1. Zusammenfassung des Textes Gedankenkontrolle – verursacht durch selektive (regierungsnahe) Berichterstattung der Medien und die vorherrschende Schein-Demokratie in den USA – in der die herrschenden Eliten die Bevölkerung glauben machen, dass sie politische Rechte haben, die Trennung zwischen Herrschenden und Beherrschten trotzdem erhalten bleibt – ist hier Anlass die Arbeit der Medien genauer zu beobachten und v.a. ihre Art der Auslegung von politisch brisanten Themen anhand von Beispielen unter die Lupe zu nehmen. Chomsky stellt fest, dass der Demokratiebegriff in den USA faschistische Formen angenommen hat. Denn Demokratie ist „...ein System, das substantielle demokratische Formen zugunsten reduzierter Konsumtion und übermäßiger Ausbeutung zurückstutzt, während der Staat im Verbund mit einheimischen und ausländischen Konzernen die Wirtschaft kontrolliert.“1 Das bedeutet folglich, dass Verletzungen von Menschenrechten und Beteiligungen an Massakern geduldet werden, wenn es nötig ist.2 Um diese Regierungsform erfolgreich führen zu können bedarf es bestimmter Instrumente, also z.B. bestimmter Interpretationen von Feindbildern. Feinde Amerikas sind in diesem Falle zumeist Kommunisten. Besonders gerne greifen die USA andere Länder an (vornehmlich Lateinamerika), wenn sie ihre wirtschaftliche und politische Vorherrschaft gefährdet sehen.3 Wenn die Demokratie nicht von kommunistischen Feinden bedroht wird, dann von Terroristen. Die Gefahr des internationalen Terrorismus – konkret die Sowjetunion – wurde von Ronald Reagan und George Shultz heraufbeschworen, um die Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung für die Gewaltpolitik der Regierung zu gewinnen. Chomsky nennt drei Arten wie mit dem Thema Terrorismus umgegangen werden kann: Erstens, die Tatsachen leugnen und die Feinde anprangern; zweitens, das Thema aus ideologischen Gründen verwerfen 1 Chomsky (2003), S. 148f. Vgl. Chomsky (2003), S. 149 3 Vgl. Chomsky (2003), S. 150f. 2 -1- und eine Diskussion gar nicht erst aufkommen lassen; und drittens, das Problem untersuchen, verurteilen und die Konsequenzen abwarten. Die erste und einfachste Variante herrscht in der öffentlichen Diskussion, den Medien und der Literatur vor – ganz im Sinne der Propaganda.4 Ein weiterer oft gebrauchter Begriff, der die amerikanischen Medien zu verschiedensten Interpretationen anregt, ist Vergeltung und geht Hand in Hand mit anderen Termini wie „verhindern“ oder „vermindern von Gewalt“. Die beste Erklärung liefert folgendes Beispiel: Die israelische Armee überfällt palästinensische Dörfer in besetzten Gebieten und im Gaza-Streifen, um ihnen die Illusion einer Selbstbefreiung zu nehmen. Die israelischen und amerikanischen Medien interpretieren die Selbstbefreiungsbemühungen der Palästinenser als gewalttätige Akte, die durch die Angriffe der israelischen Armee verhindert werden müssen, die aber in diesem Fall Gewalt verhindern sollen.5 D.h. im Klartext: „Geeignete Interpretationen vermitteln uns also den Eindruck, daß die Vereinigten Staaten und ihre Vasallen Demokratie, Sozialreformen und Selbstbestimmung gegen Kommunisten, Terroristen und gewalttätige Elemente aller Art verteidigen. Die Medien haben die Aufgabe, die „Demokraten“ zu lobpreisen und den offiziellen Feind – die Sandinisten, die PLO oder wer sonst noch im Weg steht – zu dämonisieren.“6 Um abschließend die demokratischen Bestrebungen durchzusetzen und das Verlangen nach Demokratie und Frieden zu stillen, werden Friedensmissionen geplant, die es den USA erlauben in die Strukturen anderer Staaten einzugreifen.7 Am Schluss des Kapitels zweifelt Chomsky die amerikanische Pressefreiheit an, die von den politischen und wirtschaftlichen Mächten beeinflusst wird. Um die vorhandenen Machtstrukturen zu entkräften und die Pressefreiheit zu garantieren, plädiert Chomsky für eine demokratische Kommunikationspolitik. Dieses Ziel, so meint er, sei nur über „die weitere Demokratisierung der Gesellschaft zu erreichen.“8 4 Vgl. Chomsky (2003), S. 152ff. Vgl. Chomsky (2003), S. 158 6 Chomsky (2003), S. 159 7 Vgl. Chomsky (2003), S. 159 8 Chomsky (2003), S. 170 5 -2- -Das Propaganda-Modell Dem ganzen Buch und dem hier behandelten Kapitel dient das von Chomsky entworfene Propaganda-Modell als Basis seiner Überlegungen und Forschungen. Das Propaganda-Modell stützt die Annahme, dass die Medien die Interessen der mächtigen Eliten schützen, ihnen aber dennoch nicht zwangsläufig kritiklos gegenüber stehen. Es gehört zudem z.B. zu den Aufgaben der Medien eine möglichst realitätsnahe Berichterstattung zu machen.9 Methodisch wurde das Modell durch den Vergleich von Beispielpaaren aus der amerikanischen Innen- und Außenpolitik untersucht (z.B. Verbrechen, verdienstvolle Handlungen). Das Kernstück der Untersuchungen bildete die Analyse zur Regierungskritik der Medien. 10 Den Beweis für die Richtigkeit des Modells liefert Chomsky, indem er kurz seine mit Edward Herman durchgeführte Studie „Political Economy of Human Rights“ vorstellt: Der erste Ausgangspunkt: Das Modell macht Voraussagen dreierlei Ordnungen. Die Erste betrifft die „Funktionsweise der Medien“, die Zweite die „Diskussion und Bewertung des Medienverhaltens“ und die Dritte die „Reaktionen auf Untersuchungen zum Medienverhalten“.11 Der zweite Ausgangspunkt betrifft die Studie, in der Kategorisierungen von Greueltaten vorgenommen wurden: „konstruktive, wohlmeinende und schändliche Blutbäder“. Konstruktive Blutbäder dienen der amerikanischen Macht, wohlmeinende Blutbäder sind für diese Macht uninteressant und schändliche Blutbäder sind die Tat offizieller Feinde, die der Aufhetzung der Öffentlichkeit dienen. 12 Zusammengefügt ergeben die beiden Kategorisierungen folgendes Ergebnis: „Die Berichterstattung über konstruktive, wohlmeinende und schändliche Blutbäder entsprach den Erwartungen. Ferner wurde – das betrifft die zweite Ebene – deutlich, daß die Untersuchung über die Berichterstattung keinen Platz im Mainstream hatte. Und auch die Voraussagen dritter Ordnung erwiesen sich als 9 Vgl. Chomsky (2003), S. 199 f. Vgl. Chomsky (2003), S. 192 11 Vgl. Chomsky (2003), S. 202 12 Vgl. Chomsky (2003), S. 202 10 -3- zutreffend: Unsere Diskussion konstruktiver Blutbäder wurde ignoriert, die Erörterung wohlmeinender Blutbäder (unter Hervorhebung US-amerikanischer Unschuld) hin und wieder erwähnt, und die Offenlegung des Umgangs mit schändlichen Blutbädern allgemein verurteilt.“13 Die Voraussagen auf das Propaganda-Modell wurden auf allen drei Ebenen bestätigt. 2. Auswertung und Besprechung -Zusammenhang zur Medienpädagogik Chomskys Arbeit über die Kontrolle der Medien unterstütz und untermauert die medienpädagogischen Zielperspektiven im Wirkungsparadigma, die in der Vorlesung „Medienpädagogik“ behandelt wurden. Die Zielperspektiven enthalten die sechs Ansätze: „Schutz vor Schmutz“, „Kritische Distanz“, „Do it yourself“, Medienmündigkeit, „Medienkultur“ und „Kommunikative Kompetenz“. Diese Ansätze haben gemeinsam, dass sie von der Wirkung der Medien auf die Menschen ausgehen. Aus medienpädagogischer Sicht ist es wichtig, dass die Rezipienten einen bewussten und reflektierten Mediengebrauch und eine kritischanalytische Nutzung der Medieninhalte erlernen. Da nämlich die Medien zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand geworden sind, der Mediendiskurs den Alltagsdiskurs überlagert und die Realität verzerrt und die Medien erwiesenermaßen einen direkten Einfluss auf die Psyche der Rezipienten haben, ist es eine Notwendigkeit die Medienkompetenz, bereits im jungen Alter, zu fördern . Auch Chomskys Arbeit demonstriert, wie groß die Gefahr der Manipulation und Gedankenkontrolle durch die Medien ist. Die Gefahr der Meinungsbeeinflussung besteht auch bei Wahlkämpfen. 90% der wahlberechtigten Amerikaner wurden zum US-Wahlkampf 2004 über das Fernsehen informiert. Laut Chomsky und Edward Hermann leidet die objektive 13 Chomsky (2003), S. 203 -4- Berichterstattung im Fernsehen, weil die Informationen fünf Filter durchlaufen müssen, um am Schluss als formatierte Infotainment-Nachricht herauszukommen.14 -Relevanz für die Medienpädagogik „...die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können...“15 Dieses Zitat drückt sehr stark aus wie wichtig eine fundierte Medienkompetenz in der heutigen Gesellschaft geworden ist.16 Medienkompetenz ist das zentrale Thema der Medienpädagogik, das von Dieter Baacke als zurechtfinden in der Medienwelt beschrieben wird.17 Medienkompetenz ist eine Handlungskompetenz, die vier Dimensionen unterscheidet: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung.18 D.h., wenn die Menschen diese Fähigkeiten besitzen, sollten sie verantwortlich und kritisch – zum Schutz ihrer Individualität und ihrer eigenen Meinung – mit den Medien umgehen können und, um auf Chomsky zurück zu kommen, die Medieninhalte differenziert aufnehmen und interpretieren können, ohne dem Mediendiktat ausgesetzt zu sein. -Kritik Der Autor klärt nicht von Anfang an auf, was das Ziel seiner Abhandlungen über die amerikanische Regierung ist und verwirrt mit Unmengen von Fakten und politischen Details, die sehr viel Vorwissen voraussetzen. Es ist auch zu bemängeln, das sie Forschungsmethode des Propaganda-Modells und die Idee an sich nicht vorab deutlich erklärt werden. Stattdessen werden viele argumentative Beispiele gebracht, die schwer zu hinterfragen sind, weil man die Hintergründe und die Bedingungen nicht kennt von denen ausgegangen wird. 14 DerStandard (2004) Chomsky (2003), Cover 16 Vgl. Bauer: Zukunft der Kommunikationswissenschaft, S. 1 17 Vgl. Baacke, Medienkompetenz als zentrales Operationsfeld von Projekten 18 Vgl. Baacke 15 -5- Chomskys Aufbearbeitung der politischen und medialen Verhältnisse der USA ist ein Art „worst case“-Szenario der Unmündigkeit einer Gesellschaft. Es zeigt wie dringlich die Ansätze der Medienpädagogik zur Erreichung von Medienkompetenz in die Wirklichkeit umgesetzt werden müssen und wie unentbehrlich eine demokratische Medienpolitik für die Sicherung einer demokratischen freien Gesellschaft geworden ist. -6- 3. Literaturverzeichnis Baacke, Dieter: Medienkompetenz als zentrales Operationsfeld von Projekten. In: Baacke u.a. (Hrsg.): Handbuch Medien: Medienkompetenz, URL: http://www.medienpaedagogik-online.de/mk/00484/index.html, Stand: 19.November 2004 Bauer, Thomas A.: Zukunft der Kommunikationswissenschaft, Kommunikationswissenschaft der Zukunft, Eine Anregung zur Transformation, URL:http://www.thomasbauer.at, Stand: 19.November 2004 Chomsky, Noam (2003): Media Control, Wie die Medien uns manipulieren, Hamburg 2003 DerStandard (2004): Medien im US-Wahlkampf, URL: http://derstandard.at/, Etat, Medien, Stand: 19.November 2004, (Printausgabe, Album, 21./22.8.2004) 4. Quellenverzeichnis Bauer, Thomas A.: Die Kompetenz ethischen und ästhetischen Handelns, Medienethik aus medienpädagogischer Perspektive, URL:http://www.thomasbauer.at, Stand: 19.November 2004 Larsen, Deen (2002): Amerikanischer Fundamentalismus: Eine Einführung, In: Historische Sozialkunde, Fundamentalismus, 3/2002 Vorlesungsmitschrift Medienpädagogik, Prof. Thomas A. Bauer, WS2004/2005 -7-