Dr. med. dent. Gernot Besserweiß Zahnarzt Dr. Gernot Besserweiß Konfliktgäßle.1 1111 Zweifelstadt An das Amtsgericht Rechtsstadt Frau Richterin Machmich-Bitteschlauer Gerechtigkeitsgäßle 00 Telefon 0441 77 66 99 Telefax 0441 77 66 09 Email: besserweis@ b- 1234 Rechtsstadt an der Zweifel online.de 1. Exemplar von 4 _ Betrifft: Bezug: Anlage: Aktenzeichen - 16 C 18/20 pas sE/ 2000 XIII Beweisbeschluß vom 31.12.1999 Benennung als Gutachter durch ZÄK Obersachsen am 01.04.2000 Ernennung zum Gutachter am 02.04.2000 Erteilung des Auftrages durch Anschreiben des Gerichts vom 03.04.2000 Akzeptanz des Gutachtenauftrags durch den Unterzeichnenden vom 04.04.2000 Stellungnahme der DGZMK zur Behandlung psychosomatischer Patienten. Laut Beweisbeschluß vom 31.12.1999, nach Benennung als zahnmedizinischer Sachverständiger durch die Zahnärztekammer Obersachsen sowie nach Ernennung durch das Amtsgericht Rechtsstadt zum Gutachter ist der Unterzeichnende am 03.01.1999 beauftragt worden, in dem Rechtsstreit Dr. med. dent. Furiosus RAe Winkelzieher pp ./. Kaunichtgern RA Graphendreher das nachfolgende, zahnärztliche Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 2 - Gutachten über die Beklagte - die am 01. Januar 1900 geborene Diät - und Hungerkünstlerin Frau Elise K a u n i c h t g e r n , wohnhaft in 4321 Zahlnichstadt, Leidensweg Nr. 11 - zu erstellen. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 3 - A. INHALTSVERZEICHNIS TITELSEITE ("RUBRUM") ............................................... 2 A. INHALTSVERZEICHNIS ........................................... 3 B. EINLEITUNG .............................................................. 4 C. THEMA ........................................................................ 5 D. GRUNDLAGEN ........................................................... 6 E. VORGESCHICHTE ..................................................... 8 F. BEFUND..................................................................... 11 1. Klinischer Befund ........................................ 12 2. Prothetischer Befund .................................... 17 3. Zahntechnischer Befund .............................. 22 4. Funktioneller Befund .................................... 25 G. DIAGNOSE, DISKUSSION und WERTUNG ........ 38 H. ZUSAMMENFASSENDE WERTUNG ................... 40 I. SCHLUSSBEMERKUNG ......................................... 41 Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 4 - B. EINLEITUNG Die vorstehende Gliederung soll - medizinischer Methodik folgend - dem Leser ermöglichen, zwischen Fakten und Wertungen zu differenzieren. Unter der Überschrift Thema werden die Fragen des Beweisbeschlusses wiederholt und gegebenenfalls präzisiert. Unter Grundlagen sind alle Untersuchungsunterlagen aufgezählt, die während der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt wurden - beziehungsweise nicht berücksichtigt werden konnten. In der Vorgeschichte wird nicht die aus der Gerichtsakte bekannte Anamnese wiederholt, sondern es werden hier die auf gezielte Nachfragen gegebenen Antworten der Patientin über ihre subjektive Sicht der Sachverhalte wiedergegeben. Unter Befund sind alle Ergebnisse der entsprechenden Einzeluntersuchungen aufgeführt. Darunter sind jedoch üblicherweise noch keine Diagnosen enthalten, sondern es werden lediglich die Befunde beschrieben. Der Umfang der Beschreibungen dieser Befunde ist nicht gleichzusetzen mit dem Grad der Bedeutung, den sie für die Wertung hat, zu dem das Gutachten kommt. Umfang und Art dieser Beschreibungen werden statt dessen ausschließlich durch die Kompliziertheit des Sachverhaltes bzw. durch die Notwendigkeit, ihn für einen Laien ausreichend verständlich erklären zu müssen, bestimmt. Es werden hier auch die Ergebnisse derjenigen Untersuchungen aufgeführt, die im engeren Sinne nicht mit zum Auftrag des Beweisbeschlusses gehören, aber üblicherweise Bestandteil einer zahnärztlichen Routineuntersuchung sind. Sie dienen dem eventuellen zahnärztlichen (Nach-) Gutachter als Anhalt dafür, welche Untersuchungen durchgeführt wurden und welche nicht. Aus diesem Grunde ist auch der Gebrauch von Fachausdrücken unumgänglich, denn jede zahnärztliche Diagnose ist nur durch die Fachsprache unmißverständlich zu präzisieren. Den zahnärztlichen, immer apostrophiert dargestellten Fachbegriffen werden aber jeweils ihre deutschen Synonyme vorangestellt. Die Wertung der Untersuchungsergebnisse vor allem hinsichtlich der im Beweisbeschluß enthaltenen Fragestellung bleibt ausschließlich den Kapiteln Diagnose und Wertung und Zusammenfassende Wertung vorbehalten. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 5 - C. THEMA Gemäß Beweisbeschluß vom 31.12.1999 ist zu den folgenden Fragen Stellung zu nehmen: 1. Ist die prothetische Arbeit 'lege artis' - das heißt ‘den Regeln zahnärztlicher Kunst entsprechend’ 2. geplant, vorbereitet, hergestellt, hinsichtlich der Zahntechnik kontrolliert, eingepaßt, probegetragen, eingesetzt und nachkontrolliert worden? Inwieweit sind die Kronen/Brücken bzw. der abnehmbare prothetische Ersatz in zahntechnischer Hinsicht einwandfrei hergestellt und aus geeigneten und fehlerfrei verarbeiteten Materialien gefertigt worden? 3. Weist die prothetische Arbeit insbesondere folgende, subjektiv behauptete Mängel auf: Temperatur-Überempfindlichkeit der Pfeilerzähne? Lockert sich die Prothese beim Sprechen, Kauen, spontan? Werden Mißempfindungen/Schmerzen durch den prothetischen Ersatz hervorgerufen? Gibt es Weichteilkonflikte (Kollision mit Wangen, Lippen, Zunge?) Ästhetische Mängel hinsichtlich Form - Farbe - Stellung der künstlichen Zähne? Phonetische Mängel? 4. Mit welcher Lebensdauer der prothetischen Konstruktion ist inskünftig zu rechnen? 5. Wurden die Gebührenpositionen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) korrekt für die entsprechenden Leistungen angegeben und sind die für die Wahl der Höhe des jeweiligen Multiplikators geforderten formalen Kriterien beachtet worden? 6. Welche zahnärztliche Maßnahmen müßten ergriffen werden, um die Konstruktion zu ersetzen/nachzubessern, und welche Kosten würden dadurch entstehen? Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 6 - D. GRUNDLAGEN Das Gutachten stützt sich einerseits auf die Kenntnis der in der Gerichtsakte Nr. 16 C 18/20 pas sE/ 2000 XIII bis zum Blatt Nr. 01 enthaltenen Vorgänge, andererseits auf die folgenden ergänzenden Unterlagen: - Original/Kopie des Karteiblattes der Patientin aus der Praxis von Zahnarzt Dr. Furiosus geführt über den Zeitraum von ... bis ... . - Original/Abschrift des Parodontalbefundes der Patientin aus der Praxis von Dr. Furiosus geführt über den Zeitraum von ... bis ... . - Original/Abschrift des Funktionsbefundes der Patientin aus der Praxis von Dr. Furiosus geführt über den Zeitraum von ... bis ... . - Original/Abguß der Gipsmodelle der Kiefer der Patientin angefertigt von Dr. Furiosus am ... . - Original/Kopie des Panorama-Röntgenbildes von der Mundhöhle der Patientin von Zahnarzt Dr. Furiosus aufgenommen am ... . - Einzelröntgenbilder der Zähne 19, 29 und 39 * der Beklagten aufgenommen von Dr. Furiosus am ... . - Die nach Auskunft der Beklagten vom dem Zeugen Dr. Furiosus angefertigte Ober- und Unterkiefer-Totalprothese. - Telefonischer Anruf des Unterzeichnenden bei der Beklagten/ beim Kläger/ beim Herrn Vorgutachter/ beim zahntechnischen Labor am ... . * 87654321¦12345678 R 87654321¦12345678 L Schneidezahn oben rechts: Nr.11, Weisheitszahn oben links: Nr.28, Eckzahn unten links: Nr. 43 usw. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 7 - - Brief an die Beklagte/den Vorgutachter/den Kläger verfaßt am 04.04.2000. - Anamnestisches Interview der Beklagten gegeben in meiner Praxis am 05.04.2000. - Klinische Untersuchung mit ergänzender hygienischer, parodontaler, prothetischzahntechnischer, funktionsanalytischer, ästhetischer und röntgenologischer Befundaufnahme in meiner Praxis am 05.04.2000. - Panorama/Einzel-Röntgenaufnahmen vom Gebiß/ der Zähne der Beklagten aufgenommen in meiner Praxis am 05.04.2000. - Fotografische Aufnahmen vom Gebiß der Beklagten aufgenommen in meiner Praxis am 05.04.2000. - Situations-Studienmodelle vom Gebiß bzw. den Prothesen der Beklagten abgeformt in meiner Praxis am 05.04.2000. - Instrumentelle Funktionsanalyse des Gebisses der Beklagten im Artikulator durchgeführt in meinem Praxislabor am 06.04.2000. - Forensische Literatur: Günther, H., Heifer, U.: Rechtsmedizin und Begutachtung in der zahnärztlichen Praxis. Thieme Verlag, Stuttgart 1984 Günther, Horst: Zahnarzt Recht und Risiko. Carl Hanser Verlag, München 1990 Die für eine Rekonstruktion des Herstellungsprozesses erforderlichen Dokumentationen in Form von Röntgenaufnahmen und Modellen vom Zustand des Gebisses der Beklagten vor Anfertigung der Prothesen konnten vom Kläger Dr. Furiosus nicht zur Verfügung gestellt werden. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 8 - E. VORGESCHICHTE Ergänzend zu der aus der Gerichts-Akte bekannten Anamnese gab die Klägerin auf gezielte Befragung hin die folgenden subjektiven Schilderungen zu Protokoll: "Seitdem Herr Dr. Furiosus mir die Krone eingesetzt hat, leide ich ständig unter Zahnweh." " Dr. Furiosus sagte zu mir: ‘Sie bilden sich das doch alles bloß ein!'" "Bis heute habe ich die Schmerzen unverändert. Kein Zahnarzt konnte mir helfen." "Schon gleich nach dem Einsetzen fiel mir vor allem die Oberkieferprothese bei jeder kleinen Bewegung vom Gaumen herunter und erzeugte beim Zurücksetzen und unwillkürlichen Zusammenbeißen einen unwiderstehlichen Brechreiz." "Beim Versuch, mit den Prothesen zu sprechen, lockerte sich sowohl die obere als auch die untere Prothese unweigerlich und unvermutet. Beide ließen sich manchmal sogar nicht im Munde halten. Sie rutschten mir, weil sie sozusagen haltlos waren, einfach weg." "Kauen war mit den Prothesen praktisch gar nicht möglich, denn vor allem die Unterkieferprothese rutschte mir auch bei jedem Versuch, etwas zwischen den Zähnen zu zerbeißen, heraus." "Ich hatte darüber hinaus ausgehend von den Druckstellen, die sich bildeten, ständige Schmerzen, die in meinen ganzen Kopf und in mein Gesicht auszustrahlen schienen." "Weil ich nichts essen konnte, magerte ich ab bis zum Skelett und mußte künstlich ernährt werden." Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 9 - Zur allgemein-medizinischen Anamnese ergab sich ein verständiges Gespräch, demzufolge die Beklagte gegenwärtig und/oder in der Vergangenheit unter den folgenden Beschwerden und Krankheiten leidet beziehungsweise litt: 12. Lebensjahr 19. Lebensjahr 20. Lebensjahr 23. Lebensjahr 24. Lebensjahr 25. Lebensjahr 26. Lebensjahr Unfalltrauma Kreislaufkollaps Herzklabastern Allergie auf Nickel zuckerkrank rheumatische Beschwerden Nasennebenhöhlenentzündung links Nach Magen- und Verdauungs-Beschwerden befragt, gibt die Beklagte an, sie ernähre sich ‘biologisch/kohlehydratreich’. - Sie habe sehr unter chronischen Durchfällen zu leiden, die sie auf die mangelhafte Nahrungszerkleinerung zurückführt. Die Beklagte erschien alkoholisiert zur Untersuchung / stand zum Zeitpunkt der Untersuchung unter dem Einfluß von Medikamenten/Drogen. Ernsthaftere, frühere Erkrankungen, die mit den geklagten Beschwerden im Zusammenhang stehen könnten, seien nicht bekannt. Gezielt nach Beschwerden im Kopf- und Mundhöhlenbereich befragt, nennt die Beklagte die folgenden Symptome: - Zahnschmerz trete auf bei Heiß-, Kalt-, Süß-, Sauerreizen bzw. bei Druckbelastung/Berührung an Zahn 49 tags- / bzw. nachtsüber. - Das Zahnfleisch tue weh / blute / sei zurückgegangen an den Zähen 48 und 49. - Die Patientin leide unter fauligem / säuerlichem Mundgeruch. - Das Aussehen bezüglich der Form / Farbe / Stellung der Zähne 48 und 49 sei gestört. - Das Abbeißen / Kauen sei erschwert bei harter / zäher / klebriger / breiiger Kost. Der Schluckreflex verlaufe behindert. - Die Kiefergelenke erzeugten beim Kauen /großen Biß / Gähnen Knack- bzw. Reibegeräusche. Sie täten links / rechts weh. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 10 - - Verspannungen träten im rechten/linken Nackenbereich ca. x-mal monatlich / jährlich auf - meist nach Streß / in Ruhephase. Dagegen seien mehrfach Massagen verordnet worden. - Diffuser / ziehender / klopfender / dumpfer / stechender Spannungskopfschmerz (mit migräneartigen Begleitsymptomen wie Helligkeitsempfindlichkeit, Augennässen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen einhergehend) in linker / rechter Kopfhälfte bzw. in beiden Kopfhälften ausgehend von Zahn 49 ausstrahlend über die rechte Wange in den rechten Scheitel, die durch Bücken / Streß / langes Kauen / Ruhephasen ausgelöst würden / auch nachts / tags / spontan auftretend. - Gefühl von Trockenheit oder Brennen im Mund – wo – wie - wann. - Sprechbehinderung trete auf bei Zisch-, F-, P-, T-Lauten seit ?. - Sowohl der Geschmacks- als auch der Geruchssinn seien beeinträchtigt. PseudoEmpfindungen und / oder Parästhesien träten auf in Zunge / Gaumen / Wangentasche. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 11 - F. BEFUND 90jährige Patientin in eingeschränktem Allgemeinzustand. Außerhalb der Mundhöhle keine pathologischen Besonderheiten feststellbar, Haut und sichtbare Schleimhäute ohne größere, auffällige Veränderungen (siehe Abbildung 1). Abbildung Nr. 1 von Dia Nr. 43 Abbildung 1: Ansicht des Gesichts der Beklagten mit eingesetzter Ober- und Unterkieferprothese bei leicht geöffnetem Mund. Gesichtshaut und Lippenrot ohne pathologische Besonderheiten. Prothesenzähne bei entspannter mimischer Muskulatur nicht sichtbar. Eingefallenes Lippenrot und 'Einkrempelung' der Oberlippe. Fältchenbildung zirkulär um die gesamte Mundspalte herum. Stark eingefallene und nach abwärts hängende Mundwinkel. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 12 - 1. Klinischer Befund Klinisch handelt es sich bei der zu begutachtenden Patientin um eine bei völliger Zahnlosigkeit mit Totalprothesen versehene Mundhöhle, deren leere Zahnfächer die für eine dauernde Zahnlosigkeit typische, knöcherne Auffüllung der Hohlräume in allen Kieferkammbereichen aufweist. Die Kieferkämme erscheinen entsprechend nivelliert (siehe Abbildungen 2, 3, 4 und 5). Abbildung Nr. 2 von Dia Nr. 19 Abbildung 2: Blick auf den Oberkiefer der Beklagten bei weit geöffnetem Mund ohne eingesetzte Prothese. Profilierte Ausprägung des Gaumengewölbes mit prägnanter, geröteter Grenze zwischen hartem und weichem Gaumen. Seitengleiche, knöcherne Auftreibungen (sog. Tubera) im hinteren Bereich des Kieferkamms. Schwach ausgeprägte Wangenbänder im Bereich der ehemaligen Eckzähne. Im vorderen Kammbereich Ausbildung eines ‘Schlotterkamms’. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 13 - Abbildung Nr. 3 von Dia Nr. 24 Abbildung 3: Blick auf den Unterkiefer der Beklagten ohne eingesetzte Prothesen. Schleimhaut zur Unterscheidung zwischen (dunkelroter) beweglicher und (hellrosa) fest angewachsener, unverschieblicher Schleimhaut mit sog. 'Schüller'scher Jodlösung' eingefärbt. Extreme Reduktion des unverschieblichen Anteils der Schleimhaut auf eine ca. 0,4 cm breite Zone auf dem Zenit des Kieferkamms. Das Unterlippenbändchen strahlt bis auf die Kieferkammitte ein. Hoher Mundbodenansatz, Unterzungen-Speicheldrüsen quellen beidseits über den stark atrophierten Kieferkamm. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 14 - Die Zunge ist von normaler Größe und weist auf dem Zungenrücken einen üblich starken Verhornungs-Grad ihrer Papillen und Geschmacksknospen auf (siehe Abbildungen 5 und 8). Das ausgeprägt sehnig entwickelte Unterzungenbändchen behindert die Mobilität der Zunge in ihrem vorderen Teil und behindert das Erreichen der hinteren Gaumenregionen und der seitlichen Wangentaschen durch die Zungenspitze (siehe Abbildung 4). Abbildung Nr. 4 vom Dia Nr. 18 Abbildung 4: Blick in den geöffneten Mund der Beklagten mit den zahnlosen, stark atrophierten Kieferkämmen ohne eingesetzte Totalprothesen. Zungenspitze maximal nach oben gezogen. Sehniges Unterzungenbändchen, Mundbodenmobilisierung bis ca. 1 cm oberhalb des Kieferkamm-Zenits. Ausbildung von Krampfäderchen in der Zungenunterseite. Alle Schleimhäute sind gleichmäßig und ausreichend von Speichel benetzt. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 15 - Das Profil des Unterkieferkammes ('Kammprofil') erscheint in allen zahnlosen Bereichen des Unterkiefers als sehr stark zurückgebildet ('atroph'). Irgendwelche Hinweise auf isolierte Auftreibungen des Knochens ('Exostosen') o.ä. fehlen. Der Mundbodenansatz entspricht einem normalen Höhenniveau, während der eigentliche Mundboden selbst in erheblichem Maße über den Unterkieferkamm emporquillt (siehe Abbildungen 3, 4 und 5). Abbildung Nr. 5 von Dia Nr. 17 Abbildung 5: Blick in den geöffneten Mund der Beklagten auf den Unterkiefer. Stark zurückentwickelter Kieferkamm mit in den Eckzahnbereich einstrahlenden Wangenbändern. Der Bereich des Unterzungenbändchens ist durch sehnige Gewebsveränderungen (Narbengewebe?) gekennzeichnet. Normaler Verhornungsgrad des Zungenrückens. Der Zungenäquator ist in normaler Höhe und normalem Umfang ausgebildet. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 16 - Im Oberkiefer verläuft die Grenze zwischen der 'fest angewachsenen' und der sogenannten 'beweglichen' Schleimhaut im Gegensatz zum Unterkiefer deutlich unterhalb des Zenites des Kieferkamms, es gibt hier keine bis auf den Kieferkamm-Gipfel hinauf inserierenden Wangenbänder (siehe Abbildung 2). Beidseitig stark ausgeprägte Knochenhöcker (sogenannte 'Tubera') verleihen den hinteren seitlichen Bereichen des Oberkiefers ihre charakteristische Kontur (siehe Abbildung 2). Die die Mundhöhle auskleidende verschiebliche Schleimhaut ('Mucosa') weist keine wesentlichen, entzündlichen Veränderungen auf. Es sind weder Druckstellen - die Beklagte hatte die Prothesen bis zu der Untersuchungssitzung nicht getragen - noch Zeichen für Pilzbefall, Präkanzerosen, Viruserkrankungen, galvanische Prozesse oder für allergische Reaktionen feststellbar (siehe Abbildungen 2, 3, 4, und 5). Die abgesonderte Speichelmenge der Speicheldrüsen ist ausreichend. In Verbindung mit der qualitativen Zusammensetzung seiner verschiedenen Bestandteile bildet der Speichel eine Konsistenz, die eine ausreichende Benetzung ('Lubrifikation') und Spülung sowohl der Zähne, als auch der Prothesenbasis sowie aller Schleimhäute gewährleistet. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 17 - 2. Prothetischer Befund Die fehlenden Zähne sind durch einen abnehmbaren und ausschließlich von der Schleimhaut getragenen 'Plattenzahnersatz' mit insgesamt 26 konfektionierten Zähnen, die im Oberkiefer in Form einer halben Ellipse, im Unterkiefer in der ähnlich einer Parabel aufgestellt wurden, ersetzt worden (siehe die Abbildungen 6, 8 und 10). Die sogenannte 'Prothesenbasis' wurde dem Verlauf der Kieferkämme entsprechend gestaltet. Weder ihre Wangenaußen- noch ihre Zungeninnenseiten weisen irgendwelche störenden, vor allem die Weichteile während ihrer Funktionen irritierenden Strukturen auf (siehe Abbildungen 6, 7, 8, 9, 10 und 11). Die Kunststoffbasis ist 'muskelgriffig' gestaltet (siehe Abbildungen 16 und 17). Die Unterseiten der Prothesen liegen der Schleimhaut anatomisch in nicht ausreichendem Maße gleichmäßig stark und parallel an. Bei gleichmäßig mit den Fingern ausgeübtem Druck auf die seitlichen Kauflächen lassen sich sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer punktuelle Schmerzempfindungen auslösen. Sie weisen auf die Existenz punktförmiger Auflagestellen der Prothesenbasis hin im Gegensatz zu dem erstrebenswerten flächenförmigen Kontakt zwischen Basis und darunterliegender Schleimhaut (siehe Abbildung 7). Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 18 - Abbildung Nr. 6 von Dia Nr. 36. Abbildung 6: Blick auf die herausgenommenen Prothesen von der Kauseite her. Zahnbogen im Oberkiefer Ellipsen-, im Unterkiefer parabelförmig angeordnet. Fehlende terrassenförmige Auflage für die Zungenspitze hinter den oberen Frontzähnen ('T-Linie'). Lückenlose Oberflächenpolitur. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 19 - Abbildung Nr. 7 von Dia Nr. 34 Abbildung 7: Blick auf die der Schleimhaut zugewandten Basisflächen der Ober- und Unterkieferprothese. Alle Kanten sind gerundet. die Ränder weisen Aussparungen für die Wangenbänder auf ('Wangenbandpassagen). Im hinteren Bereich der Unterkieferprothese ist die Konstruktion von sogenannten 'Unterzungenflügeln' erkennbar, die den Halt verbessern sollen. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 20 - Wangenaußen- und Zungeninnenseiten der Prothesen sind ohne störende, die Weichteile irritierende Strukturen. Die Ränder sind gut gerundet und mit den notwendigen Passagen für Lippen- und Wangenbänder versehen (siehe Abbildungen 6, 7, 10, 11, 16 und 17). In seinem hinteren Bereich ist der Zahnbogen des Unterkiefers in der Breite etwas eng gehalten, so daß der 'Äquator' der Zunge in entspanntem Zustand in diesem Bereich leicht mit den Seitenflächen der unteren Molaren kollidiert (siehe Abbildung 8). Abbildung Nr. 8 von Dia Nr. 10 Abbildung 8: Blick in den geöffneten Mund mit eingesetzten Prothesen. Der rückwärtige Teil der Zunge kollidiert seitlich mit den hinteren Molaren - der Zahnbogen im Unterkiefer erscheint relativ zur Zungenbreite etwas zu eng. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 21 - Bezüglich des Aussehens der mir vorliegenden Prothesen sind sowohl die ästhetischen Prinzipien der Symmetrie, als auch der perspektivischen Wirkung der wangenseitigen Facetten, der Richtung der Zahnachsen, der Anordnung der Lachlinie und der korrekten Farbgebung berücksichtigt worden (siehe Abbildungen 9, 14, 15,16 und 17). Abbildung Nr. 9 von Dia Nr. 4 Abbildung 9: Blick auf die im Munde befindlichen Prothesen im zusammengebissenen Zustand ('Schlußbiß' ). Symmetrische Mittellinie. Perspektivische Wirkung der Seitenzahnfacetten. Separation der einzelnen Zähne ohne Eröffnung der Kontaktpunkte. Exakte Randgestaltung des künstlichen Zahnfleisches. Ansprechende Farbgebung der Frontund Seitenzähne. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 22 - 3. Zahntechnischer Befund Die Aufstellung der Zähne aus zahntechnischer Sicht entspricht - mit Ausnahme der Anordnung im hinteren Seitenzahngebiet - den sogenannten 'Aufstellungsregeln nach Gysi'; Achsenrichtungen und Verwindungskurven wurden diesen Regeln entsprechend gestaltet (siehe Abbildungen 6, 8, 9, 10, 11, 16 und 17). Abbildung Nr. 10 von Dia Nr. 50 Abbildung 10: Blick von hinten auf die in Schlußbiß-Stellung aufeinandergestellten Prothesen. Anatomisch korrekte Anordnung der künstlich aufgestellten Zähne. Funktionelle Anordnung der Seitenzähne auf oder zungenseitig von der Kieferkammitte. Beide endständigen Molaren des Unterkiefers auf dem aufsteigenden Teil des Unterkieferkamms angeordnet. Hinter den Frontzähnen etwas beengter Zungenraum. Fehlende 'T-Linie'. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 23 - Zur Verwendung gelangten in der Ober- und Unterkieferfront jeweils sechs mit Goldknöpfen im Basiskunststoff verankerte Porzellanzähne. Im Seitenzahngebiet von Ober- und Unterkiefer wurden auf jeder Seite je drei kleine Backenzähne ('Prämolaren') aufgestellt. Dahinter im Oberkiefer links und rechts je ein großer Backenzahn ('Molar'), im Unterkiefer auf jeder Seite je zwei Molaren (siehe Abbildungen 6, 8, 9, 10, 11, 16 und 17). Abbildung Nr. 11 von Dia Nr. 9 Abbildung 11: Blick in den weit geöffneten Mund der Beklagten auf die Kauflächen der Oberkieferprothese. Voluminöse Kunststoffbasis hinter den Frontzähnen ohne Ausprägung einer 'T-Linie'. Durch den Kunststoff hindurch schimmern die Goldknöpfe der Porzellanfrontzähne. Aufstellung von je drei Prämolaren auf jeder Seite und jeweils einem endständigen Molaren. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 24 - Die Gestaltung einer terrassenförmigen Auflage für die Zungenspitze hinter den Oberkieferfrontzähnen (sogenannte 'T'-Linie) sowie eine imitierende Modellation natürlich vorkommender 'Gaumenfalten' ist nicht erkennbar (siehe Abbildungen 6, 10 und 11). Der sogenannte 'Torus palatinus' - das ist der harte mittlere Teil des knöchernen Gaumens wurde korrekt hohlgelegt. Der hintere Rand der Prothese ist durch einen im Querschnitt halbrunden, erhabenen Kunststoffwulst ausgeformt (siehe Abbildungen 6 und 10). Der Zungenraum erscheint im rückwärtigen Teil der oberen Prothese ausreichend breit und hoch, im vorderen Teil beider Prothesen hingegen durch eine besonders großvolumige Gestaltung der Prothesensättel etwas eingeengt. Alle Oberflächen sind hochglanzpoliert, die Zahnhälse sorgfältig von überstehendem Kunststoff frei gehalten. Die Modellierung des künstlichen Zahnfleisches beugt der Rückhaltung von Speiseresten-('Impaktion') vor und ermöglicht ein bequemes Reinigen beider Prothesen. Alle Kontaktpunkte sind funktionell geschlossen, ohne daß hierdurch eine Einbuße des ästhetisch wirksamen separaten Erscheinungsbildes der einzelnen Zähne verursacht wird. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 25 - 4. Funktioneller Befund In meiner Untersuchung am 19.11.1991 fanden sich keinerlei pathologische Geräusche in beiden Kiefergelenken. Weder die Kau- noch die mimische Muskulatur noch die Kiefergelenke reagierten schmerzhaft auf tastenden Druck. Bewegungsstörungen im Ablauf der gelenk- und muskelgeführten Bewegungen des Unterkiefers ließen sich nicht beobachten. Beim Aufeinandersetzen der beiden Prothesen außerhalb des Mundes läßt sich die sogenannte 'Ruheposition in maximaler Verzahnung' nicht erreichen. Das heißt, daß auch nach Herstellung eines möglichst innigen Kontaktes zwischen den Kauflächen beide Zahnreihen gegeneinander vernehmlich "kippeln", ohne in eine stabile 'Schlußbißposition' gelangen zu können. Die Beklagte muß sozusagen mit dem Unterkiefer "humpeln", um ihre Zähne ausreichend miteinander in Kontakt bringen zu können. Die bereits im Normalzustand mit den eingesetzten Prothesen sehr stark abgesunkene Mittelgesichtshöhe (siehe Abbildung 13), die ohne den prothetischen Ersatz im Munde zu einem völligen Kollaps des Mundes führt (siehe Abbildung 12), wird durch die eingesetzten Prothesen in nicht ausreichendem Maße rekonstruiert. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 26 - Abbildung Nr. 12 von Dia Nr.25 Abbildung 12: Blick auf das extrem eingefallene Mittelgesicht der Beklagten aufgrund der herausgenommenen Ober- und Unterkieferprothesen. Einziehung des Lippenrotes und Verstärkung der strahlenförmigen ('radiären') Faltenbildung um die gesamte Mundspalte herum. Im entspannten Zustand der Kaumuskulatur und während des normalen Sprechens wird die übliche, vertikale Schutzdistanz von 2 Millimetern zwischen den Kauflächen der ersten Molaren ('free way space') nicht erreicht. Erst unter Anstrengung gelingt es der Beklagten, ihre Molaren über eine vertikale Distanz von mehr als einem halben Zentimeter in Kontakt miteinander zu bringen, das heißt zuzubeißen (siehe Abbildungen 1 und 13) . Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 27 - Die bei einer möglichst entspannt gehaltenen Kaumuskulatur ermittelte Höhe der sogenannten 'Ruheschwebelage' des Unterkiefers (siehe Abbildung 1), die durch die vertikale Distanz zwischen den auf der Nasen- sowie auf der Kinnspitze tätowierten schwarzen MeßHilfspunkten (siehe Abbildung 13) markiert wurde, kollabiert um ca. 5 mm, wenn die Beklagte mit den eingesetzten Prothesen zubeißt. Abbildung Nr. 13 von Dia Nr. 30 Abbildung 13: Ansicht des Mittelgesichts bei eingesetzten Prothesen, Zähne fest zusammengebissen. Die Zeiger der Schublehre zeigen den Abstand der Meßpunkte im Zustand entspannter Muskulatur. Zwischen dem unteren Zeiger der Schublehre und dem Markierungspunkt auf der Kinnspitze ist eine Vertikaldistanz von 5 mm sichtbar. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 28 - Abbildung Nr. 14 von Dia Nr. 8 Abbildung 14: Blick von vorne unten auf die Frontzähne der eingesetzten Prothesen bei maximal nach hinten gezogenem Unterkiefer: Alle Front- und Eckzähne sind ohne Kontakt. Es klafft ein ca. 2 mm breiter Spalt. In der von den Kiefergelenken vorgegebenen, maximal nach hinten gezogenen Lage ihres Unterkiefers (der sogenannten 'Retrallage') ist der Beklagten ebenfalls kein maximaler Zahnreihenschluß möglich, die Frontzähne der Prothesen berühren sich in dieser Position korrekter Weise nicht, sondern lassen einen ca. 2 mm breiten Spalt dazwischen offen (siehe Abbildung 14). Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 29 - Beim Schieben des Unterkiefers nach vorne in die sogenannte 'Abbeißposition' berühren sich die Schneidekanten aller Frontzähne gruppenförmig, ohne daß die Seitenzähne dabei in nennenswertem Maße ihren Kontakt verlören (sogenannte 'balancierte' Verzahnungsform, siehe Abbildung 15). Abbildung Nr. 15 von Dia Nr. 7 Abbildung 15: Blick von vorne in den geöffneten Mund mit eingesetzten Prothesen. Der Unterkiefer ist bis in die Abbeißposition vorgeschoben. Die Schneidekanten der Frontzähne stehen in einem 'Gruppenkontakt' miteinander. Gleichzeitig berühren sich auch die Seitenzähne. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 30 - Abbildung Nr. 16 von Dia Nr. 47 Abbildung 16: Blick auf die herausgenommenen Prothesen von der rechten Seite. 'Muskelgriffige' Basisgestaltung. Die letzten beiden unteren Molaren sind über einem schräg nach hinten oben ansteigenden Teil des Kieferkammes aufgestellt. Dem letzten unteren Molaren fehlt der obere Gegenzahn ('Antagonist'). Die unteren beiden letzten Seitenzähne rechts und der letzte Seitenzahn unten links sind jeweils auf nach hinten steil ansteigenden Anteilen des Unterkieferkammes aufgestellt worden. Eine auf die Kauflächen vertikal ausgeübter (Kau-)Druck auf diese Zähne bewirkt, daß sich der Prothesensattel auf der 'schiefen Ebene' des ansteigenden Unterkieferkammes auf eine Rutschpartie nach unten vorne begibt, wenn er nicht durch ein geeignetes mechanisches Hindernis davon abgehalten wird. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 31 - Da durch die Zurückbildung besonders auch des vorderen Anteils des Unterkieferkammes der Beklagten keine solche mechanische 'Bremse' in der Form einer ausreichend hohen vertikalen Wand vorhanden ist (siehe Abbildung 5), kann die Rutschbewegung der Unterkieferprothese ungehindert vonstatten gehen. Abbildung Nr. 17 von Dia Nr. 48 Abbildung 17: Ansicht der aufeinandergestellten Prothesen von der linken Seite. Aufstellung des letzten Molaren im Unterkiefer auf dem steil nach hinten ansteigenden Anteil des Unterkieferkammes. Der antagonistische Oberkiefermolar ist nicht aufgestellt worden. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 32 - Abbildung Nr. 18 von Dia Nr. 21 Abbildung 18: Der Biß auf eine zwischen die hinteren linken Seitenzähne gelegte Watterolle läßt die Unterkieferprothese nach vorne rechts rutschen und hebt sie im gesamten vorderen Anteil von der Schleimhaut ab. Die im Vorigen angestellte theoretische Überlegung bestätigt sich in einem praktischen Test. Wird die Beklagte aufgefordert, mit den eingesetzten Prothesen zwischen ihren hinteren Backenzähnen auf eine Watterolle - die das Kauen in diesem Bereich zu simulieren vermag zu beißen , so rutscht die Unterkieferprothese unweigerlich körperlich nach vorne zu der dem Aufbiß diagonal gegenüberliegenden Seite und hebt sich vorne bis zu ca. 1 cm hoch von der Schleimhautunterlage ab. Diese Erscheinung stellt sich im vorliegenden Falle sowohl beim Beißen auf der linken wie auch auf der rechten Seite ein. Der Fachausdruck für dieses in der Prothetik bekannte Phänomen lautet 'Proglissement’ (das heißt auf Französisch 'Vorgleiten' siehe Abbildungen 18 und 19). Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 33 - Abbildung Nr. 19 von Dia Nr. 23 Abbildung 19: Der Biß auf eine zwischen die hinteren rechten Seitenzähne gelegte Watterolle läßt die Unterkieferprothese nach vorne links rutschen und hebt sie vorne von der Schleimhaut ab. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 34 - Abbildung Nr. 20 von Dia Nr. 20 Abbildung 20: Die gleiche Situation wie in Abbildung 18, nur ist hier die Watterolle nach vorne zwischen die Prämolaren verschoben worden. Das Zusammenbeißen in dieser Position führt nicht zu einer Verlagerung der Unterkieferprothese - sie bleibt auf der Schleimhautunterlage liegen. Das 'Proglissement’-Phänomen läßt sich bei der Beklagten dann nicht mehr auslösen, wenn die Watterolle entweder links oder rechts zwischen die kleinen vorderen Backenzähne der Prothesen positioniert wird. Die Unterkieferprothese bleibt unter dieser Bedingung auch bei stärkerem Zubeißen fast unverschieblich auf ihrer Unterlage liegen und es kommt weder zu horizontalen noch zu vertikalen Bewegungen (siehe Abbildung 20). Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 35 - Abbildung Nr. 21 von Dia Nr. 16 Abbildung 21: Blick auf die Kauflächen der Oberkieferprothese im Munde. Belastung der Kaufläche des vorletzten oberen Backenzahns links durch ein Druckinstrument in vertikaler Richtung: Prothesensitz wird nicht verändert. Der Ort der Aufstellung von Prothesenzähnen bewirkt - je nach dem, ob diese Zähne bezogen auf ihre 'funktionelle Statik' in einer stabilisierenden Zone oder in einer Zone mit destabilisierendem Potential lokalisiert werden - eine Unterstützung des sicheren Sitzes von schleimhautgetragenen Prothesen - oder dessen Gegenteil. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 36 - Zwecks Prüfung dieser sogenannten 'autonomen Kaustabilität' eines Prothesenzahnes werden diese Zähne einzeln mit einem geeigneten Instrument und nacheinander von der Kaufläche her in vertikaler Richtung belastet. Dabei wird ausgetestet, ob sich durch die Belastung eines Prothesenzahns jeweils eine Kippbewegung des gesamten Prothesenkörpers provozieren läßt oder nicht (siehe Abbildungen 21, 22 und 23). Abbildung Nr. 22 von Dia Nr. 13 Abbildung 22: Die Belastung des vorletzten Backenzahnes unten rechts mit einem Instrument, daß vertikalen Druck ausübt, führt zur Anhebung des gesamten gegenüberliegenden Teils der Prothese und zu einem Kippen um den rechten Teil des Kieferkammes. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 37 - Abbildung Nr. 23 von Dia Nr. 12 Abbildung 23: Die gleiche Situation wie in Abbildung 22, vertikaler Druck jedoch um eine Kaufläche weiter vorne auf den drittletzten Molaren rechts angesetzt. Bei diesem Test bleibt die Unterkieferprothese unverändert liegen - der Zahn ist 'autonom kaustabil' aufgestellt worden. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 38 - G. DIAGNOSE, DISKUSSION und WERTUNG Aufgrund der mir zugänglichen, unter C. aufgeführten Grundlagen lassen sich für den Zeitpunkt des 05.04.2000 bezüglich des Mundes und der bemängelten Prothesen der Beklagten folgende Diagnosen stellen: 1 KLINISCH zahnloses Gebiß mit im Oberkiefer mittelstark profiliertem, im Unterkiefer stark atrophischen Kieferkamm und im Unterkiefer extrem reduzierten fest angewachsenem Zahnfleischanteil. 2 PROTHETISCH handelt es sich um einen abnehmbaren, ausschließlich schleimhautgetragenen Plattenzahnersatz im Ober- und Unterkiefer. 2.1 Sowohl die Ober- als auch die Unterkieferprothesen-Basis weist jeweils eine inkongruente Paßform zu ihrer entsprechenden anatomischen Unterlage auf. 2.2 Zunge mit horizontaler Platznot zwischen den hinteren Bereichen der unteren Zahnreihe. 3 Z A H N T E C H N I S C H wurden die letzten beiden Seitenzähne unten rechts und der letzte Backenzahn unten links fehlerhaft aufgestellt. 4 F U N K T I O N E L L sind die Gelenk- und Muskelstrukturen der Beklagten gesund. Der Zahnersatz weist funktionelle Mängel auf: 4.1 Die Vertikaldimension beider Prothesen ist um mindestens 5 mm zu klein gewählt. 4.2 In der Schlußbißposition läßt sich kein ausreichend stabiler Zahnkontakt erreichen. 4.3 Durch die fehlerhaft aufgestellten, 'endständigen' Molaren wird bei Kaubelastung unweigerlich ein Vorgleiten der Unterkieferprothese verursacht. Sie sind nicht 'autonom kaustabil' aufgestellt. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 39 - Kommentar zu Ziffer 2.1.: Die hier erwähnte 'inkongruente Paßform' muß nicht zum Zeitpunkt des Einsetzens der Prothese bestanden haben. Es können in der Zwischenzeit narbige Veränderungen eingetreten sein, die diesen Effekt verursacht haben. Kommentar zu Ziffer 4.1.: Die zu kleine Vertikaldimension mag ebenfalls zu einem Teil von Rückbildungsprozessen der knöchernen Kieferstrukturen zwischen dem Zeitpunkt des Einsetzens der Prothesen und dem Untersuchungszeitpunkt mitverursacht sein. Nach meiner Erfahrung halte ich es für unwahrscheinlich, daß mehr als ein Drittel der fehlenden Höhe durch Schrumpfprozesse bedingt sein könnte. Abgesehen von den oben genannten Mängeln sind die mir vorliegenden Totalprothesen trotz der im Falle der Beklagten besonders schwierigen Ausgangslage bezüglich ihrer Mundverhältnisse sowohl dem Verlauf der Kieferkämme als auch der Topographie von Zunge und Wangeninnenseiten entsprechend anatomisch korrekt und bezogen auf die Ausgestaltung von Détails sogar mit überdurchschnittlicher Sorgfalt gestaltet. Die Probleme der fehlerhaften Verzahnung ließen sich durch nachträgliches Entfernen der unteren, endständigen Kunstmolaren und durch entsprechendes Einschleifen der Kauflächen wahrscheinlich beheben. Das Ausmaß der vertikalen Höhendiskrepanz der Prothesen läßt sich dagegen durch eine einfache Nachbesserung wie z.B. in Form einer Unterfütterung nicht korrigieren, ohne daß dabei ein erhebliches Risiko für den Fortbestand der Prothesen entsteht. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 40 - H. ZUSAMMENFASSENDE WERTUNG Vorbehaltlich der oben angeführten Einschränkungen - jedoch im Einklang mit den aufgeführten Diagnosen - kann die Frage des Beweisbeschlusses vom 01.01.1990 wie folgt beantwortet werden: Die vom Kläger - Herrn Zahnarzt Dr. Furiosus - für die Beklagte angefertigte Ober- und Unterkiefer-Prothese wurde bezüglich ihrer vertikalen Dimension in nicht ausreichender Höhe angefertigt. Die Ursache für das 'Aus-dem-Mund-rutschen' der Prothesen liegt nicht primär an der vertikalen Unterdimensionierung der Totalprothesen oder an den besonders schwierigen Mundverhältnissen der Beklagten, sondern in der fehlerhaften Aufstellung der endständigen Backenzähne in der Unterkieferprothese. Eine Behebung dieses Fehlers ohne eine gleichzeitige Neuanfertigung beider Prothesen ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Mustergutachten © D.S. 14.05.2016 Seite - 41 - I. SCHLUSSBEMERKUNG Hiermit erkläre ich, daß ich weder mit dem Kläger Herrn Dr. Furiosus noch mit der Beklagten Frau Elise Kaunichtgern befreundet, verwandt oder verschwägert bin. Zweifelstadt an der Links, am 05.04.2000 (Dr. med. dent. Besserweiß) Mustergutachten © D.S. 14.05.2016