Kap5+6_Kokristalle

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Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
5
17
Kokristalle aus Phenazin und substituierten meso-1,2Ethandiolen
5.1
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol[36]
Phenazin (5,10-Diazaanthracen) wurde in die Versuche der Kokristallisation
einbezogen, da es ein aromatisches, heterocyclisches "Bisimin" ist, in dem die
Anordnung des "Bisimin-Strukturelements" synperiplanar fixiert ist. Auch ist der
N,N-Abstand mit 281.7 pm deutlich kürzer, als der der substituierten N,N´-Bis(benzyliden)ethyendiamine und der 1,4-Diaza-1,3-butadiene, die im Bereich
von 350-371 pm und 347–351 pm liegen. Es stellte sich somit die Frage, ob
auch mit Phenazin das beschriebene treppenartige, polymere Aufbauprinzip
mit meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol verwirklicht werden kann.[17-20]
Die Darstellung des 1 : 1-Kokristalls erfolgt durch Lösen von äquimolaren Stoffmengen
des
Diols
und
des
Phenazins
in
Essigsäureethylester
und
anschließendem Verdampfen des Lösungsmittels unter Lichtausschluß. Der
Kokristall kann auch durch Zusammenschmelzen oder starkes Verreiben
dargestellt werden. Nachgewiesen wurde dies nicht nur durch die beim
Kokristall auftretende Änderung des Schmelzpunktes, sondern auch durch die
Verschiebung der Banden der OH-Valenzschwingung im IR-Spektrum.
Die bei der ersten Kristallisation an Tageslicht erhaltenen Kokristalle waren
unerwarteterweise violett gefärbt, denn Phenazin ist gelb und meso-1,2Diphenyl-1,2-ethandiol ist farblos. Mit Hilfe der ESR-Spektroskopie wurde
Paramagnetismus
durchgeführte
festgestellt.
Kristallisation
Die
führte
daraufhin
zu
unter
gelben,
Lichtausschluß
transparenten,
diamagnetischen Kristallen, deren Schmelzpunkt mit 121 °C niedriger als der
der Edukte ist.
18
Kapitel 5.1
Die Röntgenstrukturanalyse bestätigte die Bildung des Kokristalls (Abb. 5.1.1).
Seine Raumgruppe ist P 1 , d.h. das Kristallgitter ist zentrosymmetrisch.
Abb. 5.1.1: Ausschnitt aus der Struktur des Kokristalls aus Phenazin und meso-1,2Diphenyl-1,2-ethandiol.
Die treppenartigen Ketten aus Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
werden durch H-Brücken (Abb. 5.1.1/5.1.2) mit einem ON-Abstand von 285.0
pm verknüpft ( = 167.2°). Attraktive Csp2-H-Kontakte werden durch die in
einem Winkel von 63.4° zu den Phenazinmolekülen stehenden Phenylgruppen
der Diole ermöglicht. Innerhalb der Ketten wird ein Csp2-H-Kontakt zwischen
einem Wasserstoffatom des Phenazins und einem Phenylring des Diols
ausgebildet,
der
Csp2-H-Abstand
zum
Zentrum
beträgt
280.3
pm
( = 136.4°; Abb. 5.1.1).
Die Ketten selbst sind übereinander gestapelt (Abb. 5.1.2). Es wird keine reine
edge-to-face-Stapelung zwischen den Phenylringen des Diols und dem
aromatischen System des Phenazins, sondern eher eine Csp2-HC=CWechselwirkung ausgebildet. So ist der Abstand des Wasserstoffatoms des
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
19
Diols zum Mittelpunkt eines darunter- und darüberliegenden C=C-Fragmentes
der Phenazinmoleküle 280.1 pm lang ( = 153.8°), wohingegen der Abstand
dieses Wasserstoffatoms zum Zentrum des entsprechenden Phenylrings mit
293.6 pm länger ist ( = 126.6°).
Abb. 5.1.2: Anordnung der Ketten im Kokristall aus Phenazin und meso-1,2-Diphenyl1,2-ethandiol und die zwischen ihnen auftretenden Wechselwirkungen.
Die Phenazinmoleküle sind innerhalb der Stapel gegeneinander parallel
entlang der kurzen Molekülachse verschoben, d.h. sie bilden eine offset faceto-face-Stapelung aus, so daß nur eine geringe Überlappung der -Systeme
benachbarter Heteroaromaten vorhanden ist (Abb. 5.1.2). Der Abstand der
Pyrazin-Centroide
beträgt
566 pm und der Ebenenabstand der Phenazinmoleküle ist 309 pm. Diese
bevorzugte
Anordnung
von
-Systemen
vermindert
die
repulsiven
Wechselwirkungen der -Elektronen und ermöglicht andererseits attraktive
Wechselwirkungen zwischen dem positiv polarisierten -Gerüst und den Elektronen.[37]
20
Kapitel 5.1
Zum Vergleich zeigt die Abbildung 5.1.3 die Kristallstruktur des Phenazins, das
im Fischgrätenmuster kristallisiert.[38] Die benachbarten Phenazinmoleküle sind
entlang ihrer Längsachse um etwa einen Phenylring gegeneinander
verschoben, so daß auch hier die sogenannte offset face-to-face-Stapelung
verwirklicht wird. Der Abstand der Pyrazin-Centroide innerhalb eines Stapels
beträgt 508 pm, während der Abstand der Ebenen mit 349 pm etwa der
Summe der van-der-Waals-Radien der Kohlenstoffatome entspricht.
Abb. 5.1.3: Ausschnitt aus der Kristallstruktur des -Phenazins.
Durch die Beteiligung der Stickstoffatome des zentralen Pyrazinrings an der HBrücke im Kokristall wird die Länge der C-N-Bindungen nicht verändert. Eine
geringfügige
Aufweitung
erfährt
nur
der
entsprechende
Winkel
der
Imineinheit des Phenazins (Tabelle 5.1.1).
Tabelle 5.1.1: Vergleich der Bindungslängen [pm] und Winkel [°] des Kokristalls aus
Phenazin
und
meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
Einzelkomponenten.
mit
den
Literaturwerten
der
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
Kokristall
Einzelkomponenten
C-O
142.3
142.9[39]
C=N–C
134.1/134.2
134.2(1), 134.1(1)
21
bzw. 133.9(2), 134.2(2)[38]
C=N–C
117.5°
116.72(7)° bzw. 116.79(10)°
Mit der Bildung des Kokristalls treten Änderungen in den IR-Teilspektren auf. So
liegt die Bande der OH-Valenzschwingung im Kokristall bei 3256 cm-1 . Bei
3378 cm-1 ist eine schmale Schulter zu erkennen (Abb. 5.1.4). Im Spektrum des
Diols ist bei 3371 und 3321 cm-1 eine Doppelbande zu sehen. Sie wird durch
die
beiden
auftretenden
H-Brücken
im
Festkörper
des
meso-Diols
hervorgerufen.[39] Das reine meso-Diol bildet unendliche über H-Brücken
verknüpfte
Ketten,
die
über
eine
weitere
H-Brücke mit der Nachbarkette verbunden sind. Im Kokristall aus Phenazin und
meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol wird nur ein Typ von H-Brücken ausgebildet,
so daß nur eine OH-Valenzschwingung beobachtet wird. Eine geringfügige
Verschiebung zu kleineren Wellenzahlen erfährt die Bande der Csp3-HValenzschwingung des Diols, sie ist um 17 cm-1 auf 2872 cm-1 erniedrigt.
Trans.
80
100
Trans.
80
60
60
40
40
20
20
1600
3500
3000
1400
1200
1000
800 [cm -1]
2500 [cm -1]
Abb. 5.1.4: IR-Spektren: — Kokristall, — meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol, — Phenazin.
22
Kapitel 5.1
Im Fingerprint-Bereich sind weitere Veränderungen erkennbar, die bis auf
wenige Ausnahmen schwierig zu interpretieren sind (Abb. 5.1.4). Die
Doppelbande bei 1032 und 1022 cm-1 wird den C-O-Valenzschwingungen
des
reinen
Diols
zugeschrieben.
Im
Kokristall
tritt
nur
eine
C-O-
Valenzschwinungsbande bei 1051 cm-1 auf. Diese Beobachtung kann
entsprechend der Bande der OH-Valenzschwingung erklärt werden. Aus den
Veränderungen im IR-Teilspektrum des meso-Diols kann geschlossen werden,
daß die O-H-Bindung im Kokristall geschwächt, die C-O-Bindung hingegen
gestärkt ist.
Ein identisches IR-Spektrum wird durch Zusammenschmelzen oder intensives
Vermahlen äquimolarer Mengen der Komponenten erhalten.
Der Kokristall ist photoaktiv und zeigt eine Farbänderung von gelb über grün
nach violett. Die in einer Kaliumbromid-MatrixA (A s. exp. Teil) vermahlene
Probe wurde mit einer Hg/Xe-Hochdrucklampe (1 kW, UG5-Filter) durch ein
zusätzliches GG395-Kantenfilter bestrahlt. Bei 3378 cm-1 zeichnet sich eine
scharfe Bande ab, und die OH-Absorption wird schwächer und strukturierter
(Abb. 5.1.5).
100
Trans.
100
Trans.
80
80
60
60
40
40
20
1800
20
3500
3000
2500 [cm -1]
1600
1400
1200
1000 [cm -1]
Abb. 5.1.5: IR-Spektren des Kokristalls aus Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2ethandiol:
— unbestrahlt und — 8 s bestrahlt (GG395).
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
23
Die scharfe Bande bei 3378 cm-1 wird aufgrund ihrer Lage und Form einer
NH-Valenzschwingung zugeordnet. In der Literatur liegt die NH-Bande der
Chloridverbindung des 5,10-Dihydrophenazinradikalkations bei 3400 cm-1
(breit).[40]
Eigene
Messungen
zeigen
im
IR-Spektrum
des
5,10-
Dihydrophenazins eine scharfe NH-Bande bei 3383 cm-1. In der Literatur wird
die
Lage
der
scharfen
NH-Bande
des
5,10-Dihydrophenazins mit 3400 cm-1 angegeben.[40] Die entstehende
Strukturierung der OH-Absorption deutet auf veränderte Verhältnisse in den OHN-Brücken hin.
Im
Bereich
der
Doppelbindungsvalenzschwingungen
und
der
NH-
Deformationsschwingungen treten im IR-Spektrum Änderungen auf, die nicht
eindeutig interpretierbar sind. Im Fingerprint-Bereich, in dem auch die C-Ound
N-C-Valenzschwingungsbanden
liegen,
wird
das
Spektrum
stark
verändert. Die beiden durch die Bestrahlung neu entstandenen Banden bei
1279 und 1300 cm-1 sind auch in den Spektren des 5,10-Dihydrophenazins und
der Chloridverbindung des 5,10-Dihydrophenazinradikalkations als intensive
Banden vertreten.[40] Die Bande bei 1300 cm-1 wird vom C-N-C-Fragment
verursacht.[41] Das ionische monoprotonierte Phenazin hat an dieser Stelle
keine Banden.[42] Desweiteren entstehen neue Banden bei 1036 und 1021 cm 1,
während die Intensität der Bande bei 1059 cm -1 deutlich abnimmt. Die
Veränderungen bei 1059-1021 cm-1 deuten auf veränderte Verhältnisse in
den C-O-Bindungen im Diol des bestrahlten Kokristalls hin.
Das 48stündige Erhitzen der Probe in einer Kaliumbromid-Matrix bei 60 °C
führte zum Spektrum des reinen meso-Diols, da das Phenazin aus der
Oberfläche der pulverigen Probe sublimierte. Daraufhin wurde die Messung
an einer kristallinen Probe wiederholt. Auch hier verändert sich das Spektrum
durch die Bestrahlung entsprechend (Abb. 5.1.5). Das Erhitzen der Probe führt
weitgehend wieder zum Ausgangsspektrum.
Im 1H-NMR-Lösungsspektrum der drei Minuten durch ein GG395-Kantenfilter
bestrahlten
werden.
Kokristalle
können
keine
Zersetzungsprodukte
beobachtet
24
Kapitel 5.1
Das UV/VisA-Spektrum des reinen Phenazins, das in diffuser Reflexion in einer
Kaliumbromid-Matrix aufgenommen wurde, besitzt Absorptionsmaxima bei
253
und
369 nm mit einer Schulter bei 398 nm. Das Spektrum des Kokristalls ist keine
reine Überlagerung der Einzelspektren, seine Maxima liegen bei 251, 375, 398
und
404 nm (Abb. 5.1.6).
In
Analogie
zu
den
UV/Vis-Spektren
des
Phenazins
in
protischen
Lösungsmitteln, in denen der verbotene n*-Übergang zu kürzeren und der
erlaubte *-Übergang zu längeren Wellenlängen verschoben ist[43], wird das
Auftreten der langwelligen Bande bei 404 nm im Spektrum des Kokristalls mit
der fixierten protischen Umgebung des Phenazins in Verbindung gebracht.
Das UV/Vis-Spektrum des Phenazins im Methanol (c = 10-4 M) hat bei 400 nm
eine Schulter.[42] Dieser Vergleich ist zulässig, da das UV/Vis-Spektrum eines
isolierten Moleküls in Lösung und des entsprechenden Moleküls im Festkörper
sich
sehr
ähneln,
solange
alle
Moleküle
einer
Molekülsorte
in
der
Elementarzelle äquivalent sind.[44] Unter dieser Voraussetzung sind die
Bandenmaxima
in
den
Festkörperspektren
im
Lösungsspektren lediglich etwas langwellig verschoben.
Abs.
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
200
300
400
500
 [nm]
Vergleich
zu
den
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
25
Abb. 5.1.6: UV/VisA-Spektren: — Kokristall, — Phenazin und — meso-1,2-Diphenyl-1,2ethandiol.
Durch die Bestrahlung der gemahlenen Probe in einer Kaliumbromid-MatrixA
nimmt die Extinktion der Maxima bei 375 und 404 nm ab und aus der zu
kürzeren
Wellenlängen
verschobenen
Schulter
bildet
sich
ein
Absorptionsmaximum
neues
bei
320 nm (Abb. 5.1.7.a).
a)
0.8
Abs.
b)
0.6
Abs.
0.5
0.6
0.4
0.4
0.3
0.2
0.2
0.1
0.0
0.0
300
400
500
600
700
800
 [nm]
500
600
700
800
 [nm]
Abb. 5.1.7: UV/Vis-Spektren des Kokristalls aus Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2ethandiol: a) 33%-GitterA: — unbestrahlt; — 1 s und — 7 s bestrahlt; b) Kristalle: —
unbestrahlt; — 3 s bestrahlt (WG360) und — 20 h bei 94 °C erhitzt.
Im Bereich von 420-800 nm nimmt die Absorption stark zu. Nach 1 s
Bestrahlung sind die langwelligen Absorptionen noch strukturiert. Hier treten
Banden bei 448, 522, 557 und 608 nm auf. Mit fortschreitender Bestrahlung
wird daraus eine breite Bande mit einem Maximum bei 560 nm, die sich über
einen Bereich von 420 bis über 800 nm erstreckt. Oberhalb von ca. 650 nm
26
Kapitel 5.1
nimmt die Absorption kontinuierlich ab, bis 1000 nm ist kein weiteres Maximum
sichtbar. Die bestrahlte Probe ist violett gefärbt. In der Abbildung 5.1.7.b sind
die Vis-Spektren der unbestrahlten, der bestrahlten und der erhitzten Kristalle
zu sehen. Das Vis-Spektrum der erhitzten Kristalle entspricht dem der
unbestrahlten. Die Bestrahlung durch ein GG435-Kantenfilter, das ab 405 nm
eine geringe Durchlässigkeit besitzt, führt zu keiner Farbänderung.
Aufgrund des eingestrahlten Wellenlängenbereiches, das GG395-Kantenfilter
ist für Licht der Wellenlängen größer 340 nm durchlässig, lag die Vermutung
nahe, daß durch die Bestrahlung die Phenazinmoleküle angeregt werden und
eventuell weiterreagieren. Mögliche Photoprodukte können die verschieden
protonierten
Phenazinmoleküle
sowie
die
verschiedenen
radikalischen
Phenazinverbindungen sein (Tabelle 5.1.3). Die mono- und die diprotonierte
Form des Phenazins weisen nur Banden unterhalb 500 nm auf, so daß sie nicht
für die Veränderungen im Vis-Bereich des Spektrums verantwortlich sein
können.[42]
Tabelle 5.1.3: UV/Vis-Spektren von radikalischen Phenazinverbindungen (P).
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
.
P+
.
P.
PH2 +
[a]Es
27
Lösungsmittel/Konzentrationen
[nm]
H2O[45]
420, 490, 580 bis 600a
PE-Film, 77 K[46]
478, 586a,b
t-BuCl-90%; CCl4-10%, 77 K[47]
432, 481, 556, 575a
PE-Film, 77 K[46]
 509, 547, 554, 602a
MTHF Matrix, 77 K[47]
460, 515, 550, 590, 600a
HCl/MeOH (c = 212-5 M)[33]
<208, 250-277, 384, 434c
H2SO4/H2O (c = 10-4 M)[35]
383, 430, 443a,c
C2 F3H2OH (c = 10-4 M)[48]
300, 384, 430b, 455, 584d, 670d, 700d, 772d
ist nur der Vis-Bereich abgegeben, [b]Schulter, [c]Der Bereich über 500 nm wurde
bei diesen Konzentrationen nicht angegeben, [d]Wenig intensiv.
Die besten Übereinstimmungen mit dem Vis-Bereich des Spektrums des
bestrahlten Kokristalls (Abb. 5.1.7.b) ergibt eine Kombination der Spektren aus
Phenazinradikalkation,
Phenazinradikalanion
und
dem
diprotonierten
Phenazinradikalanion. Während das Phenazinradikalanion eine rote Färbung
besitzt,
zeigt
die
diprotonierte
Form
eine
grüne
Farbe.
Das
Phenazinradikalkation ist violett gefärbt. Beim Vergleich der genauen
Bandenlage des UV/Vis-Spektrums des bestrahlten Kokristalls mit den
Literaturdaten ist allerdings zu bedenken, daß diese Verbindungen alle in
Lösung oder bei tiefen Temperaturen in einer Matrix vermessen wurden.
Die unbestrahlten gelben Kristalle sind diamagnetisch. Durch Bestrahlung
werden sie paramagnetisch. Das ESR-Spektrum zeigt, wie für pulverige
Festkörperproben häufig typisch, keine Feinaufspaltung, so daß keine
Kopplungen mit den Stickstoff- und den Wasserstoffatomen beobachtet
werden können (Abb. 5.1.8). Es ist allerdings eine von der Bestrahlungsdauer
abhängige
Bildung
von
zwei
verschiedenen
Radikalen
an
der
unterschiedlichen Intensitätszunahme der beiden Signale zu erkennen
(Abb. 5.1.8). Der gemessene g-Wert ist 2.0036 und liegt damit im Bereich der
28
Kapitel 5.1
in der Literatur beschriebenen g-Werte für Phenazinradikale. Der g-Wert für
das
Phenazinradikalanion
in
Acetonitril
beträgt
g = 2.00336.
Der
des
diprotonierten Phenazinradikalanions ist mit g = 2.00285 angegeben.[49]
3320
3340
3360
3380
3400
H[G]
Abb. 5.1.8: ESR-Spektren des Kokristalls aus Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2ethandiol: — unbestrahlt, — 1 s (33%-Gitter), — 7 s und — 507 s bestrahlt.
Das Phenazinradikalanion ist thermodynamisch relativ stabil, so beträgt z.B.
seine Halbwertszeit in Acetonitril 3-4 Minuten bei 22 °C.
Thermisch ist der Paramagnetismus reversibel. Wird ein 120 s durch ein GG395Kantenfilter bestrahlter Kristall 21.5 Stunden bei 90 °C erhitzt, so wird er wieder
diamagnetisch.
Die
genau
benötigte
Zeit
zum
Erreichen
des
Ausgangszustandes beim Erhitzen auf 90 °C wurde nicht bestimmt. Nach 1.5
Stunden hatte das ESR-Signal nur wenig an Intensität eingebüßt. Wichtig ist in
diesem Zusammenhang nur, daß der Paramagnetismus thermisch reversibel
ist.
Die
intensive
dreiminütige
Bestrahlung von reinem
Phenazin
bei
Raumtemperatur führte zu keinem ESR-Signal.
Unter Einbeziehung aller Ergebnisse wird folgender Mechanismus für die
Photochromie
vorgeschlagen.
Aufgrund
der
Orientierung
zweier
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
29
Phenazinmoleküle im Kristallgitter zueinander, der parallelen Orientierung und
des
relativen
Abstands,
wird
angenommen,
daß
sich
bei
der
photochemischen Anregung eines Moleküls ein Excimer bildet. Ein wichtiger
Parameter
für
die
Excimerbildung
ist
der
Abstand
beider
Moleküle
voneinander.[50] Sowohl berechnet als auch experimentell wurde er meist im
Bereich von 300 bis 360 pm gefunden. Der Bindungszustand dieses Excimers
kann
mit
den
folgenden
Anregungs-
und
Ladungsresonanzstrukturen
wiedergegeben werden.
P*P  PP*  P-P+  P+PVon Fall zu Fall können entweder die polaren oder die unpolaren Zustände
das größere Gewicht besitzen. Hat das Excimer die Möglichkeit, sich in ein
stabiles
Photoprodukt
beobachtet.
Würde
umzuwandeln,
nur
das
dann
angeregte
wird
keine
Phenazin
Fluoreszenz
(P*)
von
den
Hydroxygruppen des Diols protoniert, dann würde als Photoprodukt das
monoprotonierte diamagnetische Phenazin erhalten werden (PH+). Die
Basizität von Stickstoff im ersten Singulett-Zustand kann fünf- bis sechsmal
stärker sein als im Grundzustand.[51] Eine erneute Anregung zu einem Exciplex
mit
einem
weiteren Phenazinmolekül könnte zum Elektronentransfer
((PH+)*P  (PH.*)(P.+)) und einer weiteren Protonierung des angeregten
Zustandes führen ((PH .+)(P.+). Anders sieht es im Falle der ein- bis zweifachen
2
Protonierung des ladungsgetrennten Excimers aus, hier würden sich als
Produkte PH. bzw. PH2.+ und P.+ bilden (Abb. 5.1.9/5.1.10). Eine andere
Erklärungsmöglichkeit wäre die direkte Bildung zweier unabhängiger Radikale,
von denen das Radikalanion dann protoniert wird.
.
N
N
N
H
N
.
N
.
N
h/ET
.+
PT
N
T
N
N
.+
T
N
H
N
N
.+
30
Kapitel 5.1
Abb. 5.1.9: Darstellung des möglichen Mechanismus für den photochromen Effekt in
den Phenazinstapeln des Kokristalls aus Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2ethandiol. Die unterschiedlichen Strichstärken sollen das gestapelte Vorliegen der
Phenazinmoleküle hervorheben.
Die durch den Elektronentransfer gebildeten primären Radikalkationen und
–anionen sollten thermodynamisch relativ stabil sein, da sie Radikale vom
sogenannten Wurster- bzw. Weitz-Typ darstellen. Das diprotonierte Phenazinradikalanion, das ebenfalls für seine Stabilität bekannt ist, kann aus dem
Radikalanion
durch
zweifache
Protonierung
gebildet
werden
(Abb. 5.1.9/5.1.10). Der postulierte Mechanismus steht im Einklang mit den
beobachteten Veränderungen im IR-Spektrum des bestrahlten Kokristalls. Bei
allen genannten Phenazinradikalen sollten sich die Verhältnisse in den
betroffenen H-Brücken ändern. Zum Einen wird eine NH-Valenzschwingung
beobachtet, die mit der Bildung des protonierten Phenazinradikalanions
erklärt werden kann. Zweitens wird die OH-Bande strukturierter, was auf die
Bildung des Phenazinradikalkations zurückgeführt werden könnte. Denn das
Phenazinradikalkation sollte eine geringfügig weniger starke H-Brücke als die
neutralen Phenazinmoleküle ausbilden.
OH
OH
OH
O
OH
O
H
H
.
N
.
O
H
N
.+
N.
H
N.
T
N
.+
H
.+
N.
N
H
OH
O
H
O
N
O
PT
H
OH
O
OH
O
OH
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol
Abb. 5.1.10: Darstellung des
möglichen Mechanismus
31
der Protonierung des
Radikalanions innerhalb der Ketten des Kokristalls aus Phenazin und meso-1,2Diphenyl-1,2-ethandiol.
5.2
Phenazin und alkylsubstituierte 1,2-Ethandiole
Um eine Beteiligung des -Systems des meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiols an
der beobachteten Photochromie dieses Kokristalls auszuschließen, wurden
Versuche unternommen, Kokristalle aus Phenazin und alkysubstituieten 1,2Ethandiolen zu erhalten und deren Eigenschaften zu untersuchen.
5.2.1 Phenazin und 1,2-Ethandiol
Die ersten Untersuchungen an dem System Phenazin und 1,2-Ethandiol
wurden schon in der Diplomarbeit[20] durchgeführt. Die bei der Kristallisation
aus
wasserfreiem
1,2-Ethandiol
erhaltenen
gelben
Fasern
mit
einer
Zusammensetzung von 56 : 44 von Diol zu Phenazin hatten keine für eine
Röntgenstrukturuntersuchung geeignete Qualität. Da es auch mit Hilfe der
Kapillartechnik bisher nicht gelang, geeignete Kristalle zu ziehen, wurde von
den Fasern ein Pulverdiffraktogramm aufgenommen. Hierbei konnten keine
Veränderung
der
Elementarzellen
gegenüber
denen
der
einzelnen
Komponenten festgestellt werden. Alle weiteren Versuche aus diversen
Lösungsmitteln (Diethylether, THF, Aceton, Essigsäureethylester, 1,2-Ethandiol)
bei Temperaturen von Raumtemperatur bis –35 °C Kokristalle zu gewinnen,
waren erfolglos. Die Fasern besitzen keinen definierten Schmelzpunkt. Die OH-
32
Kapitel 5.2
Valenzschwingung bei 3389 cm-1 im IR-Spektrum der unbestrahlten Probe liegt
im Bereich der sehr breiten OH-Bande des reinen Diols, doch sie ist bedeutend
schärfer. Die C-O-Valenzschwingungen des Diols in den Fasern werden den
Banden bei 1086 und 1042 cm-1 zugeordnet. Die gleichen IR-Spektren
könnten auch durch Verreiben oder Zusammenschmelzen äquimolarer
Stoffmengen der beiden Komponenten erhalten werden. Beim Verreiben wird
eine hellgelbe Paste erhalten. Die Probe zeigte bei Bestrahlung dasselbe
Verhalten wie die Kokristalle des Phenazins mit meso-1,2-Diphenyl-1,2ethandiol.
Sie
verfärbt
sich
violett
und
bei
1300 cm-1 entsteht im IR-Spektrum eine neue Bande, die beim Kokristall aus
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol einer 5,10-Dihydrophenazinverbindung zugeordnet wurde. Die OH-Valenzschwingung nimmt sehr stark
ab, wobei Banden mit sehr geringer Intensität bei 3380 und 3250 cm -1
zurückbleiben. Wird der Preßling zwei Stunden bei 60 °C getempert, verändert
sich die Durchlässigkeit so stark, daß das Spektrum nicht mehr ausgewertet
werden konnte.
Das in diffuser Reflexion an Fasern aufgenommene UV/Vis-Spektrum zeigt im
Vis-Bereich keinerlei Veränderungen, es entspricht dem der Phenazinkristalle,
(Abb. 5.2.1.1.a) und auch im UV-Bereich unterscheiden sich die Spektren nur
geringfügig. Die Phenazinkristalle zeigen Maxima bei 375 und 443 nm mit einer
Schulter
bei
424 nm, während der Kokristall zwei Schultern bei 359 und 437 nm erkennen
läßt.
a)
Abs.
b)
Abs.
0.8
0.6
0.6
0.4
0.4
0.2
0.2
0.0
0.0
400
500
600
 [nm]
400
500
600
700
800
 [nm]
Phenazin und alkylsubstituierte 1,2-Ethandiole 33
Abb. 5.2.1.1: UV/Vis-Spektren: a) — Fasern aus Phenazin und 1,2-Ethandiol, —
Phenazin (Kristalle); b) Fasern aus Phenazin und 1,2-Ethandiol, 33%-Gitter: – 0 s; — 90 s
und – 29 min bestrahlt.
Die Abbildung 5.2.1.1.b zeigt die nach längerer Bestrahlung der Fasern hervorgerufenen Veränderungen des UV/Vis-Spektrums. Im Vis-Bereich bildet sich
eine breit auslaufende Schulter bei 520 nm, die bis knapp über 800 nm reicht.
Eine über einen längeren Zeitraum dem Tageslicht, jedoch nicht der direkten
Sonneneinstrahlung, ausgesetzte, verriebene Probe hat sich violett gefärbt.
Sie zeigt im Vis-Bereich Schultern bei 365, 421 und 436 nm. Ab etwa 460 nm
erstreckt sich eine fast gerade Bande bis weit über 800 nm, nur bei 578 nm
weist sie ein schwaches Maximum auf. Die Reversibilität der Farbveränderung
konnte bei Erhitzen auf 60 °C nicht festgestellt werden, da sich die Probe
zersetzt.
Die bestrahlten Fasern aus Phenazin und 1,2-Ethandiol sind paramagnetisch,
der
g-Wert beträgt 2.0031. Das abgebildete feinaufgespaltene Siebenlinienhauptspektrum konnte mehrfach reproduziert werden (Abb.: 5.2.1.2.a).
a)
3340
3360
3380
N
+
N
OHOH
H2 C
CH2
H[G]
b)
3340
H
N
.
3360
.+
3380
N
+
N
H
N
H[G]
.+
34
Kapitel 5.2
Abb. 5.2.1.2: a) Experimentelles ESR-Spektrum der bestrahlten Fasern aus Phenazin
und
1,2-Ethandiol; b) Simuliertes ESR-Spektrum für ein diprotoniertes Phenazinradikalanion
und ein Phenazinradikalkation.[52]
Die Ursache des Paramagnetismus nach Bestrahlung könnte, ähnlich wie im
Kokristall
aus
Phenazin
und
meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol,
ein
lichtinduzierter Elektronentransfer zwischen den Phenazinmolekülen sein.
Nachforschungen in der Literatur ergaben, daß ein dem aufgenommenen
verwandtes Spektrum für das diprotonierte Phenazinradikalanion erhalten
wird. Bei der Simulation dieses Spektrums sind die beiden äußeren
Signalgruppen im Verhältnis zu den mittleren fünf allerdings zu intensiv. Da das
ESR-Spektrum
des
Phenazinradikalkations,
welches
ebenfalls
beim
angenommenen Elektronentransfer gebildet wird, unbekannt ist, wurde die
Vereinfachung vorgenommen, daß sich die Kopplung der Wasserstoffatome
mit dem ungepaarten Elektron nicht verändert, wenn die Stickstoffatome
nicht protoniert sind und Phenazin als Kation vorliegt (Abb. 5.2.1.2.b). Zur
Simulation des Spektrums des Phenazinradikalkations wurden also die beiden
Kopplungskonstanten der Protonen an den Stickstoffatomen weggelassen.
Die 1 : 1-Überlagerung der simulierten ESR-Spektren (Abb. 5.2.1.2.b) des
Phenazinradikalkations und des diprotonierten Phenazinradikalanions gibt das
experimentell erhaltene Spektrum gut wieder (Abb. 5.2.1.2.a).[52] Die
Beteiligung von 10-Hydrophenazin-5(10H)-yl an der Photochromie kann
ausgeschlossen
werden,
da
das
ESR-Spektrum
ein
anderes
Aufspaltungsmuster zeigt.[53]
Obwohl die Ergebnisse der Untersuchungen an den Fasern aus Phenazin und
1,2-Ethandiol weitaus weniger aussagekräftig sind, als die des Kokristalls aus
Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol, wird angenommen, daß die
gleichen Reaktionen unter Bestrahlung ablaufen.
Phenazin und alkylsubstituierte 1,2-Ethandiole 35
5.2.2 Phenazin und meso-2,3-Butandiol
Zur
Darstellung
des
Kokristalls
aus
meso-2,3-Butandiol
wurden
jeweils
äquimolare Mischungen der beiden Komponenten bei verschiedenen
Temperaturen
in
Raumtemperatur
Essigsäureethylester
abgekühlt.
gelöst
Anschließend
und
konnte
langsam
das
auf
Lösungsmittel
verdampfen. In allen Fällen konnte nur Phenazin isoliert werden. Das Mischen
und Zusammenschmelzen äquimolarer Mengen beider Substanzen führt zu
einem
IR-Spektrum
mit
einer
schmaleren
OH-Bande als der im Spektrum des Diols. Das Maximum der OH-Bande der
Verreibung liegt bei 3357 cm-1, während das Maximum der sehr breiten
Bande des meso-2,3-Butandiol bei 3379 cm-1 liegt. Wird ein Preßling der
Schmelze bestrahlt, so verändert sich das IR-Spektrum, indem bei 1300 cm-1
eine Bande intensiver wird. Optisch war die Probe nach der Bestrahlung nur
punktuell gefärbt und zeigte ein schwaches ESR-Signal, das etwa 60-70 G
breit
ist
und
einen
g-Wert
von
2.0033
hat.
Die
Auswertung
des
Pulverdiffraktogramms der zusammengeschmolzenen Probe ergab, wie auch
schon bei den Fasern aus 1,2-Ethandiol und Phenazin, daß sich die
Elementarzellen gegenüber denen der Einzelkomponenten nicht verändert
haben. Auch der Versuch, einen Kokristall mit Hilfe der Kapillartechnik zu
ziehen, gelang nicht. Die über Wochen dem Tageslicht ausgesetzte Probe
wurde entsprechend der Probe aus Phenazin und 1,2-Ethandiol violett. Das
Vis-Spektrum der violetten Probe hat ein Absorptionsmaximum bei 578 nm mit
Schultern
bei
377 und 434 nm. Aufgrund des niedrigen Schmelzpunktes des Butandiols
konnte die Reversibilität der Farbveränderung nicht getestet werden. Die
Ergebnisse der Untersuchungen der zusammengeschmolzenen Probe deuten
darauf hin, daß unter Bestrahlung vergleichbare Reaktionen, wie im Kokristall
aus Phenazin und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol ablaufen.
36
Kapitel 5.2
6
Versuche zur Kokristallisation von Phenazin mit weiteren
Diolen
Neben den in Kapitel 5.2 beschriebenen alkylsubstituierten Diolen wurden
auch
Pinakol
Gründen
in
beschriebenen
und
meso-Dicyclohexyl-1,2-ethandiol
die
Kristallisationsversuche
meso-1,2-Ethandiole
aus
einbezogen.
enthalten
anders
beschriebenen
Alle
weiteren
substituierte
aromatische Systeme als das meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol. Von Ihnen
konnten keine Kokristalle erhalten werden. Desweiteren sollte das deuterierte
meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol in den Kokristall mit Phenazin eingebaut
werden, da eine deutliche Separierung der OD- von der ND-Bande im IRSpektrum des bestrahlten Kokristalls erhofft wurde.
6.1
Phenazin und Pinakol
Es wurden Versuche unternommen, aus 95proz. wäßrigem Pinakol als
Lösungsmittel Kokristalle mit Phenazin zu erhalten. Die Kristallisationen
dauerten zum Teil einige Wochen. Alle Fraktionen bestanden aus reinem
Phenazin. Das IR-Spektrum einer zusammengeschmolzenen oder verriebenen
äquimolaren
Probe
ist
eine
reine
Überlagerung
der
Spektren
der
Einzelkomponenten. Der 2 min mit 33% der Strahlungsintensität einer Hg/XeHochdrucklampe (1 kW, UG5-Filter) bestrahlte Preßling liefert ein nicht mehr
auswertbares IR-Spektrum. Gleichfalls wird die Probe unter Bestrahlung nicht
paramagnetisch und behält ihre Farbe bei.
Versuche der Kokristallisation von Phenazin mit weiteren Diolen 37
6.2
Phenazin und meso-1,2-Dicyclohexyl-1,2-ethandiol
Mehrere Versuche, meso-1,2-Dicyclohexyl-1,2-ethandiol mit Phenazin zu
kokristallisieren, führten nicht zum gewünschten Erfolg. Das meso-1,2Dicyclohexyl-1,2-ethandiol ist in gängigen Lösungsmitteln ungewöhnlich
schlecht löslich. So konnten aus Aceton bei einem Verhältnis von 1 : 1 der
Komponenten
oder
mit
Phenazin
im
Überschuß
aus
Ethanol,
Essigsäureethylester oder wasserfreiem THF keine Kokristalle gewonnen
werden. Auch das Zusammenschmelzen oder Verreiben der Monomere
konnte keine Komplexbildung bewirken.
Von meso-1,2-Dicyclohexy-1,2-ethandiol konnten kleine Nadeln erhalten
werden, anhand derer die Kristallstruktur des Diols aufgeklärt werden konnte.
Die Raumgruppe, in der meso-1,2-Dicyclohexyl-1,2-ethandiol kristallisiert, ist
Pbcn. Jedes Diol ist mit vier weiteren Diolen über H-Brücken verbunden, wobei
das Wasserstoffatom der Hydroxygruppen stark fehlgeordnet ist (Abb. 6.2.1).
Abb. 6.2.1: Molekülstruktur des fehlgeordneten meso-1,2-Dicyclohexyl-1,2-ethandiols.
Das Diol ist zwar wie das meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol langgestreckt, doch
können die Csp2-H-Wechselwirkungen, die im Falle des Kokristalls aus meso1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol und Phenazin wirken, nicht ausgebildet werden
(Abb. 5.1.1). Die Bildung eines Kokristalls mit Phenazin könnte zusätzlich durch
die
sterisch
anspruchsvollen,
unpolaren
Cyclohexylringe
unterbunden
werden. Die Diole haben sich im Kristallgitter so angeordnet, daß jede
Hydroxygruppe zwei H-Brücken, je eine als Donor und eine als Akzeptor,
ausbilden kann. Zwischen vier meso-1,2-Dicyclohexyl-1,2-diolen bilden sich
38 Kapitel 6
quadratische Anordnungen aus, deren Ecken von den Sauerstoffatomen
gebildet werden (Abb. 6.2.2).
Abb. 6.2.2: Anordnung von vier meso-1,2-Dicyclohexyl-1,2-ethandiolen.
Die OO-Abstände liegen bei 280.3, 285.7 und zweimal bei je 274.5 pm
( = 143.2°/147.1°/168.4°/ 176.6°). Über die zweite Hydroxygruppe jedes Diols
erfolgt die zweidimensionale Vernetzung mit zwei weiteren Diolen. So bilden
sich Schichten, die außen lipophil und in der Mitte über starke H-Brücken
verknüpft sind.
6.3
Phenazin
und
meso-(O,O)-Dideutero-1,2-diphenyl-1,2-
ethandiol
Der photochrome Kokristall kann durch Zusammenschmelzen, Verreiben oder
Kristallisation aus Essigsäureethylester erhalten werden. Phenazin und das
deuterierte
Diol
wurden
in
äquimolarer
Zusammensetzung
bei
Raumtemperatur in wasserfreiem Essigsäureethylester unter Argon gelöst und
bei 4 °C kristallisiert. Da der Deuterierungsgrad des Diols von ursprünglich 99.7
% auf 87.0 % in den Kokristallen sank, scheint ein H/D-Austausch mit dem
Lösungsmittel stattgefunden zu haben. Um dies auszuschließen, könnte der
Versuche der Kokristallisation von Phenazin mit weiteren Diolen 39
Kokristall durch Verreiben beider Komponenten gewonnen werden. Die
Kristallstruktur
undeuterierten
ist
von
Fall
untergeordneter
bekannt
ist.
Bedeutung,
Aufgrund
der
da
sie
fehlenden
für
den
deutlichen
Separierung der OD- und ND-Valenzschwingungen im IR-Spektrum, die NDBande liegt als Schulter unter der OD-Bande, wurden weitere Versuche zur
Synthese dieses Kokristalls unterlassen.
6.4
Phenazin
und
meso-1,2-Bis-(4-dimethylaminophenyl)-1,2-
ethandiol
Äquimolare Mischungen in Ethanol und Essigsäureethylester wurden bei 40 °C
und 60 °C hergestellt und langsam auf Raumtemperatur abgekühlt. Es
wurden jedoch keine Kokristalle erhalten, und auch die intensive Verreibung
beider Komponenten führte im IR-Spektrum zu keiner Verschiebung von
charakteristischen
Valenzschwingungen.
Obwohl
sich
die
Dimethylaminogruppen in der Kristallpackung versetzt anordnen könnten,
scheinen sie die Kokristallbildung zu behindern.
6.5
Phenazin und 1,4-Bis-(hydroxymethyl)-benzol
Es wurden äquimolare Mischungen in Ethanol bzw. Essigsäureethylester bei
Raumtemperatur, bei 40 °C und 60 °C gelöst und langsam abgekühlt, ohne
daß Kokristalle isolierte werden konnten. Auch die intensive Verreibung und
das Zusammenschmelzen führte zu keiner Verschiebung charakteristischer
Valenzschwingungen im IR-Spektrum.
40 Kapitel 6
6.6
Phenazin und meso-1,2-Di(4-pyridyl)-1,2-ethandiol
Aus äquimolaren Mischungen in wäßrigem 80proz. Ethanol und Methanol
konnten keine Kokristalle isoliert werden, da das Diol aufgrund seiner
schlechten Löslichkeit immer zuerst ausfiel. Nur in DMSO ist das Diol besser
löslich, woraus es allerdings nicht mehr auskristallisiert. Desweiteren wurde
versucht,
einen
Kokristall
durch
Zusammenschmelzen
der
beiden
Komponenten unter Argon und unter Vakuum herzustellen. Die Mischungen
unter Argon färbten sich grüngrau. Das Zusammenschmelzen unter Vakuum
wurde abgebrochen, da Phenazin aus der Mischung sublimierte. Die IRSpektren dieser Proben sind eine Überlagerung der Einzelspektren. Auch
durch intensives Verreiben konnte kein anderes Ergebnis erzielt werden.
Nach einigen Versuchen gelang es, das als farbloses Pulver vorliegende
meso-1,2-Di(4-pyridyl)-1,2-ethandiol aus wäßrigem 80proz. Methanol so zu
kristallisieren, daß Kristalle ausreichender Größe und Qualität für eine
Röntgenstrukturuntersuchung erhalten werden konnten. Die in Abbildung
6.6.1.a/b gezeigten Ausschnitte aus der Struktur des Diols, das die
Raumgruppe Pbca besitzt, machen deutlich, warum das Diol so schlecht
löslich ist. An jedem Molekül wirken vier starke O-HN-Brücken, so daß ein
zweidimensionales
Netzwerk
ausgebildet
wird.
Der
NO-Abstand
ist
280.1 pm ( = 159.7°). Es werden keine Csp2-H- bzw. Csp2-HO-Wechselwirkungen beobachtet.
a)
b)
Versuche der Kokristallisation von Phenazin mit weiteren Diolen 41
Abb. 6.6.1: a) Ausschnitt aus der Kristallstruktur des meso-1,2-Di(4-pyridyl)-1,2ethandiols entlang der a-Achse; b) Seitliche Ansicht von Ausschnitt a.
Phenazin könnte im gewünschten Kokristall dem Diol jedoch nur zwei dieser
H-Brücken und die schwächeren Csp2-HN-Brücken und Csp2-H-Wechselwirkungen anbieten. Denkbar wäre z.B. die Bildung eines Kokristalls mit 2,7Dihydroxyphenazin, wenn eine vergleichbare Kristallstrukur, wie bei Phenazin
und meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol verwirklicht würde (Abb. 5.1.1/2). Die
Hydroxygruppen der Phenazinmoleküle könnten an den Stickstoffatomen der
Pyridylgruppen in den seitlich benachbarten Ketten angreifen.
6.7
Phenazin und meso-Weinsäuredimethylester
Die beiden Komponenten wurden bei verschiedenen Temperaturen in
Essigsäureethylester, Chloroform und in wasserfreiem Methanol gelöst. In allen
Fällen kristallisierten die Komponenten nebeneinander aus. Die durch
Verreiben oder Zusammenschmelzen erhaltenen hellgelben Proben zeigten in
den IR-Spektren keine neuen oder verschobenen Absorptionsbanden. Die
beiden möglichen intramolekularen H-Brücken im Weinsäureester könnten die
Kokristallisation verhindern. Das IR-Spektrum des Esters zeigt allerdings nicht die
für
diesen
Fall
zu
erwartende
Valenzschwingungsbande.
starke
Erniedrigung
der
C=O-
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