Noam Chomsky Einleitung S. 7- 54 (aus: Media Control. Wie die Medien uns manipulieren, Europa Verlag, Hamburg 2003) Abstract In dem Text handelt es davon, wie die Medien (haupts. die US- amerikanischen Medien) den so genannten „Krieg gegen den Terrorismus“ behandeln, oder besser gesagt nicht behandeln. Der Autor schreibt nicht erst über den Terrorismus seit den 11. September 2001, sondern über den bereits vor zwanzig Jahren beginnenden Krieg, den sich die amerikanische Regierung schon unter Reagan zu einer der zentralen Aufgaben der US- Außenpolitik gemacht hat. Außerdem werden Verbindungen zwischen der US- Regierung und den Terroristen erklärt und nach wahren Hintergründen des Kampfes gegen den Terrorismus gesucht. Schlagwörter Terrorismus, Medienberichterstattung, Propaganda, Public Relations, USAußenpolitik Verena Konrath, Matr.- Nr. 0306948 Studienkennzahl: 033641 Claudia Hartl, Matr.- Nr. 0306249 Studienkennzahl: 033641 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005 1 Zusammenfassung des Textes Aufgrund des fünfzehnten Jahrestages von FAIR (Fairness and Accuracy in Reporting) schreibt der Autor über den Umgang der Medien (vor allem der USamerikanischen Medien) mit den so genannten „Krieg gegen den Terrorismus“. Er befasst sich aber nicht nur mit der jetzigen Berichterstattung über die Terroranschläge, sondern über den schon seit zwanzig Jahren andauernden Krieg gegen den Terrorismus, der schon damals zu den Hauptaufgaben der USRegierung ernannt wurde. Vor allem werden in dem Text Zusammenhänge zwischen den Ursprüngen des Terrorismus und der heutigen Terrorwelle beschrieben. Nicht nur dass nach 1985 der internationale Terrorismus 2001 zum zweiten Mal zur Titelgeschichte des Jahres erklärt wurde, gibt es zudem auch hinsichtlich des Führungspersonals eine auffällige Kontinuität, da der Krieg gegen den Terrorismus jetzt von den selben Personen erneut verkündet wird, wie schon damals. Vor allem kritisiert der Autor, dass es zu den Prinzipien der geistigen Kultur gehört, dass man die Verbrechen der anderen sehr genau untersucht, während man die eigenen zu vertuschen versucht. Mit einem Wort, dass die moralischen Maßstäbe nur für andere gelten, aber nicht für einen selbst. Denn da die Vereinigten Staaten dazu berechtigt sind, einen Terrorkrieg gegen die Afghanen zu führen, bis diese ihren Forderungen nachgehen (nämlich die Verdächtigen auszuliefern und die politische Führung zu wechseln), müssten zum Beispiel auch die Haitianer, die schon wiederholt die Auslieferung des Terroristen Emmanuel Constant (der für den Tot von tausenden Menschen verantwortlich ist) forderten, das Recht auf terroristische Maßnahmen gegen die USA haben. In den Augen der Amerikanischen Regierung zählt Terrorismus nur dann als solcher, wenn er von Feinden ausgeübt wird, aber keinesfalls, wenn Terror von Ländern die amerikanische Unterstützung erhalten, oder gar von ihnen selbst ausgeübt wird. „Terrorismus ist, was man uns antut. Wenn wir anderen noch Schlimmeres antun, ist das kein Terrorismus.“ (Zitat aus: Media Control. Wie die Medien uns manipulieren. Europa Verlag, Hamburg 2003. Autor: Noam Chomsky/ Seite 23) 2 Da die Leute normalerweise friedliebend eingestellt sind und keinen Grund für die Regierung sehen, in anderen Ländern Krieg und Morde zu begehen, muss dafür gesorgt werden, dass die Bevölkerung nicht „aufmuckt“. Damit unter der Bevölkerung keine Bedenken aufkommen wird die breite Masse von den Regelungen ihrer Angelegenheiten ausgeschlossen und die Informationsquellen streng kontrolliert und eher begrenzt. Um das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu kontrollieren werden zirka eine Milliarde Dollar für „Greuelpropaganda“ eingesetzt, damit die Menschen keine „krankhaften Hemmungen“ gegen kriegerische Taten entwickeln. Noch leichter wird dies, wenn man die Geschichte so gut wie möglicht verfälscht, damit die Bevölkerung ein Weltbild vermittelt bekommt, dass mit der Realität nicht viel zu tun hat. Die Resultate der staatlichen Propaganda sind umso effektiver, je mehr Unterstützung von der elitären intellektuellen Schicht vorhanden ist und wenig Kritik daran zugelassen wird. Diese Erkenntnis besitzt noch heute ihre Gültigkeit. Gerade in einem demokratischen Staat ist die Anwendung der Propaganda von essentieller Bedeutung. Denn wie Chomsky darauf hinweist, gibt es einerseits, nur eine kleine Gruppe der Gesamtbevölkerung die für das politische, ideologische und wirtschaftliche System Verantwortung besitzt, nämlich die so genannten „Spezialisten“. Auf der anderen Seite findet man die „verwirrte Herde“, die in eine Perspektive des Zuschauers gelangt und deren Öffnung für Rationalität verschlossen bleibt. Bedrohend für die „Spezialisten“ wird es aber, wenn die „verwirrte Herde“ analysiert – begreift – und aktiv dagegen handelt, wie z.B. als die Arbeiterbewegung 1935 ihr Recht auf freie gewerkschaftliche Organisationen durchsetzte. Im Auge der „Spezialisten“ war dieser Sieg nicht vorgesehen und des Weiteren, gelang es der Arbeiterbewegung die Rolle des Zuschauers zu verlassen und sich letzten Endes selbstständig zu organisieren. Um solche Errungenschaften der „verwirrten Herde“ in Zukunft zu vermeiden, wurde das Mittel der Propaganda eingesetzt. Man tat dies anhand der Öffentlichkeitsarbeit, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit kontrollieren zu können. Im Falle einer Demonstration, würde man gegen die Streikenden mit Hilfe einer Botschaft von Harmonie und Friedens, vorgehen. Die Demonstranten würden Unruhe in den Staat bringen und wären somit unamerikanische Individuen. Wenn „wir alle“ 3 miteinander leben wollen, müssen wir sie stoppen. Somit bleibt die Option, sich selbst zu organisieren gestoppt, weil jeder Kampf um Rechte nur Ärger verursachen würde. Das Ideal der PR-Industrie bestehe also darin, die „verwirrte Herde“ zu zähmen, indem sie der Kontrolle von Medien unterliegen und darauf verzichten, diese zu hinterfragen oder gar zu kritisieren. Chomsky beschreibt eine Art von Ablenkung der „verwirrten Herde“, wenn es zu einer Verschlechterung einer beispielsweise wirtschaftlichen Situation eines Staates kommt. Wenn hier das Fernsehen nicht mehr ausreichend ist, dann muss quasi etwas anderes dafür herhalten. So musste in den Vereinigten Staaten ein neuer Feind erfunden werden. „So kamen dann die internationalen Terroristen und die Drogenhändler und die verrückten Araber und der neue Hitler namens Saddam Hussein an die Reihe.“ (Zitat aus: Media Control. Wie die Medien uns manipulieren. Europa Verlag, Hamburg 2003. Autor: Noam Chomsky/ Seite 42). Resümierend betrachtet, muss es fast so sein, dass die „verwirrte Herde“ zu ihrem eigenen Schutz verwirrt bleiben muss, denn sobald diese eine Auflehnung entscheiden würde, schadet dieses nur ihnen selbst. Die Spezialisten meinen, den Interessen der Allgemeinheit zu folgen und wenn diesen Fehler passieren, werden diese unter den Teppich gekehrt oder mit Unterstützung der Medien auf Andere geschoben. Relevanz für die Medienpädagogik Der Text ist insofern für die Medienpädagogik relevant, da es hauptsächlich darum geht, wie die Medien uns manipulieren können und sich damit auch die Medienpädagogik beschäftigt, welchen Einfluss die Medien auf unsere Haltungen und Einstellungen haben, da dieser Text zeigt, wie schnell man einer Bevölkerung durch Propaganda in den Medien Angst machen kann, oder sie durch Vorzeigen falscher Tatsachen täuschen kann. Wenn man davon ausgeht, dass die Medienpädagogik als Entschließungsperspektive der gesellschaftlichen Kommunikation gilt, d.h. der 4 Kommunikation der Gesellschaft und der Gesellschaft der Kommunikation, dann bedeutet dies, welche Gesellschaften, welche Kommunikation zu lassen. In der von Chomsky beschreibenden Situation spiegelt sich diese Erkenntnis deutlich in der Gegenüberstellung der „Spezialisten“ und der „verwirrten Herde“ wider. Das Hinterfragen, warum Politik so läuft, wie sie läuft, wäre hierbei der „intelligente Regelbruch“, der aber gerade in Chomskys Text die Aufgabe der Public Relations ist, zu vermeiden, dass die Leute darüber gar nicht erst nachdenken. „Denn Propaganda erfindet einen Slogan, dem alle zustimmen können, ohne wissen zu müssen, was dieser bedeutet, weil er nämlich nichts bedeutet.“ .“ (Zitat aus: Media Control. Wie die Medien uns manipulieren. Europa Verlag, Hamburg 2003. Autor: Noam Chomsky/ Seite 35). Kritik des Artikels Chomsky entfaltet hier eine These (v.a. betreffend die USA) deren Bedeutung darin zu liegen scheint, dass Medien nur Propaganda-Agenten der Regierung darstellen. Sie sind Teil der engen Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft und sorgen für die entsprechende propagandistische Unterstützung der Macht. Hinter dieser Propagandamaschine vermutet Chomsky deshalb auch einen eingeschränkten Demokratiebegriff, wie schon im oben erwähnt. Das Prinzip: Eine Führungsklasse von Spezialisten verordnet den Zuschauern die richtige Meinung zur richtigen Zeit. Durch diese Abschirmfunktion haben die Medien eine staatstragende Rolle: Sie vermitteln die richtigen Überzeugungen und kontrollieren das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die dummen Schafe „sollen vor dem Fernseher sitzen und sich die Botschaft einhämmern lassen, es sei am wichtigsten, dieses oder jenes Produkt zu kaufen und das Leben der reichen Mittelschichtfamilie zu führen, die einem auf dem Bildschirm vorgeführt wird, und ansonsten möglichst harmonisch und amerikanisch zu sein.“ (Zitat aus: Media Control. Wie die Medien uns manipulieren. Europa Verlag, Hamburg 2003. Autor: Noam Chomsky/ Seite 35). 5 Die Herde müsse ruhig gehalten und abgelenkt werden. Am besten lässt sich eine solche Propaganda über große Konzernmonopole organisieren, die im Wesentlichen identische Anschauungen vertreten. Vielfalt und Unübersichtlichkeit stören das Propagandageschäft. Im Allgemeinen ist der Text sehr kritisch und anti- amerikanisch geschrieben und liefert dem Leser in jedem Absatz Schlag auf Schlag neue Vorwürfe gegen die US- amerikanische Regierung und ihrer Außenpolitik. Dem Autor ist es sehr gut gelungen, in dem Text sarkastisch einen komprimierten, aber trotzdem ziemlich guten Einblick in den von den USA geführten Krieg gegen den Terrorismus zu geben. Zum Autor Chomsky wurde 1928 in Philadelphia (Pennsylvania) als Sohn des jüdischen Gelehrten William Chomsky geboren. Im Jahr 1945 begann er an der University of Pennsylvania Philosophie und Linguistik zu studieren. Chomskys anarchistische Überzeugungen bildeten sich schon in den 40er Jahren heraus. Anfang der 1950er Jahre verbrachte er einige Jahre in Harvard, bis er 1955 an der Universität von Pennsylvania in Linguistik promovierte. Nach der Verleihung der Doktorwürde lehrte Chomsky zunächst als Assistenzprofessor, seit 1961 als ordentlicher Professor Linguistik und Philosophie am MIT. In den 1960er Jahren wurden seine revolutionären sprachwissenschaftlichen Arbeiten weltweit anerkannt. Seither gilt er als einer der wichtigsten Theoretiker auf diesem Gebiet. In dieser Zeit begann Chomsky sich in der Öffentlichkeit deutlicher politisch zu artikulieren. Seit 1964 protestierte er gegen das Eingreifen der USA in Vietnam. Ebenso deutlich bezog Chomsky Stellung gegen die US-amerikanische Politik in Kuba, Haiti, Ost-Timor, Nicaragua, im Palästinakonflikt und gegenüber den "Schurkenstaaten" sowie zum Golf- und Kosovokrieg, zur Frage der Menschenrechte, zu Globalisierung und neoliberaler Weltordnung. Heute ist er neben seiner weiter unbestrittenen Bedeutung für die Linguistik zu einem der 6 bedeutendsten Kritiker der US-Außenpolitik, der politischen Weltordnung und der Macht der Massenmedien geworden. 7