59 ZR 104 (2005) Nr. 80

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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
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ZR 104 (2005) Nr. 1
Wer nach einer Einstellungsverfügung betreffend Kosten Einsprache erhebt und eine Beurteilung
durch den Einzelrichter verlangt (§ 44 StPO), der hat bei Unterliegen die Kosten zu tragen. Das
Unterliegen sowie der Streitwert beurteilt sich nach § 64 ZPO und es kommt die "Nettomethode
" zur Anwendung, bei welchem nur der im gerichtlichen Verfahren verlangte "Mehrbetrag“ mit
dem Zugesprochenen in Relation gesetzt wird. Die von der Untersuchungsbehörde
zugesprochene Entschädigung wird mithin nicht berücksichtigt, auch wenn das Verbot der
reformatio in peius vor dem Einzelrichter nicht gilt.
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ZR 104 (2005) Nr. 4: unentgeltlicher Rechtsbeistand für den Geschädigten im
Strafprozess
Auch ohne ein entsprechendes Gesuch des Geschädigten ist ihm von Amtes wegen ein
unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen, wenn seine Interessen nur so gewahrt werden
können und die Bestellung ausschließlich in dessen wohlverstandenen Interesse liegt. Dies ergibt
sich nicht nur aus Art. 29 Abs. 3 BV sondern auch aus der gegenüber Art. 5 Abs. 1 OHG
erweiterten Bestimmung von § 19 Abs. 2 StPO.
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ZR 104 (2005) Nr. 6
"Geschädigter" im Sinne der StPO sind Personen, denen durch die zu beurteilende Handlung
"unmittelbar ein Schaden zugefügt wurde oder zu erwachsen drohte" (§ 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO).
Dabei handelt es sich in der Regel um den Träger des geschützten Rechtsguts, oder - bei
öffentlichen Rechtsgütern - um den unmittelbar Mitbeeinträchtigten.
Geschädigten kommen diverse Rechte, wie namentlich Mitwirkung-und Kontrollrechte zu, wie
-
Recht auf Akteneinsicht
-
Rechtsmittellegitimation
-
Recht zur Ergreifung einer Adhäsionsklage
Unter Umständen kommen diese Rechte aber auch Dritten zu, die zwar nicht Geschädigte sind,
aber wie z. B. die subrogierende Versicherung (Art. 72 VVG) oder wie die Erben des
Geschädigten, eine besondere Nähe zum Streitgegenstand haben.
Bei Konkursdelikten können die Gesellschaftsgläubiger nicht nur ihren unmittelbaren Schaden,
sondern auch Ansprüche der Gesellschaft selber, die ihnen nach Art. 260 SchKG abgetreten
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worden sind, mit einer Adhäsionsklage geltendmachen. Dies allerdings nur dann, wenn die
Verantwortlichkeitsansprüche mit strafbaren Handlungen der Angeschuldigten begründet
werden.
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ZR 104 (2005) Nr. 8
eine Verarrestierung von wirtschaftlich dem Schuldner zustehenden Vermögenswerten ist nur bei
missbräuchlicher Berufung auf die rechtliche Trennung zwischen Schuldner und Drittperson
möglich. Allein die Tatsache, dass eine Off-Shore Gesellschaft zu Steuerumgehungszwecken
errichtet wurde, rechtfertigt keinen Durchgriff.
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ZR 104 (2005) Nr. 9: Substantiierungshinweise
die richterliche Fragepflicht nach § 55 ZPO erfordert mehr als (allenfalls vorgängig erteilte)
allgemeine Substantiierungshinweise. Solche Hinweise müssen vielmehr an konkrete, unklare,
unvollständig oder unbestimmt gebliebene Parteivorbringen anknüpfen und auf solche Bezug
nehmen. § 55 ZPO findet dabei Anwendung im mündlichen wie im schriftlichen Verfahren und
grundsätzlich auch gegenüber anwaltlich vertretenen Parteien (S. 27), entbindet die Parteien
aber nicht von ihrer Obliegenheit, Behauptungen hinreichend substantiiert darzulegen. Sie soll
auch nicht ermöglichen, gar nicht aufgestellte Behauptungen neu in den Prozess einzuführen,
sondern sie greift nur hinsichtlich des bereits "zumindest andeutungsweise“ bzw. in rudimentärer
Form Behaupteten. Konkretisiert wird die richterliche Fragepflicht durch den Grundsatz von Treu
und Glauben.
In der Regel sind daher Substantiierungshinweise nur dann genügend, wenn darin klar wird,
„welche konkreten Vorbringen inwiefern zu vervollständigen sind“.
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ZR 104 (2005) Nr. 10: Nichtigkeit der Zustellung des Zahlungsbefehls
in casu war eine GmbH ohne zeichnungsberechtigte Gesellschafter betrieben worden und es war
erstinstanzlich ein Konkursdekret ergangen. Das Obergericht – befasst mit einem Rekurs gegen
die Konkurseröffnung – erkannte, dass die GmbH ohne zeichnungsberechtigte Gesellschafter
war, so dass der Zahlungsbefehl nicht rechtsgültig zugestellt werden konnte. Entsprechend fand
es, dass die Betreibung nichtig, und damit das Konkursverfahren auszusetzen sei. Folglich wies es
die Sache an die untere Aufsichtsbehörde zurück und lud zudem das Handelsregisteramt ein, die
erforderlichen Massnahmen zu treffen.
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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
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ZR 104 (2005) Nr. 12: Gründerhaftung nach Art. 645 OR
gemäss Art. 645 Abs. 2 OR ist erforderlich, dass die Gesellschaft innerhalb dreier Monate nach
dem Eintrag im Handelsregister „erklärt“, dass sie die Geschäfte beziehungsweise
Verpflichtungen, welche die Gründer für sie eingegangen sind, übernehmen will. Bei dieser
"Übernahme" handelt es sich um eine Willenserklärung, welche zwar an keine Form gebunden
und daher auch schlüssig erklärt werden kann. Allerdings sei - so das Bezirksgericht Zürich erforderlich, dass die Erklärung ausdrücklich sei. Es müsse sich also um ein "wenigstens ein als
Erklärung zu begreifendes Verhalten der Gesellschaft bzw. des zuständigen Organs " handeln.
Eine rein passives Verhalten genüge keinesfalls (ZR 104 (2005) Nr. 12, S. 40).
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ZR 104 (2005) Nr. 14
vor Abweisung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege ist die gesuchstellende Partei
grundsätzlich zur umfassenden Darlegung ihrer finanziellen Verhältnisse aufzufordern.
Auf eine solche Aufforderung kann nur, aber immerhin, verzichtet werden, wenn der
gesuchstellenden Partei aus einem früheren oder aus dem vorinstanzlichen Verfahren bekannt
ist, welche Anforderungen an den Nachweis ihrer Mittellosigkeit gestellt werden.
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ZR 104 (2005) Nr. 15: Fristenlauf während der Gerichtsferien
Gemäss § 140 Abs. 3 GVG ist den Parteien anzuzeigen, wenn ausnahmsweise eine Frist während
der Gerichtsferien weiterläuft. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf bundesrechtlich
geordnete Fristen, und damit namentlich auch nicht im internationalen Rechtshilfeverfahren (Art.
12 Abs. 2 IRSG). Dies findet seinen Grund darin, dass das kantonale Recht nicht eidgenössische
Fristen verlängern kann, und genau dies die Folge davon wäre, wenn ein solcher Hinweis
unterlassen worden wäre.
10 ZR 104 (2005) Nr. 16
Gemäss § 67 Gemeindegesetz können auch materielle Verfügungen von Gemeindebehörden
vom Präsidenten alleine getroffen werden, sofern sie von geringer Bedeutung oder dringlich
sind. Bei der Errichtung einer Beistandschaft trifft dies in der Regel nicht zu, so dass eine
Beistandschaft nur durch Kollegialentscheid errichtet werden kann.
Bevor Kinder oder Jugendliche verbeiständet werden, sind sie anzuhören (Art. 12 Kinderschutz
Konvention, §§ 141 f. GVG, § 201 b. ZPO).
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11 ZR 104 (2005) Nr. 18: nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses trifft den
Arbeitnehmer ein Mitteilungs-, nicht aber ein Verwertungsverbot
wurde kein Konkurrenzverbot vereinbart, so kann nicht eine nachvertragliche Treuepflicht so
konstruiert werden, dass sie eine ähnliche oder gleiche Wirkung hat. Gestützt auf die Treuepflicht
kann daher dem Arbeitnehmer nicht untersagt werden, Kunden des ehemaligen Arbeitgebers zu
kontaktieren und mit diesen neue Verträge zu schließen.
Dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur noch ein Mitteilungs-, nicht aber ein
Verwertungsverbot besteht, ergibt sich im übrigen auch aus Art. 321a Abs. 4 OR.
12 ZR 104 (2005) Nr. 19
Wird in internationalen Verhältnissen auf die ICC-Schiedsregeln verwiesen, so bleibt kein Raum
für eine richterliche Ernennung der Schiedsrichter, da bei Uneinigkeit die Schiedsrichter vom
Schiedsgerichtshof ernannt werden können.
Ob die ICC-Schiedsregeln und damit die Ernennungsmodalitäten gültig vereinbart wurden, wird
vom Obergericht grundsätzlich nicht nur summarisch geprüft, sondern unterliegt der vollen
Kognition. Dies ergibt sich daraus, dass nicht leichthin in das von den Parteien gewählte
Ernennungsverfahren eingegriffen werden soll. Die prima facie Prüfungen hingegen bezweckt,
dass sich nicht eine Partei durch Obstruktion der Pflicht zur schiedsgerichtlichen Streitbeilegung
im Nachhinein entziehen kann. Im Falle des Ernennungsverfahrens hat diese Komponente
weniger Gewicht.
13 ZR 104 (2005) Nr. 20: Anwaltsgeheimnis und Betreibung
die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte hat gefunden, dass
„unter der Herrschaft des BGFA die Anwältin oder der Anwalt befugt sind, ohne ausdrückliche
Einwilligung des Klienten beziehungsweise ohne Ermächtigung durch die Aufsichtskommission eine
Betreibung gegen die Klientschaft anzuheben und alsdann das Sühnverfahren unter Beilage der
Honorarrechnung einzuleiten, vorausgesetzt, dass keine von der Klientschaft anvertraute Tatsachen
offenbart werden.“
Für weitere Handlungen, namentlich für die Verhandlung vor dem Friedensrichter, an der auch
vom Klienten anvertraute Informationen preiszugeben sind, ist hingegen nach wie vor eine
ausdrückliche Einwilligung des Klienten oder aber eine Entbindung durch die
Aufsichtskommission erforderlich.
Erstaunlicherweise leitet dies die Aufsichtskommission aus einer Auslegung von Art. 13 BGFA ab.
Die Aufsichtskommission kommt dabei zum Schluss, dass das BGFA nur diejenigen Geheimnisse
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schützte, welche die Klientschaft der Anwältin oder dem Anwalt im Rahmen der
Mandatsbeziehung anvertraut habe. Andere Tatsachen seien dabei nicht geschützt. Dies führt
die Aufsichtskommission zu folgendem Ergebnis:
„Damit sind - jedenfalls soweit es um die Geltendmachung von Honorarforderungen geht - das
Bestehen des Mandatsverhältnisses, die Rechnungsstellung bzw. Hinweise auf offene Honorarnoten im
Rahmen vom Inkassobemühungen nicht vom Anwaltsgeheimnis geschützt“ (ZR 104 (2005) Nr. 20, S. 74
f.)
14 ZR 104 (2005) Nr. 21: Kollokation eines eigenkapitalersetzenden Darlehens
ein kapitalersetzendes Darlehen ist wie ein Darlehen mit Rangrücktritt zu kollozieren, in dem
Sinne, dass eine Befriedigung des Gläubigers erst nach der vollständigen Befriedigung aller
Kurrentgläubiger erfolge.
In casu wurde das Vorliegen eines eigenkapitalersetzenden Darlehens bejaht, obwohl die
Darlehensgeberin nicht Gesellschafterin, sondern Muttergesellschaft derselben war (S. 79). Das
Darlehen von erheblicher Höhe war aber mündlich, ohne Sicherheiten, ohne Zinsen und ohne die
Vereinbarung einer Amortisationspflicht gewährt worden und es erfüllte daher den
"Drittmannstest" in keiner Weise. Sodann wäre die Schuldnerin ohne das Darlehen überschuldet
gewesen und hätte den Richter anrufen müssen (Art. 725 OR). Daher durften die übrigen
Gläubiger darauf vertrauen, dass dieses Kapital der Schuldnerin auch tatsächlich wie Eigenkapital
zur Verfügung steht und sie sind in diesem Vertrauen zu schützen.
15 ZR 104 (2005) Nr. 22: Quellenschutz
mangels gesetzlicher Ordnung bestimmt sich die Zuständigkeit für ein Gesuch um Feststellung
des Quellenschutzes nach Art. 27bis Abs. 2 StGB analog zu § 101 StPO (Beschlagnahme von
Gegenständen, Einziehung). Entsprechend ist bei einem vom Geschworenen- oder vom
Obergericht zu beurteilenden Delikt die Anklagekammer zuständig.
Von Art. 27bis StGB werden - trotz der Marginalie - nicht nur "Quellen" geschützt, sondern
grundsätzlich auch selbstrecherchiertes Material.
Eine Ausnahme vom Quellenschutz bedarf - obwohl nicht in Art. 27 bis Abs. 2 StGB erwähnt immer auch einer Interessenabwägung, ansonsten die Grundsätze der Rechtsprechung des
EGMR verletzt wären. Zudem muss die Information für die Untersuchungen "geradezu
unentbehrlich" sein (S. 83). Da in casu die Befragungen diverser Auskunftspersonen erfolglos
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geblieben sind, bejaht die Anklagekammer das Vorliegen der Voraussetzungen für eine
Aufhebung des Quellenschutzes.
Analog zu Art. 9 BÜPF verlangt die Anklagekammer allerdings, dass bei einem aus der Quelle
gewonnenen Verdacht auf ein anderes Delikt abermals eine Genehmigung der Anklagekammer
einzuholen sei.
16 ZR 104 (2005) Nr. 23 : keine Bestrafung wegen Vernachlässigung von
Unterhaltspflichten ohne gerichtlich genehmigte oder vertraglich vereinbarte
Regelung der Unterhaltsansprüche
eine Bestrafung wegen der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten (217 StGB) setzt
(zumindest nach Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes) eine gerichtlich genehmigte oder
verbindlich vereinbarte Regelung der Unterhaltsansprüche voraus.
Solange nämlich kein rechtskräftiger Entscheid und keine Vereinbarung über die Ansprüche
vorliegt, bestehen keine fälligen Unterhaltsbeitragsforderungen, sondern erst eine (nicht
konkretisierte) grundsätzliche Leistungspflicht. Die vom Bundesgericht unter dem alten
Kindesrecht propagierte "direkte" Methode, sei abzulehnen. Jedenfalls läge aber ein
Sachverhaltsirrtum vor.
17 ZR 104 (2005) Nr. 24
eine Unterbrechung der (altrechtlichen) strafrechtlichen Verjährungsfrist ergibt sich nur bei
Untersuchungshandlungen der Strafverfolgungsbehörden oder bei Verfügungen des Gerichts
gegenüber dem Täter, die "nach außen hin in Erscheinung treten". Folglich (und in Anwendung
des rechtlichen Gehörs) ist zu fordern, dass eine interne Handlung nur dann
verjährungsunterbrechend wirkt, wenn sie dem Angeschuldigten zur Kenntnis gelangte,
vorausgesetzt immerhin, dass dies möglich war.
18 ZR 104 (2005) Nr. 25: soziale Untersuchungsmaxime, Behauptungslast, Novenrecht.
Auch bei der Geltung der sogenannten sozialen Untersuchungsmaxime (Art. 343 Abs. 4 OR)
dürfen die Parteien nicht untätig bleiben, sondern es liegt in erster Linie an ihnen, das
Tatsächliche des Streitgegenstandes darzulegen. Im Berufungsverfahren besteht auch bei
Geltung der sozialen Untersuchungsmaxime kein Novenrecht.
Anmerkung: dieses Urteil des Obergerichts steht in einem gewissen Widerspruch zu ZR 100
(2001) Nr. 12, wo das Kassationsgericht angedeutet hatte, dass es eventuell Noven bei Verfahren
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mit der sozialen Untersuchungsmaxime zulassen wolle. Immerhin gilt es zu beachten, dass in §
115 Ziff. 4 ZPO Noven zulässig sind, sofern das Gericht die Tatsachen von Amtes wegen zu
beachten hat. Es liesse sich durchaus vertreten, dass damit auch Fälle erfasst sind, bei welchen
das Bundesrecht die Untersuchungsmaxime anordnet, und nicht nur die Fälle nach § 142 ZPO.
19 ZR 104 (2005) Nr. 26: Parteiaussage
für eine (förmliche) Beweisaussage einer Partei ist nicht nur erforderlich, dass
-
die anderen möglichen Beweismittel erfolglos ausgeschöpft sind (Subsidiarität), und
-
sie nur gegenüber einer Partei angeordnet werden kann.
Darüber hinaus ist vielmehr - gestützt auf eine verfassungskonforme Auslegung nach Art. 8 Abs.
1 BV - erforderlich, dass "besondere Gründe“ vorliegen, die eine Bevorzugung der einen Partei
rechtfertigen, so z. B. wenn
-
der einen Partei Zeugen zur Verfügung stehen, die ein ähnlich nahes Verhältnis wie die
Parteien zum Streitgegenstand haben und daher ebenso befangen erscheinen
-
eine unbillige Beweislastverteilung der Korrektur bedarf
-
ein prozessuales Gleichgewicht (wieder-)hergestellt werden soll
20 ZR 104 (2005) Nr. 27: FIFA-Transfer-Bestimmungen - Verstoss gegen Art. 27 ZGB, Art.
5 KG, Art. 81 EGV
-
die Anknüpfung von Wettbewerbsrecht bei den Parteien einer Abrede erfolgt nicht wie bei
externen Personen nach dem Auswirkungsprinzip nach Artikel 137 IPRG, sondern nach dem
Gesellschaftsstatut (Artikel 154 f. IPRG).
-
Im Einzelfall kann ausländisches zwingendes Recht gestützt auf Art. 19 IPRG berücksichtigt
werden. Es handelt sich dabei nicht um eine Anwendung ausländischen Rechts, sondern um
eine Berücksichtigung minderer Art. Erforderlich ist eine umfassende Interessenabwägung,
welche auch die Interessen der ausländischen Staaten erfasst.
-
In casu sah ein Reglement vor, dass die FIFA berechtigt sei, die Höhe von Transferzahlungen
zu bestimmen. Dabei fehlten Bestimmungen über die maximale Höhe oder die Kriterien für
die Bemessung der Transferzahlungen. Das Gericht kam zum Schluss, "dass die fragliche
Bestimmung die Klubs der Willkür der Sonderkommission ausliefert" und stellte einen
Verstoss gegen Art. 27 ZGB und gegen das vereinsrechtliche Legalitätsprinzip fest.
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-
Ferner betrachtete es diese Abrede als unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne
von Art. 81 EGV und erblickte darin außerdem eine Verletzung von Art. 5 KG.
-
Entsprechend wurde das Reglement nichtig, sowie die konkrete Verpflichtung zur
Transferzahlung als ungültig erklärt.
21 ZR 104 (2005) Nr. 28
Der Entscheid handelt von einer Banktransaktionen über 15 Millionen durch einen Bürgermeister
einer deutschen Gemeinde.
Detaillierte Ausführungen über die Haftung der Bank: einige wichtige Kernpunkte:
der Anspruch des Kunden bei Transaktionen ohne gültige Weisung ist kein
Schadenersatzanspruch, sondern ein Erfüllungsanspruch des Kunden. Eine Transaktion ohne
gültige Weisung befreit die Bank nämlich nicht.
(___)
22 ZR 104 (2005) Nr. 29: Standesrecht und Ehrverletzung
die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Ausübung des Anwaltsberufs (Art. 12 BGFA)
umfasst auch gewisse „ Anstandspflichten“, namentlich das Verbot, die Gegenpartei wider
besseren Wissens oder unnötig verletzend zu verunglimpfen.
Die Aufsichtskommission ist indes nicht bereit, bei Ehrverletzungsvorwürfen anstelle der dafür
zuständigen Strafverfolgungsbehörden die Dienste einer "billigen Entscheidungsinstanz" zu
übernehmen. Auch über die strafrechtliche Relevanz einer angeblichen Nötigungshandlung
urteilt die Aufsichtsbehörde nicht.
Standesrechtlich ist es sodann nicht zu beanstanden, wenn ein RA androht, bei
Nichtüberweisung eines Restguthabens werde er„ auftragsgemäss die ihm als geboten
erscheinenden rechtlichen Schritte“ einleiten beziehungsweise weiterverfolgen. Dies entspreche
vielmehr "üblichem anwaltlichen Vorgehen".
23 ZR 104 (2005) Nr. 30
Die Frist von 20 Tagen zur Erhebung der Aberkennungsklage beginnt bereits mit der Zustellung des
nicht begründeten provisorischen Rechtsöffnungsentscheids. Wer Aberkennungsklage erheben will,
muss daher keine Begründung des Rechtsöffnungsentscheids verlangen.
Anmerkung: so geht es jedenfalls aus dem Rubrum hervor. Zu entscheiden war eigentlich nur die
Frage, ob der Aberkennungsklägers berechtigt sei, auch ohne die Einholung einer Begründung
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des Rechtsöffnungsrichters überhaupt Aberkennungsklage zu führen. Dies war klarerweise zu
bejahten.
Fraglich ist aber, wann die Frist zur Aberkennungsklage zu laufen beginnt. Dies wurde im
Entscheid nicht behandelt. § 158 Abs. 3 GVG lässt aber darauf schliessen, dass fristauslösend erst
die Zustellung des begründeten Entscheids ist:
„Verlangt eine Partei eine Begründung, wird der Entscheid schriftlich begründet und den Parteien in
vollständiger Ausfertigung mitgeteilt. Die Rechtsmittelfristen und die Frist für die Aberkennungsklage
beginnen mit dieser Zustellung zu laufen.“ (§ 158 Abs. 2 GVG)
Eine andere Frage ist, wann die Frist zu laufen beginnt, wenn gegen den
Rechtsöffnungsentscheid ausnahmsweise Rekurs oder aber Nichtigkeitsbeschwerde erhoben
wird. Auch dies wurde durch den Entscheid nicht festgelegt. Insbesondere bei der
Nichtigkeitsbeschwerde stellt sich die Frage, wie es sich verhält, wenn keine aufschiebende
Wirkung erteilt wird.
So wie sich der Entscheid, oder zumindest das Rubrum, liest, dürfte wohl davon auszugehen sein,
dass die Aberkennungsklage jedenfalls innerhalb von 20 Tagen nach Eröffnung des Dispositivs
des Rechtsöffnungsentscheids eingereicht werden muss. Sofern indes aufschiebende Wirkung
gewährt wird, dürfte dies nicht der Fall sein. Das Problem besteht allerdings darin, dass der
Entscheid über die aufschiebende Wirkung wohl erst nach Ablauf der 20 Tage gefällt wird.
24 ZR 104 (2005) Nr. 31: Anklagegrundsatz, Anforderung an die zeitliche Umschreibung
des Sachverhalts
die Anklage hat den Sachverhalt "möglichst präzis" zu umschreiben (Artikel 162 StPO).
Betreffend die zeitliche Umschreibung genügt unter Umständen ein Rahmen von Wochen oder
sogar Monaten (Seite 131). Nahezu ein Jahr ist indes klar zu viel, außer bei "sehr gewichtigen
Gründen", die in casu verneint wurden (Seite 132), zumal dem Angeschuldigten zuerst das Recht
verwehrt worden war, Ergänzungsfragen zu stellen.
25 ZR 104 (2005) Nr. 32: Geltendmachung von Verfahrensmängeln im Strafprozess - Treu
und Glauben
es liegt kein Verstoss gegen Treu und Glauben vor, wenn der Angeschuldigte mit der
Geltendmachung von Verfahrensmängeln zuwartet bis zum Beschwerdeverfahren. Anders nur,
wenn sich der Beschwerdeführer
"bewusst mit dem Mangel abgefunden hatte. In der bloßen Nichtgeltendmachung kann danach ein
solcher Verzicht nicht erblickt werden. " Es ist „ grundsätzlich Sache der Strafverfolgungsbehörden [...]
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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
für das prozessrechtskonforme Zustandekommen und damit die Verwertbarkeit der [...] Beweise zu
sorgen. Die Verteidigung trifft insofern keine Mitwirkungs- oder vorsorgliche Hinweispflicht; es kann
sogar einen Verteidigungsfehler darstellen, wenn seitens der Verteidigung Vorkehren in dieser Hinsicht
getroffen werden".
In ZR 102 (2003) Nr. 30 wurde festgehalten, dass ein Hinweis auf das Recht zur
Aussageverweigerung auch bei den Sachverhaltsabklärungen erfolgen müsste, welche für das
psychiatrische Gutachten erforderlich sind, ansonsten die dortigen Aussagen (Zusatztatsachen)
nicht verwertbar seien.
In casu war zwar ein solcher Hinweis nicht erfolgt, der Angeschuldigte sei sich indes effektiv
bewusst gewesen, dass seine Mitwirkung auf rein freiwilliger Basis erfolge. Folglich liege trotz der
unterlassenen förmlichen Belehrung kein Verstoss gegen Prozessformen vor.
26 ZR 104 (2005) Nr. 33: Fristwiederherstellung im Strafprozess
grundsätzlich werden Versäumnisse des Rechtsvertreters der vertretenen Partei angerechnet.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht allerdings in Fällen notwendiger Verteidigung,
sowie wenn eine Strafe von "einigem Gewicht" gefällt wird. Diesfalls kann auch das Verhalten der
Partei und die Folgen der Versäumnisse zu berücksichtigen sein, so dass in der Regel
Rechtsmittelfristen betreffend den Strafpunkt auch bei grobem Verschulden des Vertreters
wiederhergestellt werden.
Diese Ausnahme gilt allerdings nichts, sofern nur noch Zivilforderungen im Streit stehen, und
daher ebenfalls nicht beim Geschädigten.
27 ZR 104 (2005) Nr. 35: Würdigung des Parteiverhaltens bei der Beweiswürdigung
eine grundsätzlich nicht beweisbelastete Partei weigerte sich in einer Erbrechtsstreitigkeit, Belege
für die Bewertung eines Wertschriftendepots herauszugeben.
Da aber der Wert des Depots für einen früheren Zeitpunkt bekannt und belegt war, wurde der
Wert des Depots proportional zur Entwicklung des Swiss Performance Index hochgerechnet.
28 ZR 104 (2005) Nr. 37: Streitwert im Kollokation
der Streitwert im Kollokationsprozess richtet sich grundsätzlich nach der mutmaßlichen
Konkursdividende bei der positiven Kollokationsklage. Bei der negativen Kollokationsklage ist
der Gewinn, der dem Kläger und der Masse gemeinsam zukommen würde, ausschlaggebend.
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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
Allerdings steht einer "elastischeren Anwendung" für die Bemessung von Kautionen, Kosten und
Entschädigungen nichts entgegen. Namentlich die bundesgerichtliche Rechtsprechung befasst
sich nur mit der Streitwertgrenze für die Berufung. Dort soll - wie auch bei der Streitwertgrenze
nach § 18 ff. ZPO - die Berechnung strikt sein. Eine elastischere Bemessung des Streitwerts sei
aber möglich für Kautionen, Kosten und Entschädigungen.
29 ZR
104
(2005)
Nr.
Persönlichkeitsverletzung
38:
Passivlegitimation
bei
einer
Klage
wegen
passivlegitimiert ist grundsätzlich jeder, der angeblich an der Verletzung mitgewirkt hat. Auf das
Verschulden kommt es - anders als bei Art. 55 ZGB – auch für ein angeblich an der Verletzung
mitwirkendes Organ nicht an.
30 ZR 104 (2005) Nr. 39, S. 160: Arrest: Ort der gelegenen Sache bei Forderungen
im Gegensatz zum einzelrichterlichen Urteil ZR 100 (2001) Nr. 39 hält das Obergericht fest:
sämtliche Forderungen eines im Ausland wohnhaften Arrestschuldners gegenüber einer Bank als
Drittschuldnerin [ sind ] an deren Hauptsitz verarrestierbar und zwar unabhängig davon, ob es sich um
Forderungen aus dem Geschäftsverkehr mit einer Filiale handelt“.
Das Obergericht versteht mit anderen Worten BGE 128 III 473 so, dass dort nur entschieden
wurde, dass auch am Sitz der Zweigniederlassung Arrest gelegt werden kann, sofern diese den
überwiegenden Anknüpfungspunkt darstelle. Nichts spreche dagegen, den Arrest auch am
Hauptsitz der Bank zuzulassen.
31 ZR 104 (2005) Nr. 41
wird gegen eine Fristansetzung (in casu Kautionsfrist) Rechtsmittel ergriffen und kommt diesem
aufschiebende Wirkung zu oder wird eine solche angeordnet, so ist nach Abweisung des
Rechtsmittels eine neue Frist anzusetzen.
32 ZR 104 (2005) Nr. 42: AGB - Ungewöhnlichkeitsregel
Zu beurteilen war ein Vertrag über eine Werbefläche, bei welchem die AGB nur global
übernommen wurden. Der Einzelrichter im ordentlichen Verfahren erklärte eine Klausel, die in
den AGB enthalten war, als ungewöhnlich und daher für die globalübernehmende Drittpartei als
unverbindlich, da darin die generelle Schadensminderungspflicht wegbedungen wurde. Folglich
wies er die Klage, die gestützt auf diese Klausel erfolgt war, ab.
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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
Das Obergericht - befasst mit einer Nichtigkeitsbeschwerde - stellte fest, dass eine klare
materielle Rechtsverweigerung vorliege. Zu Unrecht habe der Einzelrichter die Klage abgewiesen,
ohne die durch die Ungültigerklärung entstandene Vertragslücke zu füllen.
Auf Rückweisung hin lehnte der Einzelrichter aber die Schadenersatzforderung abermals ab, da
sie unsubstantiiert sei.
33 ZR 104 (2005) Nr. 48
auch Abbrucharbeiten können zu einem Baulandwerkerpfandrecht berechtigen. Für die
Vollendung eines Werks ist sodann nicht vorausgesetzt, dass die letzten Arbeiten auf dem
Grundstück oder am Grundstück selbst erfolgen.
34 ZR 104 (2005) Nr. 49: Haager Beweisübereinkommen 70: Vorbehalt der Schweiz
betreffend pre-trial-discovery
der Vorbehalt der Schweiz will sicherstellen, dass keine so genannten fishing-expeditions
stattfinden. Der Vorbehalt beschränkt sich daher auf Beweisersuchen, die keinen hinreichenden
Zusammenhang zum Prozessthema haben, nicht genügend bestimmt sind, oder sonstwie
schutzwürdige Interessen gefährden.
Auch der letztgenannte Ausschlussgrund führt aber nicht zu einem generellen Ausschluss infolge
des Bankgeheimnisses. Das Bankgeheimnis ist vielmehr im Rahmen der lex fori des ersuchten
Staates geltend zu machen, das heisst das Gericht kann die Aussage nach § 160 ZPO erlassen.
35 ZR 104 (2005) Nr. 50: Eheschutz und Gütertrennung
eine Gütertrennung ist im Eheschutzverfahren anzuordnen, wenn keine Schicksalsgemeinschaft
mehr besteht und das Eheschutzverfahren nur noch der Scheidungsvorbereitung dient. Daran
ändert auch die auf zwei Jahre verkürzte Trennungsfrist nichts. ZR 100 Nr. 24 und ZR 103 Nr. 2
werden daher bestätigt, BGE 116 II 21 weiterhin abgelehnt. Eine Beibehaltung der
Errungenschaftsbeteiligung ist nur in Ausnahmefällen angezeigt, so z. B. wenn ansonsten
Ansprüche aus berufliche Vorsorge vereitelt würden oder eine wirtschaftliche Verflechtung
zwischen den Ehegatten fortbesteht.
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36 ZR 104 (2005) Nr. 51: Kostenauferlegung bei Freispruch und Einstellung des
Strafverfahrens
die Prinzipien, welche aus der Unschuldsvermutung im Sinne von Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6
Ziff. 2 EMRK abgeleitet werden, gelten in allen Strafverfahren, das heisst auch im
Privatstrafklageverfahren.
Durch die Kostenauflage darf daher nicht der Eindruck erweckt werden, der Beschuldigte habe
sich strafbar gemacht. Eine Kostenauflage kommt nur bei widerrechtlichen Verhalten, nicht aber
bei sittenwidrigem oder ethisch vorwerfbarem Verhalten in Frage.
Eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 ZGB kann daher eine Kostenauflage
rechtfertigen. Unter Umständen kann dies auch ein rechtsmissbräuchliches Einsetzen von
Verfahrensrechten. Dabei ist allerdings mit Zurückhaltung vorzugehen: "Nicht jedes unliebsame
oder unbequeme Verhalten eines Beteiligten[darf] vorschnell als rechtsmissbräuchlich qualifiziert
werden." Bei der Wahrnehmung von Verfahrensrechten muss der Angeklagte vielmehr „ ein
hinterhältiges, gemeines oder krass wahrheitswidriges Benehmen an den Tag gelegt haben. "
37 ZR 104 (2005) Nr. 52
die Verletzung beziehungsweise Umgehung von (in casu liechtensteinischen)
Auslieferungsbestimmungen kann ein Verfahrenshindernis darstellen. Dies aber nur dann, wenn
die Behörde gegen Treu und Glauben vorgegangen ist, und zum Beispiel den ahnungslosen
Angeschuldigten in die Schweiz „gelockt“ hat.
38 ZR 104 (2005) Nr. 53: Kommerzialisierung eines Rechtsmittels (Baurekurs)
die Kommerzialisierung eines Rechtsmittels kann sittenwidrig und damit ungültig sein, wenn
dadurch nicht eine Beeinträchtigung des Nachbarsgrundstücks entschädigt, sondern der
drohende Verzögerungsschaden kommerzialisiert wird (BGE 123 III 101).
Zusätzlich zur bundesgerichtliche Rechtsprechung ist allerdings zu fordern, dass der Ausgleich
des Schadens des Nachbars alleine nicht reicht, damit die Vereinbarung als unproblematisch
erscheint: wer sich für den Rückzug oder die Nichteinreichung eines Rechtsmittels für einen
Wertverlust eine Zahlung versprechen lässt, muss zudem „ mindestens in guten Treuen davon
ausgehen dürfen, dass dieser Schaden nicht einträte, wenn er das Rechtsmittel durchföchte.
Andernfalls ist sein Verhalten sittenwidrig." (S. 204)
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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
das Obergericht vertritt in seinem Entscheid eine Beweismaßsenkung für den Bauenden, da die
Baubewilligung erteilt worden sei. Vermutungsweise sei daher davon auszugehen, dass das
Bauprojekt den Vorschriften entsprochen habe. Da der Nachbar die angebliche Rechtswidrigkeit
der Baute nicht hinreichend substantiierte, war sein Anspruch nicht zu schützen. Ob der Nachbar
diese Umkehr der Beweislast hätte mitgeteilt werden müssen (§ 55 ZPO) lässt das Obergericht
offen, da die Vorinstanz, das heisst das Bezirksgericht, die mangelnde Substantiierung im Urteil
moniert hatte und damit die entsprechenden Noven zulässig gewesen wären (vergleiche auch ZR
100 (2001) Nr. 27).
39 ZR 104 (2005) Nr. 57 Rechtsmittelweg beim Handelsregister
Handelsregisteramt  Rekurs Direktion der Justiz und des Innern  Beschwerde 
Verwaltungsgericht
40 ZR 104 (2005) Nr. 58
haben sich die Ehegatten vertraglich auf Unterhaltsleistungen während des Getrenntlebens
geeinigt, so ist es nicht Sache des Eheschutzrichters, Beiträge rückwirkend, das heisst für
Zeiträume vor der Einleitung des Eheschutzverfahrens, festzusetzen, es sei denn, die
Vereinbarung hätte ausnahmsweise nicht genehmigt werden können (wegen Unklarheit oder
Unzulässigkeit, vgl. § 188 Abs. 3 ZPO) oder sie betreffe den Kinderunterhalt.
41 ZR 104 (2005) Nr. 60: Einleitungsverfahren beim Haftungsgesetz
1) Vorverfahren nach § 22 Abs. 1 lit. b Haftungsgesetz:
Schadenersatzbegehren an Gemeinderat tritt an Stelle des Sühnverfahrens
einzureichen innerhalb einer Frist von zwei Jahren
2) Stellungnahme des Gemeinwesens
3) Klageeinleitung beim Bezirksgericht
Jahresfrist seit der Ablehnung (§ 24 Abs. 2 Haftungsgesetz)
die Passivlegitimation (in casu Gemeinde oder Kanton) ist erst im materiellen Entscheid zu
prüfen. Da vorliegend Ansprüche gegen eine Gemeinde geltend gemacht wurden, wurde das
Verfahren bei der zuständigen Behörde, nämlich beim Gemeinderat, eingeleitet. Ergibt sich, dass
nicht die Gemeinde, sondern der Kanton hafte, so wäre die Klage gegen die Gemeinde materiell
abzuweisen.
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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
42 ZR 104 (2005) Nr. 61: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheide
in casu war strittig, ob die Anerkennung gestützt auf das NYÜ oder auf das IPRG erfolgen soll. Da
die eidgenössische Berufung ohnehin unzulässig ist, da keine Zivilsache vorliegt, ergibt sich eine
Spaltung des Rechtsmittelwegs:
Rügen betreffend das IPRG können mit der staatsrechtlichen Beschwerde nicht gerügt werden,
so dass die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde zulässig ist.
Rügen betreffend das New Yorker Übereinkommen hingegen können - als Verletzung eines
Staatsvertrags - mit der staatsrechtlichen Beschwerde geltend gemacht werden.
Im vorliegenden Fall wurde geltendgemacht, dass die Entscheidung gestützt auf Art. 27 IPRG
nicht anerkennt werden könne, da die Schiedsrichter von einem anderen, parallelen Verfahren
her, vorbefasst gewesen seien.
Von Amtes wegen wird die Vorbefassung allerdings nur dann beachtet, wenn sie im gleichen
Verfahren erfolgt ist, nicht aber in bloss zusammenhängenden Prozessen. Folglich wäre ein
Ablehnungsbegehren erforderlich gewesen, andernfalls der Mangel geheilt wäre. Denn auch
diese Heilung beurteilt sich unter der Anwendbarkeit von Art. 27 IPRG nach schweizerischem
Recht.
43 ZR 104 (2005) Nr. 62: Affidavit
SV: ein Anwalt holte bei einer Drittperson ein Affidavit ein und verfasste selber ein solches. Es
erfolgte eine Anzeige an die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte.
Diese stellte fest, dass keine Verletzung der anwaltlichen Pflichten vorliege, dass hingegen folge man der bundesgerichtliche Praxis - ein Verdacht auf eine Verletzung von Art. 271 StGB
vorliege. Die Aufsichtskommission erstattete folglich Anzeige.
Die Staatsanwaltschaft hingegen stellt das Verfahren mangels Tatverdacht ein:
nach Auffassung des Bundesgerichts (BGE 114 IV 128) sei zwar jede Befragung eines Dritten für
ein ausländisches Verfahren tatbestandsmäßig. Im Kanton Zürich setzte eine Zeugenbefragung
aber eine Befragung durch einen Beamten und die Einhaltung besonderer Formvorschriften
voraus.
Nun komme es aber vor, dass Anwälte mit potentiellen Zeugen Gespräche führen und deren
Inhalt über eigene Schriften in den Prozess einbringen. Solange dabei kein Einfluss auf die
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Zusammenfassung ZR 104 (2005) – Oliver M. Kunz – 14.05.2016
Zeugen genommen werde, sei dies weder strafrechtlich noch standesrechtlich bedenklich (S.
233).
Es könne nun aber nicht sein, dass dieses Vorgehen bei ausländischen Verfahren „ plötzlich
strafbar sein soll[...]“.
44 ZR 104 (2005) Nr. 63: Verfahrens interne Kritik des Rechtsanwaltes
Es ist nicht nur das Recht „sondern geradezu die Pflicht des Anwaltes, Missstände aufzuzeigen und
Mängel des Verfahrens zu rügen. Der Preis, der für diese unentbehrliche Freiheit der Kritik an der
Rechtspflege zu entrichten ist, besteht darin, dass auch gewisse Übertreibungen in Kauf zu nehmen
sind. [...] Standeswidrig und damit unzulässig handelt der Anwalt bei innerhalb des Verfahrens
geäusserter Kritik nur, wenn er eine Rüge wider besseres Wissen oder in ehrverletzender Form
erhebt statt sich auf Tatsachenbehauptungen und Wertungen zu beschränken.“ (S. 234).
45 ZR 104 (2005) Nr. 64: Zulässigkeit der Mehrfachvertretung
die Vertreter mehrerer Parteien vor Gericht ist zulässig, solange die Interessen der Klienten
gleichlaufen. Sobald Divergenzen auftreten, sind aber alle Mandate niederzulegen.
46 ZR 104 (2005) Nr. 67: „ gewöhnlicher Arbeitsort“ nach Art. 24 GestG
mit dem gewöhnlichen Arbeitsort wird nach Art. 24 GestG der hauptsächliche Arbeitsort
bezeichnet, das heisst der tatsächliche Mittelpunkt der beruflichen, arbeitsvertraglichen Tätigkeit
des Arbeitnehmers.
47 ZR 104 (2005) Nr. 68
(Rechtslage vor Inkrafttreten des BVE). Verdeckte Ermittlungen im Chat.
Die verdeckte Ermittlung war genehmigungsbedürftig, da der Zweck der Ermittlung im
wesentlichen die Beweisaufnahme war.
Die Untersuchungsbehörden handelten einer Auflage des Genehmigungsentscheids des
Präsidenten der Anklagekammer zuwider.
Zudem lag ein Verstoß gegen § 106c Abs. 3 StPO vor, da die Untersuchungsbehörden den
Tatentschluss gefördert hatten.
48 ZR 104 (2005) Nr. 69: Rechtöffnung bei einem ausländischen Entscheid
Rekurs ist zulässig nicht nur gegen die Vollstreckbarerklärung, sondern auch gegen die
Rechtöffnung. Eine Spaltung des Rechtswegs wäre „ prozessualer Widersinn“.
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49 ZR 104 (2005) Nr. 70: Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen
das Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen, gilt auch für Aussagen, die nicht für den
Schuldpunkt, sondern für den Strafpunkt (Inklusive Nebenstrafen, in casu Landesverweisung)
verwendet werden.
50 ZR 104 (2005) Nr. 71
die Vertretungsbefugnis ist ausgeschlossen für Geschäfte des Verwaltungsrats, die er in Konflikt
mit den Interessen der AG abschließt.
Ein solcher Konflikt liegt indes nicht vor, wenn der Verwaltungsrat Alleinaktionär ist und die
anderen Verwaltungsräte nur treuhänderisch Aktien in seinem Interesse halten.
Mit Eröffnung des Konkurses werden aber nicht nur die Vermögensrechte des Aktionärs, sondern
auch dessen Mitwirkungs- und Schutzrechte von der Konkursverwaltung ausgeübt. Dies führt
dazu, dass in casu trotzdem ein Interessenkonflikt vorlag und keine stillschweigende
Genehmigung des interessenwidrigen Geschäfts durch die Generalversammlung mehr
anzunehmen war.
Der gute Glaube des Dritten wurde verneint, da die Konkurseröffnung im SHAB publiziert
worden war. Folglich trat keine Vertretungswirkung ein.
51 ZR 104 (2005) Nr. 72: Insiderhandel beim going private von Hilti AG
der Anklagegrundsatz verlangt nur, dass für den Angeklagten keine Zweifel darüber bestehen,
welches konkrete Verhalten ihm vorgeworfen wird.
Der Entscheid enthält eine ausführliche Begründung der Verurteilung des CEO der
Revisionsgesellschaft als Tippgeber, sowie der Verurteilung des Tippnehmers.
52 ZR 104 (2005) Nr. 73: vorzeitige Herausgabe (Zuweisung) von Deliktsgut an den
Geschädigten
die vorliegend zu beurteilende Streitigkeit hat schon zu diversen (publizierten)
Gerichtsentscheiden Anlass gegeben: zu erwähnen ist namentlich
-
die von der Geschädigten erhobene und vom Bundesgericht gutgeheißene staatsrechtliche
Beschwerde gegen die Ablehnung des Gesuchs um Beschlagnahmung (BGE 126 I 97).
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-
Die von der Investmentgesellschaft erhobene und vom Bundesgericht gutgeheißene
staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Herausgabe der beschlagnahmten Vermögenswerte
zu Handen der Geschädigten (Urteil des Bundesgerichts vom 27.5.2002).
Achtung: der Entscheid erging noch vor der Revision von § 106 A. StPO am 1. Januar 2005.
Die Feststellungen des Kassationsgerichts haben aber dennoch weiterhin eine Bedeutung:
1) die Beschwerdeführerin kann – als von der Einziehung etc. Betroffene – eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde führen, so dass sich die Frage der Verletzung von Bundesrecht im
kantonalen Kassationsverfahren nicht stellt.
2) § 106 a StPO regelt nicht die Voraussetzungen der vorzeitigen Zuweisung von Deliktsgut an
einen Geschädigten. Vielmehr wird dort nur das Verfahren betreffend die selbstständige
Einziehung geregelt. Die Voraussetzungen für die Einziehung beurteilen sich abschließend
nach Bundesrecht. Für die vorzeitige Zuweisung finden immerhin die Paragraphen 106 ff.
StPO analoge Anwendung, was das Verfahren betrifft. So beurteilt sich namentlich die
örtliche Zuständigkeit zur Anordnung der vorzeitigen Zuweisung analog zu § 106 A. StPO.
3) In einem Einziehungsverfahren wird die Unschuldsvermutung dann verletzt, wenn die
Einziehungsmassnahme trotz eines nicht verurteilenden Entscheids im Strafverfahren (z. B.
wegen Verjährung) direkt oder indirekt Erwägungen enthält, wonach der Angeklagte bei
Fortsetzung des Strafverfahrens bestraft worden wäre. Die vorfrageweise Feststellung des
Vorliegens einer strafbaren Handlung verstösst hingegen nicht gegen die
Unschuldsvermutung.
4) Im Verfahren betreffend Einziehung im Sinne von Art. 58 f. StGB besteht ein Anspruch auf
ein öffentliches Verfahren im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Wenn ein Verfahrensbeteiligter
daher eine mündliche Verhandlung verlangt, so ist diesem Begehren stattzugeben.
Der Entscheid des Kassationsgerichts wurde wiederum mit staatsrechtliche Beschwerde
angefochten, die allerdings mit Urteil vom 9.8.2005 abgewiesen wurde (6P.119/2004).
53 ZR 104 (2005) Nr. 74: Arztgeheimnis
Anlässlich der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens wurde der frühere Arzt des
Exploranden telefonisch konsultiert und dessen Aussagen flossen ins Gutachten ein.
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Damit wurde ein Nichtigkeitsgrund gesetzt, denn die Aussage eines zur Verschwiegenheit
verpflichteten Arztes darf nicht verwertet werden, solange nicht die Zustimmung des
Geheimnisherren oder der Aufsichtsbehörde vorliegt.
54 ZR 104 (2005) Nr. 75: Strafantrag des Liegenschaftsverwalters bei Hausfriedensbruch
die Legitimation zur Stellung eines Strafantrags kommt bei der Verletzung einer juristischen
Personen all jenen Personen zu, die ausdrücklich oder stillschweigend beauftragt sind, die in
Frage stehenden Interessen der juristischen Person zu wahren, beziehungsweise den
betreffenden Vermögenswert zu verwalten. Es ist daher nicht erforderlich, dass der
Strafantragsteller zeichnungsberechtigt ist.
55 ZR 104 (2005) Nr. 76: Prozessentschädigung und Mehrwertsteuer
An eine selber nicht mehrwertsteuerpflichtige Partei ist – wie bis anhin – eine
Prozessentschädigung zuzüglich MWSt auszurichten.
Ist die obsiegende Partei allerdings selber mehrwertsteuerpflichtig, so würde eine Ausrichtung
der Mehrwertsteuer zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen, da sie die von ihr bezahlte
Mehrwertsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugs zurückerlangen kann.
Ist einer mehrwertsteuerpflichtigen Partei eine Prozessentschädigung zuzusprechen, hat dies
somit ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer zu erfolgen.
Macht eine anspruchsberechtigte Partei geltend, dass sie nicht in vollem Umfang zum Abzug der
Vorsteuer berechtigt sei, hat sie dies darzulegen und auszuweisen. Diesfalls ist der Zuschlag für
die Mehrwertsteuer anteilsmässig anzupassen.
56 ZR 104 (2005) Nr. 77 „in dubio pro reo“ versus Unschuldsvermutung
das Kassationsgericht hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der Grundsatz „in dubio pro
reo“ auch im Bereich der Strafzumessung Anwendung finde. Es führte aus, dass die
Unschuldsvermutung sich nur auf Schuld und Nichtschuld beziehe, während der Grundsatz "in
dubio pro reo" gemäss der Lehre Anwendung findet auf sämtlichen tatsächlichen
Voraussetzungen der Schuld- und Straffrage sowie auf die prozessualen Voraussetzungen der
Strafverfolgung.
Das Obergericht selber, betrachtet den Grundsatz "in dubio pro reo" als einen allgemein gültigen
strafprozessualen Grundsatz, der für alle Bereiche des Strafprozesses gelte. Insofern gehe er über
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den Bereich der Schuld beziehungsweise Nichtschuld hinaus und findet auch Anwendung auf die
Strafzumessung.
Der Grundsatz betrifft einerseits die Verteilung der Beweislast und andererseits auch die
Würdigung der Beweise. Er beinhaltet damit eine Beweiswürdigungsregel wie auch eine
Beweislastregel.
Als Beweislastregel besagt der Grundsatz namentlich, dass es Aufgabe des Staates ist, die den
Beschuldigten belastenden Tatsachen nachzuweisen und dass dem Beschuldigten keine
nichtbewiesenen Umstände zur Last gelegt werden dürfen.
In casu wurde dies verletzt, indem auf eine Vermutung abgestellt wurde.
57 ZR 104 (2005) Nr. 78: paulianische Anfechtungsklage, objektive Gläubigerschädigung
bei der Tilgung einer Schuld aus einem Dienstleistungsvertrag
die Tilgung einer fälligen Schuld führt im allgemeinen ohne weiteres zu einer objektiven
Schädigung der anderen Gläubiger, wenn der Schuldner außer Stande ist auch seine anderen
Verpflichtungen im Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit zu tilgen. Eine Ausnahme ist immerhin
dann anzunehmen, wenn der Schuldner für seine Leistungen eine gleichwertige Gegenleistung
erhält, da eine solche zu einer blossen Umbuchung in den Aktiven führt und daher den
Deckungsgrad der Forderungen nicht verändert. Diese Ausnahme lässt sich allerdings nicht
anwenden auf Dienstleistungsverträge. Dies gilt auch dann, wenn die Dienstleistungen der
Sanierung der Unternehmung gilt. Diese Auffassung stützt das Handelsgericht im wesentlichen
auf den Grundgedanken des Konkursrechts, wonach das Ziel des Konkurses ist, die Gläubiger
gleichmäßig zu befriedigen. Es gehe nicht an, durch die Rechtsprechung zusätzliche
Konkursprivilegien zu schaffen.
Urteil des Handelsgerichts vom 13.6.2005. das Urteil wurde weitergezogen sowohl mit
kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde als auch mit Berufung an das Bundesgericht. Die
Nichtigkeitsbeschwerde wurde in der Folge gutgeheißen, im wesentlichen, weil kein
Beweisverfahren durchgeführt worden war.
58 ZR 104 (2005) Nr. 79: Entschädigungen für eine „spontane“ Eingabe
in casu hatte der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin dem Kassationsgericht spontan, dass
heisst ohne vom Gericht formell aufgefordert worden zu sein, eine Eingabe betreffend die
(Nicht-)Gewährung der aufschiebenden Wirkung eingereicht.
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Zwar ergeht der Entscheid vor Kassationsgerichts über die aufschiebende Wirkung in der Regel
ohne Anhörung der Gegenpartei. Immerhin besteht aber die Möglichkeit eines Gesuchs um
Wiedererwägung. Statt dessen steht auch die Möglichkeit einer Einsprache an das
Kassationsgericht offen. Trotzdem kann die Gewährung der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerdegegnerin Nachteile verursachen. Es ist ihr deshalb ein legitimes Interesse an einer
spontanen Stellungnahme zuzugestehen. Der Aufwand für eine entsprechende Eingabe ist daher
als durch das Beschwerdeverfahren verursacht zu entschädigen.
59 ZR 104 (2005) Nr. 80
grundsätzlich ist es zwar Sache der Parteien, dem Gericht das Tatsächliche des Rechtsstreits
darzulegen; der Richter legt seinem Verfahren nur behauptete Tatsachen zu Grunde (§ 54 ZPO).
Die Verhandlungsmaxime gilt indes nicht absolut: So darf unter Umständen abweichend von der
Verhandlungsmaxime auf nicht (beziehungsweise nicht genügend substantiiert) behauptete,
aber durch das Beweisverfahren erwiesene Tatsachen abgestellt werden. Wesentlich ist in diesem
Fall immerhin, dass die Parteien Gelegenheit erhalten, sich zu äußern und allenfalls neue
Behauptungen aufzustellen.
Nicht bestrittene Tatsachenbehauptungen, sind grundsätzlich ohne weitere Prüfung als
zugestanden beziehungsweise als richtig hinzunehmen. Erst recht hat der Richter damit
Tatsachen zu beachten, die von der Gegenseite anerkannt worden sind (sog. „Zugaben“ oder
„Geständnisse“). Die Verhandlungsmaxime ist verletzt, wenn zugestandene Tatsachen nicht
beachtet werden.
Ob aber überhaupt ein Geständnis vorliegt, ist vom Richter unter Berücksichtigung des gesamten
Inhalts der Vorbringen und des Verhaltens der Partei zu beurteilen. Einer Partei steht es
namentlich frei, auch Eventualstandpunkte zu vertreten, auf denen sie nicht behaftet werden
darf.
60 ZR 104 (2005) Nr. 83: Stufenklage
die Stufenklage besteht aus zwei Rechtsbegehren: einerseits dem Hauptanspruch auf Leistungen
und andererseits dem Hilfsanspruch auf Rechnungslegung.
Ein erstes Begehren lautet also dahin, die Beklagte sei zu verpflichten abzurechnen; das zweite
Begehren dahin, sie sei zu verpflichten, gemäss Abrechnungsergebnis zu bezahlen.
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Wird die Verletzungsklage gutgeheißen, so ergeht die Verpflichtung zur Abrechnung als
berufungsfähiges Teilurteil. Die Frist zur Abrechnung läuft dabei ab Rechtskraft des Teilurteils,
weil der Abrechnungsanspruch die rechtskräftige Feststellung der Verletzung voraussetzt.
Entsprechend wird die Schadenersatzfrage (und das entsprechende Hauptverfahren)
automatisch in einem nachgelagerten Verfahren beurteilt, ohne dass es eines prozessleitenden
Entscheides hierfür (oder eines entsprechenden Antrags) bedürfte.
(Urteil des Handelsgerichts, Beschluss vom 14.2.2005)
61 ZR 104 (2005) Nr. 84:
wer schuldlos nicht in der Lage war, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen, macht
sich auch dann nicht strafbar, wenn er später in der Lage wäre, die Zahlungsrückstände zu
begleichen, dies aber unterlässt.
Diese rührt daher, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale, namentlich die Leistungsfähigkeit und
der Vorsatz im Zeitpunkt der Fälligkeit bestanden haben müssen.
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