11. Mai 2010 | www.hwwi.org | [email protected] Standpunkt AUTO R E N KO N J U N KTU R Schuldenkrise gefährdet Konjunkturerholung in Europa PD Dr. Michael Bräuninger Leiter des Kompetenzbereiches „Wirtschaftliche Trends“ im HWWI Tel: 040 - 34 05 76 - 330 Erstes Opfer der Schuldenkrise im Eu- schuldungsdynamik ist ebenfalls sehr hoch, roraum ist Griechenland. Angesichts des- so dass der Schuldenstand schnell wächst. sen sehr hohen Schuldenstands und Etwas anders liegt der Fall in Italien: Hier gleichzeitig hoher Verschuldungsdynamik ist der Schuldenstand bereits sehr hoch, waren die Finanzmärkte nicht mehr be- nimmt aber nicht so stark zu, wie in den reit, dem Land weitere Kredite zu gewäh- anderen Ländern. Allerdings könnte sich ren. Die Folge war, dass die Zinsen für grie- dies bei steigenden Zinsen schnell ändern. chische Anleihen explodierten. So mussten Um der Gefahr von durch Spekulation stei- die anderen Euro-Länder Kredithilfen ge- genden Zinsen zu begegnen, wurde quasi währen. Außerdem war Griechenland ge- über Nacht ein 750 Milliarden Euro-Ret- zwungen, einschneidenden Konsolidie- tungsschirm und koordinierte Notenbank- rungsmaßnahmen vorzunehmen, obwohl Maßnahmen der Europäischen Zentralbank die Finanz- und Wirtschaftskrise bei wei- (EZB), US-Notenbank Fed und Bank of Japan tem noch nicht überwunden war. Die da- zur Stützung des Euro beschlossen. mit einhergehenden Unruhen haben die Buchungszahlen in der Tourismusbranche, Diese Maßnahmen mögen die Finanz- dem wichtigsten Wirtschaftsbereich in märkte beruhigen. Sie lösen aber nicht Griechenland, bereits spürbar reduziert. die strukturellen und konjunkturellen Probleme. Dabei stellen die genannten Län- Um den Staatsbankrott abzuwenden, war der nur die Spitze des Problems dar. Auch das Sparprogramm der Griechen zweifels- in anderen, gewichtigeren Ländern, wie ohne notwendig, wirkt in der aktuellen Si- den USA und Großbritannien, verschlech- tuation aber konjunkturdämpfend. Die tert sich die Verschuldungssituation in ra- Rezession in Griechenland dürfte unter die- schem Tempo. Und auch für die meisten sen Bedingungen weiter anhalten, wahr- anderen Industrieländer – einschließlich scheinlich sich sogar verschärfen. Trotz der Deutschland – wird in diesem und im kom- Jörg Hinze Hilfskredite der anderen Euroländer und menden Jahr eine weitere Zunahme der Senior Economist, HWWI des Internationale Währungsfonds (IWF) Verschuldung erwartet. Tel: 040 - 34 05 76 - 344 sowie der Konsolidierungsmaßnahmen in Griechenland haben sich die Finanzmärkte Das Verschuldungsproblem betrifft somit zunächst kaum beruhigt. nicht nur einzelne, kleinere Länder. Vielmehr liegt die Euro-Zone insgesamt mit Es war allerdings auch zu befürchten, dass einem Schuldenstand von über 80 % und die Finanzmärkte schon bald die anderen Neuverschuldungsquoten von mehr als 6 % PIIGS-Staaten – Portugal, Italien, Irland, für 2010 wie auch für 2011 (beides in Rela- Spanien – ins Visier nehmen. Zwar ist in die- tion zum Bruttoinlandsprodukt) deutlich sen Ländern die Situation, vor allem bezüg- über den Maastricht-Kriterien (Gesamt- lich des Schuldenstandes, noch um einiges schuldenstand nicht über 60 %, jährliche von Griechenland entfernt, aber die Ver- Neuverschuldung maximal 3 % des BIP). HWWI Standpunkt | 11. Mai 2010 | Konjunktur KON J U N KTU R Diese für die meisten Länder absehbare Dominoeffekt – ist nicht unrealistisch und gravierenden Folgen für die konjunkturelle Verschlechterung der Verschuldungssitu- die finanziellen Spielräume für zusätzliche Erholung heraufbeschwören. Gegenwärtig ation gilt unter der Annahme einer mode- Konjunkturprogramme sind sehr eng be- werden die verschiedensten Maßnahmen raten konjunkturellen Besserung. Was pas- grenzt. Umso wichtiger wird es sein, dass diskutiert, angefangen bei einer besseren siert aber, wenn die Erholung schwächer die vor allem von den asiatischen Schwel- Haushaltsüberwachung der Euro-Länder ausfällt als erwartet, zumal auch diese bis- lenländern und auch von den USA getra- und härteren Strafen für die Defizitsün- lang vor allem durch staatliche Stützungs- gene globale Erholung anhält und die eu- der, bis hin zu Regeln für einen geordneten programme getragen wird, oder mehr und ropäischen Länder mitzieht. Bislang stärkt Staatsbankrott. Diese könnte langfristig mehr der hochverschuldeten Länder um die Euro-Abwertung noch die Exportwirt- helfen, das Entstehen von Krisensituatio- ihre Kreditwürdigkeit zu erhalten zu vor- schaft und gibt so positive Konjunkturim- nen zu verhindern, aber kurzfristige Hilfe zeitigen Konsolidierungsmaßnahmen ge- pulse. ist schon wegen des Zeitbedarfs für die Umsetzung solcher Maßnahmen kaum zu zwungen werden und dort die Erholung im erwarten. Keim abwürgen? Je mehr und je größer die Trotz der derzeitigen Risiken ist die Kom- in Not geratenen Länder sind, umso stärker bination aus Konsolidierungs- und Ret- werden auch andere Länder, sei es über die tungsmaßnahmen letztlich alternativlos. Dieser Beitrag ist am 10. Mai 2010 auf Außenhandelsbeziehungen oder etwaige Ein Verzicht auf diese Maßnahmen würde „WirtschaftsWunder“ (www.ftd.de/wirt- weitere Rettungsprogramme, getroffen. zu einer globalen Ausweitung der Staats- schaftswunder) erschienen. schuldenkrise und zu Staatsbankrotten Die Gefahr einer Ausbreitung der Schul- führen. Dies würde letztlich auch die Ban- denkrise auf andere europäische Länder – ken treffen und eine zweite Finanzkrise mit HWWI Standpunkt | 11. Mai 2010 | Konjunktur