Protokoll ()

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Hinweis:
Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule).
Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht herunter geladen werden,
unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende:
http://online-media.uni-marburg.de/chemie/chids/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html
Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Chemie
Übungen im Experimentalvortrag
Leitung: Prof. Dr. B. Neumüller, Dr. P. Reiß
Protokoll zum Experimentalvortrag
„Die gesundheitsfördernden Auswirkungen
von Obst und Gemüse“
Vortrag vom 01.12.2005
erstellt und vorgelegt von:
Andrea Bontjer
Am Zehntenstein 3
65549 Limburg
Inhalt:
1. Einleitung.....................................................................................
3
2. Inhaltsstoffe von Obst und Gemüse und deren Wirkung im
menschlichen Körper...................................................................
4
2.1 Ballaststoffe......................................................................
5
2.2 Sekundäre Pflanzenstoffe................................................
13
3. speziell: Antioxidantien und oxidativer Angriff.............................
19
4. Fazit.............................................................................................
27
5. Schulrelevanz des Themas.........................................................
27
6. Literatur.......................................................................................
28
2
1. Einleitung
„An apple a day keeps the doctor away“, heißt es schon seit Jahrzehnten und
aktuelle
Studien
Gemüsekonsum
zeigen
vor
tatsächlich,
vielen
dass
ein
regelmäßiger
Zivilisationskrankheiten
wie
Obst-
und
Herz-Kreislauf-
Erkrankungen und Diabetes, sowie vor Krebs schützen kann (z.B. World Cancer
Research Fund/American Institute for Cancer Research 1997, Williams et al.
1999, Joshipura et al. 2001, Liu et al. 2001, Terry et al. 2001).
Der Verzehr von Obst und Gemüse wird heute sogar neben dem Verzicht auf das
Rauchen als Maßnahme mit dem größten Präventionspotential für Krebs
angesehen. Dabei wird der positive Effekt nicht einzelnen Obst- und
Gemüsearten, sondern der gesamten Obst- und Gemüsegruppe zugesprochen.
Je mehr Obst und Gemüse gegessen wird, desto größer ist der schützende Effekt
(World Cancer Research Fund/American Institute for Cancer Research 1997).
Aus diesem Grund ist der Anteil an Obst und Gemüse am täglichen Verzehr in
der Nahrungspyramide unter die Kohlenhydrate „gerutscht“ (Abb. 1) (Deutsche
Gesellschaft für Ernährung 2004).
Abb. 1: Empfohlene Anteile verschiedener Nahrungsmittelgruppen an der
täglichen Ernährung (nach: Schweizerische Gesellschaft für Ernährung,
verändert)
Von Wissenschaftlern wird empfohlen, täglich etwa 600 g Obst und Gemüse zu
sich zu nehmen. Der durchschnittliche Verzehr in Deutschland liegt mit ca. 250 g
jedoch zurzeit deutlich darunter. Dass ein höherer Verzehr möglich ist, beweisen
unsere südeuropäischen Nachbarn: In Italien, Spanien und Griechenland liegt der
tägliche Verzehr bei etwa 500 g (Naska et al. 2000). Aus diesem Grund wurde die
3
Kampagne „5 am Tag“ ins Leben gerufen, die den täglichen Verzehr von fünf
Portionen Obst und Gemüse propagiert (www.5amtag.de).
Eine
Portion
entspricht
dabei
etwa
einer
Handvoll. Als Begründung werden in erster Linie
die gesicherten Ergebnisse epidemiologischer
Studien,
sowie
plausible
chemische
und
biologische Gründe für eine kausale Wirkung von
Obst und Gemüse angegeben (vergl. Biesalski
2001).
Abb. 2: Logo der Kampagne „5 am Tag“ (aus:
www.5amtag.de)
Aber was macht denn tatsächlich die gesundheitsförderliche Wirkung von Obst
und Gemüse aus? Welche Inhaltsstoffe sind in den Pflanzen enthalten und in
welche Kategorien lassen sie sich chemisch einordnen? Und für welche Effekte
sind
diese
Inhaltsstoffe
verantwortlich? Wie
lassen
sich
diese
Effekte
veranschaulichen? Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit beantwortet
werden. Die wirksamen Inhaltsstoffe werden vorgestellt und ihre Wirkung wird
anhand von Modellversuchen dargestellt. Diese Versuche sollen die Wirkung der
Naturstoffe
auf
grundlegende
Vorgänge
im
menschlichen
Körper
veranschaulichen.
2. Inhaltsstoffe in Obst und Gemüse
Obst und Gemüse enthalten eine Vielzahl an Naturstoffen, denen allgemein eine
gesundheitsförderliche Wirkung zugesprochen wird. Zum Einen sind die Vitamine
zu nennen, in erster Linie das Vitamin C, weiterhin Folsäure, einige B-Vitamine, in
wenigen Sorten auch das Vitamin E (letzteres ist mehr in Samen vorhanden). An
Mineralstoffen liefern die Pflanzen v.a. Kalium, Magnesium, Eisen und etliche
Spurenelemente. An diese beiden Stoffgruppen – Vitamine und Mineralstoffe denkt man am ehesten, wenn von den positiven Wirkungen von Obst und
Gemüse die Rede ist. Aber es gibt noch zwei weitere große Gruppen, deren
4
Nutzen für die menschliche Gesundheit immer mehr in den Vordergrund tritt: die
Ballaststoffe und vor allem die sekundären Pflanzenstoffe. Allein an den
Bezeichnungen der beiden Gruppen erkennt man, dass sie in der Wissenschaft
lange ein Schattendasein geführt haben. Heute werden diese Stoffe eingehend
untersucht und insbesondere bei den sekundären Pflanzenstoffen sind noch
lange nicht alle Wirkungen erforscht. Auch in der vorliegenden Arbeit soll es in
erster Linie um Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe gehen, da deren
Wirkungen außerhalb von Expertenkreisen nur wenig bekannt sind.
Dabei soll in erster Linie auf die modernen Zivilisationserkrankungen wie HerzKreislauf-Erkrankungen und Diabetes, sowie auf Krebs eingegangen werden,
deren Entstehung durch den Verzehr von Obst und Gemüse vermindert werden
kann. Natürlich haben die Inhaltsstoffe von Obst und Gemüse – insbesondere
Vitamine und Mineralstoffe - auch andere positive Eigenschaften auf den
menschlichen Körper - z.B. Vitamin C bei der Infektabwehr oder Eisen bei der
Blutbildung - auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll.
2.1 Ballaststoffe:
Definition und chemische Strukturen:
Ballaststoffe sind, im Gegensatz zu Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten,
physiologisch definiert. Es sind pflanzliche Stoffe, die resistent sind gegen
Verdauungsenzyme aus dem Magen-Darm-Trakt des Menschen. Folglich können
sie im Dünndarm nicht resorbiert werden und tragen deshalb nicht zur
Energiebilanz bei, weshalb sie den etwas negativ klingenden Namen bekommen
haben.
Die
meisten
Zellmembran
Ballaststoffkomponenten
bzw.
der
Zellwand.
sind
Sie
Bestandteile
dienen
dort
der
als
pflanzlichen
Gerüst-
und
Quellsubstanzen. Cellulose ist die einzige Ballaststoffart, die in allen pflanzlichen
Lebensmitteln vorkommt, während Pektine vor allem in Obst (v.a. Zitrusfrüchte,
Äpfel), einigen Gemüsearten und Samen enthalten sind.
Die Cellulose ist der Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden. Die Cellulose
ist deshalb das häufigste natürliche Polysaccharid und kommt in allen Pflanzen
5
vor. Jährlich werden in der Natur 1011 Tonnen Cellulose synthetisiert. Sie ist ein
unverzweigtes Polysaccharid, das aus mehreren hundert bis zehntausend (1,4)verknüpften β-Glucose-Molekülen besteht (Abb. 3):
HOH2C
OH
HOH2C
OH
O
O
O
OH
HOH2C
OH
O
O O
OH
OH
Abb. 3. Molekularer Aufbau der Cellulose
Die einzelnen Celluloseketten lagern sich parallel aneinander und bilden auf
diese Weise stabile Fasern. Verstärkt wird die Verbindung der Ketten durch
Wasserstoffbrücken.
Abb. 4: Zusammenlagerung der Celluloseketten zu Fasern
(aus: Pfeifer & Reichelt (2003))
Versuch 1: Nachweis von Cellulose in Gemüse
Geräte: Petrischalen, Pipette
Chemikalien: Möhren, Brokkoli (jeweils gerieben und getrocknet),
Zinkchloridiodlösung (20 g wasserfreies Zinkchlorid werden in 10 ml destilliertes
Wasser gelöst und mit einer Lösung aus 2,1 g Kaliumiodid und 0,5 g Iod in 5 ml
destilliertem Wasser vermischt).
6
Durchführung: Auf die getrockneten Möhren- und Brokkoliraspeln wird etwas
Zinkchloridlösung gegeben. Nach kurzer Zeit kommt es zu einer Blaufärbung, die
Cellulose anzeigt.
Auswertung:
Es kommt zu einer Blaufärbung der
Cellulose durch die ZinkchloridiodLösung.
Zunächst
Zinkchlorid
Fasern,
Einlagerung
eine
bewirkt
das
Quellung
der
erfolgt
die
dann
von
Iod-Molekülen
Iodmoleküle
zwischen den Fasern (Abb. 5). Die
Abb. 5: Einlagerung von Iodmolekülen
zwischen die Cellulosefasern (aus:
Pfeifer & Reichelt (2003) verändert)
Farbe wird dabei durch ChargeTransfer-Komplexe verursacht.
Pektine bestehen aus kettenförmig zusammengesetzten (1,4)-verknüpften DGalacturonsäureeinheiten (Pektinsäure), deren Säuregruppen teilweise mit
Methanol verestert sind. Die Ketten bestehen aus 100 bis 1000 Bausteinen.
HO
HO
O
R
O
O
OH R
OH R
O
O
OH
O
OH R
O
OH
R = COOH; COOCH3
Abb. 6: Aufbau des Pektins
Pektine (von griech. pektos: geronnen, verfestigt) dienen in der Pflanze als
Gerüstsubstanz und regeln durch ihre Quellfähigkeit den Wasserhaushalt der
Pflanze mit. Besonders reich an Pektin sind Karotten, Kürbisse, Äpfel, Quitten
und Zitrusfrüchte.
7
Bei Ligninen handelt es sich um hochmolekulare, aromatische Abkömmlinge des
Phenylpropans. Sie füllen die Räume zwischen den Zellmembranen verholzender
Pflanzenteile aus (von lat. lignum: Holz). In der Abbildung 7 sind PhenylpropanolBausteine gezeigt, die zu einem dreidimensionalen Netzwerk, dem Lignin,
polymerisieren (Abb. 8).
OH
OH
OH
OCH3 H3CO
OH
OCH3
OH
OH
Abb. 7: Phenylpropanol-Bausteine
CH2OH
CH2OH
HC
CH2
CH
CH2
CH2OH
HOH2C
HC
O
O
CH
CH2
CH2
O
OH
Abb. 8: Ausschnitt aus einem Ligninmolekül
Eine Verholzung und damit eine Lignineinlagerung findet sich z.B. bei Möhren,
Spargel und Kohlrabiknollen.
Gesundheitsförderliche Wirkungen der Ballaststoffe:
Viele der positiven Eigenschaften der Ballaststoffe sind auf ihre Quellfähigkeit
zurückzuführen. Durch die Quellung der Fasern wird das Stuhlvolumen erhöht,
was die Darmperistaltik anregt und die Darmpassage verkürzt. Bei ausreichender
Wasserzufuhr kann so der Verstopfung vorgebeugt werden.
Durch Füllung des Magens sorgen sie für ein Sättigungsgefühl bei gleichzeitiger
geringer Energiedichte, was hilfreich bei einer erwünschten Gewichtsreduktion ist.
8
Des weiteren haben die Ballaststoffe einen positiven Einfluss auf den
Blutzuckerspiegel, indem sie die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten wie
Glucose verlangsamen und somit Blutzuckerspitzen verhindern, die zur
übermäßigen Ausschüttung von Insulin führen. Dieser Effekt kann dazu beitragen,
die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ II („Altersdiabetes“), der durch eine
chronisch hohe Insulinkonzentration im Blut entsteht, zu verhindern.
Eine weitere wichtige Wirkung der Ballaststoffe, die vielen Menschen nicht
bekannt
ist,
ist
die
Senkung
des
Cholesterinspiegels.
Da
erhöhte
Cholesterinwerte im Blut für die Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“ – aber
Achtung: es wird natürlich kein Kalk abgelagert, s.u.) mit verantwortlich ist, kommt
dieser Funktion große Bedeutung zu.
Der Mechanismus ist dabei folgender: In der Leben wird die Gallenflüssigkeit
gebildet, die in den Dünndarm abgegeben wird und dort die aufgenommenen
Nahrungsfette emulgiert, damit diese resorbiert werden können.
Die Gallenflüssigkeit enthält primäre Gallensäuren (Cholsäure,Taurocholsäure,
Glycocholsäure, Chenodesoxycholsäure), die aus Cholesterin synthetisiert
werden. Sie sind hocheffektive Detergenzien, da sie neben polaren auch
unpolare Regionen besitzen (Abb. 9).
CH3
OH H
CH3
COOH
CH3
H
HO
H
OH
Abb. 9: Cholsäure, eine Gallensäure
Die Gallensäuren werden mehrmals wiederverwendet. Sie werden im Darm
resorbiert und wieder der Leber zugeführt (Abb. 10). Der am Tag mehrmals
zirkulierende Gallensäurepool beträgt 3-4 g, für die Fettverdauung werden ca. 24
g Gallensäuren pro Tag benötigt werden.
9
Leber: Gallensäuresynthese aus
Cholesterin
Gallenblase
Resorption in die
Blutbahn
Dünndarm:
Emulgierung der
Nahrungsfette
Abb. 10: Gallensäurekreislauf
Die Gallensäuren liegen als wasserlösliche Salze vor. Diese können von
Ballaststoffen (v.a. vom Pektin) im Dünndarm adsorbiert werden und über den
Stuhl ausgeschieden werden. Dem Körper gehen somit Gallensäuren verloren.
Diese werden in der Leber aus Cholesterin neu synthetisiert, Cholesterin wird
verbraucht, der Cholesterinspiegel sinkt (Abb. 11).
Cholesterin
aus Blutbahn
Leber:
Gallensäuresy
nthese aus
Cholesterin
Gallenblase
Resorption in die
Blutbahn
Dünndarm:
Emulgierung der
Nahrungsfette
Adsorption und
Ausscheidung
10
Abb. 11: Gallensäurekreislauf, Cholesterinspiegel und Einfluss der Ballaststoffe
Dieses Prinzip findet sich auch bei einigen cholesterinsenkenden Medikamenten.
Aber auch bei einer Aufnahme von 6-10 g Pektin am Tag kann eine Senkung des
Cholesterinspiegels um 10 – 20 % beobachtet werden (Schuderer 1986). Diese
Menge erreicht man z.B. mit dem Verzehr von 3 Möhren, 1 Apfel und 1 Apfelsine.
Modellhaft soll die Absorption von Mineralstofflösungen an die Ballaststoffe in
folgendem Versuch verdeutlicht werden:
Versuch 2: Reaktion gequollenen Zellmaterials auf Mineralstofflösungen
Geräte: Bechergläser, Verbrennungsrohr o.ä., Gaze, Stativmaterial
Chemikalien: getrocknete Möhrenfasern1, Calciumchlorid, Natriumoxalat
Durchführung: Die Möhrenfasern werden in Wasser quellen gelassen und in ein
durchsichtiges Rohr aus Glas oder Kunststoff, das am unteren Ende mit Gaze
verschlossen ist, gefüllt. Das Rohr wird in ein Stativ über ein Becherglas mit
Natriumoxalatlösung
gehängt.
Dann
lässt
man
langsam
1%ige
Calciumchloridlösung durch die Möhrenmasse in die Oxalatlösung laufen. Die
Oxalatlösung trübt sich nicht oder nur wenig ein. Als Vergleich gibt man nach
Ablauf der Reaktion etwas Calciumlösung in die Oxalatlösung. Es bildet sich ein
weißer Niederschlag.
Auswertung: Calciumionen reagieren mit Oxalationen zu einem weißem
Niederschlag von Calciumoxalat:
Ca2+ (aq) + -OOC-COO- (aq)  Ca(OOC-COO) (s)
1
Dazu werden geriebene Möhren ausgepresst, mit entionisiertem Wasser gewaschen, in
Citronensäurelösung kurz aufgekocht und wiederum ausgepresst. Der Rückstand wird mit Ethanol
gewaschen, ausgepresst und im Trockenschrank getrocknet.
11
Diese sehr sensible Reaktion bleibt hier im Versuch aus. D.h., dass die
Calciumionen von den Möhrenfasern adsorbiert wurden. Der Versuch stellt ein
Modell für den (menschlichen) Darm dar, der mit Ballaststoffen gefüllt ist. Die
Ballaststoffe sind in der Lage, Ionen zu adsorbieren.
Im Falle des Pektins werden dabei die
Calcium-Ionen an die unveresterten
Säuregruppen adsorbiert.
Abb. 12: Adsorption von Calciumionen an
Pektin (aus: Schwedt 1999)
Die Gallensäuresalze sind Anionen, das heißt, dass sie nicht in derselben Weise
adsorbiert werden können wie die Calciumionen. Es muss ein anderer
Mechanismus vorliegen, der aber scheinbar nicht bekannt ist.
Wie im Versuch gezeigt, können auch Ionen wie Calcium, die physiologisch
günstig sind, adsorbiert werden. Dies könnte zu einer Unterversorgung an
wichtigen Mineralstoffen wie Calcium, Eisen oder Zink führen. Dies ist aber nur
bei hoher Zufuhr isolierter Ballaststoffen von praktischer Bedeutung (Schek
2002).
Auch
wird
dieser
Effekt
durch
den
hohen
Gehalt
pflanzlicher
Nahrungsmittel an Mineralstoffen wieder ausgeglichen. Es ist also sinnvoll, die
Ballaststoffe aus Gemüse, Früchten (und Vollkornprodukten) zu beziehen und auf
isolierte Ballaststoffpräparate zu verzichten.
Auf die Entstehung von Dickdarmkrebs haben Ballaststoffe hemmende Effekte.
Dies ist auf zwei Wirkmechanismen zurückzuführen (vergl. z.B. Schek 2002,
Watzl & Leitzmann 1995):
Zum Einen kommt es durch die Erhöhung des Volumen des Darminhalts zu einer
Verringerung der Konzentration an möglichen Kanzerogenen im Darminhalt.
Durch die verkürzte Transitzeit wird außerdem die Kontaktzeit der Kanzerogene
auf die Darmwand verringert.
12
Zum Anderen sind chemische Faktoren für den positiven Effekt verantwortlich:
Ballaststoffe werden im Dickdarm durch die dort ansässige Mikroorganismenflora
teilweise oder vollständig fermentiert. Das Ausmaß der Fermentation von
Ballaststoffen ist von der chemischen Struktur, der Löslichkeit sowie dem
Lignifizierungsgrad der Ballaststoffkomponenten abhängig. Bei der Fermentation
entstehen kurzkettige Fettsäuren (v.a. Acetat, Propionat und Butyrat), denen eine
große Bedeutung für die Erhaltung der Gesundheit des Kolons (Dickdarm)
nachgesagt wird. So vermindert Butyrat - zumindest in-vitro - das Zellwachstum
von Tumorzellen. Die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren im Dickdarm erniedrigt
außerdem den pH-Wert auf Werte unter 6,5. Dies vermindert die Umwandlung
primärer zu sekundären Gallensäuren (Desoxycholsäure, Litocholsäure) durch
Darmbakterien. Des weiteren wird durch die pH-Wert-Erniedrigung die Löslichkeit
der sekundären Gallensäuren herabgesetzt. Sekundäre Gallensäuren wirken im
gelösten Zustand kolonkarzinogen.
2.2 Sekundäre Pflanzenstoffe
Die sekundären Pflanzenstoffe werden von den Pflanzen als Abwehrstoffe gegen
Schädlinge und Krankheiten, als Wachstumsregulatoren, Lock-, Duft-, Farb- und
Geschmacksstoffe gebildet. Ihre Zahl wird auf 400.000 geschätzt, davon liegen
5.000 bis 10.000 in der Nahrung des Menschen vor. Mit der Nahrung nimmt man
täglich etwa 1,5 g dieser Stoffe zu sich. Da sie auch im menschlichen Körper
vielfältige Wirkungen zeigen, werden die sekundären Pflanzenstoffe auch als
bioaktive Stoffe bezeichnet.
Chemisch gesehen gehören diese Naturstoffe verschiedenen Stoffgruppen an.
Die wichtigsten Gruppen, die hier besprochen werden sollen, sind die
Carotinoide, Polyphenole und die Sulfide. Einige Stoffgruppen kommen in vielen
Obst- und Gemüsearten vor, während manche in nur wenigen zu finden sind
(Tab. 1).
Carotinoide
Polyphenole
Brokkoli, Weißkohl, Rettich
•
•
Karotten, Tomaten, Spinat
•
•
Sulfide
•
13
•
Knoblauch, Zwiebeln, Lauch
Trauben, Beeren, Aprikosen
•
•
Zitronen, Orangen, Mandarinen
•
•
•
Tab. 1: Sekundäre Pflanzenstoffe in Obst und Gemüse
Carotinoide:
Vorkommen und Strukturen von Carotinoiden
Carotinoide sind im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet. Bis heute wurden über
700 verschiedene Carotinoide aus natürlichen Quellen isoliert. Ihr Farbspektrum
reicht von gelb über orange bis tiefrot, je nachdem, in welchem Bereich sie Licht
absorbieren. Sie sind verantwortlich für die auffälligen Farben von Karotten,
Tomaten, Mais, Wassermelonen und Mangos.
Auch in grünen Blättern und Blattgemüsen sind Carotinoide enthalten, deren
Farbe
aber
vom
grünen
Chlorophyll
überdeckt
wird.
Am
Ende
der
Vegetationsperiode kommen sie nach dem Abbau des Chlorophylls zum
Vorschein und sorgen (gemeinsam mit anderen Blattfarbstoffen) für die bunte
Herbstfärbung.
Neben dem farbgebenden Effekt haben Carotinoide vor allem eine Schutzfunktion
vor UV-Schäden, sowie antioxidative Eigenschaften und dienen – bei Tieren und
Menschen – als Vorläufer für die Vitamin A-Synthese.
Carotinoide sind Tetraterpene und sind formal aus acht Isopreneinheiten (C5Körper) aufgebaut. Sie haben ein ausgedehntes, konjugiertes π-System, was sie
zu reaktiven Verbindungen macht und für ihre Farbigkeit verantwortlich ist.
Gegenwärtig sind ca. 700 Carotinoide bekannt, von denen etwa 50 aufgrund ihrer
Struktur im menschlichen Körper in Vitamin A umgewandelt werden können.
Das einfachste Carotinoid ist das Lycopin (Abb. 13). Die anderen Carotinoide
leiten sich davon ab.
14
Abb. 13: Lycopin
Das -Carotin und das β-Carotin erhält man durch Cyclisierung der beiden
Endgruppen (Abb. 14 und 15):
Abb. 14: -Carotin
Abb. 15: β-Carotin
Die Xanthophylle (Abb. 16-18) enthalten eine oder mehrere Hydroxylgruppen:
OH
OH
Abb. 16: Zeaxanthin
OH
OH
Abb. 17: Lutein
OH
Abb. 18: -Cryptoxanthin
15
Die
genannten
sechs
Carotinoide
sind
die
wichtigsten
Carotinoide
im
menschlichen Blutplasma.
Diese Stoffe sind in verschiedenen Konzentrationen im Obst und Gemüse
enthalten:
β-Carotin
α-Carotin
Karotten
++++
+++
Spinat
++
Rote Paprika
+
Tomate
++
Mandarine
+
+
+
+
++++
Aprikose
+++
+
+
+
++
Lycopin
Lutein
Zeaxanthin β-Cryptoxanthin
+
+
++++
++++
++
++
++++
+
++++: überdurchschnittlicher Gehalt, +++: hoher Gehalt, ++: mittlerer Gehalt, +: geringer Gehalt
Tab. 2: Carotinoide in Obst und Gemüse
Demonstration 1: Extraktion von Carotinoiden aus Gemüse
Geräte: (Demonstrations-) Reagenzgläser mit Stopfen, Gemüsereibe
Chemikalien: n-Heptan, Möhre, Tomatenmark, Paprika
Durchführung: Möhre und Paprika werden grob gerieben und in je ein
Reagenzglas gegeben. In das dritte Reagenzglas gibt man Tomatenmark. Dann
wird n-Heptan zugegeben, das Reagenzglas wird mit einem Stopfen verschlossen
und vorsichtig geschüttelt. Das gelblich-orange gefärbte Heptan wird jeweils in ein
weiteres Reagenzglas abdekantiert. (In Vorbereitung auf Demonstration 2 wird
zuvor je etwas entionisiertes Wasser in die Reagenzgläser gefüllt.)
Auswertung: In dem untersuchten Gemüse sind die Carotinoide β-Carotin,
Lycopin bzw. Zeaxanthin enthalten (s. Tab. 2). Alle Strukturen sind lipophil und
lassen sich gut mit dem unpolaren Lösungsmittel Heptan extrahieren.
16
Gesundheitsförderliche Eigenschaften der Carotinoide:
UV-Absorption durch Carotinoide
Carotinoide sind die wirksamsten natürlich vorkommenden Quencher für
Singulettsauerstoff (1O2). Dieser wird durch photochemische Reaktionen bei der
Lichtabsorption gebildet. Er ist hochreaktiv und in der Lage, Nukleinsäuren,
Aminosäuren und ungesättigte Fettsäuren zu oxidieren. Bei der QuenchingReaktion gehen die Carotinoide in einen angeregten Triplettzustand über ( 1O2 +
Car  3O2 + 3Car). In der nachfolgenden Reaktion erreichen die Carotinoide nach
Abgabe von Wärme wieder den Grundzustand (3Car  Car + Wärme). Dies wird
in der Pflanze ausgenutzt, um den Singulettsauerstoff, der das Chlorophyll
angreifen könnte, zu deaktivieren.
Auch im menschlichen Körper ist der Lichtschutzeffekt der Carotinoide
nachgewiesen. Sie lagern sich in den Membranen der Hautzellen ein und können
dort ihre Schutzfunktion erfüllen.
Carotinoide können somit – in Grenzen – als orale Sonnenschutzmittel dienen.
Am besten untersucht sind β-Carotin und Lycopin. Für beide ist ein
Lichtschutzeffekt nachgewiesen, wobei Lycopin 6-8fach stärker wirkt als βCarotin. Am effektivsten ist eine Kombination verschiedener Carotinoide (βCarotin, Lycopin, Lutein), so wie sie bei der regelmäßigen Aufnahme von Obst
und Gemüse gewährleistet ist.
Allerdings ist der Effekt nicht so groß, dass Carotinoide einen gänzlichen Ersatz
für Lichtschutzmaßnahmen wie Kleidung oder Sonnencreme darstellen können.
Sie sorgen aber bei regelmäßiger Aufnahme für einen moderaten und
gleichmäßigen Lichtschutzfaktor. So entwickelten Probanden, die 10 Wochen
lang täglich 40 g Tomatenmark zu sich nahmen, einen Lichtschutzfaktor von 2 bis
3 (Aust et al., im Druck; www.aerztlichepraxis.de).
Neben dieser antioxidativen Wirkung können Carotinoide auch direkt UV-Licht
absorbieren. Dies soll anhand einer Demonstration gezeigt werden.
Demonstration 2: UV-Absorption von Carotinoiden
17
Geräte: UV-Handlampe, fluoreszierender Bildschirm (DC-Platte)
Chemikalien: Carotinoidextrakte aus Demonstration 1, Blindprobe (Reagenzglas
mit Wasser und n-Heptan)
Durchführung:
Die
Reagenzgläser
mit
den
Carotinoidextrakten
werden
nacheinander vor den Bildschirm gehalten und mit der UV-Lampe bestrahlt (254
nm). An den Stellen, wo sich die carotinoidhaltigen Lösungen befinden, ist auf
dem Bildschirm ein Schatten zu erkennen. Das nicht carotinoidhaltige Wasser
bzw. Heptan erzeugen keinen Schatten, das UV-Licht scheint durch.
Im oberen Teil des Reagenzglas befindet sich in
Heptan gelöstes β-Carotin, im unteren Teil befindet
sich Wasser. Man erkennt die UV-Absorption durch
β-Carotin als Schattenbildung auf dem Schirm.
Abb. 19: UV-Absorption von Carotinoiden (Foto aus:
www.theochem.uni-duisburg.de)
Auswertung: Die carotinoidhaltigen Lösungen absorbieren das UV-Licht.
Der UV-Schutz kann, außer durch den Verzehr carotinoidreicher Lebensmittel
auch durch spezielle, im Handel gefindliche β-carotinhaltige „Bräunungskapseln“
erreicht werden. Die hochdosierte, isolierte Einnahme von β-Carotin ist jedoch
nicht für alle Bevölkerungsgruppen unbedenklich. So erhöhte sich bei Studien
(z.B. CARET-Studie, Finnland-Studie), bei denen die Probanden hochdosierte βCarotin-Präparate (20 mg β-Carotin pro Tag, dies entspricht etwa der Tagesdosis
in Bräunungskapseln) als Antioxidans einnahmen, das Lungenkrebsrisiko bei
Rauchern, so dass die Studien vorzeitig abgebrochen werden mussten (Omenn
et al. 1996, The Alpha-Tocopherol, Beta Carotene Cancer Prevention Study
Group 1994). Zumindest für Raucher muss also die Empfehlung, keine βcarotinhaltigen Präparate zu sich zu nehmen, ausgesprochen werden.
18
In Studien, bei denen die Probanden vermehrt Carotinoide durch den Verzehr von
Obst und Gemüse zu sich nahmen, konnte hingegen ein erniedrigtes
Lungenkrebsrisiko sowohl bei Rauchern als auch bei Nichtrauchern festgestellt
werden (World Cancer Research Fund/American Institute for Cancer Research
1997).
Der antikanzerogene Effekt des β-Carotins und der Carotinoide allgemein ist auf
ihre Wirkung als Antioxidantien zurückzuführen. Sie wirken aber auch direkt durch
verschiedene Mechanismen antikanzerogen.
Polyphenole
Polyphenole
sind
aromatische
Verbindungen
mit
einer
oder
mehrerer
Phenolgruppen. Zu ihnen gehören z.B. die Flavonoide und die Phenolsäuren.
Flavonoide, zu denen die gelben Flavonole und die roten bis blauen Anthocyane
gezählt
werden,
haben
antioxidative
Eigenschaften
und
schützen
die
Ascorbinsäure und das Tocopherol in den Pflanzen vor Autoxidation. Durch
diesen stabilisierenden Einfluss haben sie einen „Vitamin-C- und E-sparenden“
Effekt.
Auch die Phenolsäuren dienen sowohl der Pflanze als auch im menschlichen
Körper als Antioxidantien. Ein Beispiel ist die Gallussäure in roten Trauben.
O
OH
Abb. 20: Phenolsäuren
Gallussäure, z.B. in roten Trauben
OH
OH
OH
OH
O
OH
OH
OH
O
Abb. 21 : Flavonoide
Quercetin, z.B. in Äpfeln
OH
19
OH
O
OH
Abb. 22: Anthocyane
Cyanidin, z.B. in Rotkohl
(hier: ungeladene Struktur in
neutraler Lösung)
O
OR
OH
Sulfide
Sulfide sind schwefelhaltige Inhaltsstoffe in Liliengewächsen wie Knoblauch,
Zwiebeln, Schnittlauch und Lauch. Sie verleihen dem Gemüse sein scharfes
Aroma. Alle Sulfide wirken antioxidativ, besonders wirkungsvoll ist das Allicin, das
aus den Sulfiden im Knoblauch nach mechanischer Behandlung (Schneiden,
Pressen, Kauen) entsteht.
O
Abb. 23: Allicin, im Knoblauch
S
S
Neben antioxidativen Eigenschaften wirken Sulfide entzündungshemmend,
blutdrucksenkend, antimikrobiell und verdauungsfördernd.
3. speziell: Antioxidantien und oxidativer Stress
Antioxidantien sind Schutzstoffe, die eine Oxidation von im Körper vorhandenen
Molekülen (Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Nucleinsäuren) verhindern, indem sie
Elektronen abgeben oder Radikalketten abbrechen, ohne dabei selbst in
reaktionsfähige Moleküle umgewandelt zu werden.
Oxidationen können von verschiedenen Verbindungen ausgelöst werden: vom
molekularen
Sauerstoff
und
von
reaktiven
Sauerstoffformen
und
Sauerstoffverbindungen wie Singulettsauerstoff (1O2), Wasserstoffperoxid (H2O2)
und Stickstoff-Monoxid und Stickstoff-Dioxid (NO, NO2). Als dritte wichtige
Gruppe sind die freien Radikale zu nennen, Atome oder Moleküle, die über ein
ungepaartes Elektron verfügen und deshalb besonders reaktiv sind. Im Einzelnen
20
sind dies das Superoxidradikalanion (·O2-), das Hydroxylradikal (·OH) und das
Peroxylradikal (ROO·). Die Radikale bilden sich bei allen auf Sauerstoff
angewiesenen
Lebewesen
natürlicherweise
im
Körper.
Durchschnittlich
verwandelt der menschliche Körper eines von 17 Sauerstoffatomen in eine
reaktive Form um. Hinzu kommen exogene Ursachen wie das Rauchen,
Arzneimittel,
Luftverunreinigungen,
Schadstoffe,
Leistungssport,
UV-Licht,
ionisierende Strahlung und falsche Ernährung.
Der Körper hat aber eine ganze Reihe von Mechanismen entwickelt, um die freien
Radikale und die reaktiven Sauerstoffspezies unschädlich zu machen. Außerdem
wirken antioxidative Stoffe aus der Nahrung den aggressiven Teilchen entgegen.
Wichtige Antioxidantien sind die Vitamine C und E und die Carotinoide, v.a. das
β-Carotin. Aber auch eine ganze Reihe von anderen sekundären Pflanzenstoffen,
wie Polyphenole und Sulfide, wirken antioxidativ. Daneben helfen auch
Spurenelemente wie Selen, Mangan und Zink bei der oxidativen Abwehr mit.
Ist das Verhältnis von „Angriff und Verteidigung“ aus dem Gleichgewicht, spricht
man von oxidativem Stress und langfristig können Krankheiten entstehen.
Oxidativer
Angriff
Antioxidative
Verteidigung
Normalzustand
Oxidativer
Angriff
Antioxidative
Verteidigung
Oxidativer Stress
Abb. 24: Entstehung von oxidativem Stress
Wird ein Radikal nicht abgefangen, kann es mit anderen Atomen oder Molekülen
reagieren und diese wiederum durch Abgabe oder Aufnahme eines Elektrons zu
einem Radikal umwandeln. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Peroxidation von
Zellmembranen, die aus Phospholipiden bestehen, die ungesättigte Fettsäuren
enthalten.
21
Abb. 25: Modell einer Zellmembran. Die
blauen Strukturen stellen die amphiphilen
Phospholipide dar. Sie grenzen die Zellen
gegeneinander ab (aus: www.flyion.de).
Das Radikal (hier ein Hydroxylradikal, ·OH) greift ein allylständiges H-Atom der
ungesättigten Fettsäure an und es bildet sich ein Pentadienylradikal.
Startreaktion:
R
Startreaktion:
O
H
H 3C(H 2 C)4
O
H
C
CH 2(CH 2 )6CO
R'
•
CH 2O
C(CH 2)14CH 3
CH
O-
CH 2O
PO(CH 2)2N(CH 3)3 +
•OH
R
- H2O
R'
•
O
R
R
R'
•
R'
Pentadienyl-Radikal
Dieses ist mesomeriestabilsiert und nicht sehr reaktionsfreudig. Es kann jedoch
durch Reaktion mit Sauerstoff zum reaktiven Peroxylradikal werden.
Fortpflanzungsschritt 1:
R
•
R'
R
O2
R'
O
O
•
Peroxyradikal
Dieses kann ein benachbartes Phospholipidmolekül angreifen, wobei wiederum
ein
Pentadienyradikal,
sowie
ein
Lipidhydroperoxid
entsteht.
Das
22
Lipidhydroperoxid kann sich weiter zersetzen, wobei weitere toxische Produkte
entstehen.
Fortpflanzungsschritt 2:
R
R
R'
+
O
H H
C
R'
R
O
O
R'
R
+
R'
R'
O
O
OH
•
R
O2
•
Lipidhydroperoxid
Das Pentadienylradikal kann wieder mit Sauerstoff reagieren und so die
Radikalkettenreaktion fortsetzen.
R
R'
•
R
O2
R'
O
O
•
Auf diese Weise kann ein ganzer Membranabschnitt durch ein einziges Radikal
geschädigt und in seiner Funktion beeinträchtigt werden.
Unterbrochen werden kann die Lipidperoxidation durch Antioxidantien wie Vitamin
E (-Tocopherol). Das Vitamin E wird dabei selbst zum Radikal, das wiederum
vom Vitamin C regeneriert wird. Das Tocopherol-Radikal und das AscorbatRadikal sind resonanzstabilisiert und deshalb sehr reaktionsträge. Das AscorbatRadikal zerfällt zu niedermolekularen wasserlöslichen Verbindungen, die vom
Körper ausgeschieden werden.
Radikalkettenabbruch durch Vitamin E:
CH3
CH3
+
-H
HO
-
•
O
O
CH3 +
CH3
H3C
O
CH3
R
H3C
O
CH3
R
Lipid-O •
oder
Lipid-O-O •
CH3
CH3
H3C
O
CH3
R
+
Lipid-Ooder
Lipid-O-O-
Lipidradikal
Lipid-Ooder
Lipid-O-O-
H+
Lipid-OH
oder
Lipid-O-OH
23
+ H+
Regeneration von Vitamin E durch Vitamin C:
OH
-
CH3
O
O
H
HO
H
OH
CH3
•O
O
-
+
CH3
H3C
O
CH3
R
O
•O
O
CH3
H3C
O
CH3
R
CH2OH
+
H
O
HO
H
CH2OH
Ascorbinsäure
Semihydroascorbinsäure
Ascorbinsäure spielt bei der antioxidativen Wirkung von Vitamin E also eine große
Rolle, indem sie es „recycelt“, so dass es wieder für einen neuen
Radikalkettenabbruch zur Verfügung steht. Da Ascorbinsäure wasserlöslich ist,
kann es nicht lange im Körper gespeichert werden und muss daher regelmäßig
(mit der Nahrung) aufgenommen werden. Der folgende Versuch soll zeigen, dass
Vitamin C auch in Gemüse wie dem Weißkohl enthalten ist.
Versuch 3: Nachweis von Vitamin C in Weißkohl
Geräte: (Demonstrations-) Reagenzgläser, Reibschale
Chemikalien: FeCl3-Lösung 1%, KSCN-Lösung 1%, HCl konz., entionisiertes
Wasser, gekochter, geschnittener Weißkohl
Durchführung: Etwas Eisen(III)chloridlösung wird mit konz. Salzsäure angesäuert
und mit einigen Tropfen Thiocyanatlösung versetzt. Es kommt dabei zu einer
Rotfärbung. Der Weißkohl wird mit etwas entionisiertem Wasser in der
Reibschale zerdrückt und zu der Lösung gegeben. Diese entfärbt sich.
Auswertung: Die Rotfärbung der Lösung kommt durch die Bildung eines
Eisen(III)-Thiocyanat-Komplexes zustande. Mit Eisen(II) kommt es nicht zu einer
Rotfärbung.
Fe3 ( aq )  3 SCN( aq ) 
 FeSCN3( aq )

24
Die Ascorbinsäure wirkt als Reduktionsmittel und reduziert das Fe3+ zum Fe2+,
sodass die Rotfärbung verschwindet.
Reduktion:
2 Fe3 ( aq )  6 Cl ( aq )  2 H ( aq )  2 e  
 Fe 2 ( aq )  4 Cl ( aq )  2 H ( aq )  2 Cl ( aq )

Oxidation:
OH
O
HO
OH
HO
+ 2 H+ + 2 e-
O
OH
O
OH
O
O
O
Auch Polyphenole können als Radikalfänger wirksam werden. Sie werden dabei
selbst zu einem Radikal (Phenoxy-Radikal), das aber mesomeriestabilisiert und
deshalb weniger reaktiv ist.
O•
O
O
O
•
•
•
Abb. 26: Phenoxy-Radikal
So ist zum Beispiel die stark antioxidative Wirkung von Rotwein und rotem
Traubensaft
auf
eine
polyphenolische
Verbindung,
das
Resveratrol,
zurückzuführen. Die Substanz verhindert wirkungsvoll die Oxidation von LDLPartikeln und kann so vor Arteriosklerose und damit vor Bluthochdruck und
Herzinfarkt schützen.
OH
Abb. 27: Resveratrol
z.B. in roten Trauben
OH
OH
Cholesterin ist ein fettlöslicher Stoff und muss deshalb im Blut von speziellen
amphiphilen Strukturen, z.B. dem Lipoprotein LDL, transportiert werden. Diese
sind
ähnlich
aufgebaut
wie
Zellmembranen
und
bestehen
v.a.
aus
Phospholipiden. Diese können durch freie Radikal angegriffen und beschädigt
25
werden
(vergl.
Abwehrzellen
Mechanismus
aus
dem
Blut
der
Peroxidation
versuchen
diese
von
Zellmembranen).
beschädigten
Partikel
„aufzufressen“. Dabei entstehen schaumige Gebilde, die sich an der Arterienwand
anlagern können. Wird diese Plaque zu voluminös, kann sich das Gefäß so weit
verengen, dass es zur Arteriosklerose, einer Gefäßverengung, kommt (s. Abb.
28). Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folge sein.
Abb. 28: Entstehung einer Arteriosklerose in einem Blutgefäß
(aus: www.zocor.de)
Dass die Inhaltsstoffe von Obst und Gemüse Radikalreaktionen stoppen können,
soll hier anhand eines Modellversuchs gezeigt werden.
Versuch 4: Antioxidative Eigenschaften von Fruchtsäften
Geräte: Magnetrührer mit Rührfisch, kleine Bechergläser, Stoppuhr
Chemikalien:
Stärkelösung
w
=
1%,
entionisiertes
Wasser,
Wasserstoffperoxidlösung w = 30%, Natriumiodatlösung c(NaIO3) = 0,2 mol/L, in
Schwefelsäure c(H2SO4) 0,077 mol/L, Malonsäure c(CH2(COOH)2) = 0,3 mol/L,
Mangansulfat-Monohydrat c(MnSO4) = 0,04 mol/L, Fruchtsäfte (Apfel-, roter
Trauben-, schwarzer Johannisbeersaft).
Durchführung: In ein Becherglas werden 1 mL Stärkelösung, 2 mL entionisiertes
Wasser, 10 mL Wasserstoffperoxid-Lösung, 5 mL Malonsäure-Lösung und 10 mL
Natriumiodat-Lösung gegeben und auf dem Magnetrührer gerührt. Dann werden
2 mL Mangansulfat-Lösung dazugegeben. Es setzt eine Oszillation ein: die
Lösung wird blau und kurz später wieder farblos. Wenn sie das zweite Mal blau
wird, wird 1 mL verdünnte Fruchtsaftlösung (3 mL Fruchtsaft auf 100 mL mit
26
entionisiertem Wasser auffüllen) dazugegeben. Es wird von da an die Zeit
gestoppt bis die Lösung wieder blau wird.
Auswertung: Die Methode beruht auf der Erzeugung und Detektierung eines
Radikals. Durch Zusatz eines Antioxidans zum Reaktionsgemisch wird die
Radikalbildung gehemmt. Der Grad der Inhibierung dient dabei als Maß für die
antioxidative Wirksamkeit der getesteten Substanz. Anhand der ermittelten
Inhibierungszeiten (Apfelsaft 24 sec., Traubensaft 37 sec., Johannisbeersaft 20
min.) lässt sich eine zunehmende antioxidative Wirksamkeit der Säfte in der
Reihenfolge Apfelsaft < Traubensaft < Johannisbeersaft feststellen.
Man geht davon aus, dass sich antioxidativ wirksame Substanzen in in-vitroTestsystemen auch in vivo wirksam zeigen. Allerdings lässt sich die Stärke der
antioxidativen Wirkung im Körper und die benötigten Aufnahmemengen an Saft
anhand dieses Modellversuches natürlich nicht festlegen.
Briggs-Rauscher-Reaktion:
Es handelt sich hierbei um ein oszillierendes System, bei dem sich radikalische
und nichtradikalische Reaktionsschritte abwechseln. Dieser Wechsel ist anhand
des Farbwechsels farblos – gelb – blau – farblos zu verfolgen. Die Stärkelösung
dient dabei als Farbindikator.
Die Gesamtreaktionsgleichung der Briggs-Rauscher-Reaktion lautet:
IO 3  2 H2 O 2  CH2 COOH2 H 
 ICHCOOH2  2 O 2  3 H2 O

Mangan(II)-Ionen katalysieren die Reaktion. Wichtige Zwischenprodukte sind Iod,
Iodidionen und das Perhydroxylradikal (HOO).
Die Farbfolge lässt sich folgendermaßen erklären:
Ist die Iodkonzentration niedrig, ist die Lösung farblos.
Ist die Iodkonzentration hoch, die Iodidkonzentration niedrig, ist die Lösung gelb.
Sind Iod- und Iodidkonzentration hoch, liegen Triiodidionen vor, die mit der Stärke
eine blaue Einschlussverbindung bilden.
27
Liegen
Antioxidantien
in
der
Lösung
vor,
reagieren
diese
mit
den
Perhydroxylradikalen, so dass die Oszillationen aussetzen. Die Lösung bleibt
farblos.
Ar-OH + HOO·  H2O2 + Ar-O·
Sind alle Antioxidantien verbraucht, setzt die Oszillation wieder ein.
4. Fazit
Die präventive Wirkung von Obst und Gemüse auf Zivilisationskrankheiten hat
wie im Vortrag vorgestellt vielfältige Ursachen. Diese liegen in erster Linie bei den
antioxidativen
Eigenschaften.
Bis
heute
ist
allerdings
nicht
für
alle
Pflanzeninhaltsstoffe bekannt, wie genau und in welchem Maße sie für die Effekte
verantwortlich sind. Als gesichert gilt jedoch, dass eine ausgewogene
Kombination an verschiedenen Stoffen am effektivsten ist und dass viele
Wirkungen nicht durch die Einnahme von isolierten oder synthetisch hergestellten
Wirkstoffen erreicht werden können. Dies gilt v.a. für die sekundären
Pflanzeninhaltsstoffen. Ein regelmäßiger Verzehr verschiedener Obst- und
Gemüsearten scheint deshalb besonders günstig zu sein.
5. Schulrelevanz des Themas
Die hier behandelte Thematik eignet sich für den fächerübergreifenden
Chemieunterricht in der Oberstufe. So werden in der 12. Jahrgangsstufe
technisch und biologisch wichtige Kohlenstoffverbindungen durchgenommen,
wobei auch Naturstoffe behandelt werden. Neben den Inhaltsstoffen von Obst
und Gemüse sind dabei auch die anderer Lebensmittel (Kohlenhydrate, Fette,
Proteine) vorgesehen.
In der 13. Jahrgangsstufe kann das Thema Nahrungsmittel (Analyse und
Inhaltsstoffe) als Wahlthema „Angewandte Chemie“ vertieft werden. Generell
sollten Bezüge zum Biologieunterricht hergestellt werden.
Das Thema Ernährung und Lebensmitteln steht dem Erfahrungsbereich der
Schülerinnen und Schüler naturgemäß nah. Zum Einen, da sie täglich selbst
28
Nahrungsmittel zu sich nehmen, zum Anderen sind sie dem Thema aber auch
ständig in den Medien, oft in Form von Werbung, ausgesetzt. Versprechungen
über
gesundheitsförderliche
Wirkungen
oder
Warnungen
vor
gesundheitsschädlichen Wirkungen können von den Lernenden aufgrund des oft
nur fragmentarischen Wissens über diesen Sachverhalt nur unzureichend
bewertet
werden.
Hier
besteht
im
Chemieunterricht
die
Chance,
Alltagserfahrungen der Jugendlichen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu
verknüpfen und sie zu befähigen, die zum Teil widersprüchlichen Berichte über
Ernährung in den Medien kritisch zu hinterfragen.
Den Schülerinnen und Schüler kann außerdem bewusst werden, dass sie durch
ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten ihre Gesundheit beeinflussen können.
Umso besser, wenn diese Einsicht durch chemischen Sachverstand zustande
kommt!
6. Literatur
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www.theochem.uni-duisburg.de/DC/material/carotin/carver.html (Versuchsreihe Carotin)
www.aerztlichepraxis.de/artikel?number=1080129588
Sonnenschutz
geht
durch
den
Magen
-
(Artikel:
Nahrungsinhaltsstoffe
Auch
wirken
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