Fortbildungsseminar "Hormonell Aktuell" Belek, 27. Oktober 2009 Abstract Aromatasehemmer adjuvant: Nutzen? Lebensqualität? Tamoxifen ist zeitgemäßer und effizienter! J. M. Wenderlein Onkologische systemische Therapie ist um so effizienter, je gezielter an Tumorzellen interveniert wird. Das gilt erst recht für adjuvante Therapie-Entscheidungen mit möglichst wenigen Risiken und Nebenwirkungen. Zusätzlich sind bei adjuvanter antihormoneller Therapie "carry-over"-Effekte zu bedenken: werden positive und negative Wirkungen erst später erkennbar? Mehrere Jahre später auftretende Wirkungen gilt es bei Tamoxifen (TAM) versus AromataseHemmer (AH) zu bedenken. TAM lässt noch Östrogen-Partialwirkungen zu, die vor Osteoporose-Frakturen schützen und Blutfette absenken mit schützenden Effekten auf Gefäße, auch im Gehirn. Aromatasehemmer bewirken das Gegenteil. So werden vom Dachverband Osteologie bei Aromatasehemmer-Therapien wegen des hohen Osteoporose-Risikos adäquate medikamentöse Gegenmaßnahmen gefordert. Kaum bedacht wird, dass AH nach heutigen onkologischen Zielsetzungen nicht zeitgemäß sind. Denn diese Substanzen wirken nicht direkt auf Tumorzellen. Die Blockade des Enzyms Aromatase hemmt die Umwandlung von Androgen zu Östrogen im peripheren Gewebe/Fettgewebe. Die so völlig blockierte Östrogenversorgung des Körpers stellt eine antihormonelle Radikalität dar wie die frühere chirurgische Radikalität bei Brustkrebs - ohne Benefit. Von beiden Extrem-Therapien profitieren nur wenige Prozent der Frauen, wesentlich mehr erfahren organische Schäden, unnötig reduzierte Leistungsfähigkeit und Lebensqualität – bei gleichen Überlebenszeiten. Das gilt gesichert für TAM versus AH. TAM als intelligenteres Konzept bindet in seiner 100-fach onkologisch stärkeren Form Endoxifen (in der Leber umgewandelt) kompetitiv direkt am Östrogenrezeptor der Tumorzelle. Damit wird die Signalübertragung zur Proliferation blockiert. Östrogen kann hingegen auf andere Zellen noch schützend wirken z. B. Knochenzellen. Auch lipidsenkende Effekte der Östrogene bleiben erhalten – mit Gefäßbenefit. Von daher ist nicht überraschend, dass unter AH nicht hinnehmbar mehr Osteoporose-Frakturen und KHK-Probleme auftreten. Letztere machen bei Frauen generell ohnehin schon 43 % der Gesamtmortalität aus und Brustkrebs 2 Prozent nach dem 50. Lebensjahr. Mögliche TAM-Risiken wie venöse Thrombosen/Embolien sind je nach Risikoanamnese reduzierbar – in Absprache mit phlebologisch orientierten Kollegen. Das Corpus-CA-Risko könnnen Frauenärzte anamnestisch und klinisch selbst einstufen: Diabetes, Hochdruck und Übergewichtigkeit. Dann ist mit 6 – 12 monatiger Vaginal-Sonographie zur Beurteilung des Endometriums eine recht gute Risikoabschätzung möglich. Nur bei einer kleinen Gruppe mit extremen Risiken werden dann AH indiziert sein – ohne die Mehrheit der Frauen wegen möglicher, seltener Risiken zu belasten. Die Vergleichstudien AH versus TAM werden irreführend dargestellt, wohl im Interesse von drei Pharma-Riesen. Das ist nachvollziehbar bei 240 Millionen Euro jährli-chem AH-Umsatz im Vergleich zu 5 Millionen Euro für Tamoxifen (Tageskosten AH ca. 6 Euro versus TAM 0,22 Euro = Unterschied ca. Faktor 25). Um dies zu rechtfertigen werden folgende Studienangaben gemacht. So ergab ATAC 100 (60 Monate Therapie + 40 Monate Nachbeobachtung) 34 % weniger Rezidive, die aus 21,8 % unter TAM versus 17,0 % unter AH Anastrozol errechnet wurden, also aus einer Differenz von 4,5 %. 40 % weniger kontralaterale Krebse basieren auf einer 1,7 % Differenz, nämlich 4,2 % unter TAM versus 2,5 % und AH Anastrozol. Beim krankheitsfreiem Überleben nach 5 Jahren gab es keinerlei Unterschiede: 50 von 846 versus 48 von 812. In St. Antonio 2007 kam Richard Peta anhand einer weltweiten Analyse zum Ergebnis, dass das Langzeitüberleben nach Brustkrebstherapie in den letzten Jahren gleich geblieben ist. Die Brustkrebsmortalität halbierte sich bei den 35 bis 69 Jährigen Dank früheren Tumorerkennens und nicht in Folge adjuvanter systemischer Therapien. Bei Östrogen-Risiken sei auf extrem gefährdete Frauen verwiesen: BRCA 1/2 Trägerinnen, die wegen hohen Brustkrebsrisikos eine prophylaktische Oophorektomie erhalten, steht ein Lebenszeitgewinn von 3,3 bis 4,6 Jahren bevor. Substituiert man nach der operativen Kastration "paradoxerweise" anschließend lebenslang mit Hormonen, wird damit die obige, zu erwartende Lebenszeit bis um ein Jahr verkürzt bzw. bis zu 0,2 Jahren verlängert. Das ist abzuwägen mit Lebensqualität und somatischen Risiken wie KHK-Ereignissen und OsteoporoseFrakturen, die sich niedrig dosiert hormonell um ein Drittel bis zur Hälfte reduzieren lassen. Auf die Effizienzsteigerung vom TAM verweisen auf Kongressen renommierte Kollegen: Kleeberg / Hamburg, diesjähriger Präsident des dt. SenologenKongresses, Possinger und Roots / Berlin Charité. Frauen mit Brustkrebs sind mehrheitlich über 60 Jahre alt und viele davon mulitimorbid. Sie bekommen oft Arzneimittel, die das Leberenzym CYP 2 D 6 hemmen. Dieses ist zur Umwandlung von TAM in das 100-fach wirksamere Endoxifen nötig. Würden gynäkologisch-onkologische Abteilungen routinemäßig Arzneimittel-Anamnesen erheben, so wäre erkennbar, welche Arzneimittel auszutauschen sind wegen CYP 2 D 6-enzymmindernder Wirkung. Damit könnte die TAM-Effizienz insgesamt um 30 % gesteigert und die geringen onkologischen Prozentdifferenzen TAM versus AH weit übertroffen werden. Ein anderer pharmakologischer Aspekt der drei Aromatasehemmer wird bei uns ausgeklammert: ca. 7 % der Frauen sind "poor metabolizer" hinsichtlich Umwandlung von TAM zu Endoxifen (mittels im Handel befindlichem Test feststellbar). Bekannt ist, dass diese Frauen nur halb so lang überleben wie "fast metabolizer". Diese Faktoren sind bei adjuvanten Indikationen zu bedenken, da 90 % der Frauen weiter eine mittlere Lebenserwartung von 80 Jahren haben. Erinnert sei, dass sich unter Letrozol ab 65 Jahren das Frakturrisiko verdoppelt im Vergleich zu TAM. Bei primärer Brustkrebstherapie nach 60 Jahren sterben 10 Jahre danach 3 von 37 mit primär invasivem Tumor an Brustkrebs bezogen auf 1000 Frauen. In dieser Zeitspanne sterben 126 an anderen Ursachen (Relation 1 zu 42), worauf der internistische Onkologe Possinger /Charité verweist. Fazit TAM zur Adjuvans sollte Goldstandard aus wissenschaftlicher Sicht bleiben. Prof. Dr. med. J. M. Wenderlein Universität Ulm [email protected]