Noam Chomsky Über Demokratie und Medien (aus: Media Control: Wie die Medien uns manipulieren. Noam Chomsky, Europa Verlag, 2003) Abstract: Im Artikel „Über Demokratie und Medien“ beleuchtet Noam Chomsky das Demokratieverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Zusammenhänge von Wirtschaft, Politik und Medien werden unter Miteinbeziehung zahlreicher Beispiele wie der ‚Watergate-Affäre’ oder dem ‚Vietnamkrieg’ erörtert. Es sind vor allem die Medien selbst, die Chomsky dabei einer eingehenden Kritik unterzieht und ihre Funktion anhand des PropagandaModells veranschaulicht. Schlagwörter: Demokratisierung, Propaganda-Modell, Medien, Noam Chomsky, Edward S. Herman Gabriele Rosenkranz, 0003498 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005 2 Die folgende Rezension basiert auf dem Kapitel „Demokratie und Medien“ in dem 1989 erstmals publiziertem Buch „Media Control“ von Noam Chomsky1. Die nachfolgenden Ausführungen werden in zwei Teilabschnitten abgehandelt. Der erste Teil befasst sich mit dem Artikel und einer inhaltlichen Schwerpunktzusammenfassung desselben. Der zweite Teil widmet sich einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Artikel, welche unter anderem versucht, medienpädagogische Aspekte einzubeziehen. Zuvor aber die bereits erwähnte Inhaltswiedergabe. Den Ausgangspunkt der Ausführungen von Chomsky bildet die Schlagzeile einer südamerikanischen Zeitung: „Brasilianische Bischöfe unterstützen Plan zur Demokratisierung der Medien.“2 Den Hauptaspekt hierbei bildet die Demokratie der Kommunikationsmedien des Landes sowie deren Bedeutung und ihre Verankerung in der Bevölkerung. Von dieser Schlagzeile ausgehend beschäftigt sich Chomsky mit der Frage, warum in den Vereinigten Staaten von Amerika eine ablehnende Haltung bezüglich der „Demokratisierung der Medien“ herrscht. Ausgewählte Beispiele, wie der Vietnamkrieg oder aber auch die Watergate-Affäre, dienen dem Leser zur Veranschaulichung. Im Zentrum des Interesses stand dabei nicht die Abkehr von der staatlichen und privaten Macht sondern „vielmehr wurde darüber diskutiert, ob die Medien in der Loslösung von solchen Beschränkung womöglich die Grenzen des Anstands verlassen.“3 Anhand Ronald Reagans Politik entwirft Chomsky ein Bild, wie kapitalistische Demokratien aussehen könnten und nennt dabei „fortschreitende Eliminierung der Gewerkschaften, unabhängigen Medien, politischen Vereinigungen und, allgemeiner, aller Formen von bevölkerungsnahen Organisationen“4, als Faktoren, die der Einheit von Staat und Wirtschaft entgegengestellt, ja sogar gefährlich werden können. 1 2 Als Textgrundlage für die Rezension herangezogen: Noam Chomsky: „Demokratie und Medien“. In: Noam Chomsky: Media Control: Wie die Medien uns manipulieren. Europa Verlag: Hamburg 2003, S. 55 – 75. Chomsky, 2003, S. 55. Chomsky, 2003, S. 57. 4 Chomsky, 2003, S. 59. 3 3 Im Anschluss lenkt Chomsky die Aufmerksamkeit auf jene Debatten, die über Demokratie und Medien geführt werden und geht dabei auf unterschiedliche Studien ein. Er konstatiert zwei Probleme: Die Frage nach Tatsachen und jene nach Werten. Voraussetzung dafür stellt der ‚freie Markt der Ideen’ dar. Ausgangspunkt bildet eine Untersuchung von Benjamin Ginsberg, welche der Frage nachgeht, wie die öffentliche Meinung zur Unterstützung staatlicher Macht genutzt werden kann. Einen inhaltlichen Schwerpunkt des Artikels bildet das Funktionsmodell von Medien. Chomsky erläutert, wie die ‚großen Medien’ sowie ideologische Institutionen die Ansichten und Interessen der herrschenden Macht widerspiegeln. Dem Propaganda-Modell zufolge, welches von Edward S. Herman und Noam Chomsky entworfen wurde, „dienen die Medien den eng miteinander verzahnten Interessen der wirtschaftlichen und staatlichen Macht“.5 Untersuchungsgrundlage bilden zahlreiche Beispiele wie die Berichterstattung im Indochinakrieg oder unter anderem die Watergate-Affäre, in denen gewissermaßen eine historische Vergleichbarkeit gegeben ist. Der Autor kehrt schließlich zur eingangs gestellten Frage zurück. Er kommt zu dem Schluss, dass das Demokratieverständnis in den USA von jenem der brasilianischen Bischöfe abweicht. Chomsky dazu: Unser Demokratiebegriff ist reduzierter: Der Bürger ist Konsument und Beobachter von, aber nicht Teilnehmer an politischen Vorgängen. Die Öffentlichkeit hat das Recht, zu politischen Vorschlägen, die nicht aus ihrer Mitte kommen, Stellung zu beziehen; wenn jedoch diese Grenzen überschritten werden, kommt es zu einer Krise der Demokratie die bewältigt werden muss.6 Dieses Konzept hat eine lange Vorgeschichte und lässt sich bereits zur Zeit der amerikanischen Verfassungsgründung finden. Chomsky fügt weiters an, dass sich seitdem bis heute nicht sehr viel geändert hat. Es gibt Entscheidungsträger für die Bevölkerung; deren Instrumente sind die Medien. 5 6 Chomsky, 2003, S. 65. Chomsky, 2003, S. 70. 4 Anhand der Innenpolitik der Vereinigten Staaten kommt es zur Ausführung, dass Demokratie nicht mit Gewalt wiederhergestellt wird, wie dies außenpolitisch oft der Fall ist. Die Methode ist wesentlich verschleierter: Übereinstimmung/Konsens wird hergestellt, „indem man die Massen mit notwendigen Illusionen täuscht“7, Schadensbegrenzung betreibt und die Aufmerksamkeit gezielt steuert, um so von den verantwortlichen Faktoren abzulenken. Die Aufgabe der freien Presse und der Medien ist es, in diesem Konzept ihren gesellschaftlichen Zweck zu erfüllen und auch auszuführen. Besprechung des Artikels Im Artikel „Über Demokratie und Medien“ beschäftigt sich der Autor Noam Chomsky mit dem in den Vereinigten Staaten von Amerika herrschenden Demokratieverständnis. Um die Zusammenhänge von Wirtschaft, Politik und Medien besonders eindringlich hervorzuheben, zieht er sehr viele unterschiedlichste Studien und Quellen heran. Auffallend ist dabei der große historische Bogen der gespannt wird, um die gegenwärtige Vernetzung von Demokratie und Medien verständlich zu machen. Seine Ausführungen reichen bis in die Tage der Gründerväter zurück, denn bereits damals kommt es zur Grundsteinlegung des heute vorherrschenden Demokratieverständnisses. Der komplexe Zusammenhang von Demokratie und Medien äußert sich in einer regelrechten Vernetzung innerhalb des Staates. Die Rolle, die den Medien dabei zukommt ist gerade im heutigen Informationszeitalter äußerst relevant. Aufgrund der Informationsfülle ist eine Selektion unumgänglich und die Medienkompetenz der Bevölkerung Voraussetzung, um nicht Manipulationen ausgesetzt zu sein. Dass es hier in der demokratischen Gesellschaft – nicht nur in den USA – noch Nachholbedarf gibt, lässt sich nicht abstreiten. Die Aufgaben, die den verschiedensten Institutionen, wie zum Beispiel der Schule dabei zukommen, werden oft nur unzureichend erfüllt. 7 Chomsky, 2003, S. 75. 5 Hinsichtlich der Vernetzungen beziehungsweise der Wechselwirkungen, welche in unserer Gesellschaft vorherrschen – unsere Gesellschaft überhaupt erst ausmachen – muss eine Sensibilisierung stattfinden und gefo[ö]rdert werden. Noam Chomsky setzt in seinen Ausführungen um, was er auch dem Leser nahe legt: Die Zusammenhänge müssen erkannt werden, und alles – so auch die Politik, die Wirtschaft, die Medien aber auch der Kritiker - soll differenziert betrachtet werden. Bibliographie: Noam Chomsky: Media Control. Wie die Medien uns manipulieren. Europa Verlag, Hamburg, 2003. Schlagworte: - Demokratisierung - Propaganda-Modell - Medien - Noam Chomsky - Edward S. Herman