Noam Chomsky: Über Medien als Regierungsassistenten aus: Chomsky, Noam: Media Control – Wie die Medien uns manipulieren. Hamburg/Wien. Europa Verlag. 2003. Abstract: Noam Chomsky beschreibt in seinem Artikel „Über Medien als Regierungsassistenten“ die oft einseitige und verzerrte Berichterstattung der USMedien in den 80ern über die amerikanische Außenpolitik unter Präsident Ronald Reagan in Lateinamerika (besonders Nicaragua). Die Medien agierten als Assistenten der Regierung, indem sie das Kriterium einer objektiven Berichterstattung durch Auswahl ihrer Quellen – nämlich die Regierung selbst und ihre Verbündeten – nicht erfüllten. Schlagwörter: Noam Chomsky; Media Control; Manipulation; Lateinamerika; Ronald Reagan; Kriegsberichterstattung; New York Times; Regierungsassistenten Rezensentin: Aichberger Ingrid, Matrikelnummer: 0255927; Studienkennzahl: 033/641 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien WS 2004/2005 -1- 1.) Zusammenfassung des Artikels Chomsky beschreibt in seinem Artikel „Über Medien als Regierungsassistenten“ wie „die amerikanischen Medien und intellektuellen Zeitschriften die USRegierung wegen ihres Einsatzes für die Demokratie in Nicaragua [preisen] und bestenfalls die zur Erreichung dieses lobenswerten Ziels eingesetzten Mittel [kritisieren], ohne zu fragen, ob es tatsächlich um den Erhalt der Demokratie geht.“1 Er stützt sich dabei auf Ergebnisse von Medienanalysen, die er, der Politologe Jack Spence und der Medienspezialist Lance Bennett von der Universität Washington in den 80ern durchführten. Spence untersuchte aus dem ersten Halbjahr 1986 181 Artikel der New York Times und die allgemeine Berichterstattung zum Thema Nicaragua. Er kam zu dem Schluss, dass die wahren Probleme von Nicaragua (z.B. Auswirkungen des Krieges, Regierungsprogramme der Sandinisten, ...) in den US-Medien kaum zur Sprache gebracht wurden und vor allem die New York Times „die Perspektive [der Reaganisten] übernommen und die Anschuldigen gegen die Sandinisten ‚ohne weitere Beweise’ wiederholt“2 hat. Die einseitige und die damit verbundene außenpolitisch - unterstützende Berichterstattung begründete Spence dadurch, dass sich die untersuchten Medien fast ausschließlich auf Quellen aus der USRegierung bzw. auf Kreisen der Contras (Regierungsgegner der Sandinisten) berufen haben. Zu dem selben Ergebnis kam auch Bennett, indem er die Nachrichtenquellen in der New York Times und der Presse von Seattle für den Monat September 1985 analysierte. Im Vergleich zur Berichterstattung über El Salvador, wo 80% der Quellen der Regierung nahe standen, wurde im Falle Nicaragua mehr als zwei Drittel der Quellen aus regierungskritischen Kreisen bezogen. Selbst Chomsky musste nach seiner sechseinhalb-jährigen Untersuchung der New York Times über deren Kommentare bezüglich Mittelamerika eingestehen, dass er die Medien unterschätzt hat: „Innerhalb eines Jahres war es ihnen gelungen, die mörderischen US-Vasallen als (wenngleich leicht fehlerhafte) Demokratien Chomsky, Noam: Media Control – Wie die Medien uns manipulieren. Hamburg/Wien. Europa Verlag. 2003. S.65 2 ebd. S.125 1 -2- darzustellen, während die sandinistische Bewegung in Nicaragua zur Inkarnation des Bösen geworden ist.“3 Nicaragua ist nur ein Beispiel, bei dem „die Staatspropaganda irgendwelche Vorwürfe [zusammenbraute], die von den Medien dann an herausgehobener Stelle und unhinterfragt verbreitet wurden.“4 Die Medien wurden auch in der Berichterstattung über El Salvador, Guatemala oder Panama zu Regierungsassistenten. Selbst das Urteil des Weltgerichtshofes vom Juni 1986 (die Anschuldigungen gegen Nicaragua wurden als grundlos erachtet) wurde in den US-Medien „als kleines Ärgernis“5 dargestellt, dessen Inhalt verschwiegen bzw. verfälscht, „der Weltgerichtshof als Buhmann hingestellt und die Herrschaft des Gesetzes auf die USA nicht anwendbar erachtet“6 wurde. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die angeführten Beispiele von Untersuchungen mehr als deutlich zeigen, wie vor allem die amerikanischen Printmedien die Ziele der Regierung unter Präsident Ronald Reagan – nämlich Terror und Wirtschaftskrieg – unkritisch unterstützten. Sie reflektierten die Perspektiven und Interessen der herrschenden Macht, anstatt sie zu hinterfragen und aus anderen Sichtweisen darzustellen. 2.) Auswertung und Besprechung des Artikels a.) Zusammenhang zur Medienpädagogik Der Zusammenhang ist im Artikel deutlich erkennbar: Ein Ziel der Medienpädagogik und vor allem der Medienerziehung besteht ja bekanntlich darin, den kritischen Umgang mit Medieninhalten zu erlernen. Da der Autor in seinem Text einerseits versucht darzustellen, wie einseitig in den Medien die außenpolitischen Vorgänge dargestellt werden und wie andererseits diese Inhalte von den Rezipienten unkritisch aufgenommen wurden, ist die 3 ebd. S.124 ebd. S128 5 ebd. S.130 6 ebd. S.130 4 -3- medienpädagogische Relevanz des Artikels und die damit verbundene Medienkompetenz der Rezipienten sicherlich gegeben. b.) Kritik Ein Kritikpunkt des rezensierten Artikels ist sicherlich, dass Chomsky sich in seiner Analyse in erster Linie auf Printmedien (und dabei fast ausschließlich auf die New York Times) konzentriert und dabei andere Massenmedien wie Fernsehen und Rundfunk völlig außer Acht lässt. Trotzdem spricht er dann immer wieder im Allgemeinen von den Medien als Regierungsassistenten, obwohl er anscheinend nur Printmedien untersucht hatte. Weiters ist zu kritisieren, dass Chomsky, obwohl er großteils die geschichtlichen und politischen Ereignisse besonders in Nicaragua sehr detailliert beschreibt, einen wichtigen Vorfall Ende der 70er bzw. Anfang der 80er nur nebensächlich behandelte: Die Ermordung des Chefredakteurs der nicaraguanischen Tageszeitung La Prensa Pedro Chamorro und die damit ermöglichten Einflüsse der CIA auf diese Zeitung. Sie diente ab Anfang der 80er der US-Regierung als Propagandainstrument um die Bevölkerung zu manipulieren und gegen die sandinistische Regierung aufzuhetzen. -4- 3.) Bibliografie Chomsky, Noam: Media Control – Wie die Medien uns manipulieren. Hamburg/Wien. Europa Verlag. 2003. Chomsky, Noam: Wege zur intellektuellen Selbstverteidigung. München. Marino Verlag. 1996. Dixon, Marlene: On trial – Reagan’s war against Nicaragua. London. Zed Books Ltd. 1985. Malschinger, Astrid Irmtraud: Die amerikanischen Medien und die Medienpolitik im Krieg. Wien. Dipl.-Arbeit. 1995. Schröck, Alexander: Die Außenpolitik der USA in Mittelamerika am Beispiel von Nicaragua und El Salvador bis zum Ende der Regierung Reagan. Wien . Dipl.Arbeit. 1990. -5-