3274_Akzente_1_07_RZ 20.4.2007 14:09 Uhr Seite 15 ATEMGESTEUERTE BESTRAHLUNG AKZENTE 1/07 Atemgesteuerte Bestrahlung beim Mamma-Karzinom Die postoperative Strahlentherapie der weiblichen Brust gehört heutzutage zur Standardbehandlung des Mamma-Karzinoms. Dabei wird die Mamma in der Regel über tangentiale Gegenfelder bestrahlt, damit Lunge und Herz der Patientinnen möglichst gut geschont werden können. Dennoch ist bei Bestrahlung der linken Mamma in manchen Fällen ein Teil des Herzens im bestrahlten Volumen, insbesondere wenn es vergrössert ist oder anatomisch dicht an der Brustwand anliegt. Zudem entfalten bestimmte bei der Therapie des Mamma-Karzinoms eingesetzte Chemotherapeutika eine kardiotoxische Wirkung. Deshalb ist in diesen Fällen in der Radio-Onkologie des Lindenhofspitals die atemgesteuerte Bestrahlung die Methode der Wahl, da sie eine markante Reduktion der kardialen Belastung ermöglicht. Herz- und Lungenschonung Die atemgesteuerte Bestrahlung nutzt die Tatsache, dass durch die Ausdehnung der Lunge in Inspiration der Abstand zwischen Zielvolumen (Mamma) und Herz markant vergrössert und das Herz gegenüber der Mamma gleichzeitig nach caudal verschoben wird (Abb. 1). Dadurch wird das Herz vollständig aus dem bestrahlten Volumen entfernt und optimal geschont (Abb. 2). Gleichzeitig lässt sich in Inspiration die Lungenbelastung vermindern, da der Hochdosisbereich wegen der Ausdehnung der Lunge weniger Lungenzellen umfasst als in Exspiration oder in Atem-Mittellage. Diese Effekte führen zu einer signifikanten Verminderung des Risikos der betreffenden strahlenbedingten Nebenwirkungen (kardiale Beschwerden, Pneumonitis etc.). Abb. 1: Aus CT-Aufnahmen digital rekonstruierte Röntgenbilder des medialen Bestrahlungsfeldes (gel- Real-Time Überwachung der Atmung Zur Kontrolle der Atemlage der Patientinnen und der entsprechenden Steuerung des zur Bestrahlung verwendeten Linearbeschleunigers wird das RPM (Real-Time Position Management) System der Firma Varian verwendet. Ein mit Infrarot-Reflektoren bestückter Markerblock wird an einer für die Atemtätigkeit repräsentativen Stelle auf der Patientin befestigt (Abb. 3). Mit einer Infrarot-Kamera wird nun die Bewegung des Markerblocks beobachtet und die Atemkurve aufgezeichnet (Abb. 4). Mittels Audio- und Video-Feedback wird die Patientin zu stabiler, reproduzierbarer Atemtätigkeit mit tiefer Inspiration angeleitet. be Kontur). CT in Atem-Mittellage (oben), CT in Inspiration (unten). Das Herz (rote Struktur) befindet sich bei Bestrahlung ohne AtemSteuerung oft teilweise im bestrahlten Volumen. 15 3274_Akzente_1_07_RZ 20.4.2007 14:09 Uhr Seite 16 Abb. 2: Therapieplan und Dosisverteilung bei der Mamma-Bestrahlung mit tangentialen Feldern. Die Belastung des Herzens (rote Kontur) ist bei Bestrahlung in Atem-Mittellage (links) markant höher als bei Bestrahlung in Inspiration (rechts). (Beachte: Bezüglich Mamma genau die gleiche Schnittebene!) Abb. 3: Positionierung des Markerblocks zur Beobachtung der Atemtätigkeit der Patientin. 16 3274_Akzente_1_07_RZ 20.4.2007 14:09 Uhr Seite 17 Atemsteuerung («Respiratory Gating») des Linearbeschleunigers Mit dem RPM-System lässt sich der Bereich des Atemzyklus, während dessen der Beschleuniger Strahlung abgeben soll, genau festlegen. Bei der Mamma-Bestrahlung liegt dieser Bereich in der Inspirationsphase. Der Beschleuniger wird nun direkt vom RPM-System so angesteuert, dass nur dann Strahlung produziert wird, wenn sich die Atemamplitude der Patientin im erlaubten Bereich befindet (Abb. 4). Zur Kontrolle wird bereits vor der Bestrahlung mittels Feldkontrollaufnahmen verifiziert, dass die Durchführung der Bestrahlung der Planung und Simulation der Therapie entspricht (Abb. 5). Abb. 4: Zeitlicher Verlauf der Atmung (obere Kurve) während der Bestrahlung. Das «Beam Enable»Signal (Strahlungsfreigabe, untere Kurve) wird nur dann an den Beschleuniger gesandt, wenn sich das Atemsignal zwischen der blauen und roten Linie (d.h. Patientin in Inspiration) befindet. Abb. 5: Qualitätssicherung der atemgesteuerten Bestrahlung am Beispiel des medialen Bestrahlungsfeldes. Es wird sichergestellt, dass die automatisch durch das RPM-System ausgelöste Bestrahlung in der gleichen Atemlage erfolgt wie deren Planung und Simulation: CT-Planung (links), Simulation (Mitte), Feldkontrolle am Beschleuniger (rechts). 17 3274_Akzente_1_07_RZ 20.4.2007 14:09 Uhr Seite 18 Virtuelle Immobilisierung Bei normaler Atmung in Liegeposition bewegt sich die Brust um bis zu 1 cm in antero-posteriorer Richtung. Bei normaler Planung muss dieser Bewegungsunsicherheit durch die Wahl von geeigneten Sicherheitsabständen Rechnung getragen werden, was in der Regel zu grösseren Bestrahlungsfeldern und dadurch grösseren bestrahlten Volumina führt. Durch Gating des Beschleunigers in einem bestimmten Bereich der Atemkurve mit einer minimalen, durch den Gating-Bereich festgelegten restlichen Positionierungsunsicherheit, kann somit der Effekt einer Immobilisierung des Zielvolumens während der Bestrahlung erzielt werden. Dieser Effekt lässt sich bei der Bestrahlung von weiteren, durch die Atmung beeinflussten Tumorlokalisationen (Lunge, Leber, Pankreas etc.) zu einer in diesen Fällen besonders vorteilhaften Reduktion der bestrahlten Volumina ausnutzen. Glossar Radio-onkologische Abkürzungen und Fachausdrücke IMRT IGRT ESRT Gating Intensitätsmodulierte Radiotherapie Image Guided Radiation Therapy (bildgesteuerte Strahlentherapie) Extracranielle Stereotaktische Radiotherapie Bestrahlungssteuerung auf Grund der Bewegung des Zielvolumens, z.B. atemgetriggerte Radiotherapie On Board-Imaging Radiologische Lokalisation des Zielvolumens auf dem Bestrahlungstisch mittels Röntgenanlage oder Cone Beam CT PSI Prostata-Seed-Implantation; auch LDR-Brachytherapie der Prostata genannt * HDR-Brachytherapie High Dose Rate Brachytherapie. Einbringen der Strahlenquelle(n) in den Körper und bestrahlen mit hoher Dosisleistung * Cone Beam CT Computertomographie, die mit Flachdetektoren durchgeführt wird. Am Linearbeschleuniger erlaubt diese Technik Computertomographien auf dem Bestrahlungstisch zur Verifikation des Bestrahlungsvolumens in 3 Dimensionen. PET-CT-Planung 3D-Bestrahlungsplanung auf Basis der geometrisch aufeinander abgeglichenen Informationen von PET und CT * Body Stereotaxie s. ESRT Organ-Tracking Bestrahlungstechnik mit Berücksichtigung der aktuellen Position des zu bestrahlenden Organs unabhängig z.B. vom Füllungszustand von Hohlorganen * * siehe Akzente 2 / 06 (kann nachbestellt oder auf www.radio-onkologie.ch/lindenhof nachgelesen werden). 18