Plenarprotokoll 15/114 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 114. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 […] Ich rufe den Zusatzpunkt 10 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Detlef Dzembritzki, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika - Drucksache 15/3329 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache ein halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Hans Büttner, SPD-Fraktion. Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen! Liebe Kollegen! Am 12. Januar 1904 begann in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika der Aufstand der Herero und Nama gegen das Kolonialregime des deutschen Kaiserreichs, in dessen Folge über 100 000 Afrikaner, Männer, Frauen und Kinder, getötet und ermordet wurden. Das Vorgehen der kaiserlichen Kolonialtruppen war ebenso wie das anderer Kolonialmächte durch eine, wie Historiker es beschreiben, rassistische Geisteshaltung geprägt, die in Afrikanern minderwertige Menschen sah, denen jegliche Würde abgesprochen und jegliche menschliche Behandlung aberkannt wurde. Diese Geisteshaltung wurde in unserem Lande damals lediglich von der Sozialdemokratie, angeführt von ihrem Vorsitzenden August Bebel, bekämpft, was die damals in diesem Hause, im Reichstag in Berlin, geführten Debatten belegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es waren noch ein paar andere, aber gut!) Diese Geisteshaltung führte in Deutschland schließlich zum terroristischen Naziregime und dem staatlich organisierten Genozid gegen Juden, Sinti und Roma sowie geistig Behinderte. Von dieser mörderischen Geisteshaltung wurde Deutschland durch den gemeinsamen Kampf der Alliierten 1945 befreit. Die afrikanischen Völker in Südwestafrika mussten unter dieser Geisteshaltung bis 1990 leiden; denn sie feierte fröhliche Urstände in der Politik der Apartheid des damaligen Südafrikas, das die Verwaltung der Kolonie nach dem Ersten Weltkrieg vom Völkerbund über ihre damalige Kolonialmacht übertragen bekommen hat und nach seiner Loslösung aus dem Empire bis 1990 widerrechtlich weiterführte. Die Bundesrepublik hat ihre Lektion aus diesen dunklen Zeiten deutscher Geschichte gelernt. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. So beschreibt es Art. 1 unseres Grundgesetzes, der unabänderbar, festgemauert unser tägliches Handeln in Gesellschaft und Politik bestimmen muss. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Von diesem Geist wurde und wird seither auch die deutsche Außenpolitik gegenüber Afrika weitgehend geprägt, gerade seit der Phase der Dekolonialisierung nach 1960. Respektierung der Menschenwürde unabhängig von Hautfarbe und Herkunft heißt aber auch Anerkennung von Selbstbestimmung auf dieser Basis organisierter Staaten und Wahrnehmung der besonderen Verantwortung aus der Geschichte durch besondere Beziehungen zu den Ländern, gegenüber denen Deutschland in der Vergangenheit koloniale Altschulden hatte. Das galt zunächst gegenüber Tansania und Kamerun, seit 1989 ebenso gegenüber dem 1990 unabhängig gewordenen Namibia, dem ehemaligen Südwestafrika. In einer gemeinsamen Entschließung hat dies der Deutsche Bundestag am 16. März 1989 wie folgt festgeschrieben: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, wegen ihrer besonderen Verantwortung gegenüber Namibia in Absprache mit den wichtigsten politischen Kräften Namibias die Aufnahme einer umfassenden Zusammenarbeit umgehend vorzubereiten, damit die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass nach Konstituierung einer frei gewählten Regierung in Namibia die wirtschaftliche, entwicklungspolitische und kulturpolitische Zusammenarbeit aufgenommen werden kann. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Namibia - so heißt es weiter in dieser Entschließung, die von nahezu allen Parteien getragen wurde sollte - unter Nutzung bisheriger Erfahrungen - ein besonderer Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit werden. Namibia ist seither Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Das selbstbestimmte Namibia ist dabei ein beispielhafter Partner. Namibia hat eine in Afrika beispiellose Pressefreiheit, einen exakten Rechtsstaat, es hat eine politische Diskussionskultur innerhalb der Parteien. Namibia ist somit ein Stabilitätsfaktor in Afrika, wie es nicht zuletzt auch die Entscheidungen über den Nachfolgekandidaten innerhalb der Mehrheitspartei SWAPO vor wenigen Wochen gezeigt haben. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer) Selbstbestimmung und Selbstverantwortung auf rechtsstaatlicher Grundlage heißen aber auch, dass es die alleinige Entscheidung der namibischen Bevölkerung ist, wie sie jetzt mit den Geschehnissen der Vergangenheit auf ihrem Staatsgebiet umgeht. Die Bundesregierung, egal welcher Couleur, war deshalb immer gut beraten, nicht auf Forderungen einzelner Gruppen einzugehen und sich dadurch instrumentalisieren zu lassen, sondern sich darauf zu konzentrieren, der Gesellschaft Namibias bei der Lösung dieser Probleme global durch besondere Partnerschaft zu helfen. Mit dem vorliegenden Antrag bekräftigt der Deutsche Bundestag seine Verantwortung aus der Geschichte gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat Namibia. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die besondere Partnerschaft zu Namibia erfordert aber auch eine weitere Intensivierung des politischen Dialogs mit Namibia auf den Spitzenebenen der Politik, von Parlament und Regierung. Ich begrüße es deshalb außerordentlich, dass nach dem Bundesaußenminister noch in diesem Sommer auch unsere Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und demnächst weitere Minister zu Gesprächen nach Namibia reisen werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich begrüße es auch, dass wir möglichst bald und möglichst frühzeitig mit den aktiven und kommenden Politikern Namibias durch Gegeneinladungen den Dialog führen können, und zwar nicht nur auf der Ebene der Regierung, sondern ich möchte uns alle dazu einladen, (Beifall bei Abgeordneten der FDP) den Dialog auch auf der Ebene des Parlaments zu intensivieren und weiterzuführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Politik auf gleicher Augenhöhe, die Achtung der Würde des Menschen erfordert auch Respekt vor den handelnden Personen und darf sich nicht auf materielle Leistungen beschränken. Dies können wir und sollten wir im Rahmen unserer Afrikapolitik auch am Beispiel Namibias, aber nicht nur dort, wieder stärker beachten. Mit dem vorliegenden Antrag bekräftigt der Deutsche Bundestag diese Werteorientierung der deutschen Außenpolitik und im Speziellen sein besonderes Verhältnis zu Namibia. Ich bin sicher, dass er von allen Parteien dieses Hauses mitgetragen werden kann. Ich möchte an Sie alle appellieren, dabei mitzuwirken und mitzuhelfen und das auch durch einen einstimmigen Beschluss zu unterstreichen. Ich danke Ihnen und schenke Ihnen drei Minuten Redezeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Anke Eymer. Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namibia - das ehemalige Deutsch-Südwestafrika - steht vor großen Herausforderungen. Bei der Bewältigung dieser anstehenden Probleme ist die Hilfe der Völkergemeinschaft unverzichtbar. Wir reden hier auf der Grundlage einer gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages von 1989 zur damals bevorstehenden Unabhängigkeit Namibias. Schon zu diesem Zeitpunkt hat Deutschland die Bereitschaft zu einem besonderen Engagement deutlich gemacht; das entsprach unserer historischen Verbindung. Diese Bereitschaft muss auch weiterhin gelten und uns als einen verlässlichen Partner in Namibia und Afrika ausweisen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Reise des deutschen Bundeskanzlers in diesem Januar ging zwar nicht nach Namibia, trotzdem ist ein wichtiges Thema - der Aufstand der Herero und seine Niederschlagung - bei seinem Besuch vor der AU, der Afrikanischen Union, zur Sprache gekommen. In der Antwort, die der Präsident der Afrikanischen Union gegeben hat, wurde eine grundsätzliche Überzeugung der afrikanischen Partner deutlich: Für einen gleichberechtigten Dialog und ein erstarkendes afrikanisches Selbstbewusstsein ist das offene Eingeständnis von Fehlern und grausamen Verbrechen, die in der gemeinsamen Geschichte auf europäischer Seite begangen wurden, weit mehr von Bedeutung als manch eine materielle Überlegung. Der Blick auf die koloniale Vergangenheit Afrikas zeigt eine Ausbeutungsgeschichte, an der über Jahrhunderte mehr als nur europäische Staaten teilgenommen haben. Wir Deutsche können dieses traurige Datum des 11. August 1904 nutzen, um auch in einem zusammenwachsenden Europa unsere Verantwortung und Trauer nicht nur zu benennen, sondern sie beispielhaft auch in Politik umzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der vorliegende Antrag von SPD und Grünen geht daher grundsätzlich nicht in die falsche Richtung. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber schön! - Zuruf von der FDP: Schön gesagt!) Unter dem Titel des "Opfergedenkens" wird auch auf ein aktuelles Thema, die Landreform, eingegangen. Ob diese stillschweigende Verknüpfung hier sinnvoll ist, sei dahingestellt. Sicher hilft es aber nicht, in einem partnerschaftlichen Dialog, den wir mit Namibia pflegen, konstruktive Kritik auszublenden. Diesen Eindruck erwecken Sie mit dem vorliegenden Antrag aber. Erstens muss klar sein, dass die Reihe der Problemfelder in Namibia über dasjenige einer Landreform hinausgeht. Zweitens gebietet es die Wichtigkeit dieser Angelegenheit, sie nicht en passant unter einem anderem Thema schnell zu verkaufen. Themen der Landreform sind wichtig und brisant. Wie groß die Gefahren aus fehlschlagenden Reformen dieser Art werden können, sehen wir ja in anderen Ländern des südlichen Afrikas. Es ist bedauerlich, wie unkritisch, ja fast schon beschönigend über den noch nicht erfolgreichen Prozess der Landreform in Ihrem Papier gesprochen wird. Ich möchte auf dieses Thema hier nicht weiter eingehen, auch deshalb nicht, weil Ihr Antrag seinem Titel entsprechend für diese Debatte etwas anderes ausweist. Ich weise nur darauf hin, dass hieran deutlich wird, wie unbedarft und vielleicht auch ungeschickt politische Themen Afrikas zusammengeworfen und in einem schnellen Aufguss erledigt werden sollen. In den Jahren seit der Unabhängigkeit Namibias im Jahre 1990 ist Deutschland der größte Partner Namibias auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass es eine 30-jährige koloniale Vergangenheit aus der Zeit des deutschen Kaiserreiches gibt, die 1915 ihr Ende fand. Zum 11. August dieses Jahres jährt sich zum 100. Mal die Niederlage der Volksgruppe der Herero in der Schlacht am Waterberg. Den Opfern unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus der oft blutigen und menschenverachtenden afrikanischen Kolonialzeit, die die deutsche Geschichte mit zu verantworten hat, gilt unser stilles Gedenken und unsere Trauer. Dieses bewusste Erinnern an die Geschichte ist aber nur dann verantwortet, wenn es sinnvoll in eine Politik von heute einbezogen wird. Das heißt: Erstens. Afrika muss deutlicher in die europäische Politik eingebunden werden. Zweitens. Das Afrika des 21. Jahrhunderts muss zu einem Produkt der Afrikaner werden. Dies muss abseits von unkritischer und ideologisierter Schönfärberei oder politischen Schnellschüssen geschehen. Nur so wird ein kritischkonstruktiver Dialog mit unseren afrikanischen Partnern möglich sein. Ich hoffe sehr, dass wir den afrikanischen Themen hier im Deutschen Bundestag in Zukunft mehr Aufmerksamkeit widmen und Chancen für eine sinnvolle Zusammenarbeit finden werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Heinrich [FDP] und des Abg. HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Eymer, Ihren letzten Satz unterstütze ich voll und ich habe auch geklatscht. Ich darf darauf hinweisen, dass die Überschrift des vorliegenden Antrags lautet: "Zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika". Es geht also nicht um die generelle Politik gegenüber Namibia. Dazu gibt es viel und sicher auch Kritisches zu sagen. Hier aber geht es um das konkrete Gedenken. Ich war im Januar dieses Jahres zum 100. Jahrestag des Beginns des Aufstandes der Hereros gegen die deutschen Kolonialherren in Namibia. Ich habe ein wunderschönes Land vorgefunden, das rein äußerlich, wenn man durchfährt, sehr stark durch Europa und durch Deutschland geprägt erscheint. Das betrifft nicht nur die Straßen, sondern auch die Häuser und Ortschaften. Das freut einen zunächst. Ich habe dann gesehen, dass diese Straßen über Hunderte von Kilometern rechts und links von Zäunen eingegrenzt sind. Hinter diesen Zäunen liegen die großen Farmen. Ich habe mich gefragt: Wo leben hier eigentlich die schwarzen Menschen? Wo sind die Dörfer und die kleinen Städte? Wo sind die Bewohner und deren Siedlungen? Ich habe gehört, dass es sie kaum mehr gibt. Die wenigen Familien leben als Landarbeiter auf den Farmen. Dieses Bild von Namibia ist ein Ergebnis deutscher Kolonialpolitik. Die deutschen Kolonialherren haben Ende des 19. Jahrhunderts der dortigen Bevölkerung das Land genommen und an die deutschen Siedler verteilt. Viel Land ist noch heute in den Händen von Siedlern aus Europa bzw. aus Deutschland. Die großen Farmen sind nur zu einem ganz geringen Anteil in den Händen von Schwarzen. Als sich die Hereros, die dort zu Hause waren und denen das Land genommen wurde, vor 100 Jahren auflehnten, haben die Deutschen gegen dieses Volk und gegen das Volk der Nama, die sich anschließend erhoben haben, einen Vernichtungskrieg geführt. Ich möchte nur ein Zitat über den Hintergrund und den Auftrag der damaligen Kriegsführung verlesen. Der damalige oberkommandierende deutsche Generalleutnant von Trotha hat am 4. November 1904 dazu erklärt - ich zitiere -: Ich kenne genügend Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, dass sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut. Das war der Auftrag, der damals an die deutschen Truppen ergangen ist. Die Deutschen haben nicht nur einen Vernichtungskrieg geführt. Sie haben die ersten Konzentrationslager der deutschen Geschichte - es waren fünf - eingerichtet. 45 Prozent der Insassen haben die Konzentrationslager nicht überlebt. Von den 80 000 Hereros, die vor Beginn des Krieges gezählt worden waren, haben circa 15 000 den Vernichtungskrieg überlebt. Von den circa 20 000 Nama waren es circa 9 000. An diese deutschen Taten erinnern wir uns heute. Wir verabschieden heute diesen Antrag. Ich bitte um Ihre Zustimmung, weil wir unser Gedenken an dieses deutsche Handeln vor 100 Jahren deutschen Delegationen, die zum Jahrestag der Schlacht am Waterberg nach Namibia fahren, mitgeben wollen. Wir wollen unsere Trauer und unser Bedauern gegenüber dem Volk der Hereros und der Nama und den anderen Völkern in Namibia zum Ausdruck bringen, und zwar ohne Wenn und Aber. Unsere politische und moralische Verantwortung für das, was in deutschem Namen dort geschehen ist, für diesen Vernichtungskrieg wollen wir übernehmen und durch den Deutschen Bundestag anerkennen. Um nicht weniger und nicht mehr geht es in diesem Antrag. Ich hätte mir den Antrag anders gewünscht. Er ist sehr stark verändert worden. Aber diese Botschaft kommt klar zum Ausdruck. Ich meine, der Deutsche Bundestag sollte sich dazu bereit finden, diese Botschaft geschlossen und einheitlich nach Namibia zum 100. Jahrestag des Gedenkens an dieses deutsche Tun zu verabschieden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ulrich Heinrich. Ulrich Heinrich (FDP): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir gedenken heute eines traurigen Ereignisses in der deutsch-namibischen Geschichte, nämlich des Aufstandes der Hereros und Nama gegen die Kolonialmacht Deutschland und dessen Niederschlagung vor 100 Jahren. Besonders schlimm war die billigende Hinnahme, dass ganze Bevölkerungsgruppen vernichtet worden sind. Deshalb dürfen wir die blutige Niederschlagung der Aufstände nicht vergessen. Wir gedenken heute hier im Bundestag der Opfer unter den Hereros und Nama. Als ich bei meiner letzten Afrikareise in Ruanda war und in Kigali die Gedenkstätte besucht habe, die zum 10. Jahrestag des Genozids errichtet worden ist, war ich erschüttert, weil ich durch sehr eindeutige Bilder genau an diese Taten und die damalige Situation erinnert worden bin. Das hat mich tief beeindruckt. Namibia ist der jüngste Staat Afrikas, gegründet 1990. Deutschland spielte damals eine entscheidende Rolle bei der Unabhängigkeit Namibias, deren Prozess fast elf Jahre gedauert hat. Die Resolution 435, die auch durch die intensive Unterstützung des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher zustande kam und nach quälenden Verhandlungen von den Vereinten Na-tionen verabschiedet worden ist, hat die Grundlage dafür gelegt. Wir bekräftigen heute die besondere Verantwortung für die Geschichte, aber auch die besondere Verpflichtung in der Gegenwart und in der Zukunft. Dieses wird durch die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit und ganz besonders in der Entwicklungszusammenarbeit deutlich. Um nur eine Zahl zu nennen: In den Jahren seit 1990 ist Hilfe in Höhe von etwa 500 Millionen Euro in dieses Land geflossen. Das ist eine beachtliche Summe und unterstreicht die Richtigkeit unserer damaligen Entscheidung. Wir wollen und müssen in der heutigen Situation die Hilfe fortsetzen. Ich möchte noch kurz - meine Redezeit von drei Minuten ist fast beendet - ein kritisches Wort zu dem heutigen Staat Namibia sagen. Mich erfüllt die Landreform mit Sorge, und wir müssen darüber, wie die Landreform durchgesetzt werden soll, kritische Betrachtungen anstellen. Das Prinzip des willigen Käufers und des willigen Verkäufers auf der Grundlage der Verfassung wird offensichtlich in einer Art und Weise interpretiert, die Fragen aufwirft. Vor einiger Zeit wurden Farmer aufgefordert, ihre Ländereien dem Staat anzubieten. Wer innerhalb von 14 Tagen nicht antwortet, läuft Gefahr, dass nach einer richterlichen Entscheidung sein Land enteignet wird. Er erhält zwar eine Entschädigung, aber in den Farmerfamilien ist trotzdem eine enorme Unruhe entstanden. Denn wie jeder weiß, kommen die Investitionsbereitschaft und die weitere Planung in den Betrieben zum Erliegen, wenn ein solcher Akt voraussehbar ist. Es gibt deutliche Signale vonseiten der Opposition, die diese Politik heftig kritisiert. Sie wissen, wie wichtig eine funktionierende Landwirtschaft ist. Sie wissen auch, dass sie in Namibia zurzeit noch ein bedeutender Wirtschaftsbereich ist und welche Gefahr besteht, wenn es zu Irritationen und Unsicherheiten kommt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege! Ulrich Heinrich (FDP): Deshalb möchte ich heute festhalten: Trotz allem sind unsere Gedanken bei den Opfern und trotz allem war und ist es richtig, dass wir ihrer heute gedenken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hartwig Fischer. Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gedenken der Opfer der damaligen grauenhaften Taten. Meine Vorredner haben den Beginn des Hereroaufstandes gegen die deutschen Kolonialherren ist Südwestafrika bereits erwähnt. Nachdem im Januar 1904 die ersten Schüsse gefallen waren, kam es im August am Waterberg zur Entscheidungsschlacht, die wenige Wochen später mit der Flucht eines großen Teils des Hererovolkes in die damals wasserlose Omahekewüste endete. Hierbei verhungerten oder verdursteten die meisten der Vertriebenen. Es war ein furchtbarer Feldzug der kaiserlichen Schutztruppe. Auch an der Tatsache einer humanitären Katastrophe kann und darf nicht gezweifelt werden. Neben der hohen Zahl der Opfer war das Grauenhafte die billigende Hinnahme der Vernichtung von Teilen einer ganzen Volksgruppe. Selbstverständlich wollen und müssen wir Deutschen uns der kolonialen Vergangenheit mit aller Klarheit und Deutlichkeit stellen. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir der Opfer des Herero- und Namavolkes auch im Bundestag gedenken. Wir wollen damit dazu beitragen, den Opfern ihre Würde und Ehre wiederzugeben. Das wäre gerade auch aus der Sicht der heute lebenden Nachfahren ein besonders wichtiger Akt, um endlich wenigstens eine Art von Frieden mit ihnen zu schließen. Die Geschehnisse sind 100 Jahre her und die Schuldigen sind nicht mehr am Leben. Ich plädiere deshalb dafür, dass wir das Gedenken an damals zum Anlass nehmen, unsere engen Beziehungen zu Namibia weiter zu intensivieren und unsere namibischen Freunde und Partner besonders zu unterstützen. Ich halte dies vor dem Hintergrund der besonderen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Namibia und Deutschland, wie sie unter anderem in der einstimmig beschlossenen Bundestagsresolution vom 16. März 1989 gemeinsam manifestiert wurden, für richtig und absolut notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich habe in Vorbereitung auf diese Debatte die Redebeiträge der Kollegen Toetemeyer, Hornhues und Frau Hamm-Brücher zu der damaligen Debatte nachgelesen, weil ich seinerzeit dem Parlament noch nicht angehört habe. Die Diskussion damals zeigte, für wie zerbrechlich die Situation gehalten wurde. Namibias friedlicher Weg in die Unabhängigkeit war beispielhaft. Auch das unabhängige Namibia müssen wir auf seinem weiteren Weg in die Zukunft als Freund und Partner begleiten. Namibia ist und bleibt ein wichtiger Partner Deutschlands in Afrika. Umgekehrt ist Deutschland auch für Namibia ein besonders wichtiger Partner, wie zum Beispiel der namibische Botschafter, Hanno Rumpf, gerade am Nationalfeiertag wieder deutlich betont hat. Ich begrüße daher außerordentlich die intensive Kooperation zwischen Deutschland und Namibia im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Kein anderes Land der Welt erhält pro Kopf so viel Unterstützung von deutscher Seite wie Namibia. Weiterhin ist Deutschland der größte Einzelgeber von Entwicklungshilfe für das Land. Dies ist Ausdruck unserer tiefen Verbundenheit und Freundschaft mit der namibischen Bevölkerung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es sei mir jedoch in diesem Zusammenhang erlaubt, an das Gespräch der Bundesministerin Wieczorek-Zeul mit dem namibischen Präsidenten Sam Nujoma im Juni 2002 in Berlin zu erinnern. Für den Kooperationssektor "Ländliche Entwicklung" sowie für die Konzeption einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen, verfassungs- und gesetzeskonformen Landreform wurde damals von der rot-grünen Regierung schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe zugesagt. Aus namibischer Sicht erscheint die Umsetzung jedoch als ausgesprochen schleppend und bürokratisch. Teilweise wird im Ausbleiben ernsthafter internationaler Hilfe sogar ein Motiv für die sich radikalisierende Debatte über die Landreform in Namibia gesehen. Frau Eid, ich möchte daher die Bundesregierung eindringlich auffordern, die Umsetzung ihrer Zusagen zu überprüfen und gegebenenfalls korrigierend und beschleunigend einzugreifen. Deutschlands Stimme und sein Verhalten haben Gewicht und Einfluss in Namibia. Unser Kollege Ruck hat am 17. Mai dieses Jahres deshalb einen Brief an Ihre Ministerin gerichtet mit der Bitte, uns zu beantworten, warum dies alles so schleppend erfolgt. Eine Antwort ist bis heute nicht gegeben worden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt brauchen diejenigen Kräfte Namibias, die an einer stabilen, friedlichen und nachhaltigen Entwicklung des Landes festhalten, unsere tatkräftige, energische Unterstützung. Sollte in Namibia der Eindruck entstehen, dass Deutschland das Interesse an der Zukunft des Landes verliert oder allenfalls bürokratisch-schwunglos handelt, dann besteht die ernste Gefahr, dass politische Hardliner und Befürworter einer konzeptionsund perspektivlosen Enteignungspolitik die Oberhand gewinnen. Namibia muss neben Südafrika ein sicherheitspolitischer Stabilitätsanker im südlichen Afrika bleiben. Herr Ströbele, Sie haben eben an uns appelliert, dass es zu einer gemeinsamen Entschließung kommen muss. Die Kollegin Eymer ist auf Einzelheiten Ihres Antrages bereits eingegangen. Ich bedauere, dass wir uns heute hier enthalten müssen. Ich will dies aber begründen. Sie haben Ihren Antrag überfallartig eingebracht. Wir haben ihn zuerst in einer anderen Fassung erhalten, nachdem die Gremien des Deutschen Bundestages, deren Zeitabläufe uns allen bekannt sind, getagt hatten. Wir haben danach Ihren Antrag in der endgültigen Fassung bekommen. Obwohl ich persönlich im Gespräch darum gebeten hatte, war es nicht möglich, heute das erste Mal über Ihren Antrag zu debattieren und in 14 Tagen einen interfraktionellen Antrag vorzulegen. Ich glaube, dass dies gerade vor dem Hintergrund des Antrages, auf den man sich 1989 geeinigt hatte, möglich gewesen wäre. Wir werden uns heute der Stimme enthalten. Ich finde es schade, dass es keine andere Möglichkeit gab. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika", Drucksache 15/3329. Wer stimmt für den Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie der Abgeordneten Pau bei Enthaltung von CDU/ CSU und FDP angenommen.