24.10.2001 Michael Rieth | Frankfurter Rundschau Mangelsdorff / Weber / Weber Höhen und Tiefen Eberhard ist der Maulwurf. Er unterminiert, er untergräbt, er schafft Luft für alles, was denn da entstehen mag. Albert ist in der Mitte des Biotops angesiedelt, er hält mit mehrstimmigen Harmonien das ganze Geflecht zusammen. Reto dagegen hockt ganz oben im Geflecht, pointiert und kommentiert. Die drei Instrumente, elektrischer Kontrabass, Posaune und Schlagwerk, bilden einen ganzen Mikro- und Makrokosmos ab, in dem sich Natur und Kultur gleichermaßen spiegeln. Es ist keine Combo- Arbeit, die von Mangelsdorff und den beiden Webers (eine zufällige Namensgleichheit) im Saal der Brotfabrik entsteht, sondern die durchsichtige Zusammenarbeit dreier hochkarätiger Solisten, die ihre Individualität einbringen und dennoch zu einem Gesamtklang finden, dessen Strukturen manchmal auseinander laufen, dass die Verbindungsfäden reißen, dann wieder zusammenkommen zu einer komplexen Bündelung. Und das Publikum wird in seiner spürbaren Spannung zum vierten Instrument eines Konzertes, das kleinsten gemeinsamen Nenner und größtes gemeinsames Vielfaches vereint. 17.03.1998 Tim Gorbauch | Frankfurter Rundschau Albert Mangelsdorff / Reto Weber Widersprüche Eigentlich war alles ja ganz anders geplant. Die Brotfabrik sollte nach ihrem Umbau wiedereröffnet werden, nicht unbedingt feierlich zwar und ohne Brimborium, aber immerhin. Doch Bauaufsicht und Brandschutz machten dem einen Strich durch die Rechnung und erteilten der Brotfabrik keine Spielerlaubnis für den Monat März. Jetzt steht man da mit all seinen Terminen, Verträgen und schönen Plänen und weiß nicht wohin mit seinen Musikern. Also ran ans Telefon und die Leiter der anderen Frankfurter Kulturzentren angerufen und um Hilfe gebeten. Die kam dann auch prompt, so daß alle Konzerte verlegt werden konnten, mal ins Bockenheimer Depot, mal ins Haus Dornbusch, mal ins Palais Jalta. Oder in den Mousonturm. Dessen Leiter, Dieter Buroch, gab sofort seine Zustimmung für die Verlegung des Eröffnungskonzerts in das Künstlerhaus. Keine schlechte Entscheidung, denn erstens sind der Frankfurter Albert Mangelsdorff und der Schweizer Reto Weber Ikonen des Jazz, und zweitens paßt das Konzert auch in das Konzept des Mousonturms, in Vorbereitung zum diesjährigen Buchmessenschwerpunkt den Kulturaustausch mit der Schweiz zu pflegen. So bliesen und trommelten sie also nun zu später Stunde in der Waldschmidtstraße - und zeigten dabei, daß man keine kompatiblen Temperamente braucht, um gute Musik zu machen. Mangelsdorff ist eher eine Koryphäe des spröden Klangs, seine oft zweistimmigen Tonläufe biegen sich nach innen, geben sich gerne sperrig und unzugänglich - wie eine Flaschenpost, die man erst sorgfältig entschlüsseln muß. Weber dagegen liebt das offensive Spiel, seine unzähligen Percussions-Instrumente nutzt er vor allem, um anzugreifen und immer dann noch mal zu beschleunigen, wenn die Grenze erreicht scheint. So setzte er Endlos-Steigerungen und Crescendo-Spiralen wie dereinst Rossini in seinen Ouvertüren, nur besser. Natürlich erschlug er damit manchmal Mangelsdorffs Posaune, doch den störte das nur wenig. Und uns auch nicht, denn die Widersprüche, die Weber und Mangelsdorff da auf der Bühne auslebten, befruchteten sich mehr, als daß sie sich neutralisierten. gor Bieler Musikszene: Reto Weber's Squeezeband Das ist tatsächlich eine Steeldrum Ist das Jazz? World Music? Hip-Rock? Reto Weber's Squeezeband schlägt mit «Squeeze Me» neuartige Töne an. Tobias Graden «Eigentlich spreche ich ja gar nicht gerne über Musik», sagt Roman Nowka - eine eher seltsame Aussage für einen Gitarristen, der derart viel Musik macht, stets mehrere Projekte am Laufen hat und nun auch bei einer der interessanteren Bieler Bands als Gitarrist mitwirkt. Beim erstmaligen Anhören von «Squeeze Me», dem Debütalbum von Reto Weber's Squeezeband, muss aber durchaus zuerst nach Worten zur Beschreibung gesucht werden. Da ertönt gleich zu Beginn, eine federnde, abgedämpft-helle Melodie. Ist das ein Steeldrum? In einer Jazzproduktion? Ja, es ist, bestätigt Nowka. Das Steeldrum ist nicht die einzige Besonderheit. Anstelle eines Schlagzeugs ist Human Beatbox Nino G. für den Beat zuständig. Perkussionist und Bandleader Reto Weber lässt ihm viel Raum. Bassist Samuel Kuehni und Gitarrist Nowka komplettieren das Quartett. Welche Art Musik entspringt dieser ungewöhnlichen Besetzung? «Wir wussten nicht von Anfang an, wies tönen soll», verrät Nowka. Der spezifische Sound sei erst nach und nach entstanden. Klar war: «Es sollte etwas Neues sein, das man so noch nie gehört hat.» Das Experiment ist gelungen - und eigenwillig. Tönt das Eröffnungsstück nach imaginierter World Music mit Karibikeinschlag, steuert der Jazz in «Last Beer Last Dance» den unberechenbaren Aberwitz bei. Nino G.s beatboxen bildet die Hip-Hop-Komponente, während Nowkas Gitarre mit dem Jazzrock ebenso spielt wie mit Versatzstücken aus dem Rock. «Ich mag den Begriff ‹World Music› nicht, aber ich denke, auf eine gewisse Weise trifft er tatsächlich zu», sagt Nowka. Mal fünf, mal zehn Minuten Als Gitarrist mit einem breit gefächerten Einflussspektrum (Monk, Farrell, Bach, Hendrix...) achtet Nowka darauf, dass er in die Squeezeband Elemente einbringt, die den Klang der anderen Bandmitglieder kontrastieren. Nicht selten ist dies eine psychedelische Note, obwohl das Quartett kaum mit Effekten und nicht mit Elektronik arbeitet. «Unsere Stücke entstehen recht schnell, und wir denken sie dann gar nicht so weit», sagt Nowka. Reto Weber's Squeezeband arbeitet mit relativ wenig fixem musikalischem Material, weiss dieses aber zu variieren: «Wir spielen festgelegte Stücke, aber die können mal fünf, mal zehn Minuten dauern. Manchmal passieren Sachen, die uns selber erstaunen», sagt Nowka. Dass Reto Weber's Squeezeband quasi ein Zwei-Generationen-Projekt ist (Weber hat Jahrgang 53, Nowka 80), stört die Beteiligten nicht. «Musikalisch merken wir das gar nicht, und menschlich haben wir ein sehr angenehmes Verhältnis», so der junge Gitarrist. Weber wolle, dass sich jeder einbringe. Die Squeezeband profitiert von Reto Webers Renommee und seinen Kontakten. Darum ist die Band bis Ende Jahr praktisch ausgebucht. Heute Abend tauft sie in Biel die Platte, am Wochenende folgt der Auftritt am Festival «Best Of Berne», im September folgt eine Südamerika-Tournee, im Oktober eine durch Australien. Roman Nowka freut sich sehr auf diese Tourneen, er hat bloss ein Problem: «Ich habe enorme Flugangst.»