Noam Chomsky Über Demokratie und Medien ( aus: Media Control, Noam Chomsky, Europa Verlag, 2003) Abstract: Im Artikel „ Über Demokratie und Medien“ stellt Noam Chomsky die Frage, wie es dazu kommt, dass in Amerika „regierungskritisch“ mit „antidemokratisch“ in Zusammenhang gebracht wird. Er stellt darin sein „Propaganda Modell“ vor, welches besagt, dass Medien den eng miteinander verknüpften Interessen der wirtschaftlichen und staatlichen Macht dienen. Unterschiede im Demokratieverständnis führen zu unterschiedlichen Einstellungen zur Aufgabe der Medien. Das amerikanische Demokratieverständnis geht noch auf die Zeiten der Gründerväter zurück „ Die Elite denkt für die Masse“. Schlagwörter: Noam Chomsky, Demokratie, Edward S. Herman, Propaganda Modell, Medienkonzentration. Sabine Hintermayer, 0247721 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005 1 1. Abstract: Im Artikel „ Über Demokratie und Medien“ stellt Noam Chomsky die Frage, wie es dazu kommt, dass in Amerika „regierungskritisch“ mit „antidemokratisch“ in Zusammenhang gebracht wird. Er stellt darin sein „Propaganda Modell“ vor, welches besagt, dass Medien den eng miteinander verknüpften Interessen der wirtschaftlichen und staatlichen Macht dienen. Unterschiede im Demokratieverständnis führen zu unterschiedlichen Einstellungen zur Aufgabe der Medien. Das amerikanische Demokratieverständnis geht noch auf die Zeiten der Gründerväter zurück „ Die Elite denkt für die Masse“. 2. Zusammenfassung: Noam Chomsky beginnt seinen Artikel „Über Demokratie und Medien“ mit einer Schlagzeile: „Brasilianische Bischöfe unterstützen Plan zur Demokratisierung der Medien“.1 Er beschreibt im Anschluss die Situation in Brasilien, den Wunsch der brasilianischen Bischöfe , die Kommunikationsmedien des Landes zu demokratisieren, eine stärkere Beteiligung der Bürger wird gefordert. Dieses Beispiel dient ihm als Einstieg zur eigentlichen Frage des Artikels: Warum stößt man mit derartigen Forderungen in Amerika auf Unverständnis?. „ Diese Reaktion beruht auf bestimmten Vorstellungen darüber, wie die Medien in unserem demokratischen System funktionieren und funktionieren sollten und enthält auch implizite Annahmen über das Wesen der Demokratie.“2 Er führt uns in den nächsten Seiten ins Amerika der Siebziger Jahre, Vietnam Watergate Affäre prägten das Land und die Medien. 1 2 Noam Chomsky, Media Control, Europa Verlag, 2003, Seite 55. Noam Chomsky, Media Control, Europa verlag, 2003, Seite 56. 2 Es entbrannten Diskussionen darüber, ob regierungskritischen Medien die Demokratie schwächen würden. Aus der Abhandlung der damaligen Diskussionen um Pressefreiheit und Demokratie leitet Chomsky über zur nächsten Kernfrage , der grundlegenden Annahme: Der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Politik, und deren gemeinsame Kontrollen der Medien. „Die großen Medien – vor allem die tonangebenden der Elite- sind Konzerne , die anderen Firmen ein privilegiertes Publikum „verkaufen“. Es kann insofern nicht überraschen, wenn das von ihnen präsentierte Bild der Welt die Sichtweisen und Interessen der an diesem Handel Beteiligten widerspiegelt. Überdies nimmt die Konzentration von Eigentum im Medienbereich ständig zu. Ferner gehören Manager und Chefredakteure ebenfalls zur privilegierten Elite und dürften daher die Wahrnehmungen , Erwartungen und Einstellungen ihrer Partner , die auch ihre eigenen Klasseninteressen reflektieren, teilen.“3 Die Darstellung der Zusammenhänge Wirtschaft- Politik- Medien , welche Chomsky deutlich macht , führen zu seinem im Artikel vorgestellten Funktionsmodell der Medien, dem „ Propagandamodell“ . „Diesem Propaganda Modell zufolge das aus den gerade erwähnten Gründen höchste Plausibilität besitzt , dienen die Medien den eng miteinander verzahnten Interessen der wirtschaftlichen und staatlichen Macht. Diese Interessen beschränken die Berichte und Analysen auf eine den Privilegien nützlichen Art und Weise und begrenzen demzufolge auch die entsprechenden Debatten und Diskussionen.“4 Nach beispielen , die das Modell und dessen Funktionstüchtigkeit belegen, schließt Chomsky den Kreis, indem er das Eingangs genannte Beispiel der Bischöfe in Brasilien wieder aufgreift. 3 4 Noam Chomsky, Media Control, Europa Verlag, 2003, Seite 63. Noam Chomsky, Media Control, Europa Verlag, 2003, Seite 65. 3 Nach der Erklärung der amerikanischen Mediensituation, der Aufdeckung der Zusammenhänge Wirtschaft Politik Medien und der Erklärung des Propaganda Modells kann er nun auf die zu Beginn gestellte Frage antworten. „Unsere politische Kultur hat ein anderes Demokratieverständnis als die brasilianischen Bischöfe. Für diese ermöglicht Demokratie den Bürgern den Zugang zu Informationen , die Beteiligung an Diskussionen und politischen Zielsetzungen und die Umsetzung von Programmen in politisches Handeln. Unser Demokratiebegriff ist reduzierter: Der Bürger ist Konsument und Beobachter von, aber nicht Teilhaber an politischen Vorgängen.“5 Dieses Konzept geht nach Chomsky auf die Anschauungen der Gründerväter zurück. Er zitiert John Jay, Präsident des Kontinentalkongresses und erster oberster Bundesrichter: „ Die Leute, die das Land besitzen sollen es auch regieren.“6 Oberstes Ziel sei es , gesellschaftlichen Konsens herzustellen, und die Medien hätten die Aufgabe, dieses Vorhaben zu unterstützen. Chomsky kommt zu dem Schluss, dass sich an der Einstellung der Gründerväter nichts geändert hat, noch immer denken kleine Eliten für die breite Masse, und die Medien dienen ihnen bei ihrer Aufgabe. „Darüber hinaus müssen die Medien und die gebildeten Schichten ihren „gesellschaftlichen Zweck“ erfüllen , indem sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Konzeption von Demokratie ausführen.“7 5 Noam Chomsky, Media Control, Europa Verlag, 2003, Seite 70. Vgl. ebenda. 7 Noam Chomsky, Media Control, Europa Verlag, 2003, Seite 75. 6 4 3. Besprechung und Kritik: Der Artikel ist eigentlich ein Kapitel des Buches „Media Control“ von Noam Chomsky. Beim lesen muss man immer im Hinterkopf behalten, dass die meisten Beiträge aus den 80er Jahren stammen. Wenn man das tut, ist nicht nur der Beitrag „Über Demokratie und Medien“, sondern das ganze Buch sehr spannend und empfehlenswert. Einzig wirklich kritisierbar ist nur die Tatsache, dass die Sätze manchmal unnötig verschachtelt sind, was an der Übersetzung liegen mag. Noam Chomsky gelingt es, die teilweise erschreckenden Tatsachen der amerikanischen Medienlandschaft aufzuzeigen. Das auch die kritischeren Medien mit dem Strom schwimmen, und von oben verordnete Grundeinstellungen übernehmen ist überraschend. Er führt auf nur wenigen Seiten die gesamte historische Entwicklung einer gesellschaftlichen Grundeinstellung , wie sie sich über die Jahre verändert , und wie die Wirtschaft zur treibenden Kraft dieser Gesellschaft wurde, vor Augen. Das Propaganda Modell , dass an einer anderen Stelle im Buch noch ausführlicher erklärt wird, ist aber auch schon durch die Erklärung im von mir bearbeiteten Artikel sehr verständlich gemacht worden. Gerade als Europäer ist es interessant , dieses Buch zu lesen. Die Verwunderung in weiten teilen Europas, wie es sein kann, dass George W. Bush erneut zum Präsidenten gewählt wurde, wäre nach der Lektüre sicher nicht so groß ausgefallen. Die Mentalität, dass Demokratie „ für die Bürger – ohne ihre aktive Mitarbeit gemacht wird“, ist in Europa fremd. Warum Machthaber an dieser Tradition festhalten, sie sogar noch ausbauen und unterstützen, und, geht man nach Chomsky , wohl gar keine andere Wahl haben, 5 wenn sie ihr wirtschaftsorientiertes System aufrechterhalten wollen, all das erfährt man durch die Lektüre . Aus medienpädagogischer Perspektive ist das ganze Buch Media Control relevant. Es öffnet dem Leser die Augen, wie die- in diesem Fall amerikanischeGesellschaft Tag für Tag manipuliert wird. Wenn die Bürger täglich vermittelt bekommen, dass Regierungskritik gleichzusetzen ist mit Demokratiefeindlichkeit, dann braucht einen die in Amerika weit verbreitete Einstellung: „der Präsident weiß schon, was gut für uns ist“, nicht verwundern. An dieser Stelle ist ein Zitat Chomskys sehr passend: „.... die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen , um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können.....“ Darin sagt er alles, wofür dieses Buch steht: Man muss sich der Manipulation, die jeden Tag stattfindet bewusst werden. Hier hakt der medienpädagogische Ansatz ein: „Medienkompetenz“ Die Medienkompetenz der Bürger ist Voraussetzung dafür, dass sie sich gegen derartige Manipulationen zur Wehr setzen können. Das gilt nicht nur für die amerikanische Gesellschaft, sondern für alle demokratisch geführten Staaten, auch für Österreich. Nur wer die Medienkompetenz der Bürger fördert, fördert auch deren geistige Unabhängigkeit . Und damit die grundlegende Voraussetzung für Demokratie. 6 Bibliographie und Schlagworte: Noam Chomsky, „Media Control“, Europa Verlag, 2003. Schlagworte: 1. Noam Chomsky 2. Propaganda Modell 3. Edward S. Herman 4. Demokratie 5. Medienkonzentration 7