7.1 Arbeiten der VN [52]

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Erich Kussbach1
Die internationale Bekämpfung des Terrorismus mit Mitteln des Rechts
1. Die Lehren aus dem 11. September 2001
Die Anschläge auf das World Trade Center in New York und auf das Pentagon in Washington
am 11. September 2001 haben Tausende Menschenopfer gefordert und einen Sachschaden
verursacht, vergleichbar nur mit Zerstörungen im Krieg. Der heimtückische Angriff galt nicht
nur den Vereinigten Staaten, sondern der ganzen zivilisierten Welt. Er hat - wie alle
Terrorakte - fundamentale Werte unserer Gesellschaft missachtet, das Grundrecht auf Leben
verhöhnt, das Leben in Freiheit und Demokratie in Frage gestellt und dem Vertrauen in die
Herrschaft des Rechts Schaden zufügt.
Der Terrorismus blickt auf eine lange und ruchlose Vergangenheit zurück2. In den letzten
Jahrzehnten hat er allerdings weltweit an Intensität zugenommen. Besonders spektakulär
waren u.a. die Attentate des deutschen Linksterrorismus der sechziger, siebziger und achtziger
Jahre. Die Anschläge auf New York und Washington stellen den vorläufigen Höhepunkt
terroristischer Aktivitäten der jüngsten Geschichte dar und unterscheiden sich von früheren
Terrorangriffen durch ihre Größenordnung. Wenngleich Präsident Bush nach dem 11.
September 2001 dem Terrorismus den Kampf angesagt und die Staaten zu einer weltweiten
Antiterrorallianz aufgerufen hat, werden wir wohl noch lange mit dem Terrorismus leben
müssen. Die Welt wird nie mehr so sein, wie sie einmal war. Zu Recht betonte der
amerikanische Präsident, dass dies ein langer Kampf sein werde, in dem alle zur Verfügung
stehenden Mittel, einschließlich des Rechts, eingesetzt werden müssten. Der Terrorismus
wirft in der Tat eine Reihe völkerrechtlicher und völkerstrafrechtlicher Fragen auf, die sich
mit dem geltenden Recht nur teilweise beantworten lassen.
Anlass zu diesem Beitrag haben die Ereignisse des 11. September gegeben, doch im
Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Phänomen „Terrorismus“ schlechthin und das
vorhandene rechtliche Instrumentarium zu seiner Bekämpfung. Es sollen zunächst die
politischen Reaktionen auf die Anschläge und deren rechtliche Relevanz unter die Lupe
genommen werden. Danach wird der Frage nachgegangen, welche Rolle dem Terrorismus im
Krieg und im Frieden zukommt. Nach einem Überblick der geltenden völkerrechtlichen
Normen gegen den Terrorismus werden die Arbeiten an einer umfassenden Definition des
Terrorismus erörtert, die im Rahmen der VN und der EU gegenwärtig im Gange sind und die
darauf abzielen, de lege ferenda einen möglichst einheitlichen, international anerkannten
Straftatbestand zu formulieren, der den Kampf gegen diese Geißel unserer Zeit wirksamer
gestalten würde.
2. Was ist Terrorismus?
Erich Kussbach ist Professor an der Pázmŕny Péter Katolischen Universität, ehemaliger Botschafter Österreichs
in Ungarn.
2
Zur Geschichte des Terrorismus: Dietl, W.: Terrorismus gestern und heute, in: 53 Politische Studien
(Januar/Februar 2002), Hanns Seidel Stiftung eV, 23 ff. Vgl. H.M.Mader/E.R.Micewski/A.B.Wieser: Terror und
Terrorismus. Grundsätzliches: Geschichtliches, Reflexionen und Perspektiven, Schriftenreihe der
Landesverteidigungsakademie Wien, Wien 2001, 20 ff.; Schwind, H.-D.: Kriminologie. Eine praxisorientierte
Einführung mit Beispielen, Heidelberg 2001, 610 ff.; B.Hoffman: Terrorismus. Der unerklärte Krieg. Neue
Gefahren politischer Gewalt, Frankfurt/Main 1999.
1
Der Begriff des Terrorismus ist schillernd 3, weshalb nicht einmal darüber Einigkeit herrscht,
welche Handlungen als Terrorakte zu gelten haben und welche nicht. Wie die Debatte über
den Tatbestand des Terrorismus zeigt, herrschen darüber unterschiedliche Ansichten, wobei
politische und ideologische Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Für die einen sind
Terrorakte stets Verbrechen, andere glauben hingegen differenzieren zu müssen zwischen
verbrecherischen Handlungen und legitimen Akten des Widerstands4 nach dem Motto: „One
man’s terrorist is another man’s freedom fighter“. Vorwiegend der Sprache der Politik und
der Medien entliehen, ist deshalb der Terrorismus juristisch schwer zu fassen.
Terror bedeutet Angst, Schrecken, Einschüchterung und Zermürbung. Das Wort „Terror“
wird auch als Synonym für den Terrorismus, insbesondere im Sinne von „Staatsterrorismus“,
verwendet 5. Die Schreckensherrschaft während der Französischen Revolution in den Jahren
1793-94 wurde „Terror“ („la terreur“) genannt. Zum idealtypischen Tatbild des Terrorismus
gehört der erweiterte Vorsatz , Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen oder
einzuschüchtern (Psychoterror). Auf diesen Aspekt hat die GV der VN bereits 1995 in ihrer
Deklaration über Maßnahmen zur Beseitigung des internationalen Terrorismus hingewiesen 6.
In den konkreten Tatbeständen internationaler Übereinkommen oder nationaler
Strafrechtsbestimmungen tritt allerdings dieser Aspekt oft in den Hintergrund.
Der Terrorismus ist unberechenbar und heimtückisch,7), weil er das Vertrauen in die
Rechtssicherheit untergräbt. Der terroristische Akt ist zudem mit Feigheit behaftet, weil er
seine meist – jedoch nicht ausschließlich - zivilen Opfer in wehr- und machtlosem Zustand
trifft (Überraschungseffekt). Er bewirkt Unrecht, weil Mord niemals gutgeheißen werden
kann. Nur der legitime Kombattant „tötet“ auf rechtlich zulässige Weise, aber selbst dieser hat
den Feind nur „außer Gefecht zu setzen“ und nicht unbedingt zu töten. Der Terrorismus geht
überdies von der Maxime aus, dass der Zweck die Mittel heiligt.
Es ist übrigens m.E. nicht ganz unbedenklich, in diesem Zusammenhang von „unschuldigen“ Opfern zu
sprechen. Daraus würde folgen, dass andere, nämlich die aus der Sicht der Terroristen „eigentlich
Verantwortlichen“ für die missbilligten Zustände, eo ipso „schuldig“ sein müssten. Wenn wir die „Unschuld“
der Opfer in den Vordergrund rücken, akzeptieren wir unreflektiert die moralische Kompetenz der Täter zur
Schuldzuweisung. Denn sie sind es, die zwischen „Schuldigen“ und „Unschuldigen“ unterscheiden, wobei sie
bewusst „Unschuldige“ angreifen, um die ihrer Meinung nach „Schuldigen“ zu erpressen oder einzuschüchtern.
Entscheidend ist – wie ich meine – in erster Linie nicht die „Schuld“ oder „Unschuld“ der Opfer, sondern ihre
A r g - und W e hr lo s i g ke it .
Der Terrorismus kennt viele Motive. Er mag politische (Staatsterrorismus wie etwa die
Unterdrückung der Opposition, oder umgekehrt Angriff auf die staatliche Ordnung um das
Vertrauen in sie zu erschüttern oder die Staatsgewalt zum Gegenterror herauszufordern),
3
Über die diversen Versuche einer Definition siehe Hoffman, ebenda, 13 ff. sowie Dietl, ebenda.
Gemäß Art. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Bekämpfung des Terrorismus 1977 sind die im
Übereinkommen aufgelisteten Delikte nicht als politische Delikte oder als Delikte in Verbindung mit politischen
Delikten oder als Delikte aus politischen Motiven zu betrachten.
5
Dietl, ebenda.
6
A/RES/49/60: „Criminal acts intended or calculated to provoke a state of terror in the general public, a group of
persons or particular persons for political purposes are in any circumstance unjustifiable, whatever the
considerations of a political, philosophical, ideological, racial, ethnic, religious or any other nature that may be
invoked to justify them“. In späteren Resolutionen wurde der Hinweis wiederholt, vgl. z.B. A/RES/51/210 v. v.
16.1.1997 und A/RES/55/158 v. 30. 1. 2001.
7
Vgl. Art. 37 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen 1949: „Als Heimtücke gelten Handlungen,
durch die ein Gegner in der Absicht, sein Vertrauen zu missbrauchen, verleitet wird, darauf zu vertrauen, dass er
nach den Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts Anspruch auf Schutz hat oder
verpflichtet ist, Schutz zu gewähren“.
4
militärische (Schwächung des Widerstandswillens der Bevölkerung), ideologische8 (Klassenund Rassenideologie oder religiöser Fundamentalismus9), soziale und psychologische10
(Verzweiflung), oder auch persönliche (Hass, Aggression, Rache, Eigennutz) Gründe haben
und vom Staat (Schreckensherrschaft), von nicht staatlichen Akteuren, insbesondere von
subversiven Gruppen (z.B. ETA, IRA, RFA, PKK, Hamas, Dschihad, Hizbollah, Abu Nidal
Organisation, Schwarzer September, Tupamaros, Leuchtender Pfad, Tamil Tigers, AumShinrikyo, Al-Qaida, die Abu Sayyaf-Gruppe) oder sogar von Einzelpersonen (Attentate,
Sabotageakte, Piraterie, sonstige Gewaltakte gegen Personen oder Güter) ausgeübt werden.
Im Vordergrund der aktuellen Terrorismus-Debatte stehen jedoch die beiden Bereiche:
Staatsterrorismus (Terror „von oben“) und der gegen die bestehende Ordnung gerichtete
Gruppenterrorismus (Terror „von unten“11).
Die terroristische Tat kann mannigfaltig sein. Der Bogen spannt sich vom Mord (Einzel- bis
zum Massenmord) über Körperverletzung und Sachbeschädigung bis hin zur Erpressung und
Entführung. Ihre Zielobjekte können der Staat, eine Regierung, eine Gesellschaftsordnung,
soziale (soziale Klasse oder religiöse Gemeinschaften) oder ethnische Gruppen („ethnische
Säuberung“) aber auch Einzelpersonen (z.B. gegen führende Persönlichkeiten aus Politik,
Wirtschaft oder Gesellschaft) sein. Die Opfer des neuen Terrorismus werden oft durch Zufall
zum Zielobjekt (indiskriminierende Wirkung).
Der Terrorismus hat viele Gesichter. Die Judenverfolgung des Nationalsozialismus, die mit
der „Kristallnacht“ ihren Anfang nahm und in der Shoa endete, der Sowjetterror, dem
gleichfalls Millionen von Menschen zum Opfer fielen, ebenso die Anschläge der AUM-Sekte
in Japan12 oder die jüngsten Anschläge auf die Vereinigten Staaten können gleichermaßen
unter den Begriff des Terrorismus subsumiert werden wie Attentate auf Einzelpersonen,
insbesondere die Folter, die Gehirnwäsche, die Inszenierung von Schauprozessen oder die
Geiselnahme, auch wenn diese Handlungen im einzelnen zweifellos unterschiedlich zu
gewichten und zu bewerten sind. Die dabei verwendeten Mittel der Gewalt variieren je nach
den Zielobjekten. Beim Anschlag vom 11. September wurden sogar Flugzeuge als Waffen
benützt. In letzter Zeit wird immer wieder vor der Gefahr eines chemischen,
bakteriologischen oder Nuklearterrorismus13 gewarnt. Neuerdings ist sogar von einem
„Cyberterrorismus“ die Rede.
Der Terrorist ist selten Einzelgänger. Meist handelt er als Glied einer verbrecherischen
Organisation. Dabei folgt er oft falschen Propheten. Nicht selten fühlt er sich an den Rand der
Gesellschaft gedrängt oder ausgegrenzt. Mit dem Terrorakt lenkt er die Aufmerksamkeit der
8
Hobe, K.: Zur ideologischen Begründung des Terrorismus, Köln 1979;
Tophoven, R.: Fundamentalistisch begründeter Terrorismus : Osama bin Laden als neuer Typ des Terroristen,
in: Hirschmann, K./Gerhard, P. (Hrsg.): Terrorismus als weltweites Phänomen, Berlin 2000, 181-190; Duran,
K.: Islam und politischer Extremismus, Hamburg 1985; Halliday, F.: Islam & The Myth of Confrontation,
London 1996; Pohly, M./.Durán, K.: Osama bin Laden und der internationale Terrorismus, München, 2001;
Malley, W.: Fudamentalism Reborn? Afghanistan and the Taliban, Canberra 1998.
10
Meves, C.: Psychologische Voraussetzungen des Terrorismus, in: Schwind, H.-D, (Hrsg.), Ursachen des
Terrorismus, Berlin 1978, 69-78; Müller-Luckmann, E.: Terrorismus. Psychologische Deskription, Motivation,
Prophylaxe aus psychologischer Sicht, ebenda, 60-68;
11
Mader/Micewski/Wieser, a.a.O. (Anm. 1) 4 ff.
12
Nishihara H.: Die kriminalwissenschaftlichen Probleme der Fälle der AUM-Sekte in Japan, in: Festschrift für
H.-J. Schneider, Berlin, 1998.
13
Kamp, K.-H.: Nuklearterrorismus – Fakten und Fiktionen, in: Hirschmann, K./Gerhard, P. (Hrsg.):
Terrorismus als weltweites Phänomen, 191-198; Neuneck, G.: Terrorismus und Massenvernichtungswaffen: eine
neue Symbiose? ebenda 129 – 178;. Laqueur, W.: The new terrorism. Fanaticism and the arms of mass
destruction, Oxford 1999; Beres, L.R.: On international law and nuclear terrorism, in: 24 Georgia Journal of
International Law and Comparative Law, 1 (1994).
9
Öffentlichkeit auf sich und wird mitunter sogar zum „Märtyrer“ einer „guten Sache“, zum
„Helden“ seines Volkes hochstilisiert.
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass „Märtyrertum“ im Sinne des islamischen F u nd a me n ta li s mu s
eine andere Bedeutung hat als etwa im christlich-abendländischen Verständnis, in dem der Märtyrer jedenfalls
weder Mörder noch Selbstmörder ist, auch wenn er den Tod aus Überzeugung in Kauf nimmt 14.
Finanziert wird der Terrorismus von Regierungen (den so genannten „Schurkenstaaten“), teils
aus illegalen Geschäften, wie Waffen-, Drogen- und Mädchenhandel,
Prostitution,
Schutzgelder, Handel mit spaltbarem Material, Geldwäsche etc.
Schon diese wenigen Merkmale zeigen, wie unscharf der Begriff des Terrorismus in
Wirklichkeit ist. Angesehene Experten wie Laqueur15 oder Schmid16 kommen deshalb zu dem
Schluss, dass es unmöglich sei, den Begriff des Terrorismus in einer einheitlichen, alle
Erscheinungsformen umfassenden, Definition einzufangen. Fest steht jedenfalls, dass ohne
die Hilfe anderer wissenschaftlicher Disziplinen (Politikwissenschaft, Soziologie,
Kriminologie, Psychologie, Psychopathologie etc.), die das Material aufbereiten, aus dem das
rechtlich relevante Tatbild isoliert werden soll, die Jurisprudenz dem Phänomen
„Terrorismus“ kaum beikommen können wird.
3. Terrorakte können sowohl im Krieg als auch im Frieden begangen werden
Es ist unbestritten, dass Terrorakte sowohl im Krieg (z.B. der ohne Kriegserklärung
geführte Überraschungsangriff der japanischen Luftwaffe auf Pearl Harbor, Terrorangriffe
gegen die Zivilbevölkerung und zivile Objekte (z.B. Flächenbombardements) oder andere
heimtückische Kriegshandlungen, Verbrechen gegen Kriegsgefangene oder gegen die
Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten17) als auch in Friedenszeiten begangen werden
können.
Gelegentlich werden Terrorakte – wie ich glaube - fälschlich als „Kriegshandlungen“
begriffen, insbesondere wenn es sich um Angriffe handelt, deren Ausmaß mit solchen
vergleichbar ist. Auch werden die Begriffe „Terrorismus“, „Guerilla“ und „Kleinkrieg“ 18 oft
als gleichbedeutend verwendet. In militärischen Kreisen der USA nennt man die neue Form
des Terrorismus auch „low intensity war”, wo es keine Fronten gibt, der Feind unsichtbar ist
und folglich einen zeitlich und räumlich unvorhersehbaren Überraschungsangriff führen kann,
gegen den die bisherigen Mittel der Terrorbekämpfung versagen.
Wenn Terrorakte auch manchmal schwer aus dem Kontext zu isolieren sind, so scheint mir
doch eine differenziertere Betrachtungsweise angebracht, zumal im Hinblick auf das I. Genfer
14
Der Koran ist diesbezüglich differenzierter. Vgl. dazu das Interview mit der Islamistin Schimmel, Annemarie,
in „Die Furche“, 13.Dez. 2001.: „Selbstmord ist im Koran wie Mord verboten. Der Märtyrertod auf dem Wege
Gottes ist allerdings erwünscht. Wenn jemand im Krieg für die Sache des Islam fällt, kommt er sofort ins
Paradies. ...Daher haben die Gelehrten einander widersprechende Meinungen, ob der Selbstmord eines
Märtyrers, der ihn ins Paradies führen soll, überhaupt legitim ist.“
15
Laqueur, W.: Terrorismus, Kronberg/Ts. 1977 und: Terrorismus: Die globale Herausforderung, Frankfurt/M.Berlin, 1987.
16
Schmid, A.P.: Political Terrorism: A Research Guide, New Brunswick, NJ: Transaction Books, 1984.
17
Wette, W./ Ueberschär, G.R. (Hrsg.): Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert, Darmstadt 2001.
18
Heydte, Freiherr von der, F.A.: Der moderne Kleinkrief als wehrpolitisches und militärisches Phänomen,
Würzburg 1972; Veuthey, M.: Guérilla et droit humanitaire, Genève 1976; Kussbach, E.: Die Rechtsstellung
nationaler Befreiungsbewegungen im humanitären Völkerrecht, in: Ius humanitatis, Festschrift zum 90.
Geburtstag von Alfred Verdr0ß, Berlin 1980, 499 – 516.
Zusatzprotokoll 1977, das den „Guerilla-Krieg“ (Kleinkrieg) als „bewaffneten Konflikt“
qualifiziert und dessen Art. 44 Abs. 3 dem Guerilla-Kämpfer den Kombattantenstatus
zuerkennt 19. Aus der Sicht des Kriegsrechts (ius in bello) muss also der Guerilla-Kämpfer
vom Terroristen unterschieden werden. Zudem bleibt festzuhalten, dass Terrorakte kein
rechtmäßiges Mittel der Kriegführung sind. Deshalb ist der Terrorakt auch denkbar
ungeeignet, als Beweis für den Eintritt des Kriegszustandes zu dienen. Der
Terrorist ist ein Verbrecher im Krieg (nach dem „Haager“ und dem „Genfer Recht“
gleichermaßen) wie im Frieden (z.B. Abkommen über die Sicherheit der Zivilluftfahrt).
4.
Die neue Qualität des Terrorismus als weltweit operierendes organisiertes
Verbrechen (Makrokriminalität)
In den vergangenen Jahren ist es einigen terroristischen Gruppen gelungen, weltweit tätige
Netzwerke auszubauen, wie dies namentlich bei der „Al-Qaida“ der Fall ist. Diese
Organisationen führen ihre zunehmend brutaler werdenden und immer mehr Opfer fordernden
Angriffe
aufgrund von strategisch durchdachten und mit beachtlicher Expertise
ausgearbeiteten Plänen aus.
Diese neue Qualität des Terrorismus weist insbesondere folgende Merkmale auf: 1) das
internationale Beziehungsnetz und das weltweite Operationsfeld („global player”), 2) die
verfügbaren nahezu unerschöpflichen finanziellen Mittel, 3) die Unterstützung durch Staaten,
die über Massenvernichtungswaffen verfügen („Schurkenstaaten“), 4) die neue Dimension,
die in der Größenordnung sowohl der menschlichen Opfer, als auch des verursachten
Sachschadens zum Ausdruck kommt, 5) die Brutalität der Anschläge, 6) die volle
Ausschöpfung der durch die modernen Kommunikationsmittel gebotenen Möglichkeiten, 7)
die relative Selbständigkeit der einzelnen Terroristengruppen, 8) der Fanatismus und die
Bereitschaft, das eigene Leben zu opfern, 9) die umfassende und „generalstabsmäßige“
Strategie, 10) der unbekannte und unberechenbare Gegner (die s.g. „Schläfer“) und
schließlich 10) die Motivation, die darauf abzielt, die westliche („ungläubige“) Welt zu
„destabilisieren“.
Ein Großteil der terroristischen Aktivitäten richtet sich seit geraumer Zeit gegen Israel und in
den letzten Jahren in zunehmendem Maße auch gegen die Vereinigten Staaten. Man denke
nur an das Bombenattentat gegen die PanAm Boeing 747 über dem schottischen Lockerbie
1988 oder an den ersten Anschlag auf das World Trade Center 1993, an das Attentat in
Oklahoma City 1995, an die Terrorangriffe gegen die amerikanischen Botschaften in Nairobi
und Daressalam 1998, an den Angriff gegen den im Hafen von Aden ankernden
amerikanischen Zerstörer „USS Cole” 2000 und schließlich an die blutigen Ereignisse des 11.
September in New York und Washington.
5. Die Folgen des 11. September: „Krieg gegen den Terrorismus“ („War against
Terrorism“) ?
5.1 Die Ankündigungen: Krieg - gegen wen?
19
Kussbach, E.: Status der Guerillakämpfer und Söldner in bewaffneten Konflikten, in: 17 Wiener Blätter zur
Friedensforschung (1978), 2 – 11; Kussbach, E.: Le Développement du statut des combattants et le Droit
international humanitaire, in: Revue de Droit pénal militaire et de Droit de la guerre, XXII – 3 – 4 (1983), 377418.
Unmittelbar nach dem Terrorangriff auf die Vereinigten Staaten, dessen geschätzte
Opferbilanz alle wohlgesinnten Menschen erschütterte und empörte, nannte Präsident Bush
den Angriff eine „Kriegshandlung“20. Der Feind versuche sich zu verbergen, doch werde
ihm dies auf Dauer nicht gelingen21. Die Fahndung sei bereits angelaufen. Gleichzeitig
betonte der Präsident, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus auf
verschiedenen Ebenen geführt werden müsse. Hiezu gehörten die polizeilichen, die
geheimdienstlichen und die strafrechtlichen Maßnahmen und Verfahren22 ebenso, wie
politische, diplomatische, militärische und finanzpolitische Schritte.
Diese Reaktion der Vereinigten Staaten löste ähnlich scharfe Stellungnahmen von Seiten
befreundeter Staaten und internationaler Organisationen aus.
Der SR der VN hat die Anschläge in zwei Resolutionen, auf die im Folgenden noch näher
eingegangen wird, entschieden verurteilt.
Der NATO-Rat erklärte den Terroranschlag zum „Bündnisfall“ („casus foederis“) im Sinne
des Art. 5 des Übereinkommens von Washington. Demnach ist ein bewaffneter Angriff gegen
ein Mitglied als ein Angriff gegen alle anzusehen. Unter Hinweis auf das Recht auf
individuelle und kollektive Selbstverteidigung gemäß Art. 51 SVN verpflichtet der Vertrag
alle Mitglieder zur Beistandsleistung.
Von Bedeutung war des Weiteren die Stellungnahme des Ständigen Rates der OAS vom 19.
September, die den Angriff auf die Vereinigten Staaten als Angriff im Sinne des Art. 65 der
OAS-Satzung bezeichnete, was gleichbedeutend ist mit einem Angriff auf alle
amerikanischen Staaten.
Der Rat der EU nahm am 21. September in einer außerordentlichen Sitzung eine Resolution
an, die den Terrorangriff eine an Europa und die ganze Welt gerichtete Herausforderung
nannte.
Bei all diesen Manifestationen ist zu berücksichtigen, dass sie noch vor Beginn des Krieges
gegen Afghanistan erfolgt sind23.
Schließlich ist daran zu erinnern, dass einzelne Vertreter und Organisationen des islamischen
Fundamentalismus, wie etwa die Führer der „Al-Qaida“, zunächst Israel und später den
Vereinigten Staaten und der westlichen Welt (den „Ungläubigen“) mehrfach den „heiligen
Krieg“ erklärt haben24. Wenngleich diesen mehr propagandistischen Drohgebärden aus der
20
"The deliberate and deadly attacks which were carried out yesterday against our country were more than acts
of terror. They were acts of war. This will require our country to unite in steadfast determination and resolve.
Freedom and democracy are under attack.“ (Bush am 12. September 2001.)
21
„This is an enemy who preys on innocent and unsuspecting people, then runs for cover. But it won't be able to
run for cover forever. This is an enemy that tries to hide. But it won't be able to hide forever. This is an enemy
that thinks its harbors are safe. But they won't be safe forever“.
22
„The search is under way for those who are behind these evil acts. I've directed the full resources for our
intelligence and law enforcement communities to find those responsible and bring them to justice. We will make
no distinction between the terrorists who committed these acts and those who harbor them.“ (Bush am 11.
September 2001)
23
Die militärischen Operationen gegen Afghanistan begnannen am 7. Oktober 2001.
24
Förg, H.J. / Scharnagl, H.: Glaubenskriege. Führer und Verführte, Würzburg 2001; Glagow, R.: Die DschihadTradition im Islam, in: Meier-Walser, C.R./Glagow, R., (Hrsg.): Die islamische Herausforderung – eine
kritische Bestandsaufnahme von Konfliktpotenzialen, München 2001;
Sicht des Völkerrechts kaum rechtliche Relevanz zukommt, verdienen sie dennoch
Beachtung25.
5.2 Der Terrorismus gefährdet den Frieden und die internationale Sicherheit26
Der SR forderte in den vergangenen Jahren das Taliban-Regime in Afghanistan wiederholt
auf, die Unterstützung der Aktivitäten terroristischer Gruppen einzustellen. In seiner
Resolution S/RES/1333 (2000) vom Dezember 2000 hob er die Wichtigkeit der Bekämpfung
des Terrorismus im Interesse des Friedens und der internationalen Sicherheit hervor und
drängte die Taliban-Regierung zur Erfüllung der in seinen früheren Beschlüssen gestellten
Forderungen.
Nach den Terrorangriffen auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon waren
sich die ständigen Mitglieder des SR über die Verurteilung des Anschlags ebenso einig wie
über das Recht der Vereinigten Staaten auf Selbstverteidigung. In seiner Resolution 1368
(2001) stellte der SR fest, dass der gegen die Vereinigten Staaten verübte Anschlag - wie auch
jeder andere Angriff des internationalen Terrorismus - den Frieden und die internationale
Sicherheit gefährden. Im Beschluss 1373 (2001) erinnerte der SR die Staaten daran, dass sie
sich jeglicher Planung, Anstiftung oder Beihilfe zu Terrorakten in anderen Staaten ebenso wie
der Teilnahme an solchen Akten zu enthalten haben. Auch dürften sie innerhalb ihres
Staatsgebietes keine Aktivitäten dulden, die auf solche Terrorakte abzielen. In beiden
Resolutionen hat der SR das individuelle und kollektive Selbstverteidigungsrecht der Staaten
ausdrücklich anerkannt27 und Sanktionen gegen das Taliban-Regime verhängt.
5.3 Aggression und Recht auf Selbstverteidigung28
Die Worte des amerikanischen Präsidenten, die Resolutionen des SR sowie die Beschlüsse der
NATO beziehungsweise der OAS lassen bei richtiger Deutung der Aussagen keinen Zweifel
daran, was gemeint war. Wenngleich in den ersten Tagen die „Kriegserklärung“ des
Präsidenten für einige Verwirrung gesorgt und bei vielen Unklarheit darüber hinterlassen
hatte, gegen welchen Feind – womöglich gegen die Terroristen?29 - Krieg geführt werden soll,
Vgl. dazu jedoch Schimmel, A.: „Das Wort ‚Heiliger Krieg‘ gibt es im Islam nicht, es wurde von den
christlichen Kreuzfahrern geprägt. Viele Muslims haben mir gesagt, daß kein Krieg heilig ist. Dschihad bedeutet
zunächst Anstrengung und Kampf auf dem Weg zu Gott. Das kann der äußere Kampf sein, damit das Gute in der
Welt Oberhand gewinnt, und es kann der innere Kampf sein, damit das Gute in der Seele des Menschen siegt
und das Böse überwunden wird.“ a.a.O. (Anm. 11)
26
Kuhlmann A./ Agüera, M.: Die Hydra „Terrorismus“ und ihre Auswirkungen auf die globale
Sicherheitspolitik, in: 53 Politische Studien Januar/Februar 2002, Hanns Seidel Stiftung eV, München, 42 ff.
27
Valki, L.: A terrortámadások és az önvédelem joga, in: Népszabadság, Forum, 5. Oktober 2001.
28
Sharp, G.W.: The use of armed force against terrorism: American hegemony or impotence?, in: 1 Chicago
Journal of International Law 37 (2000);.Travalio, G.M.: Terrorism, international law, and the use of military
force, in: 18 Wisconsin International Law Journal 145 (2000); O’Brian, W.V.: Reprisals, deterrence and selfdefense in counterterror operations, in: 30 Virginia Journal of International Law 421 (1990).
29
So meinte z.B. Professor Jordan Proust von der University of Houston, dass sich die Vereinigten Staaten mit
einer Entität nicht im Kriegszustand befinden könne, die nicht einmal als „Aufständische“ gelte: „We could not
be in war with Osama bin Laden“. John Ceron, Direktor des „War Crimes Research Office“ der American
University formuliert vorsichtiger. Seiner Meinung nach mögen gewisse Umstände dafür sprechen, dass sich die
USA im Kriegszustand befinde. Le tz tl ic h mü s s e j e d o ch ab ge wa rt et werd e n, wie d ie US A
rea gi ere n we r d e. Sollten sie ihre Streitkräfte gegen die Terroristen einsetzen, mag dies ein bewaffneter
Konflikt sein. Griffen die US-Streitkräfte einen Staat an, dann werde es sich um einen internationalen
bewaffneten Konflikt mit diesem Staat handeln. Vgl. die home-page der American Society of International Law
„ASIL Insights“, http//www.asil.org/insights/insigh77.htm.
25
wurde sehr bald klar, dass die Aussage auf Afghanistan gemünzt war. Der Verdacht auf
Komplizenschaft des Taliban-Regims war nach der Vorgeschichte ohnehin naheliegend. Die
amerikanische Administration hatte offensichtlich eindeutige Hinweise, dass die von
Afghanistan unterstützte „Al-Qaida“ der wahre Urheber der Anschläge war. Es mussten nur
noch die Alliierten anhand von Beweismaterial von der Mitverantwortung Afghanistans
überzeugt werden.
Afghanistan hat zwar nicht selbst die Terrorangriffe gegen die Vereinigten Staaten vorbereitet
beziehungsweise geführt, was übrigens selbst von den Vereinigten Staaten nie behauptet
wurde, doch gewährte es - trotz wiederholter Ermahnungen des SR - bin Laden und seiner
Terrororganisation Unterschlupf und unterstützte ihre verbrecherischen Machenschaften.
Tatsächlich machte diese Unterstützung den Anschlag überhaupt erst möglich. Damit hat das
Taliban-Regime den Frieden und die internationale Sicherheit nicht bloß gefährdet, sondern
einen entscheidenden Beitrag zur tatsächlichen Gewaltanwendung geleistet. Dieses
völkerrechtswidrige Verhalten war – wie anhand von eindeutigen Beweisen sehr bald belegt
werden konnte – nachweislich dem Staat Afghanistan zuzurechnen und begründete
dessen völkerrechtliche Verantwortung. Afghanistans aggressives Verhalten
rechtfertigte auch die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts durch die Vereinigten Staaten
im Sinne des Art. 51 SVN und der obgenannten Resolutionen des SR. Deshalb ist die Frage,
ob die einen knappen Monat nach den Anschlägen gegen Afghanistan unternommene
militärische Aktion eine „rechtmäßige“ Repressalie darstellte, müßig und kann vernachlässigt
werden. Es ging nicht um eine bewaffnete Repressalie, die ohnehin im Widerspruch zum
Friedensgebot der SVN stünde, sondern um das von der SVN anerkannte Recht auf
Selbstverteidigung gegen das anhaltende, mit einer Aggression gleichzusetzende,
rechtswidrige Verhalten Afghanistans, das jederzeit weitere Terrorakte befürchten ließ.
5.4 Der Status des Terroristen im Krieg
Die Gleichsetzung des Terroranschlags mit einem feindseligen Akt der Kriegführung („act of
war“) hat – wie erwähnt – für einige Verwirrung auch unter Juristen gesorgt. Nachträglich
kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Präsident den Angriff der Terroristen und
das völkerrechtswidrige Verhalten Afghanistans als „Tateinheit“ ansah und deshalb den
Terrorakt selbst als die den Krieg auslösende erste – wenn auch unerlaubte „Kriegshandlung“ qualifizierte. Abgesehen davon, dass die US-Behörden nach dem Anschlag
zunächst die Drahtzieher ausforschen mussten , wäre schon aus rechtspolitischer Sicht
vor einer solchen Vermengung der beiden Tatbestände zu warnen, selbst wenn sie unter
politischen Gesichtspunkten vertretbar erscheint. Wollte man nämlich die politische Diktion
undifferenziert zur Grundlage für die juristische Einordnung der Sachverhalte nehmen, so
würde die Vermutung nahe liegen, dass die Terroristen Kombattanten waren und - hätten sie
den Anschlag überlebt – Anspruch auf den Kriegsgefangenenstatus gehabt hätten, ungeachtet
der Tatsache, dass sie kriegsrechtswidrig gehandelt hatten. Dies würde zumindest gemäß Art.
45 Abs. 1 des I. Genfer Zusatzprotokolls 1977 gelten, der für den Fall, dass Zweifel am
Kriegsgefangenenstatus bestehen, eine Entscheidung durch das zuständige Gericht fordert.
Die USA sind allerdings dem Zusatzprotokoll bis heute nicht beigetreten, weshalb sie auf dem
Standpunkt stehen, dass für sie weiterhin nur Art. 4 des III. Genfer Abkommens 1949 über die
Behandlung von Kriegsgefangenen verbindlich ist. Demnach hat der Kombattant u.a. ein
bleibendes und von weitem erkennbares Unterscheidungszeichen zu führen, die Waffen offen
zu tragen und sich bei den Kampfhandlungen an die Gesetze und Gebräuche des Krieges zu
halten. Da die Al-Qaida-Kämpfer im Afghanistan-Konflikt diesen Kriterien nicht entsprochen
haben, verweigern die USA ihnen heute den Kriegsgefangenenstatus 30. Dabei wird allerdings
übersehen, dass im Zweifelsfall die Gefangenen gemäß Art. 5 Abs. 2 des Abkommens so
lange dessen Schutz genießen, „bis ihre Rechtsstellung durch ein zuständiges Gericht
festgestellt worden ist“31. Die Ablehnung der Zuerkennung des Kriegsgefangenenstatus
scheint zudem in einem gewissen Widerspruch zu der Ansicht zu stehen, der Anschlag der
Terroristen am 11. September sei ein Akt des Krieges gewesen. Wenn den Al-QaidaTerroristen nämlich kein Kriegsgefangenenstatus zukommt, so waren sie zuvor wohl auch
keine „Kombattanten“ und ihre Handlungen keine „Kriegshandlungen“.
Würde aber die These einer „Kriegshandlung“ Bestand haben, müsste konsequenterweise
zugegeben werden, dass zwar der Angriff auf das World Trade Center ein Kriegsverbrechen
darstellt, dass aber der Anschlag auf das Pentagon als Zentrale der „gegnerischen“
Militärmacht ein nach Kriegsrecht durchaus erlaubter Angriff auf ein militärisches Ziel zu
gelten hätte. Insgesamt also ein absurdes Ergebnis! Deshalb meine ich, dass trotz des
faktischen Zusammenhangs zwischen den Anschlägen einerseits und dem Verhalten
Afghanistans andererseits, der Terrorakt rechtlich vom Krieg zwischen der Allianz
und Afghanistan isoliert betrachtet werden muss. Dies umso mehr, als dem TalibanRegime zwar die Unterstützung des Terrorismus völkerrechtlich zugerechnet werden kann,
nicht jedoch der terroristische Akt selbst. Erst so ist es möglich, den Terroranschlag als das
anzusehen, was er in Wirklichkeit war, nämlich ein schweres internationales Verbrechen.
5.5 Kriegsverbrechen mit terroristischen Merkmalen
Unter den schweren Verletzungen der Haager Landkriegsordnung, der Genfer Konventionen
1949 und der Zusatzprotokolle 1977, die heute als Kriegsverbrechen gelten, gibt es manche,
denen terroristische Merkmale anhaften. Die Flächenbombardements wurden bereits erwähnt.
Von den Kriegsverbrechen, die im Art. 8 des römischen Statuts des Internationalen
Strafgerichts aufgelistet sind, könnten weitere, ähnliche Straftaten genannt werden. Man
denke nur an die Geiselnahme (Abs. 2 lit. a) viii und lit. c) iii), an vorsätzliche Angriffe auf
die Zivilbevölkerung (Abs. 2 lit. b) i und lit. e) i), an vorsätzliche Angriffe auf das Personal
einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden Mission (Abs. 2 lit. b) iii und lit. d)
iii), an Angriffe auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten und Gebäude (Abs. 2 lit. b) v),
an die Erklärung, dass kein Pardon gegeben wird (Abs. 2 lit. b) xii und lit. d) x), an die
Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen (Abs. 2 lit. b) xvii), an den Einsatz
unterschiedslos wirkender Waffen (Abs. 2 lit. b) xx), an die Benutzung von Zivilpersonen als
Schutzschilder (Abs. 2 lit. b) xxiii) und an vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material,
Sanitätseinheiten, Sanitätstransporte und Personal, die im Einklang mit dem Völkerrecht mit
den Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen sind (Abs. 2 lit. b) xxiv und lit. e) ii), um
nur einige Beispiele zu nennen.
6. Internationale Bekämpfung des Terrorismus in Friedenszeiten: Straftatbestände
„de lege lata“
Vgl. dazu Illényi B.: Guantánamo furcsa foglyai. Jogtalan önvédelem., in: „Heti Világgazdaság“, XXIV/5,
vom 2. Februar 2002.
31
Vgl. dazu die Rechtsmeinung von Robert Goldman von der American University in Washington, zitiert im
Beitrag „Auf neuen und gefährlichen Pfaden?“ in der FAZ vom 25. Februar 2002. Siehe dagegen die
Auffassung der Bundesstaatsanwältin Ruth Wedgwood von der Johns Hopkins University, ebenda.
30
6.1 Der Standpunkt des SR
Im Dezember 1998 nahm der SR die Resolution 1214 (1998) an, in der er die afghanische
Taliban-Regierung auffordert, den internationalen Terroristen und deren Organisationen das
Asylrecht zu entziehen. Unter Berufung auf Kapitel VII. der SVN wiederholte der SR im
Oktober 1999 (Res. 1267) seine Forderung an das Taliban-Regime, der Ausbildung von
Terroristen ein Ende zu setzen und dafür zu sorgen, dass die Ausbildungslager für Terroristen
und terroristische Einrichtungen in Afghanistan aufgelöst werden beziehungsweise, dass die
Terroristen das afghanische Territorium nicht länger dazu missbrauchen, gegen andere
Staaten oder deren Bürger terroristische Angriffe zu planen und zu führen. Der SR rief zudem
das Taliban-Regime auf, mitzuwirken, damit Terroristen, gegen die Anklage erhoben
wurde, den zuständigen Gerichten zugeführt werden . Darüber hinaus forderte der
SR die Auslieferung von bin Laden , und zwar an den Staat, in dem gegen ihn Anklage
erhoben wurde, oder einem Drittstaat, damit er für die Terrorangriffe zur Verantwortung
gezogen wird. Die Taliban-Regierung entsprach jedoch nicht der Aufforderung des SR.
Unmittelbar nach den Ereignissen des 11. September forderte der SR in seiner Resolution
1368 (2001) alle Staaten zur Zusammenarbeit auf, damit die Täter sowie diejenigen, die den
Anschlag geplant oder unterstützt haben, gefasst und vor Gericht gestellt werden. Die
Resolution 1373 (2001) vom 28. September weist u.a. auf die enge Verbindung zwischen dem
Terrorismus und dem internationalen organisierten Verbrechen hin, insbesondere auf den
Drogenhandel, die Geldwäsche, den illegalen Waffenhandel und den Handel mit nuklearem,
chemischem, biologischem und anderem tödlichen Material.
6.2 Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die VN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, machte nach dem
Terrorangriff auf die Vereinigten Staaten darauf aufmerksam, dass der Angriff auf jeden Fall
unter den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit subsumiert werden
könne. Auf den ersten Blick ist man in der Tat geneigt, Frau Robinson zuzustimmen. Doch
bei näherer Betrachtung der Rechtsquellen sind Zweifel angebracht.
Tatsächlich gelten gemäß Art. 6 Abs. 2 lit. (c) des Statuts des Internationalen Militärtribunals
von 1945 Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche
Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges ohne
weitere Bedingungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Aber schon Prinzip VI des von der Internationalen Rechtskommission 1950 aufgestellten
Nürnberger Prinzipienkatalogs (Nürnberg Principles) erklärt Verbrechen gegen die
Menschlichkeit nur dann strafbar, wenn sie im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen
oder Verbrechen gegen den Frieden begangen wurden. Der Anschlag vom 11.
September ist aber m.E. weder im Zusammenhang mit einem Kriegsverbrechen, noch in
Verbindung mit einem Verbrechen gegen den Frieden begangen worden.
Auch nach Art. 5 des Statuts des Jugoslawien-Tribunals sind übrigens Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur
dann zu verfolgen, wenn sie i m Ra h me n e i ne s b e w affn et e n Ko n fli k ts begangen werden. Ähnliche
Einschränkung enthält Art. 3 des Statuts des Internationalen Strafgerichts für Ruanda. Demnach ist das Gericht
befugt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen, „we n n d i es e i m R ah me n ei n es b re it
an g ele g t e n o d er s ys te ma ti s c he n An gr i ffs g e ge n d i e Zi v ilb e vö l ker u n g a u s n at io na le n,
p o lit i sc he n , e t h ni sc he n , r as si s c he n o d er re li giö s en Gr ü nd e n b e ga n g e n werd e n “.
Art. 7 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Strafgerichts (International Criminal Court, ICC) besagt gleichfalls,
dass Mord, Ausrottung etc. dann als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu werten sind, wenn sie „a ls
T eil ei ne s gr o ß a n ge le g te n o d er s ys t e ma ti s c he n An gr i ffs g e ge n d i e Zi vi lb e vö l ker u n g i n
Ke n nt n i s d e s An g r i f f s b eg a n ge n “ werden.
Abgesehen von der mangelnden Jurisdiktion der drei Tribunale bleibt die Frage offen, ob die zusätzlichen
Bedingungen der materiellen Tatbestände des Verbrechens gegen die Menschlichkeit („im Rahmen eines
bewaffneten Konflikts“ bzw. „im Rahmen eines breit angelegten“ oder „als Teil eines groß angelegten oder
systematischen Angriffs“ ) auf die Anschläge des 11. September ohne weiteres zutreffen würden. Dies wäre nur
denkbar, wenn die Anschläge selbst als solche „Angriffe“ interpretiert würden, was jedoch dem Wortlaut der
Tatbestände widerspräche (argumentum „im Rahmen“ bzw. „als Teil“).
6.3 Internationale Abkommen zur Bekämpfung des Terrorismus
In den vergangenen Jahrzehnten sind unter der Schirmherrschaft der VN und der
Spezialorganisationen zwölf Anti-Terror-Konventionen angenommen 32 und durch
regionale Übereinkommen ergänzt worden 33. Jedes dieser Abkommen bezieht sich auf
Teilbereiche der internationalen terroristischen Aktivitäten. Im Folgenden werden die
Strafbestimmungen einiger dieser Abkommen kurz dargelegt.
6.4 Verbrechen gegen die Sicherheit international geschützter Personen, insbesondere von
Diplomaten
Im Hinblick darauf, dass gegen Diplomaten und andere international geschützte Personen
immer häufiger Gewaltverbrechen begangen worden sind, nahm die Staatengemeinschaft am
14. 12. 1973 das Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von
Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten an. Zu den
geschützten Personen gehören Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Außenminister sowie
32
Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including
Diplomatic Agents, adopted by the General Assembly of the United Nations on 14 December 1973; International
Convention against the Taking of Hostages, adopted by the General Assembly of the United Nations on 17
December 1979 International Convention for the Suppression of Terrorist Bombings, adopted by the General
Assembly of the United Nations on 15 December 1997. International Convention for the Suppression of the
Financing of Terrorism, adopted by the General Assembly of the United Nations on 9 December 1999.
Convention on Offences and Certain Other Acts Committed on Board Aircraft, signed at Tokyo on 14
September 1963. Convention for the Suppression of Unlawful Seizure of Aircraft, signed at the Hague on 16
December 1970. Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Civil Aviation, signed
at Montreal on 23 September 1971. Convention on the Physical Protection of Nuclear Material, signed at
Vienna on 3 March 1980. Protocol on the Suppression of Unlawful Acts of Violence at Airports Serving
International Civil Aviation, supplementary to the Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the
Safety of Civil Aviation, signed at Montreal on 24 February 1988. Convention for the Suppression of Unlawful
Acts against the Safety of Maritime Navigation, done at Rome on 10 March 1988. Protocol for the Suppression
of Unlawful Acts against the Safety of Fixed Platforms Located on the Continental Shelf, done at Rome on 10
March 1988. Convention on the Marking of Plastic Explosives for the Purpose of Detection, signed at Montreal
on 1 March 1991.
33
Arab Convention on the Suppression of Terrorism, signed at a meeting held at the General Secretariat of the
League of Arab States in Cairo on 22 April 1998. Convention of the Organization of the Islamic Conference on
Combating International Terrorism, adopted at Ouagadougou on 1 July 1999. European Convention on the
Suppression of Terrorism, concluded at Strasbourg on 27 January 1977. OAS Convention to Prevent and Punish
Acts of Terrorism Taking the Form of Crimes against Persons and Related Extortion that are of International
Significance, concluded at Washington, D.C. on 2 February 1971. OAU Convention on the Prevention and
Combating of Terrorism, adopted at Algiers on 14 July 1999. SAARC Regional Convention on Suppression of
Terrorism, signed at Kathmandu on 4 November 1987. Treaty on Cooperation among States Members of the
Commonwealth of Independent States in Combating Terrorism, done at Minsk on 4 June 1999.
Diplomaten und internationale Beamte. Strafbar sind Mord, Entführung oder andere Angriffe
auf die Person oder deren Freiheit. Strafbar ist auch die Androhung solcher Angriffe sowie
der Versuch und die Beihilfe. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die im Abkommen
aufgelisteten Straftatbestände in ihr innerstaatliches Recht zu transformieren und
entsprechend zu bestrafen.
Das Übereinkommen soll dem genannten Personenkreis einen wirksamen Schutz gegen
Terroranschläge bieten.
Die Tat kann nur vorsätzlich und bewusst begangen werden. Schutzobjekte sind die
körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person.
Das Washingtoner Übereinkommen zur Verhinderung und Bestrafung von international
relevanten Terrorakten in Form von Verbrechen gegen Personen und von Erpressung in
Verbindung mit solchen Delikten, das die Mitgliedstaaten der OAS am 2. Februar 197134
unterzeichnet haben, verpflichtet die Vertragsstaaten, in internationaler Zusammenarbeit
Maßnahmen zu ergreifen, um Terrorakte gegen völkerrechtlich geschützte Personen zu
verhindern beziehungsweise zu bestrafen. Gemäß Art. 1 gelten als solche Terrorakte
insbesondere die Entführung, der Mord und andere Angriffe auf das Leben und die
körperliche Unversehrtheit der völkerrechtlich geschützten Personen sowie die Erpressung in
Verbindung mit solchen Delikten. Das Übereinkommen regelt ferner die Auslieferung der
Tatverdächtigen beziehungsweise deren Verfolgung durch die staatlichen Gerichte. Art. 6 des
Abkommens betont ausdrücklich, dass das Asylrecht durch die Bestimmungen des
Übereinkommens nicht berührt wird.
6.5 Verbrechen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt35
Der erste einschlägige Vertrag war das Abkommen von Tokio über strafbare und bestimmte
andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen vom 14. 9. 1963 36. Art. 1 erklärt
alle Handlungen, die die Sicherheit eines Flugzeugs oder der Passagiere und des an Bord
befindlichen Eigentums beziehungsweise die Ordnung oder Disziplin an Bord gefährden, zu
Straftaten. Das Abkommen findet Anwendung auf strafbare Handlungen die während des
Fluges oder auf hoher See oder wo immer außerhalb eines Staatsgebietes begangen werden.
Die Tat kann nur vorsätzlich begangen werden. Schutzobjekt des Straftatbestandes ist die
Sicherheit des Luftverkehrs, der Fluggäste, des Flugpersonals und des an Bord befindlichen
Eigentums.
Das Abkommen regelt des Weiteren Fragen der Gerichtsbarkeit, die Befugnisse des Kapitäns
und die Pflichten der Staaten im Fall einer Flugzeugentführung.
Am 16. Dezember 1970 wurde das Haager Übereinkommen zur Bekämpfung der
widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen37 unterzeichnet. Gemäß dem Abkommen
ist die widerrechtlich durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt oder durch eine andere Form
der Einschüchterung erfolgte Inbesitznahme eines Flugzeugs oder die Kontrolle über ein
Flugzeug während des Fluges (Flugzeugentführung) sowie der Versuch einer solchen
34
UNTS No. 24381 (1986)
Ipsen, K., Völkerrecht, 3. Aufl., München 1990, 758 ff.
36
UNTS No. 10106 (1969).
37
UNTS No. 12325 (1973)
35
Handlung und die dabei geleistete Beihilfe strafbar (Art. 1). „Während des Fluges“ bedeutet
im Sinne des Art. 3 die Zeitspanne, die mit der Schließung der Eingänge beginnt und nach
deren Öffnung zum Zwecke des Ausstiegs endet.
Auch diese Straftat kann nur vorsätzlich verwirklicht werden. Der Vorsatz richtet sich auf die
widerrechtliche Inbesitznahme eines Flugzeugs beziehungsweise auf die Ausübung der
Kontrolle über ein Flugzeug, umfasst aber auch die Gewaltanwendung, die Drohung mit
Gewalt sowie andere Formen der Einschüchterung (erweiterter Vorsatz). Schutzobjekt ist die
Sicherheit der Luftfahrt, insbesondere des Flugzeugs, der Passagiere und des Flugpersonals.
Laut Übereinkommen haben die Staaten gegen die Tatverdächtigen ein Strafverfahren
einzuleiten oder sie auszuliefern („aut dedere, aut iudicare“).
Das Übereinkommen von Montreal zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die
Zivilluftfahrt vom 23. 9. 197138 definiert fünf Straftatbestände. Demnach gelten folgende
Tatbestände als strafbar, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen werden: a)
Gewaltanwendung gegen eine Person während des Fluges, sofern dadurch die Sicherheit des
Flugzeugs gefährdet werden könnte, b) Zerstörung oder Beschädigung eines in Dienst
befindlichen Flugzeugs, wodurch dieses fluguntauglich oder die Flugsicherheit gefährdet
wird, c) Deponierung einer Vorrichtung oder Substanz im Flugzeug, die geeignet ist, das
Fluggerät zu zerstören oder so zu beschädigen, dass es fluguntauglich oder dass dessen
Flugsicherheit
gefährdet
wird,
d)
Zerstörung
oder
Beschädigung
von
Navigationseinrichtungen oder das Einwirken auf deren ordnungsgemäßes Funktionieren,
sofern dadurch die Flugsicherheit des Flugzeugs gefährdet wird und e) die Weitergabe von
falschen Informationen, wodurch ebenfalls die Flugsicherheit des Flugzeugs gefährdet wird.
In jedem Fall ist Vorsatz gefordert. Geschützt werden die Flugsicherheit, die Fluggäste, das
Flugpersonal und das Flugzeug selbst.
Strafbar sind auch der Versuch beziehungsweise die Beihilfe.
Das Protokoll vom 24. 2.1988 zur Bekämpfung rechtswidriger Gewalttaten an Flughäfen, die
der internationalen Zivilluftfahrt dienen39 schließt eine Lücke des Montrealer Abkommens,
indem es auch Angriffe gegen Passagiere auf Flughäfen unter Strafe stellt.
Schließlich wäre noch an das Internationale Übereinkommen gegen Geiselnahme vom 18. 12.
197940 und an das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom
27.1.197741 zu erinnern. Letzteres regelt insbesondere die Auslieferung von Personen, die u.a.
eines Verbrechens gemäß dem Haager und dem Montrealer Abkommen verdächtig sind.
6.6 Weitere Übereinkommen gegen den Terrorismus
Im Sinne des Art. 1 des Internationalen Übereinkommens gegen Geiselnahme vom 18. 12.
197942 begeht eine Person, die eine andere Person entführt oder festhält oder damit bedroht,
sie zu töten, zu verletzen oder gefangen zu halten, um eine dritte Partei, namentlich einen
38
UNTS 14118 (1975)
UNTS vol. 974 p. 177
40
UNTS Np. 21931 (1983)
41
UNTS No. 17828 (1979)
42
UNTS No. 21931 (1983)
39
Staat oder eine zwischenstaatliche Organisation, eine natürliche oder juristische Person oder
eine Personengruppe zu zwingen, etwas zu tun oder zu unterlassen, damit die Geisel
freikommt. Auch die Person, die eine Geiselnahme versucht oder an einer solchen teilnimmt,
macht sich eines Delikts schuldig.
Die Straftat kann nur vorsätzlich begangen werden. Der Vorsatz muss neben der
Freiheitsberaubung auch die Erpressung mit einschließen (erweiterter Vorsatz).
Schutzobjekte sind das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit der entführten
Person sowie die Entscheidungsfreiheit des erpressten Staates, der internationalen
Organisation, der natürlichen oder juristischen Person.
Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Geiselnahme entsprechend streng zu bestrafen und
mit anderen Staaten zusammenzuarbeiten, um Geiselnahmen zu verhindern. Außerdem haben
sie ihre eigene Gerichtsbarkeit gesetzlich festzuschreiben, wenn die Straftat in ihrem Gebiet
oder auf ihrem Schiff oder Flugzeug begangen worden ist oder wenn ihr Staatsangehöriger
beziehungsweise ein Staatenloser, dessen gewöhnlicher Wohnsitz sich auf ihrem Gebiet
befindet, Tatverdächtiger ist.
Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenattentate vom
12.1.199843 sieht die Bestrafung von Personen vor, die eine Bombe oder eine andere tödliche
Vorrichtung widerrechtlich und vorsätzlich an einen öffentlichen Ort, in eine staatliche
Einrichtung, in das öffentliche Verkehrssystem oder in eine der Infrastruktur dienenden
Einrichtung verbringt, dort deponiert oder sprengt in der Absicht, Tod oder schwere
Körperverletzungen zu verursachen oder ausgedehnte Zerstörungen am öffentlichen Ort, an
der staatlichen Einrichtung, am öffentlichen Verkehrssystem oder an der Infrastruktur
herbeizuführen.
Der Vorsatz umfasst auch die Absicht, zu töten, schwere Körperverletzungen und
Zerstörungen zu verursachen. Schutzobjekte sind die Opfer, die zerstörten Gegenstände und
das ordnungsgemäße Funktionieren der staatlichen Einrichtungen und des öffentlichen
Lebens.
Strafbar ist auch der Versuch eines solchen Delikts bzw. die Teilnahme daran.
Der internationale Terrorismus benötigt erhebliche finanzielle Mittel für den Aufbau und die
langfristige Erhaltung seiner globalen Netzwerke. Diese Mittel werden teilweise von
Regierungen, teilweise aus privaten Quellen aufgebracht. Eine der größten Herausforderungen
im Kampf gegen den Terrorismus besteht daher in der Ausforschung und Sperrung der
Geldquellen44. Diesem Übel soll durch das VN-Übereinkommens zur Bekämpfung der
Finanzierung des Terrorismus vom 25. Februar 200045 abgeholfen werden. Gemäß Art. 2 des
Übereinkommens ist die Person, die wie auch immer direkt oder indirekt, widerrechtlich und
vorsätzlich finanzielle Mittel in der Absicht bereitstellt oder sammelt, dass sie teilweise oder
zur Gänze zur Durchführung von Terrorakten verwendet werden sollen oder tatsächlich
verwendet werden, zu bestrafen, sofern das Ziel des Terroraktes in der Einschüchterung der
Bevölkerung oder darin besteht, eine Regierung oder eine internationale Organisation dazu zu
zwingen, etwas zu tun oder zu unterlassen.
43
Witten, S.M.: The International Convention for the Suppression of Terrorist Bombings, in: 92 AJIL 774
(1998).
44
Patton, W.: Preventing terrorist fundraising in the United States, in: 30 George Washington Journal of
International Law and Economics, 127 (1996)
45
A/RES/54/109, Annex.
Der Vorsatz schließt die Absicht mit ein, die Durchführung von Terrorakten zu begünstigen
beziehungsweise zu unterstützen, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder
internationale Organisation zu erpressen (erweiterter Vorsatz). Schutzobjekte sind das Recht
der Bürger, in Freiheit und ohne Angst zu leben sowie die Entscheidungsfreiheit der
Regierung oder einer internationalen Organisation.
Wie bei den anderen Delikten gilt auch hier, dass der Versuch und die Teilnahme strafbar
sind.
Bedauerlicherweise gelang es nicht, im römischen Statut des Internationalen Strafgerichtes
die Jurisdiktion des Gerichtshofes auf das Verbrechen des Terrorismus auszuweiten46, obwohl
mehrere Staaten, darunter Algerien, Indien, Sri Lanka und die Türkei dies gefordert hatten.
Die vorgebrachten Gegenargumente, wie etwa die Schwierigkeit, den Terrorismus zu
definieren oder die Gefahr, dass die Aufnahme eines solchen Delikts in das Statut das Gericht
der politischen Einflussnahme ausgesetzt hätte, erweisen sich im Lichte der Ereignisse des 11.
September als wenig überzeugend. Die Konferenz in Rom vertagte die Angelegenheit auf eine
spätere Revisionskonferenz.
6.7 Verbrechen gegen die Sicherheit der Seefahrt
Die Piraterie ist iure gentium einer der ältesten Straftatbestände des Völkerstrafrechts und
wird heute als eine Form des Terrorismus angesehen47. Sie konnte sich trotz internationaler
Verbote bis heute insbesondere im Fernen Osten behaupten. Die „Tamil Tigers“ z.B. verfügen
über eine kleine Flotte von Schnellbooten, die mit regelmäßigen Attacken die internationale
Seefahrt verunsichern48 . Aber selbst im Mittelmeer ereignen sich derartige Vorfälle, wofür
die Entführung des italienischen Kreuzfahrtschiffes „Achille Lauro“ das beste Beispiel ist.
Art. 101 der Seerechtskonvention 198249 enthält die heute allgemein anerkannte Definition
der Piraterie. Demnach ist jede der folgenden Handlungen Seeräuberei: a) jede
rechtswidrige Gewalttat, Freiheitsberaubung oder Plünderung, welche die Besatzung oder die
Fahrgäste eines privaten Schiffes oder Luftfahrzeugs zu privaten Zwecken begehen und
gerichtet ist i) auf Hoher See gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug oder gegen Personen
oder Vermögenswerte an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeugs; ii) an einem Ort, der
keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, gegen ein Schiff, ein Luftfahrzeug, Personen oder
Vermögenswerte. Strafbar ist auch jede Beteiligung an der Straftat und jede Anstiftung dazu.
Der Vorsatz der Straftat ist auf die widerrechtliche und gewaltsame Aneignung fremden
Vermögens (animo furendi) gerichtet. Geschützt sind die Personen, gegen die Gewalt
angewendet oder Freiheitsentzug ausgeübt wird sowie die fremden Vermögenswerte.
Alle Staaten sind ermächtigt, ein solches Schiff oder Flugzeug aufzubringen, die Täter
festzunehmen und die an Bord befindlichen Vermögenswerte zu beschlagnahmen. Die Täter
46
The United States and the world need an international criminal court as an ally in the war against terrorism, 8
Indiana International and Comparative Law Review 159 (1997)
47
Vgl. Oppenheim’s International Law, ninth ed., vol. I, Parts 2 to 4, Harlow 1993, 746 ff.; Ipsen, Völkerrecht,
a.a.O. (Anm. 28) 535;
48
Vgl. Laqueur, Die globale Bedrohung, a.a.O. (Anm.12) 243.
49
Die Definition stützt sich auf die Genfer Seerechtskonvention 1958 sowie auf Vorarbeiten der ILC, YBILC
(1956) ii, 282)
sind vom zuständigen Gericht des aufbringenden Staates strafrechtlich zu verfolgen
(Weltrechtsprinzip).
Art. 3 des Abkommen über die Bekämpfung von Unrechtsakten gegen die Sicherheit der
Seeschifffahrt vom 10. März 198850 statuiert, dass jede Person ein Delikt begeht, wenn sie
widerrechtlich und vorsätzlich a) ein Schiff durch Gewaltakt oder durch Androhung von
Gewalt oder in jeder anderen Form der Einschüchterung in Besitz nimmt oder die Herrschaft
darüber übernimmt, b) gegen eine Person an Bord des Schiffes eine Gewalttat verübt, die
sichere Navigation des Schiffes in Gefahr bringt, c) das Schiff zerstört oder dem Schiff
beziehungsweise seiner Ladung Schaden zufügt, der die sichere Navigation des Schiffes
gefährdet, d) am Schiff auf welche Art auch immer eine Vorrichtung oder Substanz deponiert
oder deponieren lässt, die geeignet ist, das Schiff zu zerstören oder dem Schiff oder seiner
Ladung einen Schaden zuzufügen, wodurch die Sicherheit der Navigation gefährdet wird, e)
Navigationseinrichtungen zerstört oder schwer beschädigt oder auf deren ordnungsgemäßes
Funktionieren einwirkt, wenn durch diese Handlung die sichere Navigation des Schiffes
gefährdet wird, f) Informationen weitergibt, von denen sie weiß, dass sie falsch sind und
dadurch die sichere Navigation des Schiffes gefährdet oder g) in Zusammenhang mit den
oben genannten Straftaten oder dem Versuch solcher Straftaten eine Person tötet oder schwer
verletzt (Art. 3 Abs. 1).
Strafbar sind des weiteren der Versuch einer solchen Straftat und die Beihilfe zur Straftat,
ferner jede Drohung mit dem Ziele, eine natürliche oder juristische Person zu zwingen, etwas
zu tun oder zu unterlassen, ungeachtet ob die Drohung an eine Bedingung geknüpft ist oder
nicht, sofern die Drohung geeignet ist, die sichere Navigation des in Frage stehenden Schiffes
in Gefahr zu bringen (Art. 3 Abs. 2).
Der Zweck der Gewalttat, der Androhung von Gewalt oder der Einschüchterung sind die
Inbesitznahme, Zerstörung oder Beschädigung des Schiffes sowie die Erpressung einer
natürlichen oder juristischen Person. Diesen Zweck muss der Vorsatz umfassen.
Schutzobjekte sind die Sicherheit der Schifffahrt, die Opfer, das Schiff selbst und die
erpressten Personen.
Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, diese Handlungen in ihrem nationalen Recht unter Stra6
fe zu stellen (Art. 5), ihre Jurisdiktion hinsichtlich solcher Straftaten zu regeln (Art. 6), den
auf ihrem Staatsgebiet befindlichen Tatverdächtigen fest zu nehmen und auf Antrag
auszuliefern (Art. 7) beziehungsweise selbst zu verfolgen (Weltrechtsprinzip, Art. 10).
Das Protokoll über die Bekämpfung von Unrechtsakten gegen die Sicherheit von am
Festlandsockel fest verankerten Plattformen vom 10. März 198851 ergänzt das Abkommen
über die Bekämpfung von Unrechtsakten gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt, indem es
Angriffe gleicher Art gegen eine am Festlandsockel fest verankerte Plattform gleichfalls
inkriminiert.
7. Der Terrorismus als Strafrechtstatbestand „de lege ferenda“
Weder der nationale noch der internationale Gesetzgeber besitzen „prophetische“ Gaben, die
ihm sichere Einsicht in noch kaum vorstellbare aber in Zukunft durchaus mögliche neue
Formen verbrecherischer Verhaltensweisen gewähren. Dies trifft auf den Terrorismus erst
50
51
UNTS No. 29004 (1992)
UNTS vol. 1678, I-29004
recht zu, der sein Ziel auf vielerlei Art und Weise zu erreichen sucht. Die Warnungen vor dem
Einsatz von Massenvernichtungswaffen sind durchaus begründet, aber ob sich Terroristen in
Zukunft – Gott behüte! – tatsächlich solcher bedienen werden, bleibt ungewiss.
Der
Gesetzgeber muss pragmatisch vorgehen und sich auf die Erfahrung, also auf reale, bereits
begangene Handlungen stützen, wie etwa auf Flugzeugentführungen, Erpressungen,
Bombenattentate, Selbstmordattentate etc.
Das Problem besteht eben in den unvorhersehbaren, neuen Sachverhalten. Letztlich ergeht es
dem Gesetzgeber nicht anders als dem Virologen, der angesichts der Mutation der
Grippeviren von Jahr zu Jahr einen modifizierten Impfstoff entwickeln muss. Der tatsächliche
Erfolg wird aber in der Regel erst nach den experimentellen Versuchen mit dem neuen Virus
gesichert sein. Auch der Gesetzgeber wird einen Sachverhalt erst unter Strafe stellen können,
wenn dieser sich schon einmal tatsächlich zugetragen hat.
Es scheint mir deshalb eine Illusion zu sein, eine Definition zu finden, die den Terrorismus
ein für allemal so umschreibt, dass der Straftatbestand auch auf alle zukünftigen Terrorakte
anwendbar ist. Dennoch ist es notwendig, den Tatbestand so weit zu fassen, dass der Richter
innerhalb der vom Grundsatz „nullum crimen sine lege“ gezogenen Grenzen noch genügend
Ermessensspielraum für die Anwendung der strafrechtlichen Norm auf konkrete neue
Sachverhalte hat. Gleichzeitig muss man sich jedoch dessen bewusst sein, dass selbst die
beste Definition immer ein Stückwerk bleiben muss, womit der intellektuelle Aufwand, mit
dem nach einer umfassenden Begriffsbestimmung gesucht wird, keineswegs abgewertet
sondern bloß relativiert werden soll.
7.1 Arbeiten der VN 52
Die Vielgestaltigkeit der terroristischen Anschläge der jüngsten Zeit haben anschaulich
gezeigt, dass die gegenwärtige Rechtslage unbefriedigend ist. Das von der GV der VN 1996
eingesetzte Ad-hoc-Komitee betreffend den internationalen Terrorismus53 hat den Auftrag,
einen Konventionsentwurf auszuarbeiten, der in Ergänzung zu den bestehenden Anti-TerrorKonventionen einen umfassenden Straftatbestand des Terrorismus statuiert. Die Staaten haben
sich zwar in der Vergangenheit bereit gefunden, aufgrund aktueller Anlässe pragmatisch
vorzugehen und Teilbereiche der Strafverfolgung des internationalen Terrorismus zu regeln,
doch war die Staatengemeinschaft bislang nicht in der Lage, sich über einen umfassenden
Straftatbestand des Terrorismus zu einigen. Zwar haben die Arbeiten an dem Entwurf in
jüngster Zeit Fortschritte erzielt, doch die entscheidenden Art. 2 (Definition des Terrorismus)
und 18 (Ausnahmen) des Vertragsentwurfs sind weiterhin offen.
7.2 Europäische Union
7.2.1 Definition des Terrorismus
Im Vergleich mit den VN haben die Arbeiten in der EU mehr Erfolg aufzuweisen. Der
Ministerrat (Justiz- und Innenminister) der EU hat am 6. Dezember 2001 den Entwurf eines
Rahmenbeschlusses über die Bekämpfung des Terrorismus54 vorläufig angenommen,
52
Obote-Odora, A.: Defining International Terrorism, E Law, Murdoch University Electronic Journal of Law
(March 1999)
53
Resolution 51/210 (17 December 1996)
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14845/1/01, Rec 1 DROIPEN 103 CATS 49 REV 1
vorbehaltlich parlamentarischer Prüfung in Schweden, Dänemark und Irland und weiterer
Beratungen im EU-Parlament.
Der Entwurf unterscheidet drei Deliktgruppen: terroristische Delikte (Art. 1), Delikte in
Verbindung mit terroristischen Aktivitäten (Art. 1 a) und Delikte in Zusammenhang mit
terroristischen Gruppen (Art. 2).
Bei der ersten Gruppe ( Art. 1: terroristische Delikte) handelt es sich um Straftaten, die erst
durch ein die Delikte überschießendes Ziel zu terroristischen Delikten werden. Dieses
Ziel ist das entscheidende Tatbestandselement, das die Tat zum terroristischen Delikt werden
lässt. Der Entwurf führt drei solche Ziele an, die einzeln ausreichen, um die aufgelisteten
Delikte als terroristische Akte zu qualifizieren:
1) die schwere Einschüchterung der Bevölkerung,
2) jedes Verhalten, das eine Regierung oder eine internationale Organisation widerrechtlich
zwingen soll, etwas zu tun oder zu unterlassen und
3) die schwerwiegende Destabilisierung oder Zerstörung der fundamentalen politischen,
konstitutionellen, ökonomischen oder sozialen Strukturen eines Landes oder einer
internationalen Organisation.
Die Staaten haben die Pflicht, folgende Delikte, die infolge ihrer Beschaffenheit oder durch
ihren Kontext geeignet sind, einem Land oder einer internationalen Organisation schweren
Schaden zuzufügen, zu bestrafen:
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
i)
j)
Angriff auf das Leben einer Person, der zum Tode führen kann,
Angriff auf die physische Integrität einer Person,
Entführung oder Geiselnahme,
.....................
umfangreiche Zerstörung von Regierung- oder öffentlichen Einrichtungen,
des
Verkehrssystems, der Infrastruktur und des Informationssystems, einer Plattformen auf
dem Festlandsockel, sonstiger öffentlicher Orte oder privaten Eigentums, die geeignet ist,
Menschenleben zu gefährden oder größeren wirtschaftlichen Schaden zu verursachen,
Inbesitznahme eines Flugzeugs, eines Schiffes oder anderer öffentlicher Verkehrsmittel
oder Gütertransporte,
Herstellung, Besitz, Erwerb, Transport, Lieferung oder Verwendung von Waffen,
Sprengmitteln oder von nuklearen, biologischen oder chemischen Waffen, sowie
Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet biologischer und chemischer Waffen,
Verbreitung gefährlicher Substanzen, Brandstiftung, Sprengungen oder Überflutungen,
die Menschenleben in Gefahr bringen,
Eingriff in oder Unterbrechung von Wasser-, Energie- oder sonstigen lebenswichtigen
natürlichen Ressourcen und schließlich
Androhung der genannten Anschläge.
Zur zweiten Gruppe (Art. 1a: Delikte in Verbindung mit terroristischen Aktivitäten) von
Straftaten, die gleichfalls in das innerstaatliche Recht übernommen werden müssen, zählt der
Entwurf des Rahmenbeschlusses
a) den schweren Diebstahl in Verbindung mit den in Art. 1 angeführten Straftaten,
b) die Fälschung öffentlicher Urkunden in Verbindung mit den Straftaten unter Art. 1 (a) bis
(i) sowie Art. 2 (2) (b) und
c) die Erpressung in Verbindung mit einer der in Art. 1 genannten Straftaten.
Zur dritten Gruppe (Art. 2: Delikte in Zusammenhang mit terroristischen Gruppen) gehören
schließlich folgende Tatbestände:
a) Anführung einer terroristischen Gruppe,
b) Teilnahme an den Aktivitäten einer terroristischen Gruppe, einschließlich der Mitteilung
von Informationen oder Bereitstellung materieller Ressourcen oder der Finanzierung ihrer
Aktivitäten in dem Bewusstsein, dass diese Teilnahme einen Beitrag zu den kriminellen
Aktivitäten der Gruppe leistet.
Auch diese Delikte sind in das innerstaatliche Recht zu übernehmen.
Im Sinne des Rahmenbeschlusses bedeutet „terroristische Gruppe“ eine strukturierte Gruppe
von mehr als zwei Personen, die für eine bestimmte Dauer gebildet wurde und die gemeinsam
terroristische Delikte begeht. „Strukturierte Gruppe“ bedeutet eine Gruppe, die sich nicht für
ein aktuelles Delikt zufällig zusammengefunden hat, in der jedoch auch nicht
notwendigerweise eine formelle Rollenverteilung unter ihren Mitgliedern stattfinden muss.
Zudem wird weder eine kontinuierliche Mitgliedschaft noch eine fest gegliederte Struktur
vorausgesetzt.
Gemäß Art. 3 des Entwurfs sind die Anstiftung, die Beihilfe, die Begünstigung und der
Versuch ebenfalls strafbar.
Der Entwurf enthält des Weiteren Bestimmungen über die Strafen, die Haftung juristischer
Personen, die nationale Gerichtsbarkeit, und den Schutz der Opfer.
Aus dem Entwurf des Rahmenbeschlusses lässt sich eindeutig ableiten, dass der Vorsatz bei
den ersten beiden Tatbestandsgruppen (Art. 1 und 1a) die im Art. 1 genannten Zielsetzungen
mit einschließen muss (erweiterter Vorsatz). Weniger klar ist dies bei der dritten Gruppe (Art.
2). Die ausdrückliche Anführung der Zielsetzungen ist übrigens eines der Verdienste des
Entwurfs. Dass es sich dabei um politische Ziele handelt, die gegen den Staat, dessen
Bevölkerung oder gegen eine internationale Organisation gerichtet sind, liegt auf der Hand.
Was die aufgelisteten Delikte betrifft, ist festzuhalten, dass sie zwar einzelne Tatbestände der
oben erörterten Übereinkommen enthalten, jedoch bei weitem nicht alle. Dies gilt
insbesondere für die meisten Delikte gegen die Sicherheit der Luftfahrt und der Seefahrt.
Insgesamt stellt also der Entwurf eine wichtige Ergänzung bestehender
völkerrechtlicher Normen dar, ohne diese vollständig zu ersetzen. Dies war wohl auch
nicht die Absicht. Doch kann der Entwurf schon allein deshalb nicht als eine alles
umfassende Definition des Terrorismus gelten. Dennoch ist den Justiz- und Innenministern
der Europäischen Union zuzugestehen, dass sie mit diesem Entwurf einen beachtlichen
Fortschritt im Kampf gegen den Terrorismus erzielen konnten.
7.2.2 Der europäische Haftbefehl
Die wirksame Verfolgung der Terroristen scheitert oft oder wird zumindest erschwert durch
administrative Hürden im zwischenstaatlichen Auslieferungsverfahren. Der europäische
Haftbefehl soll hier teilweise Abhilfe schaffen.
Die Staats- und Regierungschefs haben sich in Laeken am 14. und 15. Dezember 2001 auf die
Bedingungen für einen europäischen Haftbefehl geeinigt. Anfang Februar 2002 hat das
Europäische Parlament mit großer Mehrheit dem europäischen Haftbefehl ebenfalls
zugestimmt, der nunmehr von allen Mitgliedsländern bis zum Jänner 2004 in ihr nationales
Recht umgesetzt werden soll.
Durch den europäischen Haftbefehl wird die Auslieferung von Straftätern innerhalb der 15
Mitgliedstaaten der EU beschleunigt und erleichtert werden. In Zukunft wird nur noch das
zuständige nationale Gericht über die Auslieferung zu entscheiden haben. Eine Bestätigung
der Gerichtsentscheidung durch das jeweilige Justizministerium entfällt.
Die Mitgliedstaaten der EU haben sich außerdem auf einen Katalog von 32 Straftaten
geeinigt, auf die der europäische Haftbefehl anzuwenden sein wird. Zu den im Katalog
aufgelisteten Straftaten gehören u.a. die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der
Terrorismus, Geldwäsche, Cyberkriminalität, Mord, schwere Körperverletzung, Entführung,
Freiheitsberaubung und Geiselnahme sowie Flugzeug- und Schiffsentführungen.
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