MEMO/00/33 Brüssel, den 13. Juni 2000 Häufig gestellte Fragen zu Tabakkonsum Bekämpfungsmaßnahmen in der EU und Wie sieht die rechtliche Situation in der EU für Tabakerzeugnissen derzeit aus? Es gibt eine Richtlinie aus dem Jahre 1989 "Fernsehen ohne Grenzen", die Fernsehwerbung für Tabak und das Sponsoring von Programmen durch Tabakhersteller verbietet. Hinzu kam 1998 eine Richtlinie über die direkte und indirekte Werbung für Tabakerzeugnisse einschließlich des Sponsoring; diese Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten bis zum 30. Juli 2001 umgesetzt haben, wobei sie die Möglichkeit haben, die Anwendung in bezug auf die Werbung in der Presse bis zum 30. Juli 2002 und in bezug auf das Sponsoring bis zum 30. Juli 2003 auszusetzen. Außerdem dürfen die Mitgliedstaaten für einen zusätzlichen Zeitraum von drei Jahren, der spätestens am 1. Oktober 2006 abläuft, gestatten, daß ein bestehendes Sponsoring von Veranstaltungen oder Aktivitäten, die weltweit organisiert werden, fortgesetzt wird. Eine Richtlinie von 1989 legt gemeinsame Regeln für die Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen mit Gesundheitswarnhinweisen fest. Eine Richtlinie aus dem Jahre 1990 sieht eine Verringerung des Teergehalts von Zigaretten vor, eine andere von 1992 die Überarbeitung der Gesundheitswarnhinweise und ihre Ausweitung auf alle Tabakerzeugnisse. Diese Richtlinie untersagte auch den als stark karzinogen erkannten Tabak zum oralen Gebrauch. Schweden wurde in seiner Beitrittsakte für sein Hoheitsgebiet eine Abweichung von den Vorschriften über das Inverkehrbringen von Tabak zum oralen Gebrauch eingeräumt. Was sieht der neue Vorschlag für eine Tabakrichtlinie vor? Den Vorschlag für eine Richtlinie über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen hatte die Europäische Kommission im letzten November angenommen (IP/99/846), er faßt die bestehenden Richtlinien aus den Jahren 1989, 1990 und 1992 (siehe oben) zusammen und aktualisiert sie. Wichtigste Punkte sind: die weitere Verringerung des Höchstwertes für den Teergehalt von Zigaretten von 12 mg auf 10 mg pro Zigarette, die Einführung einer Begrenzung des Nikotingehalts von 1 mg pro Zigarette sowie einer Höchstgrenze von 10 mg Kohlenmonoxid pro Zigarette. Weiterhin ist eine Vergrößerung der Gesundheitswarnhinweise vorgesehen. Weitere Zusatzstoffe sind anzugeben, außerdem sieht der Vorschlag ein Verbot von Beschreibungen wie "mild" oder "niedriger Teergehalt" vor, es sei denn, die Mitgliedstaaten erlauben sie ausdrücklich. Das Europäische Parlament wird seine erste Lesung zu diesem Vorschlag am Dienstag, dem 13. Juni halten. Warum müssen Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt in Zigaretten EU-weit harmonisiert werden? Der Teergehalt wurde bereits in einer Richtlinie aus dem Jahre 1990 EU-weit harmonisiert. Der Ausschuß Hochrangiger Krebssachverständiger hat auf seiner Konsenskonferenz im Oktober 1996 eine weitere Verringerung dieser Höchstwerte sowie die Einführung eines Höchstwertes für Nikotin empfohlen, der an die Stelle der bestehenden Beschränkungen in einigen Mitgliedstaaten treten sollte, die nach der Abschaffung der internen Grenzkontrollen praktisch nicht mehr anwendbar waren. Die Einführung einer Höchstgrenze für Kohlenmonoxid, das verantwortlich ist für Herzkrankheiten, ist eng verknüpft mit der Verbrennung des Tabakblatts und der dadurch bedingten Entstehung von Teer in Zigaretten. Keiner dieser Stoffe war mangels gemeinsamer EU-Normen auf nationaler Ebene mehr kontrollierbar, da Tabak über die Grenzen hinweg vermarktet wird und an den Binnengrenzen keine Kontrollen mehr möglich sind. Warum entscheidet die EU über Grösse und Inhalt der Warnhinweise? Ist es nicht Sache des Verbrauchers, zu entscheiden? Die Festlegung gemeinsamer Warnhinweise in der EU geht zurück auf das Jahr 1989, als man bereits die Notwendigkeit erkannte, Mindestvorschriften festzulegen, um einerseits den freien Verkehr von Tabakerzeugnissen im Binnenmarkt zu ermöglichen und andererseits ein hohes Gesundheitsschutzniveau gemäß Artikel 95 des Vertrags zu gewährleisten. Damit der Verbraucher entscheiden kann, muß er Informationen in einer verständlichen Form erhalten, also in seiner Sprache und in einer Art und Weise, die nicht von der Tabakindustrie selbst festgelegt wird. Die Exportbeschränkungen (in der vorgeschlagenen Richtlinie) werden Arbeitsplätze kosten. Will die EU dieses Risiko in der gegenwärtigen Beschäftigungssituation eingehen? Die EU-Rechtsvorschriften in vielen Bereichen gelten gleichermaßen für Einfuhren, Produkte für den internen Verbrauch und Ausfuhren. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um den Verbraucherschutz geht. Im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) ist es von großer Bedeutung, jeden Unterschied zwischen Regelungen für den Import und Regelungen für den Export zu vermeiden. Es besteht ganz klar keine Verbrauchernachfrage für gefährliche und abhängig machende Produkte. Das Interesse an der Herstellung solcher Produkte kann also nur kommerzieller Art sein. Zwei weitere Aspekte sind zu betonen: Das Europäische Parlament sieht eine Übergangszeit von fünf Jahren vor, damit die Unternehmen ihren Herstellungsprozeß ändern und ihre Vermarktungsstrategie im Hinblick auf den Export von Zigaretten ändern können. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereitet derzeit die Eröffnung von Verhandlungen über ein internationales Rahmenabkommen zur Tabakbekämpfung vor. Damit sollen internationale Normen für Tabakerzeugnisse geschaffen werden. Die in den EU-Rechtsvorschriften vorgeschlagenen Normen werden es selbstverständlich den EU-Herstellern einfacher machen, sich an künftige, international vereinbarte Normen anzupassen. 2 Unter diesen Umständen müssen nicht weiter belegte Behauptungen über Einbußen geprüft und analysiert werden. Im Bericht "Curbing the Epidemic" der Weltbank aus dem Jahre 1999 heißt es, aus den zugrundeliegenden Studien gehe hervor, daß die meisten Länder bei einem Rückgang des Tabakkonsums keine NettoArbeitsplatzverluste, einige sogar netto einen Anstieg erleben würden. Diese Nettosteigerungen ergeben sich daraus, daß Ausgaben für Waren oder Dienstleistungen außerhalb der Tabakindustrie eher in arbeitsintensivere Bereiche fallen. So würde beispielsweise das durch geringeren Zigarettenkonsum eingesparte Geld, wenn es für Urlaubsreisen verwendet würde, entsprechend mehr Arbeitsplätze schaffen, als in der Tabakindustrie verlorengehen, wo die Produktion stark automatisiert ist. Das Gleiche gilt für die Richtlinie über die Tabakwerbung. Sie kostet Arbeitsplätze in der Werbebranche und schliesslich auch in der Tabakindustrie. Ist dies der EU gleichgültig? Die Erfahrungen mit der Anwendung der Richtlinie von 1989 über die Fernsehwerbung und die Richtlinie von 1998 über die allgemeine Werbung sowie mit den verschiedenen nationalen Regelungen und Vorschriften zur Tabakwerbung und zum Sponsoring (so in Irland, Belgien, Frankreich, Finnland, Portugal) lassen keine Netto-Arbeitsplatzverluste in der Volkswirtschaft erkennen. Vielmehr wurden die Ausgaben für Tabakwerbung, Sponsoring und Tabakkonsum verlagert auf Werbung aus anderen Bereichen, insbesondere aus dem neuen Sektor der Informationstechnologien. Gibt es Werbeverbote für andere Erzeugnisse in der EU oder den Mitgliedstaaten? Wenn ja, für welche Produkte? Ja, es gibt EU-weit und auf Ebene einzelner Mitgliedstaaten Verbote oder Einschränkungen für eine Vielzahl von Produkten, so etwa Schußwaffen, Drogen, Medikamente; diese Einschränkungen werden aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Moral oder des Gesundheitsschutzes erlassen. Keine der genannten Produktkategorien ist jedoch für ein so hohes Maß an Gesundheitsschäden und Todesfällen verantwortlich wie der Tabak. Wird auch die Werbung für schnelle Autos und Alkohol bald verboten werden? Weder für schnelle Autos noch für alkoholische Getränke ist ein Werbeverbot auf EU-Ebene vorgesehen. Hier sei darauf hingewiesen, daß Tabakerzeugnisse für den Tod von 500 000 EU-Bürgern jährlich verantwortlich sind, weit mehr also als schnelle Autos und Alkohol zusammen. 3 Werbung ist eine rein nationale Angelegenheit. Warum greift die EU ein? Die EU-Richtlinie über Tabakwerbung wurde erlassen, um Unterschiede zwischen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in dieser Frage zu vermeiden oder auszugleichen, die zu Schwierigkeiten im Binnenmarkt und einer unterschiedlichen Behandlung von Waren, Dienstleistungen und Veranstaltungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und damit zur Ungleichbehandlung der Unternehmen und zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Während in einigen Bereichen Werbung lokal begrenzt ist, ist die Tabakwerbung im allgemeinen international ausgerichtet und verwendet Material und Strategien, die europa- oder weltweit entwickelt und umgesetzt werden. Auch das Sponsoring von Veranstaltungen durch Tabakhersteller – insbesondere bei Übertragung im Fernsehen – ist im wesentlichen international orientiert. Waren mit Handelsmarken und Emblemen von Tabakherstellern werden weltweit vermarktet und können nicht als für einen einzelnen nationalen Markt bestimmt angesehen werden. Warum unterstützt die EU Tabakerzeuger? Ist dies nicht ein Widerspruch in sich? Die Gemeinsame Agrarpolitik fördert die Erzeugung von Rohtabak in der EU. Dieses Fördersystem ist an die Stelle früherer nationaler Förderregelungen getreten und soll sicherstellen, daß das Produkt in allen Mitgliedstaaten unter gleichen Bedingungen erzeugt wird und nicht an einem Ort stärker gefördert wird als anderswo. Das System wird 2002 überprüft werden müssen. Warum greift die EU in das Recht der Redefreiheit ein? Die Einschränkungen bei Tabakwerbung und Sponsoring sind gerechtfertigt durch die Notwendigkeit, diese Produkte im gesamten Binnenmarkt gleich zu behandeln und dabei ein hohes Maß an Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Die Gefahren des Tabakkonsums sind bekannt, über eine halbe Million EU-Bürger sterben pro Jahr vorzeitig an durch Tabak hervorgerufenen Krankheiten. Da die meisten Raucher vor dem 18. Lebensjahr angefangen haben, muß die Tabakwerbung jährlich eine vergleichbare Zahl von Anfängern rekrutieren, nur um den Markt auf dem bestehenden Niveau zu halten. Die Tatsache, daß hier bei Jugendlichen unter 18 für ein Produkt mit hoher Suchtwirkung geworben wird, dessen Gesundheitsgefahren nur zu bekannt sind, rechtfertigt es, daß die Behörden die Bemühungen der Tabakhersteller zur Förderung ihrer Produkte Einschränkungen unterwerfen. Die EU-Richtlinie ihrerseits behandelt nicht die Werbung an Tabakverkaufsstellen, so daß die Hersteller immer noch die Möglichkeit haben, auf diesem Wege mit den Verbrauchern zu kommunizieren. Das Argument der "freien Rede" ist für ein solches Produkt nicht stichhaltig, und selbst die Tabakhersteller sind bereit, diesen Punkt zu akzeptieren. Welche internationalen Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung des Tabakkonsums gibt es? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereitet derzeit die Eröffnung von Verhandlungen über ein internationales Rahmenabkommen zur Tabakbekämpfung vor. 4 Diese werden im Oktober dieses Jahres in Genf beginnen. Die EU hat sich entschlossen, sich an diesen Verhandlungen zu beteiligen, die Mitgliedstaaten werden in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen ebenfalls mitarbeiten. Ziel ist ein verbindliches Übereinkommen, das gemeinsame internationale Strategien und Konzepte zur Bekämpfung des Tabakkonsums festlegt. Welche vorbeugenden Massnahmen bestehen in der EU? Hier ist zu nennen "Europa gegen den Krebs" ein Mehrjahresprogramm zur Verringerung des Krebsrisikos. Ein Drittel der durch Krebs verursachten Todesfälle sind Schätzungen zufolge auf Tabakkonsum zurückzuführen. Das Programm fördert Projekte zur Information der Öffentlichkeit über die Gefahren des Rauchens und finanziert zwei europäische Netze, in deren Rahmen internationale Projekte zur Prävention des Tabakmißbrauchs konzipiert und umgesetzt werden sollen. Die Kommission veröffentlichte 1996 eine Mitteilung über die Bekämpfung des Tabakkonsums (KOM(96) 609) und 1999 einen Fortschrittsbericht (KOM(99) 407). 5