Einführung in die Festkörperphysik II Prof. P. Böni Lösung zu Blatt 16 Klaus Lorenz 18.4.2003 http:/www.ph.tum.de/lehrstuehle/E21/uebungen/uebungen.html Aufgabe 1: Störungsrechnung nahe einer Zonengrenze E 3,7eV 1eV 0 1 2 2π 3 k a a) Wie groß ist die effektive Masse eines Elektrons bei 1, 2 und 3? Lösung: Für die effektive Masse m * gilt in dieser eindimensionalen Betrachtung: 1 1 ∂2E = m *n h 2 ∂k 2 (1.1) In der Umgebung von k=0 (Position 1) ist die Dispersionskurve nahezu identisch mit der eines freien Elektrons, so dass sich in diesem Bereich die effektive Masse kaum von der Ruhemasse des Elektrons unterscheidet. Bei Position 2 hat die Dispersionskurve einen Wendepunkt. Die effektive Masse m* des Elektrons geht hier somit gegen unendlich. In der Umgebung k=π/a+δk von Position 3 erhält man aus der Störungsrechnung (siehe Übungsblatt 15; Aufgabe 1) oberhalb und unterhalb der Energielücke einen parabolischen Energieverlauf h 2 π 2 2 h2 E (δk ) = E ± + 1 ± (δk ) 2 m a ∆ E 2 m h2 π ∆E , mit E ± = ± 2m a 2 2 (1.2) Die Krümmung dieser Parabel ist 2 ∂ 2E( δk) h 2 π 2 h 2 = 1 ± ∂ (δk ) 2 m a ∆E m (1.3) Die zwei Unbekannten a und ∆E erhält man aus den in der Zeichnung angegebenen Werten h2 π = 3,7 eV 2m a 2 und ∆E=1eV (1.4) Setzt man dies in (1.3) ein, erhält man für die effektive Masse: m *± = h2 me 0,063m e = = 2 2 − 0,072m e ∂ E( δk) 1 ± 2 ⋅ 3,7 eV 2 1eV ∂ (δk ) (1.5) b) Welche Gruppengeschwindigkeit hat das Elektron? Lösung: Die mittlere Geschwindigkeit Gruppengeschwindigkeit eines Elektrons v= ∂ω 1 ∂E = ∂k h ∂k im Kristall ist durch die (1.6) gegeben. Sie ist somit an den Positionen 1 und 3 Null und bei 2 maximal. Die mittlere Geschwindigkeit von Elektronenwellen mit k=nπ/a (n∈Ù) ist Null, da für diese die Bragg-Bedingung erfüllt ist, sie reflektiert werden und sich so eine stehende Elektronenwelle ausbildet. 2 Einschub: Berechnung der elektrischen Leitfähigkeit mit der Boltzmann-Gleichung Für die folgende Herleitung gehen wir von statistisch homogenen Bedingungen im Ortsraum aus (keine thermoelektrischen Effekte) und setzen ferner voraus, dass für beide Spinzustände des Elektrons dieselbe Funktion E(k) gelte. Die Verteilungsfunktion f hängt dann nur von k ab. Die elektrische Stromdichte j ist gegeben durch ∞ ∞ ∞ 0 0 −∞ j = e∫ v (E) n ( E)dE = 2e∫ v( E) D( E)f ( E) dE = 2e ∫ v( k )D(k ) f (k )d 3k (2.1) 3 L 3 Mit D (k ) d k = d k und L = 1 ergibt sich hieraus 2π ∞ e j = − 3 ∫ v(k ) f ( k )d 3 k 4π − ∞ 3 (2.2) An dieser Stelle kann man schon erkennen, warum ein gefülltes Band nicht zum Strom beiträgt. Bei einem gefüllten Band ist f(k) = 1 in der ganzen Zone, sodass e jn = − 3 4π ∞ ∫v n (k )d 3k . (2.3) −∞ Unter der Annahme, dass die Störung der Bandstruktur En(k) durch die angelegten Felder vernachlässigbar ist, gilt En(k) = En(-k) und somit vn(k) = -vn(-k), wodurch das Integral in (2.3) zu null wird. Analog verschwindet dieses Integral für den Fall einer ungestörten Verteilungsfunktion f 0 (k ) = 1 , exp((E n (k ) − µ ) / k B T) + 1 (2.4) da in diesem Fall f0(k) = f0(-k) gilt. Schaltet man zum Zeitpunkt t = 0 ein homogenes, zeitlich konstantes elektrisches Feld E ein, liefert die Bewegungsgleichung hk& = −eE für ein einzelnes Elektron k ( t ) = k ( 0) − e E t = k ( 0) + δ k ( t ) h (2.5) Wie in Abb. 1 in einer Dimension skizziert, führt dies zu einer Verschiebung von f0(k) um δk(t), womit man für die gestörte Verteilungsfunktion f(k, t) = f0(k-δk(t)) erhält. Wie ein bisschen später gezeigt wird, ist δk(t) nur eine kleine Störung, so dass man diesen Ausdruck wie folgt entwickeln kann: e f (k , t ) = f 0 ( k ) − ∇ k f 0 ( k )δk ( t ) = f 0 (k ) + ∇ k f 0 (k ) Et h (2.6) Da die ungestörte Fermi-Verteilung (2.4) nur über E(k) von k abhängt gilt f (k , t ) = f 0 ( k ) + ∂f 0 ∂f e ∇ k E( k ) Et = f 0 ( k ) + 0 v(k ) eEt ∂E h ∂E 3 (2.7) f(k,t) 1,4 1,2 Fermi-Funktion gestört 1,0 ungestört 0,8 0,6 δk 0,4 0,2 0,0 -1,6 -1,2 -0,8 -0,4 0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 k Abb. 1: Verschiebung der Fermi-Funktion durch E-Feld Das elektrische Feld bewirkt somit eine zeitliche Änderung der Verteilungsfunktion ∂f ∂f (k , t ) = 0 v( k )eE ∂t Feld ∂E (2.8) Streuprozesse im Kristall sorgen nun dafür, dass sich die Verteilungsfunktion nicht immer weiter verschiebt, sondern innerhalb der Brillouin-Zone in einen Gleichgewichtszustand gelangt. Die Verteilungsfunktion der Elektronen kehrt nach der Relaxationszeit τ(k) in die ungestörte Verteilungsfunktion f0(k) zurück. Die zeitliche Änderung der Verteilungsfunktion durch Stöße wird somit durch f (k , t ) − f 0 (k ) ∂f (k , t ) =− ∂t Stöße τ(k ) (2.9) beschrieben. Nach der Boltzmann-Gleichung für ein homogenes System gilt im stationären Zustand ∂f (k , t ) ∂t + Feld ∂f (k , t ) = 0, ∂t Stöße (2.10) ∂f 0 v (k )eEτ(k ) ∂E (2.11) woraus zusammen mit (2.8) und (2.9) folgt: f (k ) = f 0 (k ) + Setzt man dies in (2.2) ein erhält man j=− e 4 π3 ∞ ∫ v(k ) f 0 (k ) + −∞ ∂f 0 v(k ) eEτ(k ) d 3 k ∂E (2.12) Dies vereinfacht sich aufgrund der Symmetrie von f0(k) zu j=− e2 4π 3 ∞ ∂f 0 ∫ v(k ) ∂E v (k )Eτ(k )d k −∞ 4 3 (2.13) kz dk⊥ dS Für die Integration wählt man als Volumenelement im kRaum ein Prisma zwischen zwei Flächen konstanter Energie E(k)=E und E(k)=E+dE, das auf diesen Flächen senkrecht steht, die Grundfläche dS und Höhe dk⊥ hat (siehe Abbildung 2). Dessen Volumen ist E+dE=const E=const d 3k = dSdk ⊥ = ky dE dE dS = dS ∇ k E (k ) h v(k ) (2.14) Hiermit wird (2.13) zu kx Abb. 2: Volumenelement zwischen zwei Flächen konstanter Energie j=− e2 ∂f ( v(k ) E) v(k ) τ(k ) 0 dEdS 3 ∫ ∫ 4π h Energie Fläche ∂E v(k ) (2.15) Man erkennt an dieser Stelle, dass in einem Metall nur die Elektronen in Zuständen nahe der Fermi-Fläche zum Strom beitragen, da nur dort der Term δ Ef0(E) innerhalb eines Energiebereichs von kBT von Null verschieden ist. Für Tà0 geht dieser Term in eine δFunktion bei EF über. Man erhält deshalb eine gute Näherung für den Strom, wenn man als Integrationsfläche die Fermi-Fläche E=EF nimmt, und für v(k) und τ(k) die Werte an der Fermi-Fläche einsetzt. Hiermit wird (2.15) zu j=− e2 ( v(k ) E) v(k ) ∂f 0 τ( k ) dS ∫ dE 3 ∫ 4π h Fermi − Fläche v(k ) ∂ E Energie (2.16) Die Integration über die Energie ergibt ∞ ∂f 0 ( E ) dE = f 0 ( ∞ ) − f 0 ( 0) = −1 ∂E 0 ∫ v xv x Mit der Schreibweise für das dyadische Produkt ( v o v = v y v x v v z x (2.17) vx vy vy vy vz v y vx vz v y v z ) erhält man v z v z e2 v( k ) o v(k ) j = 3 τ( k ) dS E = σE ∫ 4 π h v ( k ) Fermi −Fläche (2.18) Hierin ist die Leitfähigkeit σ ein Tensor zweiter Stufe. Betrachtet man ein kubisches System entartet der Tensor der Leitfähigkeit zu einer skalaren Größe. Für E = 1 ( E 0 , E 0 , E 0 ) folgt: 3 v 2x + v 2y + v 2z e 2E 0 1 1 e2 E 0 j= ( jx + jy + jz ) = τF dS = τ F v F dS vF 12π 3h ∫ 3 3 4π 3h 3 ∫ (2.19) Im Fall freier Elektronen gilt mv=hk und damit auch mvF = hkF . Die Fermi-Fläche ist eine Kugel vom Radius kF =(3π 2n)1/3, wobei n die Dichte der Elektronen ist. Benutzt man dies in (2.19) führt dies auf die altbekannte Drude-Leitfähigkeit ne 2 τ F j= E0 m 5 (2.20) Aufgabe 2: Auswirkungen eines äußeren Magnetfeldes a) Wie lautet die Zustandsdichte für ein freies Elektronengas in einem Kristall mit dem Volumen L3 ? Lösung: Die möglichen Werte der Komponenten ki (i=x,y,z) des Wellenvektors in einem kubischen Kristall vom Volumen L3 sind durch die Bedingung ki = 2π n i , mit ni ∈ Ù L (3.1) gegeben. Ein Zustand beansprucht somit im k-Raum das Volumen (2π/L)3. Das Volumenelement dkx dky dkz enthält 3 L dZ k = dk x dk y dk z 2π (3.2) Zustände. Über die E(k)-Beziehung ist der Dichte im k-Raum auch direkt eine Eigenwertdichte D(E)=dZE/dE zugeordnet. Diese ergibt sich aus der Zahl der Zustände dZE, die im k-Raum zwischen Flächen konstanter Energie E=const. und E+dE=const. enthalten sind: E+ dE L D( E) dE = ∫ dZ k = 2π E 3 E+ dE ∫ dk x dk y dk z (3.3) E Als Volumenelement im k-Raum wählt man wiederum ein Prisma zwischen zwei Flächen konstanter Energie E(k)=E und E(k)=E+dE, das auf diesen Flächen senkrecht steht, die Grundfläche dS und Höhe dk⊥ hat (vgl. 2.14 und Abb. 2). dE dS ∇ k E n (k ) (3.4) dS L D( E) dE = dE ∫ . ∇ k E n (k ) 2π E = const. (3.5) dk x dk ydk z = dSdk ⊥ = Hiermit wird (3.3) zu 3 Für quasifreie Kristallelektronen mit E(k)=h2k2/2m * vereinfacht sich (3.5) zu 3 m* L D( E) dE = dE 2 h 2π dS . k E = const. ∫ (3.6) Die Flächen konstanter Energie sind in diesem Fall Kugeln mit dem Radius k. Die Integration liefert somit die Kugeloberfläche, womit sich für quasifreie Kristallelektronen folgende Zustandsdichte ergibt: 3 3 m* 2 m *E L3 L D( E) dE = dE 2 4π = h h2 4π 2 2π 6 m* 2 2 E dE h (3.7) b) Der Kristall wird nun in ein homogenes Magnetfeld der Stärke B gebracht. Welche Energiewerte können die Elektronen jetzt annehmen? Zeigen Sie, dass sich in diesem äußeren Magnetfeld für die Zustandsdichte folgender Ausdruck ergibt: 3 − 1 2 L3 2 m* 2 hω c 1 D(l , E )dE = E − l + h ω dE c ( 2π ) 2 h 2 2 2 eB mit ω c = * und der Landauschen Quantenzahl l. m Lösung: N freie Elektronen in einem Magnetfeld werden (ohne Berücksichtigung des Spins) durch den Hamiltonoperator N N 1 2 ( ) H=∑ p i − eA (ri ) = ∑ H i * i =1 2m i =1 (3.8) Um ein homogenes Magnetfeld in z-Richtung zu erhalten, wählt man als Vektorpotential A=(0,Bx,0)T, womit man den Einteilchenhamiltonian Hi = [ ] 1 2 p 2x + p 2z + (p y − eBx ) * 2m (3.9) erhält. Setzt man nun pz=hk z , py =hky , und die Zyklotronfrequenz ωc =eB/m * ein und führt anschließend die Transformation x = x0 + q , mit x 0 = − hk y (3.10) m * ωc durch, wird (3.9) zu [ ] 1 h 2 k 2z 2 2 Hi = p x + (m ωc q ) + 2m * 2 m* (3.11) Der erste Teil entspricht dem Hamiltonian des harmonischen Oszillators, der zweite, dem einer ebenen Welle in z-Richtung. Die Energieeigenwerte lauten somit: h2 2 1 E = l + hω c + kz 2m* 2 (3.12) Die ohne B-Feld in der kx ky -Ebene quasikontinuierlich verteilten Zustände kondensieren auf den durch E⊥ =const. definierten Zylindermänteln. Die Energie E⊥ der Elektronen ist gegeben durch E⊥ = h2 h2 2 2 2 ( k + k ) = k⊥ x y 2m * 2m * (3.13) Mit E⊥ berechnet sich die Zustandsdichte gemäß 3 L D ( E ⊥ , k z ) dE ⊥ dk z = 2πk ⊥ dk ⊥ dk z 2π 7 (3.14) Mit (3.13) wird dies zu D( E ⊥ , k z ) dE ⊥ dk z = L3 m * dE ⊥ dk z ( 2π) 2 h 2 (3.15) Für Bz?0 kann E⊥ nur noch bestimmte Werte annehmen (siehe (3.12)) deren Energieintervall ∆E⊥=hωc ist. Die Zahl der Zustände auf einer Bahn mit der Quantenzahl l ist somit D( l, k z ) dk z = L3 m * ωc dk z (2 π) 2 h (3.16) Sie ist unabhängig von k z und l, also für alle Quantenzahlen l gleich. Ersetzt man in (3.16) mit Hilfe von (3.12) dk z durch dE, erhält man den gesuchten Ausdruck für die Zustandsdichte 3 L 2 m* 2 hω c D(l , E )dE = ( 2π ) 2 h 2 2 3 8 − 1 2 1 E − l + 2 hω c dE (3.17) Aufgabe 3: Entartung eines Landauniveaus a) Die kinetische Energie eines Elektrons im Magnetfeld ist gegeben durch T = 1/2m * ωc 2r2. Für kleine Magnetfelder, wenn Landau-Quantisierung noch keine Rolle spielt, kann die Zustandsdichte durch die eines perfekten zweidimensionalen Systems angenähert werden. Berechnen Sie für den Fall, dass die gesamte Energie, d.h. die Fermi-Energie, gerade gleich der kinetischen Energie ist, den klassischen Zyklotronradius als Funktion der Ladungsträgerdichte. Vergleichen Sie das Ergebnis mit der quantenmechanischen, magnetischen Länge lc 2 = h/(eB). Lösung: Die Abhängigkeit der Fermi-Energie von der zweidimensionales Elektronengas (für T=0K) durch EF = Ladungsträgerdichte h2 (πn e ) 2m * ist für ein (4.1) gegeben. Für Temperaturen T<<TF verschiebt sich EF nur minimal, sodass diese Formel als gute Näherung verwendet werden kann. Wird die kinetische Energie des Elektrons senkrecht zum Magnetfeld gerade gleich groß dieser Fermi-Energie, gilt 1 * 2 2 e 2 B2 r 2 h2 m ωc r = = (πn e ) . 2 2 m* 2m * (4.2) Hieraus ergibt sich für den Zyklotronradius r= 1 h (πn e ) 2 = l2c πn e . eB 9 (4.3) b) Berechnen Sie die Zahl der Zyklotronkreise, die pro Fläche in die Probe passen. Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem quantenmechanischen Ergebnis für die Entartung eines Landauniveaus. Lösung: Betrachtet man die Energien von Landauniveaus (3.12) fällt auf, dass diese Energien unabhängig von ky , also bzgl. ky entartet sind. In einem würfelförmigen Kristall mit der Kantenlänge L gilt ky =2πn/L (n ∈ Ù). Der Entartungsgrad g ist gerade die Zahl der möglichen ky -Werte, also g= k y, max − k y, min 2π / L . (4.4) ky,max und ky,min erhält man aus der Bedingung, dass das Kastenpotential in x-Richtung auch die Länge L hat, also –L/2 = x = +L/2. Mit der Transformation (3.10) folgt hieraus m *ω c L m *ω c L q − ≤ k ≤ q + y h 2 h 2 (4.5) Der Entartungsgrad ist somit m *ω c L2 eBL2 g= = 2πh 2πh Die Anzahl der Zyklotronkreise, die pro Fläche in die Probe passen ist L2 L2 ( 4.3) e 2 B2 L2 = 2 = 2 2 A ZK r π h π ne 10 (4.6)