Kap7.5_Diskussion

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Kapitel 7.5
7.5
Diskussion aller Kokristalle aus Phenazin mit Diolen, Dicarbonsäuren und Diaminen sowie ein Ausblick
7.5.1 Diskussion der Strukturen
Die Untersuchungen der Strukturen an den Kokristallen aus Phenazin mit
verschiedenen bifunktionellen, symmetrischen Verbindungen zeigen die
vielfältigen Möglichkeiten der supramolekularen Erkennung, die sich allein
einer
einzelnen,
Partnermolekülen
symmetrischen
darbietet.
Die
Verbindung
gewählte
mit
wechselnden
Verbindung
schöpft,
in
Abhängigkeit vom angebotenen Partner, das gesamte Repertoire der zur
Verfügung stehenden nichtkovalenten Wechselwirkungen aus, die von den
starken
N/O-HN-
über
schwächere
Csp2-HN/O-Brücken bis zu den schwachen Csp2-H-Wechselwirkungen
reichen.
In der Struktur mit meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol sind alle Phenazinmoleküle
äquivalent O-HN verbrückt, und es werden unendliche Ketten gebildet. In
anderen
Strukturen
zweidimensionale
werden
Stapel
O-HN
aufgebaut,
und
wie
es
Csp2-HN/O
in
den
verbrückte
Kokristallen
mit
Hydrochinon, 1,5-Dihydroxynaphthalin und 4,4´-Dihydroxybiphenyl der Fall ist;
untereinander
sind
diese
Stapel
wiederum
Csp2-HO/ verknüpft. Während die Phenazinstapel im Kokristall aus Phenazin
mit 2,2´-Dihydroxybiphenyl aus diskreten, aus fünf Molekülen bestehenden OHN verbrückten, dreidimensionalen Untereinheiten aufgebaut werden.
Eine weitere Besonderheit einiger Strukturen ist, daß die Phenazinmoleküle
innerhalb dieser unterschiedlich gebunden vorliegen. In der Struktur mit 2,2´Dihydroxybiphenyl liegt ein Phenazinmolekül symmetrisch O-HN verbrückt
vor, während zwei weitere nur über eine O-HN-Brücke gebunden sind. Die
einfach gebundenen Phenazinmoleküle liegen, vergleichbar den “Zähnen
eines Reißverschlusses“, übereinander gestapelt vor. Auch im Kokristall mit
4,4´-Dihydroxybiphenyl sind die Phenazinmoleküle nicht alle gleich Hbrückengebunden. Ein Molekül ist symmetrisch über zwei O-HN-Brücken
Diskussion der Kokristalle mit Phenazin
107
gebunden und an zwei weiteren sind ausschließlich Csp2-HN-Brücken
ausgebildet. Ähnliche Verhältnisse liegen im Kokristall mit 5,10-Dihydrophenazin vor. Von drei Phenazinmolekülen ist eines symmetrisch N-HN- und
die beiden verbleibenden sind symmetrisch Csp2-HN-brückengebunden.
7.5.2 Diskussion von Struktur und Reaktivität
Obwohl
allein
neun
Kokristalle
aus
Phenazin
mit
verschiedenen
Spacermolekülen dargestellt wurden, sind von den röntgenographisch
untersuchten
nur
zwei
photoaktiv.
Beiden
gemeinsam
ist,
daß
alle
Phenazinmoleküle ausschließlich symmetrisch über zwei O-HN-Brücken
gebunden sind. Keiner der Kokristalle, in denen nicht jedes Phenazinmolekül
symmetrisch
über
(4,4´-Dihydroxybiphenyl)
Stickstoffatome
über
gebunden
diese
O-HN-Brücken
ist
oder
H-Brücken
nur
verfügt
eines
der
beiden
(Hydrochinon,
2,2´-
Dihydroxybiphenyl, 1,5-Dihydroxynaphthalin), ist photoaktiv. Aber selbst zwei
der vier Kokristalle, in denen diese Punkte erfüllt sind (Fumarsäure, 2,3Dihydroxyfumarsäure), sind nicht photoaktiv, so daß die relative Orientierung
der Phenazinmoleküle zueinander ebenfalls von entscheidender Bedeutung
ist. Um eventuell vorhandene Gemeinsamkeiten in der relativen Orientierung
der Phenazinmoleküle zueinander zu erkennen, sind in der Tabelle 7.5.2.1 alle
wesentlichen geometrischen Parameter aufgelistet. Die Abbildung 7.5.2.1
stellt eine schematische Ansicht eines Ausschnitts aus den Strukturen der Hbrückengebundenen Phenazinmoleküle dar (N—N; Ansicht auf die kurze
Molekülachse des Phenazinmoleküls).
X H
N1A
N1
H X
1
X H
X H
N2
N3
N2A
N3A
H X
H X
X = O, N, C sp2
108
Kapitel 7.5
Abb. 7.5.2.1: Schematische Darstellung eines Ausschnitts aus den Strukturen der
Kokristalle mit Phenazin und den bifunktionellen Partnermolekülen. In einigen
Strukturen sind nicht alle Phenazinmoleküle zweifach X-HN gebunden, so daß dann
ein X-H-Fragment in der Abbildung wegfällt (Tabelle 7.5.2.1[f]).
Tabelle 7.5.2.1: Vergleich einiger Abstände [pm] und Winkel [°] in den Kokristallen mit
Phenazin.
Kokristall aus Phenazin
1
N1—N2
und
N1—N2—
N—N—C[a]
besondere
Eigenschafte
N2A
n
meso-1,2-Diphenyl-
309.0
566.1
141.7
106.9
b]
1,2-ethandiol
Fumarsäure
photochrom[
327.0[c]
534.3
141.8
96.1
keine
530.6
141.4
99.4
thermische
312.9[d]
2,3-Dihydroxy-
321.1[c]
fumarsäure
309.8[d]
Oxalsäure
340.5[c]
Reaktion
385.5
104.7
113.4
photoaktiv[e]
717.9
126.9
131.5
keine
720.4
127.0
131.6
keine
370.5/377.9[f]
105.1
106.6
keine
383.0
106.0
109.1
352.7
374.6
103.3
103.1
342.7
370.5
110.5
100.0
1,5-
343.2
380.3
107.3
93.5
Dihydroxynaphthalin
350.4
391.7
108.0
128.3
5,10-Dihydrophenazin
347.6
623.4
99.5
144.2
323.8[d]
2,2´-
323.6
Dihydroxybiphenyl
Acridin und
2,2´Dihydroxybiphenyl
4,4´-
343.3
Dihydroxybiphenyl
Hydrochinon
keine
keine
CT
(1 : 1)
5,10-Dihydrophenazin
346.87 381.6/393.6
107.5/105.4 109.8/110.0
CT
Diskussion der Kokristalle mit Phenazin
109
352.1
(1 : 3)
[a]Winkel
384.7
102.1
112.0
zwischen den Verbindungslinien der langen Molekülachsen, [b]Reversibel,
[c]Zwischen
[f]Abstände
Phenazinmolekülen, [d]Zwischen den Dicarbonsäuren, [e]Irreversibel,
eines
Phenazinmoleküls
mit
zwei
O-HN-Brücken,
zu
einem
benachbarten ohne diese Brücken.
Zwischen den beiden Strukturen der lichtempfindlichen Kokristalle sind keine
Gemeinsamkeiten in der relativen Anordnung der Phenazinmoleküle zu
erkennen. Sowohl der Abstand der Moleküle als auch die seitliche
Verschiebung
sind
stark
unterschiedlich.
Obwohl
Hydrochinon,
2,2´-
Dihydroxybiphenyl, 4,4´-Dihydroxybiphenyl und 1,5-Dihydroxynaphthalin im
Vergleich zum meso-1,2-Diphenyl-1,2-ethandiol relativ leicht deprotonierbar
sein sollten oder Wasserstoffatome abgeben können, wurde dies bei der
Bestrahlung der Kokristalle nicht beobachtet.
Die Reversibilität der Photochromie im System aus Phenazin und meso-1,2Diphenyl-1,2-ethandiol und die irreversible Protonierung im Kokristall aus
Phenazin und Oxalsäure könnte auf die höhere Basizität des gebildeten
Alkoholates, im Gegensatz zum Carboxylat, zurückgeführt werden.
7.5.3 Ausblick
Über
die
entsprechende
Feinabstimmung
durch
die
eingesetzten
Spacermoleküle, die hier gleichzeitig Protonendonatoren sind, sollte es
prinzipiell gelingen, auch mit anderen heteroaromatischen Weitz-Systemen
photochrome Kokristalle zu entwickeln. Eine Vorhersage der Photochromie,
ohne die Kenntnis sehr ähnlicher Kristallstrukturen, ist nicht möglich, da schon
geringste Änderungen in der Struktur diese verhindern können. Deutlich wird
dies an den Kokristallen des Phenazins mit Dicarbonsäuren. Die Photoaktivität
110
Kapitel 7.5
des in der vorliegenden Arbeit nicht mehr vollständig charakterisierten
Kokristalls aus Chinoxalin und Oxalsäure hat sich bestätigt. Auch diese
Kombination
bildet
Ketten,
in
denen
die
relative
Orientierung
der
Chinoxalinmoleküle für einen photochemisch induzierten Elektronentransfer
günstig ist. Die farblosen Kristalle werden an Tageslicht blau.
Phenazin ist auch weiterhin als Komponente in den Kokristallen interessant, da
die Kristallisation mit Isophthalsäure eventuell zu einem 2 : 2 Kokristall mit
Ringbildung
führen
könnte.
Im
günstigsten
Fall
haben
die
beiden
Phenazinmoleküle die richtige Orientierung zueinander und der Kokristall ist
photoaktiv. In diesem Fall würden dann mehr oder weniger separierte Dimere
gebildet.
Weitere
interessante
Variationsmöglichkeiten
wären
die
Kombination von Chinoxalin mit 1-Phenyl-1,2-ethandiol oder meso-1,2Diphenyl-1,2-ethandiol.
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