Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte

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Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte
P. Stifter 1 , C. Leichtie 1 , W. P. Schleich 1 und J. Marklof 2
1
2
Abteilung für Quantenphysik, Universität Ulm, D-89069 Ulm, Germany
Abteilung für Theoretische Physik, Universität Ulm, D-89069 Ulm, Germany
Z. Naturforsch. 52 a, 377-385 (1997); eingegangen am 28. Januar 1997
T h e Particle
in a B o x : Structures
in the Probability
Density
Recently W. Kinzel found characteristic structures, e. g. canals and ridges, in the contour plot
of the quantum probability density of a particle moving in a box with infinitely high walls. Using
the Wigner function we provide an analytical explanation of this numerical observation. Moreover
we demonstrate that similar space-time structures also appear in other potentials, such as the one
governing the vibrational motion of a diatomic molecule.
Vor kurzem hat Kinzel darauf hingewiesen [1],
daß das wohlbekannte Problem der quantenmechanischen Bewegung eines Masseteilchens in einem Kasten mit unendlich hohen W ä n d e n noch immer Überraschungen bereithält. Er zeigte nämlich, daß sich
in einem Höhenliniendiagramm der quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsdichte P(x,t)
= \ip(x,t)\2
in der Raumzeit charakteristische Strukturen, d. h.
Kanäle und Gebirgsgrate ausbilden [2]. Dieses numerisch entdeckte P h ä n o m e n , das wir in Abb. 1
noch einmal abgedruckt haben, bedarf nach Kinzel
[1] noch einer analytischen Erklärung. In diesem
Beitrag erklären wir das Auftreten der Kanäle und
Höhenzüge mit Hilfe der Wigner'schen Phasenraumfunktion [3]. Wir diskutieren zunächst die WignerFunktion f ü r ein Wellenpaket in einem Kasten und
berechnen daraus die zeitabhängige quantenmechanische Ortsverteilung. Anschließend werden die auftretenden Strukturen am Beispiel eines Gauß-Wellenpaketes erläutert. Das analytische Verständnis dieses Phänomens erlaubt uns eine Verallgemeinerung:
Wir zeigen, daß solche Raumzeitstrukturen auch bei
der Schwingungsbewegung eines zweiatomigen M o leküls auftreten.
Paketes nach Energieeigenfunktionen [4]. Wir folgen jedoch Max Born, der sich Ende der 50er Jahre motiviert durch Diskussionen [5] mit A. Einstein
und durch seine Ideen zur Unbestimmtheit der klassischen Mechanik [6] ebenfalls mit diesem Problem
beschäftigt hat. Sein Zugang wird uns insbesondere
eine elegante Berechnung der Wigner-Funktion f ü r
das Teilchen im Kasten erlauben. Selbstverständlich
sind beide Herangehensweisen mathematisch äquivalent, allerdings lassen sich durch die Verwendung
der Wigner-Funktion die auftretenden Interferenzterme in sehr natürlicher und anschaulicher Weise verstehen, wie wir später zeigen werden.
U m die Randbedingungen
iP(x = 0J = 0) = ip(x = L,t
Sonderdruckanforderungen an Prof. W. P. Schleich;
Fax: +49 731 502 3086.
(1)
des Verschwindens der Wellenfunktion an den
Wänden des Kastens bei x = 0 und x = L zu gewährleisten, benutzt Born eine 2L-periodische Überlagerung
oo
i/>(x,t = 0 ) =
I. Spiegel-Wellenpakete sichern R a n d b e d i n g u n g
Die Standardbeschreibung der zeitlichen Entwicklung eines Wellenpaketes in einem Kasten mit unendlich hohen W ä n d e n Jbasiert auf der Zerlegung des
= 0) = 0
Y^ 4>(x-2kL)
k= — oo
(2)
von antisymmetrischen Wellenfunktionen
<f>(x) = <p(x) - <p(-x)
,
(3)
die sich aus den Wellenpaketen ip(x) und <p(—x) zusammensetzen. Die Wellenfunktion
r , t = 0), (2),
erfüllt die gewünschte Randbedingung (1), was man
0 9 3 2 - 0 7 8 4 / 97 / 0500-0386 $ 0 6 . 0 0 © - Verlag der Zeitschrift f ü r Naturforschung, D - 7 2 0 7 2 Tübingen
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P. Stifter et al. • Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte
(a)
(b)
(c)
Trev/2
Trev/ 4
Abb. 1. Höhenlinien der Wahrscheinlichkeitsdichte P(x,t) = \ip(x, Ol2 für ein Wellenpaket in einem Kasten mit unendlich
hohen und unendlich steilen Wänden. Das Anfangswellenpaket ist gaußförmig und startet in (a) am Ort x = 0.3 • L mit der
mittleren Geschwindigkeit v = 50 • L/TREV- In (b) und (c) startet das Teilchen in der Mitte des Kastens, d.h. x = 0.5 • L mit
unterschiedlichen Geschwindigkeiten v = 50 • L/TREV, (b) und v = 100 • L/Trev, (c). Der untersuchte Zeitraum erstreckt
sich jeweils bis zur halben Revivalzeit.
leicht durch Einsetzen verifizieren kann. Darüberhinaus erlaubt dies, bei der Propagation des Wellenpaketes mit der Hamilton-Funktion H = p2/{IM)
des
freien Teilchens mit Impuls p und Masse M die Reflexionen an den Wänden zu ignorieren, da diese in
der Konstruktion schon berücksichtigt wurden. Dies
gewährleistet, daß (i) das auf diese Weise konstruierte Wellenpaket die Schrödinger-Gleichung eines
Teilchens im Kasten mit unendlich hohen Wänden
löst und (ii) die Randbedingung (1) zu allen Zeiten
erfüllt.
II. Wigner Phasenraumverteilung:
Kurze Wiederholung
Im Jahre 1932 schuf Eugene Wigner eine Formulierung der Quantenmechanik, die zu der von Schrödinger und Heisenberg äquivalent ist. Sie basiert auf dem
Phasenraum, der durch den Ort x und den Impuls
p aufgespannt ist. Unsere weitere Behandlung des
Kasten-Problems erfolgt nun durch die Phasenraumfunktion [3]
oo
d
S
=
y
e i p v / h
^
x
- y /
2
^
(4)
— oo
•r ( x +
y/2,t).
Dafür gibt es drei Gründe:
(i) Die Wigner-Funktion bringt klar die Interferenzeigenschaft von quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsamplituden, d. h. von Wellenfunktionen zum
Ausdruck. Da nämlich gemäß (4) die Wigner-Funktion bilinear in der Wellenfunktion ist, besteht die
Wigner-Funktion
W^x.p)
= Wp(x,p)
+
-p) + Wml(x,p)
(5)
der antisymmetrischen Wellenfunktion </> nicht
nur aus den Wigner-Funktionen W^(x,p)
und
W ^ - x , —p) der beiden an der Überlagerung
379
P. Stifter et al. • D a s Teilchen im K a s t e n : Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte
beteiligten Pakete ip(x) und <p(—x), sondern enthält
zusätzlich noch den Interferenzterm [7]
oo
wint(x,
p) = - J L
dy eipy/hip(x
j
-
die Wahrscheinlichkeitsdichte einsetzen, so können
wir wegen den Deltafunktionen die Impulsintegration ausführen und erhalten
y/2)
— oo
• <p*(—x — y/2)
+ k.
Es ist dieser Term, der die Kanäle und Gebirge formt,
wie wir im Folgenden zeigen werden.
(ii) Wir finden die Zeitentwicklung eines freien Teilchens in der Wigner-Funktionsdarstellung der
Quantenmechanik, in dem wir den Ort x in der Wigner-Funktion W(x,p\t
= 0) zur Zeit t = 0 durch
x — pt/M ersetzen, d. h. es gilt
W(x,p-,t)
= W(x-j^t,p:t
= 0).
-oo
k..
(10)
Das Argument
Xn,/CM) = X - j j t -
der Wigner-Funktion ist der erste Hinweis auf die
Kanäle und Höhenzüge in der Wahrscheinlichkeitsdichte \tp(x, t)\2. In der Tat beschreibt diese Funktion
f ü r Xn,i = 0, d . h . für
(7)
t
(iii) Die Wahrscheinlichkeitsdichte P(x, t) =
\ i p ( x , t ) \ 2 folgt aus der Wigner-Funktion durch Integration über den Impuls,
oo
2
l#M)l =
J dpW(x-j^t,p-,t
OD
IL
= 0).
(8)
Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus der Definition (4) unter Benutzung der Integraldarstellung der
Deltafunktion.
Trev/2
(12)
4(§-0
Geraden, die von den Ecken der einzelnen Raumzeitstreifen des Zentralkastens und der Spiegelkästen
loslaufen und die Steigung ^ besitzen. Hier bezeichnet T r e v = 4L2M/(jth)
die Revivalzeit, nach der sich
das Wellenpaket wieder vollständig restauriert hat.
IV. Gauß-Wellenpaket
Die Raumzeitstrukturen k o m m e n deutlich am Beispiel eines Gauß-Paketes
III. Wigner-Funktion für d a s Kastenpotential
Wir beginnen unsere Diskussion mit der Berechnung der Wigner-Funktion der Anfangswellenfunktion (2) und (3). Wie im A n h a n g gezeigt wird, finden
wir
W^x:p-t
irh
= 0) = —
Y ,
5(P-Pn)(-Irl
n,l=—oo
W<p(x -
(9)
lL,pn).
Hierbei ist aufgrund der 2L-Periodizität der anfänglichen Wellenfunktion
t = 0), (2), der Impuls
quantisiert, d. h. p = pn = np\, wobei n alle
positiven und negativen ganzen Zahlen durchläuft.
Nur entlang der Geraden p = pn im Phasenraum
nimmt die Wigner-Funktion des Anfangszustandes
nichtverschwindende Werte an.
Wenn wir in diesem Ergebnis den Ort x durch
x - pt/M
ersetzen und in den Ausdruck (8) f ü r
ip(x) =
03)
(y/nAx)'
• exp
1i // X — X- \ 2'
Ax
exp
i
-p(x
h
-
x)
mit Anfangsposition x, Anfangsimpuls p und Breite
Ax zum Ausdruck. In Abb. 2 folgen wir M. Born
und ersetzen dieses einzelne Gauß-Paket im Kasten (a) durch eine 2L-periodische Anordnung (b)
von antisymmetrischen Überlagerungen von GaußWellenfunktionen. Die Wigner-Phasenraumfunktion
(c) für diese Anordnung besteht zum einen aus der
gaußförmigen Wigner-Funktion
W^x.p)
=
1
(14)
7th
exp
x —x
Ax
exp
P-P
Ap
-
\
\
2'
P. Stifter et al. • Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte 380
380
b)
-2L
3L
2L
-L
Abb. 2. (a) Wellenpaket in einem Kasten mit unendlich hohen und unendlich steilen Wänden, (b) Um die Randbedingung des Verschwindens der Wellenfunktion an den Wänden bei x = 0 und x = L zu befriedigen, betrachten wir eine 2L-periodische Anordnung von antisymmetrischen Wellenfunktionen 4>(x) - ip(x) — ip(—x). Die einzelnen Pakete
in den Spiegelkästen unterscheiden sich nicht nur in ihrem Vorzeichen, sondern auch in dem Vorzeichen ihrer Geschwindigkeit. (c) Für ein Gauß-Wellenpaket zeigt die Wigner-Funktion dieser Überlagerung von Wellenpaketen im xp-Phasenraum neben den klassischen Gauß-Paketen (schattierte Ellipsenscheiben) auch Interferenzterme. In diesen
schraffiert gezeichneten Phasenraumgebieten kann die Wigner-Funktion auch negative Werte annehmen. Zur Bedeutung der verschiedenen Schraffierungen siehe Text.
des individuellen Paketes ip. Hierbei ist Ap = h/Ax
die a n f ä n g l i c h e I m p u l s u n s c h ä r f e . Z u m anderen bringt
die Ü b e r l a g e r u n g den Interferenzterm
W[nt(x,p)
=
2
7T k
cos
'
exp
px+px'
2
n
P
Ap
exp
/ x
\2~
(15)
ins Spiel. A u ß e r d e m gibt es a u f g r u n d der 2 L - P e r i o dizität noch zusätzliche Interferenzterme. In Abb. 2c
stellen wir die W i g n e r - F u n k t i o n der individuellen Term e durch schattierte Ellipsen dar, w ä h r e n d die Interf e r e n z t e r m e durch diagonal oder horizontal schraffierte Ellipsen repräsentiert werden. Die A b h ä n g i g keit dieser Beiträge zur G e s a m t - W i g n e r - F u n k t i o n W ^
v o m Ort und d e m Impuls zeigt A b b i l d u n g 3. Nach
Abb. 3. Verschiedene Beiträge zur Wigner-Funktion der
periodischen Anordnung von Gauß-Wellenpaketen aus
Fig. 2b. In (a) zeigen wir die Gauß-Glocke des einzelnen
Paketes während (b), (c) und (d) die Interferenzterme auf
Grund der Spiegelwellenpakete darstellen. Wegen der 2LPeriodizität der Anordnung ist der Impuls quantisiert. Die
Beiträge (b) und (c) an den Wänden weisen charakteristische Oszillationen auf, die sich in der Phase unterscheiden.
Dies führt dazu, daß sich die rechts und links laufenden
Kanäle in ihrer Struktur unterscheiden.
Einsetzen von Wv und Wm in (5) und (10) folgt somit f ü r die W a h r s c h e i n l i c h k e i t s d i c h t e
= YL 2 ^ 1)n"'
+G
nJ
+
(16)
wobei
GnJ
= 7 r h W
* [ ± X » , l ( M ) , ±Pr
(17)
und
In,l =
Wjnt
[Xn,l(X,t),Pr
(18)
S o m i t ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung | i p ( x , t)\2
eine unendliche Überlagerung von Gauß-Funktionen
und m o d u l i e r t e n G a u ß - F u n k t i o n e n I n < l . Dabei
tritt e i n e S u m m e ü b e r alle I m p u l s e pn und über alle Kästen, n u m m e r i e r t durch d e n S u m m a t i o n s i n d e x
l, auf. Dieser A u s d r u c k ist exakt. Wenn m a n jetzt
die W a h r s c h e i n l i c h k e i t s d i c h t e Pix, t) an e i n e m festen R a u m z e i t p u n k t (x, t) w i s s e n möchte, so m u ß man
die D o p p e l s u m m e a u s f ü h r e n . D a s Ergebnis läßt sich
als D i f f e r e n z z w e i e r J a k o b i - T h e t a f u n k t i o n e n darstellen. W e n n m a n j e d o c h nur n ä h e r u n g s w e i s e diesen
Wert der W a h r s c h e i n l i c h k e i t s d i c h t e kennen möchte,
P. Stifter et al. • Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte
Abb. 4. Bewegung des Teilchens in dem Kasten im Raumzeit-Diagramm als periodische Überlagerung von GaußStrahlen.
sind andere Darstellungen [2, 8], die auf der Idee von
"fractional revivals" b e r u h e n , von Vorteil. Z u m qualitativen und quantitativen Verständnis der K a n ä l e und
Gebirge ist j e d o c h die vorliegende F o r m f ü r P(x, t)
sehr geeignet, wie wir jetzt zeigen w e r d e n .
V. K a n ä l e u n d G e b i r g e a u s i n t e r f e r i e r e n d e n
Gaußstrahlen
Zunächst diskutieren wir die F o r m der einzelnen
Beiträge zu diesen S u m m e n und zeigen d a n n wie
hieraus die Strukturen in Abb. 1 Zustandekommen.
Die Beiträge G ^ sind G a u ß - S t r a h l e n , die, w i e in
Abb. 4 gezeigt, a u s g e h e n d von der A n f a n g s p o s i t i o n
x und deren Spiegelbildern ±x ± IL e n t l a n g der G e raden
TVVT-^T)
Xrev/2
n
\ L
L )
<19>
verlaufen. W e g e n der G a u ß g e w i c h t u n g der I m p u l s e
um p ist die S t e i g u n g ^ dieser G e r a d e n e b e n f a l l s
g e m ä ß einer G a u ß v e r t e i l u n g u m n ~ n = p/p\ gewichtet. M a n beachte j e d o c h , d a ß diese Strahlen nicht
i m m e r positiv sind. Ihr Vorzeichen ist d u r c h d e n Faktor (— 1 ) n ' 1 g e g e b e n . Dies führt zu einer stark oszillierenden Struktur. D i e d o m i n i e r e n d e n Strahlen treten
auf f ü r | p n — p| -C Ap u n d f o l g e n den G e r a d e n (19).
Wir wollen zunächst ein Teilchen mit sehr g r o ß e m
makroskopischen I m p u l s p
p\ betrachten, w i e in
A b b n . 1 und 2 dargestellt. In d i e s e m Fall verlaufen
die d o m i n i e r e n d e n Strahlen äußerst flach und entsprechen der periodischen B e w e g u n g eines klassischen Teilchens, das z w i s c h e n den W ä n d e n d e s Kastens g e f a n g e n ist. A u f g r u n d der von Null verschiedenen Breite Ax und der d a m i t v e r b u n d e n e n Breite
Ap der Impulse des A n f a n g s w e l l e n p a k e t e s hat j e d e r
Strahl einen von Null verschiedenen Ö f f n u n g s w i n k e l .
381
Dies führt dazu, daß die Strahlen, die von den Spiegelkästen mit großen /-Werten ausgehen, im Zentralkasten überlappen, wie in Abb. 4 ersichtlich. F ü r gerade l ergibt sich f ü r den Vorfaktor von G ( ± l der Wert
( — l ) n / = + l , natürlich f ü r beliebiges n . A u s d i e s e m
G r u n d haben wir solche Beiträge in Abb. 2c s c h e m a tisch als schattierte Ellipsenscheiben dargestellt. Im
G e g e n s a t z dazu sind die Terme zu u n g e r a d e m l horizontal schraffiert gezeichnet, da die Vorfaktoren in
d i e s e m Fall (— 1 ) n ' 1 = ( - 1 ) n lauten. W ä h r e n d die Beiträge erster Art (l gerade) zu e i n e m konstanten Hintergrund f ü h r e n , sind die Beiträge zweiter Art (l u n g e rade) f ü r sehr feine oszillierende Strukturen auf dies e m Hintergrund verantwortlich ( A b b i l d u n g 1). Diese Feinstruktur geht f ü r sehr kleine mittlere I m p u l s e
p
Ap in d o m i n a n t e Täler und H ö h e n z ü g e über,
w i e wir weiter unten zeigen w e r d e n .
Die in Abb. 1 sichtbaren Täler und H ö h e n z ü g e haben dagegen ihre Ursache in den Interferenztermen
I n , i , die in Abb. 2c durch diagonal schraffierte Ellipsenscheiben dargestellt sind. Diese Beiträge liefern
Strahlen, die nicht von der A n f a n g s p o s i t i o n d e s Wellenpaketes und seinen Spiegelbildern, sondern g e m ä ß
(11) und (15) von den Ecken des R a u m z e i t s t r e i f e n s
d e s Zentralkastens und dessen Spiegelbilder ausgehen. Wegen der G a u ß - G e w i c h t u n g der I m p u l s e pn
u m den Impuls p = 0 werden jetzt im G e g e n s a t z zu
d e n beiden ersten Beiträgen in (16) kleine I m p u l s e pn
u n d somit kleine Werte von n betont. Dies führt dazu,
d a ß g e m ä ß (12) nur Strahlen mit g r o ß e n S t e i g u n g e n
v o r k o m m e n . Diese Strahlen überlagern sich mit d e m
Hintergrund, der von den ersten beiden Beiträgen in
(16) gebildet wird. Dabei ist w i e d e r zu b e d e n k e n , d a ß
f ü r u n g e r a d e P r o d u k t e n l die Strahlen auf diesen H i n tergrund addiert werden, bzw. f ü r gerade P r o d u k t e n • l
Täler in diesen Hintergrund geschnitten w e r d e n . Im
G e g e n s a t z zu den ersten beiden Termen in (16) weist
der dritte Term noch eine Besonderheit auf: A u f g r u n d
d e s Kosinus ist der Gauß-Strahl moduliert. D i e Perio d e und die P h a s e dieser M o d u l a t i o n sind durch das
Inverse des A n f a n g s i m p u l s e s p und durch pnx gegeben. Falls p > Ap, führt diese M o d u l a t i o n zu einer
Substruktur der Gaußstrahlen. S o zeigt z. B. in Abb. 1
der Strahl, der die linke untere E c k e mit der rechten
oberen Ecke des R a u m z e i t s t r e i f e n s verbindet, einen
Kanal, der von zwei H ö h e n z ü g e n e i n g e r a h m t wird.
Dies läßt sich leicht aus (16) erklären, w e n n m a n sich
erinnert, d a ß dieser Strahl den Werten n = 1 und / = 0
entspricht und mit x = L/2 folgt
P. Stifter et al. • Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte 382
382
_
/2
=
- + El
L
2p
(21)
liegt.
Bis jetzt h a b e n wir I m p u l s w e r t e p
Ap betrachtet. W e n n dieser mittlere I m p u l s sehr klein wird, d.h.
f ü r p <C Ap, ü b e r n e h m e n die T e r m e G ^ J eine ähnlic h e Rolle wie die I n t e r f e r e n z t e r m e I n , i , weil sie nun
auch n a h e an der x - A c h s e liegen, und d e s h a l b auch in
diesen T e r m e n nun kleine I m p u l s w e r t e betont werden.
Sie f ü h r e n , wie in Abb. 5 e r k e n n b a r zu H ö h e n z ü g e n
und Tälern, die v o m Ort x des a n f ä n g l i c h e n Well e n p a k e t e s bzw. seinen Spiegelbildern ±x ± IL ausg e h e n . H ö h e n z ü g e ergeben sich f ü r die Vörfaktoren
(— 1 ) n ' = +1 ( z . B . f ü r g e r a d e s /), w o h i n g e g e n sich
T ä l e r f ü r die Vorfaktoren ( — l ) n = - 1 ausbilden.
VI. Strukturen beim Molekül
D i e s e H e r l e i t u n g zeigt klar, d a ß die Strukturen in
der Wahrscheinlichkeitsverteilung in der R a u m z e i t
aus d e r a n t i s y m m e t r i s c h e n Ü b e r l a g e r u n g 4> der beiden
W e l l e n p a k e t e tp(x) u n d ip(—x) in (3) herrühren. Dies
gibt einen H i n w e i s d a r a u f , bei w e l c h e n Z u s t ä n d e n
m a n ä h n l i c h e Strukturen bei anderen Potentialen findet. Z u d i e s e m Z w e c k zeigen wir abschließend in
Abb. 6 H ö h e n l i n i e n eines im angeregten elektronischen Z u s t a n d A(l E+) p r o p a g i e r e n d e n Na2-Vibrat i o n s w e l l e n p a k e t e s , d e s s e n A n f a n g s z u s t a n d durch die
Überlagerung
^ ( r , t = 0 ) = <A,(r) - <po{r, t = ^ p )
Abb. 5. Höhenlinien der Wahrscheinlichkeitsdichte
P(x,t) = |t/>CM)| 2 für ein Wellenpaket in einem Kasten
mit unendlich hohen und unendlich steilen Wänden. Das
Anfangswellenpaket ist gaußförmig mit einem Startpunkt
x = L/4 und Impuls p = 0. Der untersuchte Zeitraum erstreckt sich bis zur halben Revivalzeit T re v Aufgrund des
verschwindenden Impulses p = 0 treten nun auch Kanäle
entlang von Geraden auf, die bei x = L / 4 u n d L — x = 3 L / 4
senkrecht, bzw. mit Steigung 1 / n starten. Betont sind hier
große Steigungen 1, 1/2, 1/3. (Diese Effekte lassen sich am
besten erkennen, wenn man die Abbildung etwas schräg
gegen das Licht hält.)
PX i.OOM)
(20)
I\ Q = —2 sin ( 2t
exp
Xi.oCM)
Ax
exp
i L
Ap
S o m i t liegt in nächster N a c h b a r s c h a f t zur Geraden xi,o ein M i n i m u m , das durch die B e d i n g u n g
2p\\fi/Ti
= —7t/2 g e g e b e n ist, d.h. auf der G e r a d e n
(22)
g e g e b e n ist. Hier b e d e u t e t ipo(r) den Vibrationsgrundz u s t a n d im e l e k t r o n i s c h e n G r u n d z u s t a n d X ( l Z ! g )
u n d (fo(r,t
= ^ f - ) d e n s e l b e n Z u s t a n d , n a c h d e m er
u m e i n e halbe S c h w i n g u n g s p e r i o d e T v ib im Potential A(lE+)
propagiert w u r d e [9]. S o m i t bilden sich
in d i e s e m M ö r s e - ä h n l i c h e n Potential Strukturen, die
aber j e t z t nicht m e h r e n t l a n g von G e r a d e n verlaufen.
E i n e g e n a u e r e A n a l y s e dieser Strukturen soll j e d o c h
nicht im R a h m e n dieser Arbeit erfolgen.
VII. Z u s a m m e n f a s s u n g
Z u s a m m e n f a s s e n d stellen w i r fest: U m das Vers c h w i n d e n der W e l l e n f u n k t i o n an den R ä n d e r n eines u n e n d l i c h h o h e n K a s t e n s der L ä n g e L zu garantieren, benötigt m a n nach Born eine 2L-period i s c h e A n o r d n u n g von a n t i s y m m e t r i s c h e n Wellenf u n k t i o n e n (p. Letztere ist eine kohärente Überlager u n g a u s zwei W e l l e n p a k e t e n <p(x) und ip(—x). Diese
Ü b e r l a g e r u n g äußert sich in der W i g n e r - F u n k t i o n in
P. Stifter et al. • Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte
383
80-.
t / T
v
i
b
60 H
- -i
\
-—
*
40 H
20 H
jr
o—1
7
r/a.u.
8
Abb. 6. Höhenlinien der numerisch berechneten quantenmechanischen
Wahrscheinlichkeitsdichte P ( r , t)
= \ip(r, £)| 2 für ein Vibrationswellenpaket in Na2. Der
Zeitbereich erstreckt sich
über 80 Schwingungsperioden Tvib — 300 fsec. Dies
entspricht in etwa einem
Viertel der Revivalzeit T r e v .
Das anfängliche Wellenpaket besteht aus einer Superposition zweier Wellenpakete, die an den beiden klassischen Umkehrpunkten lokalisiert sind und eine relative
Phase von ir haben. Wir danken M. Shapiro (Weizmann
Institute of Science, Rehovot, Israel) f ü r die Bereitstellung der Daten.
P. Stifter et al. • Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte 384
384
e i n e m Interferenzterm der an den W ä n d e n des Kastens und seinen Spiegelbildern entlang der .r-Achse
lokalisiert ist. Dieser Interferenzterm ist die U r s a c h e
f ü r die G e b i r g e und Kanäle. Diese H e r l e i t u n g und unser Beispiel des z w e i a t o m i g e n M o l e k ü l s zeigen, daß
das P h ä n o m e n der K a n ä l e und G e b i r g e in der Wahrscheinlichkeitsverteilung in der R a u m z e i t von großer
A l l g e m e i n h e i t ist.
der sich durch E i n f ü h r u n g der Integrationsvariablen
£ = y — 4sL und den S u m m a t i o n s i n d e x l = r + s in
WTP(X, p;t
Y
exp
s=— oo
oo
' Y
/=— oo
Danksagung
= 0) =
(A2)
1
dtelpah<Kx-2lL-a2)<j>*(xH/2)
2~h J
W i r d a n k e n M . V. Berry, I. Bialynicki-Birula,
F. G r o ß m a n n , A. K a p l a n , W. E. L a m b , M . M . N i e t o
und J.-M. Rost f ü r viele a n r e g e n d e D i s k u s s i o n e n .
J. M . dankt der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t
f ü r die f r e u n d l i c h e U n t e r s t ü t z u n g unter Vertrag D F G Ste 2 4 1 / 7 - 2 .
u m f o r m e n läßt. Unter B e n u t z u n g der B e z i e h u n g e n
Appendix A: Wigner-Funktion des
Anfangszustandes
und b(ax) = 8(X)/|Q;| erhält m a n die quantisierten
Impulse pn = mth/(2L).
M i t der n e u e n Integrationsvariablen y = £ + 2 I L folgt w e g e n exp(i2pnlL/h)
=
exp(z7rn/) = ( — l ) n / schließlich
In d i e s e m A n h a n g b e r e c h n e n wir die W i g n e r - F u n k tion des A n f a n g s z u s t a n d e s . D u r c h Einsetzen der A n f a n g s w e l l e n f u n k t i o n (2) in die D e f i n i t i o n s g l e i c h u n g
(4) der W i g n e r - F u n k t i o n finden wir den A u s d r u c k
oo
W^x,p-,t
= 0)=
• (f>(x - 2rL - y/2)
/
y^
WxP(x,p-,t
oo
exp(27rii/s) =
= 0)=—
ttTI
Y^
Y ,
8 ( n — v)
(A3)
%P-Pn)(-ir
( A 4 )
n,/=—oo
<j?
E
—
r,«=-oo
oo
dye1"**
(AI)
_ QO
</>*(x - 2sL +
y/2),
[1] W. Kinzel, Phys. BI. 51, 1190 (1995). Siehe auch
die Titelseite dieses Heftes und die Kommentare von
H. Genz and H.-M. Staudenmaier, Phys. BI. 52, 192
(1996).
[2] Im Zusammenhang mit dem fraktalen Talbot-Effekt in
der Optik hat M.V. Berry ebenfalls solche Kanäle und
Gebirge beobachtet; siehe z. B. M. V. Berry, J. Phys. A
29. 6617 (1996), und M.V. Berry u. S. Klein, J. Mod.
Optics 43, 2139 (1996).
[3] Für einen Überblick über die Wigner-Funktion siehe
M. Hillery, R. F. O'Connell, M. O. Scully u. E. P. Wigner, Phys. Rep. 106, 121 (1984).
[4] Eine Erklärung der Kanäle aus der Energiedarstellung findet sich in F. Großmann, J.-M. Rost u.
W^x
- l L,
pn),
wobei W<p die W i g n e r - F u n k t i o n d e s Ü b e r l a g e r u n g s zustandes
(3), ist.
W.P. Schleich, J. Phys. A 30, Heft 9, L277 (1997)
und P. Stifter, J. Marklof, W. P. Schleich (in Vorbereitung), siehe auch J. Marklof, Limit Theorems for
Theta Sums with Applications in Quantum Mechanics, Shaker Verlag, Aachen 1997.
[5] Der Born-Einstein Dialog zu diesem Problem findet
sich in Albert Einstein, Hedwig und Max Born. Briefwechsel 1916-1955 (Nymphenburger Verlagsanstalt,
München, 1969), pp. 275; siehe auch M. Born, Kgl.
danske Vidensk. Selsk. mat-fys. Medd. 30, 2 (1955)
und M. Born and W. Ludwig, Z. Phys. 150, 106
(1958).
[6] M. Born, Science 122, 675 (1955), Phys. BI. 11, 49
(1955) und Z. Phys. 153, 372 (1958).
P. Stifter et al. • Das Teilchen im Kasten: Strukturen in der Wahrscheinlichkeitsdichte
[7] Dieser Interferenzterm ist verantwortlich für alle
nichtklassischen Eigenschaften von Schrödinger-Katzen, siehe auch W. P. Schleich, M. Pernigo und Farn
Le Kien, Phys. Rev. A 44, 2177 (1991). Diese sind inzwischen bei mechanischen Oszillatoren wie ein Ion
in der Paulfalle [C. Monroe, D . M . Meekhof, B . E .
King u. D . J . Wineland, Science 272, 1131 (1996)]
oder einer Mode des elektromagnetischen Feldes in
einem Resonator [M. Brune, E. Hagley, J. Dreyer,
X. Maitre, A. Maali, C. Wunderlich, J. M. Raimond
u. S. Haroche, Phys. Rev. Lett. 77, 4887 (1996)] beobachtet worden.
385
[8] P. Stifter, C. Leichtie, W. E. Lamb u. W. P. Schleich
(in Vorbereitung). Die Diskussion asymptotischer Eigenschaften von Thetafunktionen findet sich auch
zahlreich in der mathematischen Literatur, siehe z.B.
G. H. Hardy und J. E. Littlewood, Acta Math. 37, 193
(1914), H. Fiedler, W. Jurkat u. O. Körner, Acta Arith.
32, 129 (1977), J. Marklof, Preprint (Princeton Univ.,
1996) und die dort enthaltenen Referenzen.
[9] Solche Zustände lassen sich mit kurzen Laserpulsen
erzeugen, siehe M. W. Noel u. C. R. Stroud, Jr., Phys.
Rev. Lett. 77, 1913 (1996).
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