Deutsches Wirtschaftswachstum

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Nichtwähler – Sinkende Wahlbeteiligung in Deutschland
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Demokratie – und 40 Prozent bleiben zu Hause?
Der Jubel der Gewinner ist am Wahltag grenzenlos, die
Enttäuschung der Verlierer ebenso. Unter der Oberfläche der Gefühle gibt es jedoch Tatsachen, die mehr
enthalten als nur reine Zahlen der Gewinner- und
Verliererseite: Die Wahlbeteiligung beträgt bei vielen
Landtagswahlen nicht einmal 60 Prozent, auch der
Bundestagswahl bleibt etwa ein Drittel aller Wahlberechtigten fern – von den Europawahlen ganz zu
schweigen.
Wer nicht wählt, wählt trotzdem mit. Nichtwähler werden
nämlich nicht durch leere Sitze im Parlament repräsentiert. Die Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, teilen sich alle Sitze im Parlament. Sie bekommen also den ganzen Kuchen, auch die Sitze, für
die Nichtwähler nicht gestimmt haben. Vereinfacht gesagt: Die Stimmen der Wähler erhalten durch die Wahlverweigerung der Nichtwähler größere Wirkung.
Warum aber gehen so viele Menschen nicht (mehr)
wählen? Die Wahlbeteiligung – deutlich auch bei den
Landtagswahlen zu sehen – ist seit längerer Zeit rückläufig. Bei den letzten Landtagswahlen lag die Wahlbeteiligung, je nach Bundesland, zwischen 67 und 48
Prozent. Bei den Bundestagswahlen gingen bis in die
1970er-Jahre zwischen 80 und 90 Prozent der Wahlbe-
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Meinungsaustausch unter Nichtwählern
„Die niedrige Wahlbeteiligung ist durch die Unglaubwürdigkeit der Politiker entstanden.“ Kerstin, 34
rechtigten zur Urne, seit 2002 sind es immer weniger
als 80 Prozent gewesen; 2013 lag der Anteil bei 73
Prozent. Die Europawahlen der vergangenen zehn
Jahre erreichten nie auch nur 50 Prozent Wahlbeteiligung in Deutschland (2004: 43 Prozent, 2009:
43,3 Prozent, 2014: 48,1 Prozent).
Sind die Nichtwähler faul, dumm oder handeln sie unverantwortlich? Oder haben sie bewusst nicht gewählt,
etwa um zu protestieren oder weil ihnen die bestehenden Parteien keine annehmbare Politik versprechen?
Kann man ihnen daraus einen Vorwurf machen? Oder
sollte jeder wählen gehen, auch wenn man seine
politischen Wünsche nur teilweise oder kaum erfüllt
sieht? Ist Wählen eine bürgerliche Pflicht oder eine
Möglichkeit, die anzunehmen jedem Wahlberechtigten
offensteht, ohne sich für das Nichtwählen schämen zu
müssen? Liegt der Schwarze Peter bei den Nichtwählern oder vielleicht bei den Parteien, die so viele
Menschen offenbar nicht mehr erreichen mit ihrer
Politik?
Nichtwähler entscheiden die Wahlen. Gingen Millionen
von ihnen zur Wahl, könnten sie das Wahlergebnis
völlig anders ausgehen lassen. Sie tun es nicht. Das ist
ihr demokratisches Recht. Aber ist es auch klug?
Autorentext
„Egal, wie man wählt, ändern tut sich eh nichts.“
Nicole, 42
„Eine geringe Wahlbeteiligung ist nicht so schlimm,
wenn wir keine Krise haben.“ Benedikt, 16
„Das Vertrauen in die Politik und speziell in die Politiker
hat stark nachgelassen.“ Peter, 70
„Es ist eigentlich egal!“ Ronny, 28
„Menschen wissen nicht mehr so genau, wen sie
wählen können.“ Ernst-Otto, 60
„Eine Wahlbeteiligung von 20 Prozent wäre mal ein
Weckruf für die Politiker.“ Kevin, 28
„Auf Bundes- und Europaebene kann man nichts erreichen, weil der Wähler in Brüssel nichts zu melden hat.“
Florian, 28
Quelle: Ist die sinkende Wahlbeteiligung in Deutschland ein
Problem? Unter:
http://wahllos.de/Debatten/ist-die-sinkende-wahlbeteiligung-indeutschland-ein-problem/static,Debatten,Wahlbeteiligung_de.htm
(Zugriff: 19.09.2014) © Axel Springer Akademie, Berlin.
„Die Politiker machen eh, was sie wollen.“ Andreas, 57
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Nichtwählertypen
Die politische Wissenschaft beschreibt unterschiedliche
Typen von Nichtwählern. Der Politologe Oskar Niedermayer von der FU Berlin hat vier Kategorien entwickelt.
Was bringt es, in dieser bestimmten Situation zu wählen? Vor jeder Wahl stellt sich der abwägende Nichtwähler diese Frage. Wenn es eine Partei gibt, die seine
Interessen vertritt, wenn die Themen überzeugen und
er an deren Umsetzung glaubt – dann schreitet er zur
© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2014. Autor: Heinrich Lübbert, Steinhagen
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Urne. Nicht zu wählen, ist keine Lebenseinstellung, dazu macht sich dieser Typus zu viele Gedanken um die
Politik. Aber wenn er sich zum Wahlzeitpunkt nicht vertreten fühlt, lässt ihn die Wahlbenachrichtigung kalt.
Abwägende Nichtwähler stellen die größte Gruppe unter den Nichtwählern.
Der gleichgültige Nichtwähler hat einfach keinen Draht
zur Politik. Er denkt sich: „Was geht mich das an?“
Möglicherweise hat er keine Lust, sich zu informieren
und sich eine eigene Meinung zu bilden, im Extremfall
weiß er nicht einmal, wer das Land regiert. Einer Umfrage des Forschungsinstitutes Allensbach zufolge
wächst die Zahl der Gleichgültigen stetig an.
Die unzufriedenen Nichtwähler sind politisch gebildet
und informiert – und auf Grund dieses Wissens treffen
sie eine bewusste Entscheidung: Ihre Wahlenthaltung
ist Ausdruck ihrer Protesthaltung. Diese kann sich
gegen einzelne Politiker oder das gesamte System
richten.
Manchmal sind es aber auch Zufälle oder Wendungen
im Leben, die eine Stimmabgabe verhindern. Sei es
Tod, Geburt, ein Krankenhausaufenthalt oder andere
Umstände – wer bis zum Abend des Wahltages seine
Stimme nicht abgegeben hat, obwohl er oder sie im
Wählerverzeichnis gelistet ist und eigentlich wählen
wollte, gehört zur Kategorie der verhinderten Nichtwähler.
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Die Partei der Nichtwähler ist kompromissbereit und
offen zur Zusammenarbeit mit den etablierten Parteien
und deren Vertretern, aber nicht auf der Basis von Koalitionsverträgen, sondern mit Einzelfallentscheidungen
für die jeweils beste Lösung.
Partei der Nichtwähler – Damit wählen wieder Sinn
macht
Als Nichtwähler wählen gehen? Ein Widerspruch? Nein,
denn nun haben Nichtwähler das gute Gewissen, dass
sie ihre Stimme einer unabhängigen Kraft geben
können, die den etablierten Parteien sagt: „Stopp, sonst
wenden sich immer mehr enttäuscht von der Politik ab.“
Damit wir gehört werden, nennen wir uns: Partei. Denn
wir wollen als Stimme der Nichtwähler mit unseren
Forderungen nach Reformen des Politikbetriebs gehört
werden. Die Partei der Nichtwähler will die Nichtwähler
wieder ins politische System zurückholen, aus dem sie
sich verabschiedet haben. Entgegen dem Anschein,
den der Name vermittelt, hat sie also eine positive
Ausrichtung.
Ziel ist, den politisch Frustrierten wieder Hoffnung auf
grundlegende Veränderung und Reform der Politik zu
geben und ihnen statt des „Neinsagens“ eine Stimme
zu geben, indem sie sich für das Reformprogramm der
Partei der Nichtwähler aussprechen. Die negative Abkehrhaltung von der Politik soll in ein positives Reformbemühen umgewendet werden.
Insofern leistet die Partei der Nichtwähler einen Beitrag
zur Stärkung der Demokratie, indem Menschen, die die
Hoffnung auf ein sinnvolles politisches Mitgestalten
aufgegeben haben, wieder ins System zurückgeholt
werden. Es ist gleichzeitig ein Beitrag zur Verhinderung
von Links- und/oder Rechtsextremismus. […]
Quelle: Henrik Jacobs, Romy Schwaiger, Christopher Clausen,
Niclas Renzel: Portraits der einzelnen Nichtwählertypen. Unter:
http://wahllos.de/abwaegend/static,PortraetAbwaegend_de.htm,
http://wahllos.de/gleichgueltig/static,PortraetDesinteresse_de.htm,
http://wahllos.de/unzufrieden/static,PortraetUnzufrieden_de.htm,
http://wahllos.de/verhindert/static,PortraetVerhinderter_de.htm
(Zugriff: 19.09.2014) © Axel Springer Akademie, Berlin.
Deshalb hat die Partei der Nichtwähler bewusst kein
detailliertes Programm zu politischen Einzelproblemen,
sondern ein knappes Grundsatzprogramm. […]
Die Partei der Nichtwähler bietet den vielen politischen
Reform-Bewegungen, die sich in der letzten Zeit gebildet haben und die ständig wachsen, aber selbst nicht
parlamentarisch-politisch tätig sein wollen, die Möglichkeit, ein Sprachrohr ihrer Interessen im Parlament
zu haben.
Insofern hat die Partei der Nichtwähler gegenüber den
vielen Reform-Initiativen, -Netzwerken und -Organisationen eine Art Alleinstellungsmerkmal, als sie die direkte parlamentarische Mitwirkung anstrebt, um die Forderungen nach politischen Reformen durchzusetzen.
Die Partei der Nichtwähler ist keine Partei im üblichen
Sinne, sondern eher wie die amerikanischen Parteien
eine Plattform für Sympathisanten, die sich mit den
Zielen der Partei identifizieren. Es gibt kein Parteibuch,
keinen Mitgliedsbeitrag, keinen Mitgliedsausweis. Man
kann sich ohne weitere Verpflichtung zu ihr bekennen
und auch ohne Begründung sich wieder von ihr lösen.
Quelle: ...damit wählen wieder Sinn macht! Selbstverständnis der
„Partei der Nichtwähler“. Unter:
http://www.parteidernichtwaehler.de/grundsaetze.php (Zugriff:
19.09.2014) © Partei der Nichtwähler.
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M5
Kommt die Wahlpflicht?
Quelle: © Bernd Zeller
Arbeitsvorschläge:
1. Beschreibt mithilfe von M 1 die Entwicklung der Wahlbeteiligung
bzw. die Anteile der Nichtwähler bei den Landtags-, Bundestagsund Europawahlen in Deutschland.
2. Jubel nach jeder Wahl: Vergleicht dieses Verhalten mit euren
Ergebnissen aus AV 1.
3. Analysiert ausgehend von M 2 die Beweggründe von Nichtwählern.
4. Erstellt ein Schaubild (z. B. eine Mindmap) zur Frage, welche
Nichtwählertypen es gibt.
5. Die Partei der Nichtwähler stellt sich in M 4 als Alternative dar.
Untersucht, was an ihr „alternativ“ ist. Nehmt dabei Stellung zu den
Aussagen der Partei und der Frage, ob eine Partei ohne Programm
als Partei zu betrachten ist.
6. a) Diskutiert abschließend in der Gruppe, ob Nichtwählen akzeptabel
ist oder nicht.
b) Bezieht dabei die Karikatur M 5 mit ein. Sollte eurer Meinung nach in
Deutschland die Wahlpflicht eingeführt werden?
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Nichtwähler – Sinkende Wahlbeteiligung in Deutschland
Lösungsvorschläge:
AV 1
Die Wahlbeteiligung hat insgesamt nachgelassen. Lag sie bis in die 1970er Jahre regelmäßig bei 80 bis 90 Prozent,
so bewegt sie sich heute – je nach staatlicher Ebene – zwischen 75 Prozent und deutlich unter 50 Prozent
(Europawahlen/Landtagswahlen vor allem in den neuen Bundesländern). Im Umkehrschluss bedeutet das: Immer
mehr Wahlberechtigte gehen nicht (mehr) zur Wahl.
AV 2
Der Jubel der Parteien nach Wahlen täuscht oft über das wahre Wahlergebnis, denn bei hohen Nichtwähleranteilen
entsprechen die Stimmanteile der einzelnen Parteien bei weitem nicht dem Rückhalt aus der Bevölkerung. Liegt die
Wahlbeteiligung bei ca. 50 Prozent, so halbieren sich die Anteile – gemessen an der wahlberechtigten Bevölkerung.
Selbst die großen Volksparteien (meist „Wahlgewinner“) werden dann von weniger als einem Fünftel der
Wahlbevölkerung bestätigt – und von vier Fünfteln nicht gewählt. Für eine Legitimierung schafft das u. U. Probleme.
Die Frage lautet dann: Wen vertritt eine Koalitionsregierung, die nur von etwa einem Viertel der erwachsenen
Bevölkerung gewählt wurde?
AV 3
Gründe für die Wahlabstinenz sind vielfältig. Sie reichen vom persönlichen Desinteresse an Politik über die
Einschätzung der Politik als unglaubwürdig, mangelhaftes politisches Wissen, mangelndes Vertrauen in die
Wirksamkeit der eigenen Stimme, der Meinung, es werde sich nichts ändern bis hin zur bewussten Nichtwahl als
„Ohrfeige“ für die Politik.
AV 4
Das Schaubild könnte die folgenden Stichworte enthalten:
– abwägende Wähler (größte Gruppe)
– gleichgültige Nichtwähler (kein Interesse an Politik)
– unzufriedene Nichtwähler (Protest)
– zufällige Nichtwähler (ungünstige Umstände am Wahltag)
AV 5
Die Schülerinnen und Schüler können hier unterschiedlich argumentieren und sich der Argumentation der Partei der
Nichtwähler anschließen oder sie ablehnen. Naheliegend ist jedoch die Position, dass eine Partei ohne Programm
die Zukunft nicht nach bestimmten gesellschaftlichen Vorstellungen gestalten will. Die Wähler geben einer Partei
die Stimme, ohne zu wissen, welche Positionen die Parlamentsmitglieder anschließend einnehmen werden – eine
problematische Ausgangslage in einer Demokratie.
AV 6
a) Es sind individuelle Diskussionsverläufe möglich. Zum Thema „Nichtwählen“ könnten folgende Argumente
angebracht werden:
– Wählen ist die wichtigste Mitwirkungsform in einer Demokratie.
– Von der Teilnahme möglichst vieler Bürger hängt die Zukunft eines Landes ab.
– Eine geringe Wahlbeteiligung begünstigt radikale Parteien.
– Nichtwählen ist eine indirekte Form des Wählens zugunsten der Stimmen der Wählenden, deren Stimmen
verstärkt werden.
– Wahlrecht ist ein elementares Recht in der Demokratie – von der Wahrnehmung dieses Rechtes hängt die
Demokratie ab.
b) Die Karikatur zeigt eine radikale Alternative zur Freiheit der Wahl: die Wahlpflicht. In einer Demokratie, in der die
Wahl laut Verfassung frei ist, ist Wahlzwang schwer umzusetzen. Demnach bedeutet Zwang Unfreiheit und
widerspricht damit dem Geist der Demokratie.
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Andererseits könnte man auch mit dem Schutz des Wahlrechts argumentieren, was für eine Wahlhpflicht spräche.
Länder wie Belgien oder Luxemburg machen es vor und erreichen durch die Wahlpflicht regelmäßig
Wahlbeteiligungen von 90 Prozent. Diese Länder haben durchaus eine demokratische Tradition.
Für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Wahlpflicht können folgende Ansätze in der Diskussion
aufgegriffen werden:
– Nichtwähler müssten nach der Wahl „bestraft“ werden. Wer entscheidet, wie hoch die Strafe ist und welche
Nichtwähler mit einem Bußgeld belegt werden?
– Wie würde es sich mit den verhinderten Nichtwählern verhalten? Es müsste also erst geprüft werden, warum ein
Bürger nicht gewählt hat (hoher Aufwand und Kosten).
– Nichtwählern, die sich weigern zu zahlen, würde folgerichtig Haft drohen..
– Diejenigen, die dem Zwang nachgeben und zur Wahlurne schreiten, könnten leere oder ungültige Stimmzettel
abgeben. Der Effekt wäre der gleiche wie ohne Wahlzwang.
– Aus Protest wäre auch die Wahl radikaler Parteien möglich, die dann von dem Wahlzwang profitieren würden.
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