dass alle Euro-Staaten ihre Hausaufgaben machen. Und die heißen: Strukturreformen. ... - 15 Deutschland und die Slowakei haben solche schmerzhaften Reformen bereits hinter sich. In Deutschland verbindet sich damit der Name der Agenda 2010. Die Slowakei hat einen schwierigen und für die Menschen auch schmerzhaften Transformationsprozess von einer Staatswirtschaft in eine Marktwirtschaft vollzogen. Dieser Prozess hat den Menschen viel abverlangt. Und er verlangt den Menschen immer noch viel ab. Ich kann verstehen, dass die Slowakei darauf besteht, dass die europäischen Schuldenstaaten die für die Lösung notwendigen Reformen nicht nur ankündigen, sondern auch machen. ... - 16 Denn Solidarität zu leisten, ist für ein starkes Land wie Deutschland relativ einfach. Aber für wirtschaftlich schwache Staaten ist es schwierig. Der Durchschnittsverdienst in der Slowakei beträgt gerade einmal 400 Euro im Monat, ein Rentner erhält nicht einmal 300 Euro. Daran kann man ermessen, wie schwierig es für die slowakische Politik ist, den eigenen Menschen zu vermitteln, dass man sich an Milliarden-schweren Rettungsmaßnahmen für Griechenland, Irland oder Zypern beteiligt. Daher braucht es Mut, eine solche solidarische Entscheidung zu treffen. ... - 17 Diesen Mut hat Robert Fico. Weil er davon überzeugt ist, dass Europa nicht nur ein Garant für die Freiheit der Slowaken ist. Sondern auch, weil er weiß, dass nur ein vereintes Europa im weltweiten Wettbewerb mithalten kann. Meine Damen und Herren, Sie zeichnen heute mit dem WilhelmBock-Preis einen großen Sozialdemokarten und großen Europäer aus. Lieber Robert, ich gratuliere Dir auch im Namen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sehr herzlich zu dieser Auszeichnung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.